Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.08.2021, Az.: 3 Ss (OWi) 156/21

Anzeigepflicht für Kunstaktionen als Versammlung; Bußgeld für faktischen Versammlungsleiter; Anforderungen an Person des faktischen Versammlungsleiters nach § 5 NVersG

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.08.2021
Aktenzeichen
3 Ss (OWi) 156/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 43071
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2021:0823.3SS.OWI156.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Gifhorn - 28.04.2021

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 NVersG gilt auch für Versammlungen, die zugleich in den Schutzbereich der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fallen. Eine einschränkende Auslegung ist insoweit bereits deshalb nicht geboten, weil die bloße Anzeigepflicht die künstlerische Ausgestaltung der Versammlung nicht einschränkt.

  2. 2.

    Da nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 NVersG nicht die unterbliebene Anzeige, sondern die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel ohne vorherige Anzeige geahndet wird und aufgrund der fehlenden Anzeige ein Versammlungsleiter nicht bestimmt worden ist, wird der "faktische Versammlungsleiter" von dem Bußgeldtatbestand erfasst.

  3. 3.

    "Faktischer Versammlungsleiter" ist, wer - persönlich bei der Veranstaltung anwesend - die Ordnung der Versammlung handhabt und den äußeren Gang der Veranstaltung bestimmt, insbesondere die Versammlung eröffnet, unterbricht und schließt. Auf der Seite des Leiters ist dabei weiterhin erforderlich, dass er diese Funktionen übernommen hat, auf Seiten der Teilnehmer hingegen, dass sie mit deren Ausübung durch ihn einverstanden sind.

Tenor:

  1. 1.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

  2. 2.

    Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

  3. 3.

    Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die rechtliche Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel wie folgt lautet: "Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel ohne vorherige Anzeige".

  4. 4.

    Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Gifhorn verurteilte den Betroffenen am 28. April 2021 wegen "Nichtanzeigens einer Versammlung unter freiem Himmel als Versammlungsleiter bei der zuständigen Behörde" zu einer Geldbuße von 100 Euro.

Nach den Feststellungen trafen sich der Betroffene, die Zeuginnen W. und T. sowie sechs weitere Personen am 9. Januar 2021 gegen 10:00 Uhr auf dem Parkplatz am ...platz in G., um - wie einige Tage zuvor während eines Treffens der Bürgerinitiative "Aufklärung und Menschlichkeit" geplant - durch eine Aktion auf die von ihnen als negativ empfundenen Auswirkungen der Pandemiepolitik aufmerksam zu machen. Sie zogen weiße Malerkittel an, setzten Theatermasken auf und bewegten sich - angeführt von dem Betroffenen und der Zeugin W. - in einer zweireihigen Formation im Gleichschritt und mit marionettenartigen Bewegungen über den ...weg, wo gerade der Wochenmarkt stattfand, in Richtung ...straße. Dabei spielten sie über eine Lautsprecheranlage auf einem von ihnen mitgeführten Handwagen eine Computerstimme ab, die mitteilte: "Impfen ist Nächstenliebe", "Schützt die Ungeborenen, verzichtet auf ihre Zeugung", "Verratet eure Nachbarschaft". Ferner wurden aufgezeichnete Redebeiträge dritter Personen abgespielt. Nach etwa 50 m stoppte die Formation auf ein Handzeichen des Betroffenen und formierte sich zu einem Kreis. Der Betroffene, die Zeugin W. und eine weitere Person erhielten von den anderen Teilnehmern Plakate überreicht, auf denen zu lesen war: "Wie viele traumatisierte Kinder sind für euch akzeptabel?", "Wie viel bedeutet dir deine Freiheit?", "Wer bestimmt dein Leben?", "Wenn nicht du, wer dann?", "Jetzt ist die Zeit gekommen uns zu erheben", "Wie viele Tote durch Maßnahmen sind für dich akzeptabel?". Nach dem Zeigen der Plakate nahmen die Teilnehmer unter Führung des Betroffenen und der Zeugin W. wieder ihre zweireihige Formation ein, zogen einige Meter weiter, hielten auf Handzeichen des Betroffenen erneut an, bildeten einen Kreis und zeigten die Plakate. Anschließend nahmen sie wieder die ursprüngliche Formation ein und bewegten sich weiter. Nach ca. 30 Minuten trafen sie auf Polizeibeamte. Der Betroffene erklärte diesen den Grund und Zielrichtung der Aktion. Ferner teilte er ihnen mit, dass die Aktion an dieser Stelle beendet sei. Eine vorherige Anzeige der Aktion bei der Stadt G. war nicht erfolgt.

Gegen das Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde verbunden mit einem Zulassungsantrag eingelegt. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Insbesondere macht er geltend, dass die durchgeführte Aktion als politisches Straßentheater dem Schutzbereich der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfalle. Die Vorschriften des NVersG seien verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine solche Aktion nicht anmeldepflichtig sei, weil durch die "dann unausweichliche Anwesenheit der Polizei" das "der Kunst eigene Überraschungsmoment" verloren gehe. Weiter rügt er, dass die amtsgerichtliche Einstufung des Betroffenen als faktischer Versammlungsleiter rechtsfehlerhaft sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Der Fall gibt Anlass, Leitsätze für die Auslegung der §§ 5 Abs. 1, 21 Abs. 1 Satz 1 NVersG aufzustellen.

Zugleich ist die Sache gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.

III.

Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil hält der Nachprüfung auf die Sachrüge stand.

1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NVersG. Danach handelt ordnungswidrig, wer eine Versammlung unter freiem Himmel durchführt, deren fristgerechte Anzeige entgegen § 5 NVersG vollständig unterblieben ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NVersG hat derjenige, der eine Versammlung unter freiem Himmel durchführen will, dies der zuständigen Behörde spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der Versammlung anzuzeigen.

a) Eine "Versammlung" im Sinne der §§ 5 Abs.1, 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NVersG lag vor. Nach § 2 NVersG ist Versammlung im Sinne dieses Gesetzes eine ortsfeste oder sich fortbewegende Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgebung. Die Aktion diente nach den Feststellungen dazu, auf die als negativ empfundenen Auswirkungen der Pandemiepolitik aufmerksam zu machen und mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen bzw. sie zum Nachdenken anzuregen. Die rechtliche Eigenschaft als Versammlung entfällt nicht dadurch, dass die Zusammenkunft künstlerische Elemente aufweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1987 - 1 BvR 520/84, NJW 1988, 328; Nds. OVG, Beschluss vom 1. November 2017 - 11 ME 518/17, Nds. VBl. 2018, 89; Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, Rn. 101).

b) Die Regelung des § 5 Abs. 1 NVersG ist auch nicht von Verfassungs wegen dahin einzuschränken, dass die Anzeigepflicht nicht für Versammlungen gilt, die zugleich unter den Schutz der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fallen. Denn die Anzeigepflicht greift nicht in den Schutzbereich dieses Grundrechts ein.

aa) Allerdings ist dem Beschwerdeführer darin zu folgen, dass die im vorliegenden Fall festgestellte Aktion der Kunstform des "Straßentheaters" im weiteren Sinne zugeordnet werden kann und deshalb dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfällt. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Subsumtion unter den verfassungsrechtlichen Kunstbegriff nicht dadurch ausgeschlossen, dass "der kommunikative Zweck, an der öffentlichen Meinungsbildung teilhaben zu wollen, erkennbar im Vordergrund" stand und die "gewählten künstlerischen Elemente (...) lediglich als Vehikel herangezogen (wurden), um dem Protest zu möglichst viel Aufmerksamkeit zu verhelfen". Das Bundesverfassungsgericht hat für die vergleichbare Veranstaltung des "Anachronistischen Zuges" entschieden, dass "politisches Straßentheater" in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fällt und daran "auch die vordergründige und eindeutige politische Absicht der Veranstalter nichts ändern" kann, weil verbindliche Regeln und Wertungen für die künstlerische Tätigkeit sich auch dort nicht aufstellen lassen, wo sich der Künstler mit aktuellem Geschehen auseinandersetzt; der Bereich der "engagierten Kunst" ist von der Freiheitsgarantie nicht ausgenommen (Beschluss vom 17. Juli 1984 - 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [BVerfG 17.07.1984 - 1 BvR 816/82]). Sind beide Grundrechte berührt, wird der durch Art. 8 Abs. 1 GG gewährte Schutz der Versammlung nicht verdrängt, sondern durch das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergänzt und erweitert (vgl. Depenheuer in: Dürig/Herzog/Scholz, GG Stand Januar 2021, Art. 8 Rn. 203; Dürig-Friedl/Enders aaO).

bb) Indes sind auch in solchen Fällen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter Beachtung der Voraussetzungen, unter denen in das nicht unter einem Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen werden kann, zulässig (vgl. Nds. OVG aaO; Bay. VGH, Beschluss vom 24. Februar 2015 - 10 CS 15.431, Bay. VBl. 2015, 823; Hess. VGH, Urteil vom 17. März 2011 - 8 A 1188/10, DVBl. 2011, 707). Da die Kunstfreiheit ihre Grenzen in anderen Bestimmungen des Grundgesetzes findet, die ein anderes in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen (vgl. BVerfG aaO), kommen Beschränkungen der Kunstfreiheit insbesondere zum Schutz der Grundrechte Dritter in Betracht. Zu diesem Zweck können auch behördliche Anordnungen auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 NVersG getroffen werden (vgl. Nds. OVG aaO). Solche zu ermöglichen, ist wiederum Sinn und Zweck der Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 NVersG. Da sie dazu dient, den Behörden diejenigen Informationen zu vermitteln, die sie benötigen, um Vorkehrungen zum störungsfreien Verlauf der Veranstaltung und zum Schutz von Interessen Dritter oder der Gesamtheit treffen zu können, ist sowohl die Anzeigepflicht als auch die straf- oder bußgeldrechtliche Ahndung ihrer Missachtung verfassungskonform (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1991 - 1 BvR 850/88, BVerfGE 85, 69; Beschluss vom 9. Juli 2019 - 1 BvR 1257/19, NVwZ 2019, 1509 [BVerfG 09.07.2019 - 1 BvR 1257/19]). Zudem hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das Straßenkunst, die nicht dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG unterliegt, als erlaubnispflichtige Sondernutzung qualifiziert (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1986 - 7 B 144/86, NJW 1987, 1836; Urteil vom 9. November 1989 - 7 C 81/88, BVerwGE 84, 71), verfassungsrechtlich nicht beanstandet (BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 1987 - 1 BvR 386/87, juris).

cc) Darüber hinaus kommt hier zum Tragen, dass durch die bloße Anzeigepflicht die Grundrechtsausübung nicht im Sinne eines Erlaubnisvorbehalts besonderen materiell-rechtlichen Beschränkungen unterworfen wird (vgl. Depenheuer aaO, Art. 8 Rn. 182). Insofern ist auf vorliegende Fallkonstellation die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übertragbar, dass die dienstrechtliche Pflicht zur Anzeige von Nebentätigkeiten nicht gegen die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG verstößt, weil das an Richter und Beamte gerichtete Verlangen, über ihre entgeltlichen aber genehmigungsfreien Nebentätigkeiten Auskunft zu erteilen, die Möglichkeit zur Ausübung solcher Nebentätigkeiten als solche nicht einschränkt (BVerfG, Beschluss vom 1. September 2008 - 2 BvR 1872/07, BVerfGK 14, 169). Die künstlerische Ausgestaltung der Versammlung wird durch die bloße Anzeigepflicht in keiner Weise eingeschränkt. Dementsprechend wird selbst von Kritikern der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Straßenkunst als erlaubnispflichtige Sondernutzung eine bloße Anzeigepflicht zur Wahrung der Ausgleichs- und Verteilungsfunktion erwogen (vgl. v. Arnauld in: Bonner Kommentar, GG Stand Mai 2017, Art. 5 Abs. 3 Rn. 179).

dd) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass im Falle einer Anzeige durch die "dann unausweichliche Anwesenheit der Polizei" das "der Kunst eigene Überraschungsmoment" verloren gehe, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Ein Rechts- oder allgemeiner Erfahrungssatz, dass die Anzeige "unausweichlich" die Anwesenheit der Polizei bei der Versammlung nach sich zieht, existiert nicht. Vielmehr sieht § 11 NVersG vor, dass Polizei bei Versammlungen unter freiem Himmel anwesend sein kann, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. In dem hier konkret zu beurteilenden Fall wäre dies angesichts der Art und Größe der geplanten Aktion nicht zwingend zu erwarten gewesen. Demgegenüber wird im Regelfall die Durchführung einer nichtangezeigten Versammlung unter freiem Himmel das Tätigwerden der Polizei zur Folge haben. Ungeachtet dessen sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Anwesenheit von Polizeibeamten per se der Kunst das ihr eigene "Überraschungsmoment" nähme. Das "Überraschungsmoment" liegt in der künstlerischen Darbietung selbst und wird durch die Anwesenheit von Polizeibeamten, mit der im öffentlichen Straßenraum ohnehin jederzeit zu rechnen ist, nicht zwingend geschmälert. Zudem trägt das Gesetz dem Bedürfnis nach Spontaneität ausreichend dadurch Rechnung, dass für Eilversammlungen die 48-Stunden-Frist nicht gilt (§ 5 Abs. 4 NVersG) und bei Spontanversammlungen die Anzeigepflicht entfällt (§ 5 Abs. 5 NVersG). Das Amtsgericht hat hier zutreffend darauf erkannt, dass eine Spontanversammlung nicht gegeben war.

c) Schließlich ist gegen die Feststellung des Beschwerdeführers als Täter aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

aa) Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 NVersG ist die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel ohne vorherige Anzeige ordnungswidrig. Da die Anzeigepflicht nicht die Leiterin oder den Leiter trifft, sondern die Person, die die Versammlung durchführen will, wird nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers von dem Bußgeldtatbestand, "wenn aufgrund der fehlenden Anmeldung eine Leiterin oder ein Leiter nicht bestimmt worden ist, die 'faktische Leiterin' oder der 'faktische Leiter' erfasst" (LT-Drucks. 16/2913 S. 23). "Faktischer Versammlungsleiter" ist derjenige, dessen Leitereigenschaft durch eindeutige Tatsachen erkennbar wird. Anhaltspunkte bieten dabei die Funktionen, die der Leiter einer angemeldeten Versammlung nach dem Versammlungsgesetz ausübt. Als Leiter einer Versammlung ist daher namentlich anzusehen, wer - persönlich bei der Veranstaltung anwesend - die Ordnung der Versammlung handhabt und den äußeren Gang der Veranstaltung bestimmt, insbesondere die Versammlung eröffnet, unterbricht und schließt. Auf der Seite des Leiters ist dabei weiterhin erforderlich, dass er diese Funktionen übernommen hat, auf Seiten der Teilnehmer hingegen, dass sie mit deren Ausübung durch ihn einverstanden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2019 - 1 BvR 1257/19, NVwZ 2019, 1509; BayObLG, Beschluss vom 28. März 1978 - RReg 4 St 212/77, BayObLGSt 1978, 47; OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. September 1977 - 5 Ss 296/77 - 256/77 I, NJW 1978, 118; Wefelmeier/Miller, NVersG 2. Aufl., § 7 Rn. 6).

bb) Diese Voraussetzungen hat das Amtsgericht ohne Rechtsfehler als in der Person des Beschwerdeführers erfüllt angesehen. Dagegen greift die Rüge des Beschwerdeführers, seine Position als "faktischer Versammlungsleiter" sei "ausschließlich auf Umstände gestützt worden, die sich während der Veranstaltung selbst ergeben haben", wohingegen "Feststellungen dazu, dass der Betroffene bereits im Vorfeld der Veranstaltung eine Führungsrolle innegehabt hätte" fehlten, nicht durch. Denn dabei wird außer Acht gelassen, dass die Ahndung als Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 NVersG nicht an die unterlassene Versammlungsanzeige selbst, sondern an die Durchführung einer anzeigepflichtigen Versammlung ohne vorherige Anzeige anknüpft. Nicht zuletzt deshalb hat das Bundesverfassungsgericht (aaO) die strafrechtliche Heranziehung des "faktischen Leiters" einer nicht angemeldeten Versammlung als Täter für verfassungsgemäß erachtet. Zur Klarstellung dieses Umstands ist die rechtliche Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel (§ 260 Abs. 4 StPO) im Sinne des Beschlusstenors abzuändern.

cc) Auch der Angriff gegen die Beweiswürdigung selbst mit der Behauptung, die "Positionierung" des Beschwerdeführers innerhalb des Aufzuges sei "reiner Zufall" gewesen, die Veranstaltung habe "überhaupt keinen Leiter" gehabt, verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§§ 261 StPO, 71 Abs. 1 OWiG). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. März 2021 - 1 StR 50/21, NStZ-RR 2021, 218). Derartige Rechtsfehler sind dem Amtsgericht vorliegend nicht unterlaufen.

2. Auch der Rechtsfolgenausspruch lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Dass das Amtsgericht hier rechtsfehlerhaft den Bußgeldrahmen nach § 21 Abs. 2 Halbsatz 1 NVersG mit bis zu 1000 Euro zugrunde gelegt hat, obwohl die Vorschrift im 2. Halbsatz für Ordnungswidrigkeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 eine Geldbuße von bis zu 3000 Euro vorsieht, beschwert den Betroffenen nicht.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.