Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.09.1989, Az.: 5 A 73/86

Sozialversicherungsrente; Beamtenrechtliche Versorgung; Versorgung; Ortszuschlag; Ausgleichsbestrag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.09.1989
Aktenzeichen
5 A 73/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12801
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0920.5A73.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 26.02.1986 - AZ: 3 OS A 116/84
nachfolgend
BVerwG - 23.03.1990 - AZ: BVerwG 2 B 164.89

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 3. Kammer Osnabrück - vom 26. Februar 1986 geändert.

Die Bescheide der Beklagten vom 9. März und 14. Mai 1984 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger, der seit 1938 im Dienst der Reichs- bzw. Bundesbahn stand, erhält seit dem 1. August 1980 von der Beklagten beamtenrechtliche Versorgung; daneben wird eine Sozialversicherungsrente gewährt.

2

Er wendet sich dagegen, daß die Beklagte den ihm nach Art. 2 § 2 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes (v. 22. 12. 1981, BGBl I S. 1523) zu gewährenden Ausgleich um die Hälfte des Betrages verringert, um den sich der kinderbezogene Anteil des Ortszuschlages aufgrund allgemeiner Erhöhungen erhöht hat.

3

Der Ausgleichsbestrag wurde in der Zeit von seiner ersten Festsetzung für den Monat Januar 1982 bis März 1984 wiederholt geändert und von ursprünglich 282,21 DM auf 192,52 DM verringert. Bei diesen Regelungen ließ die Beklagte zunächst die Erhöhungen des kinderbezogenen Anteils des Ortszuschlages außer Betracht, durch ihren Bescheid vom 9. März 1984 reduzierte sie jedoch den an den Kläger zu zahlenden Ausgleichsbetrag mit Wirkung vom 1. Juli 1984 um 2,91 DM und setzte ihn auf 188,61 DM fest. Dieser Minderbetrag entsprach der Hälfte der Beträge, um die sich der kinderbezogene Anteil des Ortszuschlages durch die Versorgungsanpassungsgesetze 1982 und 1983 erhöht hatte.

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Widerspruch und Klage des Klägers dagegen waren erfolglos; insoweit wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

5

In dem Urteil des Verwaltungsgerichts ist zur Begründung ausgeführt, daß nicht die Einordnung des kinderbezogenen Anteils am Ortszuschlag in das Versorgungsgefüge im allgemeinen maßgebend sei, sondern die Beurteilung, ob die Übergangsvorschrift des Art. 2 § 2 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes die Anrechnung auch der auf diesen Anteil entfallenden Erhöhungen auf den zu zahlenden Ausgleich habe regeln wollen. Diese Übergangsvorschrift habe mit dem Begriff Versorgungsbezüge auch alle die Bezüge umfaßt, die als Versorgungsbezüge im Sinne des § 55 BeamtVG anzusehen sind. Nach dieser Vorschrift würden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zu einer Höchstgrenze gezahlt, bei deren Bemessung auch die kinderbezogenen Anteile am Ortszuschlag zu berücksichtigen sind. Damit habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß auch dieser Anteil am Ortszuschlag Versorgungsbezug im Sinne von § 55 BeamtVG sein soll und bei der Bemessung der neben den Renten zu zahlenden Versorgungsbezüge zu berücksichtigen ist. Da Artikel 2 § 2 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes die Ausgleichskürzung ohne Einschränkung an diesen Begriff anknüpfe, komme hier die Regelung des Abs. 1 Satz 4, erster Halbsatz, aaO zum Zuge; denn es stünden allgemeine Erhöhungen der Versorgungsbezüge in Rede.

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Gegen das am 4. April 1986 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. April 1986 eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein Ziel weiterverfolgt.

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Er beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 9. März und 14. Mai 1984 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie vertritt weiterhin ihren bisherigen Standpunkt und verteidigt das angefochtene Urteil.

12

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Personal- und Versorgungsvorgänge des Klägers haben vorgelegen und waren in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

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II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige (Art. 2 § 4 Satz 2 EntlG: Wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr) Berufung ist begründet.

14

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von Art. 2 § 2 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes ausgegangen. Das Beamtenverhältnis des Klägers ist vor dem 1. Januar 1966 begründet worden. Er erhält also seit dem 1. Januar 1982 einen Ausgleich für die sich aus der Berücksichtigung der ihm gewährten Rente ergebende Verringerung seiner Versorgungsbezüge. Was zu den Versorgungsbezügen gehört, ergibt sich aus § 2 BeamtVG, hier in erster Linie das Ruhegehalt nach §§ 4 ff, das insbesondere auf den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen aufbaut (§ 5 BeamtVG). Von den für die Berechnung jenes Ausgleichs maßgebenden Vorschriften ist hier nur die des § 2 Abs. 1 Satz 4 2. HStruktG maßgebend:

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Der Ausgleich verringert sich um jeweils die Hälfte des Betrages, um den sich die Versorgungsbezüge aufgrund einer allgemeinen Erhöhung der Versorgungsbezüge erhöhen; er verringert sich ferner um jede sonstige Erhöhung der Versorgungsbezüge.

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Der hier in Rede stehende kinderbezogene Anteil am Ortszuschlag hat sich zwar durch die Anpassungsgesetze für 1982 und 1983 erhöht, gleichwohl handelt es sich nicht um eine allgemeine Erhöhung der Versorgungsbezüge im Sinne der vorgenannten Vorschriften, so daß eine auch nur hälftige Verringerung des Ausgleichszuschlages aus Anlaß dieser Erhöhungen nicht hat erfolgen dürfen.

17

Denn nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG gehört der Ortszuschlag nur bis zur Stufe 2 zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG wird der Unterschiedsbetrag zu den höheren Stufen des Ortszuschlages (also der sogenannte kinderbezogene Anteil des Ortszuschlages) neben dem Ruhegehalt gezahlt, er gehört also selbst nicht zu den Versorgungsbezügen. Der kinderbezogene Anteil des Ortszuschlages ist zwar akzessorischer Natur, d.h., er kann nicht unabhängig von Versorgungsbezügen (auch nicht unabhängig von Dienstbezügen) gewährt werden, er selbst ist aber nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes eben kein Versorgungsbezug. Da aber Art. 2 § 2 Abs. 1 Satz 4 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes allein auf eine Erhöhung der Versorgungsbezüge abstellt, kann die hier in Rede stehende Erhöhung des kinderbezogenen Anteils im Ortszuschlag nicht zu einer Verringerung des Ausgleichs führen.

18

Die zur Begründung seiner Ansicht vom Verwaltungsgericht gemachten Ausführungen überzeugen nicht. Es ist zwar richtig, daß § 55 Abs. 2 BeamtVG in die Berechnung der Höchstgrenze den Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 BeamtVG einbezieht (... Ruhegehalt bzw. Witwengeld zuzüglich des Unterschiedsbetrages ...), jedoch werden dadurch die an anderen Stellen im Gesetz verwendeten Begriffe Versorgungsbezüge (§ 2 BeamtVG), Ruhegehalt (§ 4 BeamtVG), ruhegehaltfähige Dienstbezüge (§ 5 BeamtVG) nicht geändert. Im Gegenteil wäre es, hätten sie den ihnen vom Verwaltungsgericht beigegebenen Inhalt, nicht erforderlich gewesen, die in § 55 Abs. 2 BeamtVG enthaltene Formulierung "... zuzüglich ..." zu wählen. Das gilt entsprechend für Art. 2 § 2 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes. Es ist nicht erkennbar, daß hier der Gesetzgeber dem Begriff der Versorgungsbezüge einen anderen - weiteren - Inhalt hätte geben wollen, und zwar um so weniger, als gerade dieses Gesetz in seinem § 1 jenes Beamtenversorgungsgesetzändert, daß die genannten Begriffe jeweils in einer bestimmten Bedeutung verwendet. Hätte der Gesetzgeber die Erhöhung des kinderbezogenen Anteils im Ortszuschlag bei der Verringerung des Ausgleichs nach Art. 2 § 2 des Zweiten Haushaltsstrukturgesetzes berücksichtigt wissen wollen, so hätte er diese Bestimmung mit einem ebensolchen Zusatz versehen können, wie dies in § 55 BeamtVG geschehen ist.

19

Das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 12. Juli 1983 (Bl. 57 d.A.), das als norminterpretierend zu qualifizieren ist, stimmt nach den vorstehenden Ausführungen mit dem Gesetz nicht überein, da es davon ausgeht, daß jeder kinderbezogene Unterschiedsbetrag zu den Versorgungsbezügen gehört. Das gilt entsprechend für das Auskunftsschreiben vom 15. November 1988 (Bl. 55 d.A.), das ebenso davon ausgeht, daß auch der Unterschiedsbetrag ein Versorgungsbezug ist. Indirekt bestätigt wird aber die Auffassung des Senats durch die Ausführungen des genannten Schreibens zu 2. Es ist zwar richtig, daß beim Hinzutreten eines (weiteren) Kindes der dann höhere Ortszuschlag nicht auf einer "allgemeinen Erhöhung der Versorgungsbezüge" beruht, wenn aber auf Grund eines solchen Vorganges ein Versorgungsempfänger effektiv höhere Zahlungen erhält, dann kann es nur dann keine "sonstige Erhöhung der Versorgungsbezüge" sein, wenn man den kinderbezogenen Ortszuschlagsteil - wie und wann auch immer er entsteht - eben nicht als Versorgungsbezug ansieht.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision kann nicht zugelassen werden, da keine der hierfür vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen vorliegt (§§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG).

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Staege

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Dr. Thiedemann

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Reisner