Landgericht Göttingen
Beschl. v. 04.06.2007, Az.: 51 BRs 59/03

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
04.06.2007
Aktenzeichen
51 BRs 59/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 60451
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2007:0604.51BRS59.03.0A

Fundstellen

  • NStZ-RR 2008, 293 (red. Leitsatz)
  • RPsych (R&P) 2008, 64-66

In der Maßregelvollstreckungssache

...

hat die große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen auf den Antrag der Staatsanwaltschaft nach Anhörung des Verurteilten durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... sowie die Richter am Landgericht ...

am 4. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die durch Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 28. April 2003 ausgesetzte Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem Urteil des Landgerichts S. vom 11. März 1991 wird für die Dauer von drei Monaten wieder in Vollzug gesetzt.

  2. 2.

    Diese Anordnung ist sofort zu vollziehen.

Gründe

1

I.

Gemäß § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB kann die Strafvollstreckungskammer eine ausgesetzte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus während des Laufs der Führungsaufsicht für die Dauer von (höchstens) drei Monaten wieder in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlechterung des Zustands des (bedingt) aus der Unterbringung entlassenen Verurteilten eingetreten ist und die Maßnahme erforderlich ist, um einen Aussetzungswiderruf nach § 67g StGB zu vermeiden. Diese Voraussetzungen liegen nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Verurteilten, des Sachverständigen K. und der behandelnden Ärztin, Frau F., vor.

2

1.

Gegen den Verurteilten besteht eine Maßregelanordnung nach § 63 StGB aus dem Urteil des Landgerichts S. vom 11. März 1991. Aufgrund dieser Anordnung war der Verurteilte vom 11. September 1991 bis zur Vollstreckungsaussetzung der Maßregel mit Wirkung vom 15. Mai 2003 nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

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Der Unterbringungsanordnung liegen drei Totschläge zugrunde, die der Verurteilte am späten Abend des 4. August 1990 zum Nachteil dreier Hausmitbewohner beging, indem er im gemeinsamen Treppenhaus insgesamt acht Schüsse aus einer 9 mm-Selbstladepistole auf sie abgab. Nach den Feststellungen des Landgerichts S. war die Einsichtsfähigkeit des Verurteilten während dieses Tatgeschehens aufgrund eines auf einer paranoischen Entwicklung beruhenden Verfolgungswahns aufgehoben; denn schon in der davor liegenden Zeit hatte er sich von seinen Tatopfern (zu Unrecht) gezielt gestört und in der Tatnacht schließlich beim Abschließen der Hauseingangstür (ebenfalls zu Unrecht) angegriffen gesehen. Als gefährlich wurde der Verurteilte seinerzeit eingeschätzt, weil er sich bis zur Hauptverhandlung nicht von seiner Wahnidee hatte distanzieren können, sondern im Gegenteil Verfolgungsideen inzwischen sogar auch auf Mitgefangene während seiner vorübergehenden Untersuchungshaft bezogen hatte. Die Behandlungsprognose sah das Gericht im Anschluss an den Sachverständigen Professor Dr. H. seinerzeit auch unter kombinierter Behandlung durch Psychotherapie und Medikamente als sehr ungünstig an.

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Gleichwohl wurde die weitere Maßregelvollstreckung schließlich nach mehr als elf-jähriger Unterbringungsdauer mit Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 28. April 2003 zur Bewährung ausgesetzt, nachdem unter konsequenter und namentlich von dem Verurteilten auch konsequent eingenommener antipsychotischer Medikation während der letzten Unterbringungsjahre einschließlich des seit dem 6. Mai 2002 andauernden Probewohnens im Pflegeheim S. keine Verhaltensweisen oder seelischen Störungen des Verurteilten mehr aufgetreten waren, die an seine frühere Aggressivität erinnerten.

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2.

Nach inzwischen vierjähriger Dauer der insgesamt auf fünf Jahre festgesetzten Führungsaufsicht hat sich jetzt eine kritische Entwicklung im Bewährungsverlauf eingestellt, die es angezeigt erscheinen lässt, die gegen den Verurteilten angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67h Abs. 1 Satz 1 StGBfür drei Monate befristet wieder in Vollzug zu setzen.

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a) § 67h StGB ermöglicht die befristete Wiederinvollzugsetzung der Maßregel, wenn sich der Zustand des Verurteilten nach seiner (bedingten) Entlassung aus der Unterbringung akut verschlechtert hat und deshalb eine zeitweise stationäre Behandlung erforderlich ist, um einen Aussetzungswiderruf nach § 67g StGB zu vermeiden. Im Interesse einer effektiven Krisenintervention ist die befristete Wiederinvollzugsetzung der Maßregel dabei auch schon unterhalb der Eingriffsschwelle der landesrechtlichen Bestimmungen über die Unterbringung psychisch Kranker und der Vorschrift über Sicherungshaft nach § 453c StPO zulässig. Eine akute gesundheitliche Verschlechterung kann deshalb schon anzunehmen sein, wenn der Verurteilte noch nicht psychisch dekompensiert, sondern von einer Dekompensation "lediglich" akut bedroht ist (BT-Drucks. 16, 1993, S. 16, sowie 16 / 4740, S. 51). Im Übrigen bedarf es einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für den Betroffenen selbst oder für Dritte (§ 16 Nds. PsychKG) oder hinreichender Gründe für die Annahme, dass die Aussetzung zur Bewährung widerrufen werden wird, und bestimmter Tatsachen, die die Gefahr erheblicher Straftaten des Verurteilten begründen (§ 453c StPO), nicht (vgl. BT-Drucks. 16 / 1993, S. 16f; auch schon Koller, Weggeschlossen für immer?, in: M. Osterheider [Hrsg.] Forensik 2004 - Aufbruch oder Stillstand, S. 181, 199f). Entscheidend ist allein, dass die Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Verurteilten ein Maß erreicht hat, das bei ungehinderter Weiterentwicklung voraussichtlich einen Widerruf der Aussetzung erforderlich machen würde, weil dann neue erhebliche Straftaten des Verurteilten zu erwarten sind (BT-Drucks. 16 / 4740, S. 51).

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b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

8

aa) Der gesundheitliche Zustand des Verurteilten hat sich im Laufe des letzten halben Jahres in einer Weise akut verschlechtert, dass er mittlerweile von einer psychotischen Dekompensation bedroht ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen K., der den Verurteilten in dem Pflegeheim S. psychiatrisch betreut, hat der Verurteilte nach zunächst unauffälligem Bewährungsverlauf seit etwa einem halben Jahr nämlich eine paranoide Wahnsymptomatik ausgebildet, die den Sachverständigen als behandelnden Arzt einbezieht. Außerdem weist der bei der letzten Laborkontrolle im Mai 2007 weit unterhalb des therapeutischen Bereichs liegende Blutspiegel des antipsychotischen Medikaments darauf hin, dass die regelmäßige Medikamenten-einnahme durch den Verurteilten nicht mehr gewährleistet ist.

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Im Einzelnen hat der Sachverständige dazu ausgeführt: Vor etwa einem Jahr habe das dem Verurteilten bis dahin verabreichte antipsychotische Medikament Fluanxol abgesetzt werden müssen, da als Nebenwirkung zunehmend neurologische Auffälligkeiten aufgetreten seien. Insbesondere habe der Verurteilte Symptome wie bei einer Parkinson-Erkrankung entwickelt, wodurch es in der Folge mehrfach zu Stürzen gekommen sei. Anstelle des Fluanxol sei dann das neuere Neuroleptikum Seroquel angesetzt worden. Unter der veränderten Medikation hätten sich die neurologischen Nebenwirkungen zwar alsbald gebessert. Auch sei der Verurteilte zunächst insgesamt aufgelebt, habe mehr Interesse an seiner Umwelt gezeigt und sich, anders als zuvor, sogar getraut, das Wohnheim zu gemeinsamen Aktivitäten zu verlassen. Seit ca. einem halben Jahr seien dann indessen wieder nachteilige Veränderungen beobachtet worden. So habe der Verurteilte begonnen, seine Körperpflege zu vernachlässigen. Außerdem habe er Mitarbeitern aus dem pflegerischen Bereich der Einrichtung anvertraut, dass er dem Sachverständigen nicht traue; dieser wolle sein, des Verurteilten, Einzelzimmer haben und ihn deshalb mit den verordneten Medikamenten vergiften. Schließlich sei im Mai 2007 der auffällige Laborwert erhoben worden, der auch zu dem insgesamt verschlechterten Zustandsbild des Verurteilten passe und dieses erkläre.

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Der Verurteilte selbst hat diesen Verlauf im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 31. Mai 2007 im NLKH G bestätigt. Er hat insbesondere auch erklärt, dass der Sachverständige K. ihm giftige Tabletten verordnet habe, nach deren Einnahme er u.a. Verdauungsprobleme und Schwindelgefühle gehabt und sich insgesamt unwohl gefühlt habe; der Sachverständige habe dies getan, um sich in den Besitz seines Einzelzimmers im [Pflegeheim S.] setzen zu können.

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bb) Vor diesem Hintergrund erscheint eine stationäre Krisenintervention unabdingbar, um den Eintritt einer widerrufsträchtigen Situation zu vermeiden.

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Die aktualisierte Wahnsymptomatik bedarf der Behandlung, weil ohne Behandlung dringend mit einer psychotischen Dekompensation des Verurteilten gerechnet werden müsste, in deren Folge schließlich auch erneute psychotisch motivierte, nämlich als Verteidigung gegen vermeintliche Angreifer gerichtete Aggressionshandlungen zu erwarten wären, so dass schlussendlich ein Aussetzungswiderruf nach § 67g Abs. 2 oder gar Abs. 1 Nr. 1 StGB unumgänglich würde.

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Die insoweit erforderliche Krisenintervention kann übrigens nur im stationären Rahmen erfolgen. Denn der mit dem Verurteilten vertraute Sachverständige K. kann die bisherige Behandlung im ambulanten Rahmen vorläufig nicht weiterführen, weil er im Mittelpunkt der aktuellen Verfolgungsvorstellungen des Verurteilten steht und dieser ihm Vergiftungsabsichten gerade im Zusammenhang mit der Medikamentenverordnung zuschreibt. Andere Psychiater hingegen sind nicht hinreichend mit dem Verurteilten vertraut. Auf eine genaue Kenntnis des Verurteilten und des konkreten Störungsbildes kann, zumal vor dem strafrechtlichen Hintergrund, indessen umso weniger verzichtet werden, als seine Misstrauenshaltung ausweislich seiner im Anhörungstermin sogar in Gegenwart des Sachverständigen wiederholten Befürchtungen nach wie vor festgefahren erscheint, obwohl er sich aufgrund einer Anordnung des Amtsgerichts G. vom 18. Mai 2007 bereits vorläufig im NLKH G. befindet und dort schon wieder das früher gegebene antipsychotische Medikament Fluanxol erhält.

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Darüber hinaus erscheint es auch aus medizinischen Gründen angeraten, die indizierte medikamentöse Neueinstellung in einem stationären Rahmen vorzunehmen. Denn der Sachverständige K. und die behandelnde Stationsärztin im NLKH G., Frau F., haben - nach dem ambulanten Behandlungsverlauf einleuchtend - auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Verurteilten bei der medikamentösen Einstellung eine gewisse Zeit im stationären Rahmen zu beobachten, um schnell auf Veränderungen des Zustandsbildes und auftretende Nebenwirkungen reagieren zu können. Dass der Verurteilte nach der zwischenzeitlich erfolgten Rückumstellung auf das Medikament Fluanxol bisher keine, insbesondere keine neurologischen Nebenwirkungen gezeigt habe, bedeute nämlich nicht, dass solche Nebenwirkungen bei längerer Behandlung nicht auftreten können. Dann aber sei es wegen der unter dieser Medikation aufgetretenen buchstäblichen Hinfälligkeit des Verurteilten notwendig, rasch reagieren zu können und andere Behandlungsalternativen zu erproben.

15

cc) Schließlich wird die indizierte stationäre Krisenintervention voraussichtlich innerhalb des von § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB zur Verfügung gestellten Zeitrahmens von drei Monaten abgeschlossen werden können. Hierzu haben der Sachverständige K. und die behandelnde Stationsärztin, Frau F., übereinstimmend erklärt, dass aus ärztlicher Sicht bei Berücksichtigung der Vorgeschichte des Verurteilten zwar eine längerfristige Überprüfung der Medikation notwendig erscheine, um ihre Wirkung und Verträglichkeit zuverlässig einschätzen und nötigenfalls auch weitere Korrekturen bzw. Umstellungen der Medikation vornehmen zu können. Der vom Gesetz vorgegebene Zeitrahmen werde aller Voraussicht nach aber (knapp) ausreichen, um den Verurteilten in einem Maße zu stabilisieren, dass seine anschließende Rückkehr in sein Zimmer im [Pflegeheim S.] unter Fortführung der ambulanten Behandlung möglich wird.

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c) Bei ihrer danach getroffenen Anordnung, die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus auf drei Monate befristet wieder in Vollzug zu setzen, hat die Strafvollstreckungskammer endlich bedacht, dass das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB noch keineswegs zur Anordnung dieser Maßnahme zwingt, sondern dass dem Gericht insoweit ein Rechtsfolgenermessen eingeräumt ist ("kann das Gericht"). Bei Abwägung aller Belange erscheint die befristete Wiederinvollzugsetzung der Unterbringung indessen nicht nur als sachlich gerechtfertigte, sondern sogar als dringend angezeigte Konsequenz aus dem festgestellten Befund.

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Ausgehend von der zweifelsfrei bestehenden akuten Behandlungsbedürftigkeit des Verurteilten sind nämlich Maßnahmen, die bei vergleichbarer Wirksamkeit weniger stark in seine Freiheitsrechte eingriffen, nicht ersichtlich. Ambulante Maßnahmen erscheinen nicht hinreichend erfolgversprechend. Und durch eine bloße Fortsetzung der derzeitigen Unterbringung nach dem Nds. PsychKG kann das anzustrebende Behandlungsziel ebenfalls nicht erreicht werden, weil diese Maßnahme allein an das Bestehen einer gegenwärtigen Selbst- oder Fremdgefährdung anknüpft und daher zu beenden ist, sobald diese konkrete Gefährdungslage beseitigt ist, während die Unterbringung nach § 67h StGB auf eine weitergehende Stabilisierung abzielt, die es dem Verurteilten ermöglicht, im Anschluss an die Behandlung in sein gewohntes oder neu geordnetes Lebensumfeld zurückzukehren und dort die weitere Bewährungszeit erfolgreich durchzustehen (vgl. BT-Drucks. 16 / 1993, S. 16 f.).

18

Außerdem trägt gerade die befristete stationäre Kriseninterventionsmaßnahme in besonderem Maße sowohl den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, die angesichts des Gewichts der Anlasstaten des vorliegenden Verfahrens (drei Tötungsdelikte) und der im Falle einer psychotischen Dekompensation des Verurteilten zu befürchtenden vergleichbaren, mindestens aber gegen die körperliche Integrität gerichteten Rückfalltaten hoch zu veranschlagen sind, als auch den Gesundheits- und den Freiheitsinteressen des Verurteilten Rechnung, der durch die Abwendung einer widerrufsträchtigen Situation letztlich vor einem für jenen Fall drohenden weitaus schwerer wiegenden Eingriff in sein Freiheitsrecht bewahrt wird.

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d) Der Verfahrensweise nach § 67h Abs. 1 StGB steht übrigens nicht entgegen, dass der Verurteilte durch das offensichtliche eigenmächtige Absetzen des von dem Sachverständigen K. verordneten neueren Neuroleptikums Seroquel gegen die Weisung aus dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 28. April 2003 verstoßen hat, die verordneten Medikamente so lange und in der Dosierung einzunehmen, wie dies aus ärztlicher Sicht erforderlich erscheint (Ziffer 5b) des Beschlusses). Zwar mag dieser Weisungsverstoß grundsätzlich geeignet erscheinen, auch einen Widerruf der Maßregel-aussetzung zur Bewährung gemäß § 67g Abs. 1 Nr. 2 StGB (mit) zu begründen. Indessen ergibt sich bereits aus dem im Gesetzeswortlaut ausdrücklich aufgeführten Ziel des § 67h StGB, einen Widerruf zu vermeiden, sowie weiter unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, dass der befristeten Wiederinvollzugsetzung der Maßregel der Vorrang gegenüber dem Aussetzungswiderruf mit dann wieder unbefristetem Unterbringungsvollzug zukommt (vgl. Peglau, NJW 2007, 1558, 1561; auch schon Koller, a.a.O., S. 199f und 201).

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II.

Zugleich mit der Anordnung der auf drei Monaten befristeten Wiederinvollzugsetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem Urteil des Landgerichts S. vom 11. März 1991 hat die Strafvollstreckungskammer die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme angeordnet. Diese Anordnung beruht auf § 463 Abs. 5 Satz 2 StPO. Danach erklärt das Gericht die Anordnung einer Maßnahme nach § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

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Erforderlich ist demnach zweierlei. Zum einen muss die Kriseninterventionsmaßnahme nach § 67h StGB sehr eilbedürftig und letztlich unaufschiebbar sein, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen, nämlich zu verhindern, dass eine bereits eingetretene Risikosituation bei ungehinderter Weiterentwicklung voraussichtlich einen Widerruf der Aussetzung zur Verhinderung neuer, erheblicher rechtswidriger Taten notwendig machen würde. Außerdem müssen die bei ungehinderter Weiterentwicklung der Risiko-situation zu erwartenden Taten derart schwer wiegen, dass das verfassungsrechtlich in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete und auch die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen umfassende Recht auf effektiven Rechtsschutz hinter dem überwiegenden Allgemeinwohlinteresse zurücktritt, die Maßnahme rechtzeitig in die Wege zu leiten (BT-Drucks. 16 / 1993, S. 24).

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Beide Voraussetzungen liegen vor. Im Falle einer psychotischen Dekompensation mit weiter verstärktem Verfolgungs- bzw. Vergiftungswahnerleben drohen gegen Leib und Leben gerichtete Aggressionshandlungen und damit schwerste und schwere rechtswidrige Taten des Verurteilten. Im Hinblick auf das schon deshalb anzunehmende hohe Gefährdungspotential und weiter unter Berücksichtigung seiner sehr ungünstigen gesundheitlichen Entwicklung während des zurückliegenden halben Jahres und seiner äußerst mangelhaften Compliance bei der medikamentösen Behandlung erscheint die stationäre Krisenintervention auch unaufschiebbar.

23

Der Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung der Maßnahme nach § 67h StGB steht schließlich nicht entgegen, dass der Verurteilte derzeit noch auf der Grundlage des Nds. PsychKG untergebracht ist. Denn diese Unterbringung knüpft an die Gegenwärtigkeit der (Fremd- oder Selbst-) Gefährdung an, die infolge der inzwischen wieder aufgenommenen antipsychotischen medikamentösen Behandlung alsbald entfallen kann, ohne dass damit auch schon der Zweck der Maßnahmen nach § 67h StGB und letztlich auch nach § 463 Abs. 5 Satz 2 StPO erreicht wäre. Denn § 67h StGB zielt anders als die vorläufige Maßnahme nach dem PsychKG nicht lediglich auf eine Entaktualisierung der Gefahr, sondern weitergehend auf eine nachhaltige Stabilisierung des Patienten ab und § 463 Abs. 5 Satz 2 StPO dient der Sicherung dieses weitergehenden Ziels durch Ermöglichung einer frühzeitigen Intervention, soweit dies im erheblichen Allgemeinwohlinteresse liegt.

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III.

Die Entscheidung entspricht der fernmündlich eingeholten Stellungnahme der Staatsanwaltschaft S..