Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.08.2021, Az.: 3 Ws 217/21 (StrVollz)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.08.2021
Aktenzeichen
3 Ws 217/21 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71399
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 25.06.2021 - AZ: 17c StVK 42/20

In der Strafvollzugssache
des M. E.-Z.,
geb. am ...,
zurzeit in der JVA C.,
- Antragstellers und Beschwerdeführers -,
Verfahrensbevollmächtigte: ...,
gegen die Justizvollzugsanstalt C.,
vertreten durch den Anstaltsleiter,
- Antragsgegner und Beschwerdegegnerin -,
wegen Sicherungsmaßnahmen
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 30. August 2021 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle vom 25. Juni 2021 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an dieselbe Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.,

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 500,- € festgesetzt (§§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3 Nr. 2, 65 GKG).

Gründe

Der Antragsteller verbüßt derzeit zwei Freiheitsstrafen von fünf Jahren und zehn Monaten sowie von sechs Jahren und sechs Monaten jeweils wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Justizvollzugsanstalt C. Mit Beschluss vom 25. Juni 2021 hat die Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle einen Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 19. August 2020 zurückgewiesen. Hiermit hatte der Antragsteller beantragt, eine Sicherheitsverfügung der Antragsgegnerin vom 20. September 2019 insoweit aufzuheben, als diese auch seine Ehefrau betrifft und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Überwachung der Telefonate aufzuheben, die er mit seiner Ehefrau führt, die Überwachung des Schriftwechsels zwischen ihm und seiner Ehefrau aufzuheben sowie die Antragsgegnerin zu der Verfügung zu verpflichten, dass der Antragsteller durch seine Ehefrau ohne optische und akustische Überwachung und ohne Trennscheibe besucht werden darf. Die Strafvollstreckungskammer hat hierzu ausgeführt, die Antragsgegnerin habe angesichts der bisherigen vorzüglichen Biografie des Antragstellers vor dem Hintergrund des gegen ihn laufenden Strafverfahrens von der Besorgnis einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt ausgehen dürfen, zumal der Antragsteller in der Lage sei, andere, insbesondere ihm kognitiv unterlegene Menschen, zu manipulieren und zu instrumentalisieren. Aus der von der Strafvollstreckungskammer wirksam in Bezug genommenen Stellungnahme der Antragsgegnerin geht hervor, dass einer gegen den Antragsteller gerichteten Anklageschrift vom 10. Februar 2019 zu entnehmen sei, dass dieser während der Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel in großem Umfang mit Betäubungsmittel gehandelt haben soll; er habe diese in die Justizvollzugsanstalt einschleusen lassen und anschließend gewinnbringend an Inhaftierte veräußert; die Reichweite des Handels sei weit über die Grenzen der Justizvollzugsanstalt hinausgegangen, auch seine Ehefrau solle in die Geschäfte involviert gewesen sein. Aus der ebenfalls in Bezug genommenen Sicherheitsverfügung vom 20.9.2019 geht hierzu hervor, dass entsprechend einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig sowie des Beschlusses des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25. März 2020 der Haftbefehl vom 4.April 2019 und der Haftfortdauerbeschluss vom 19. Dezember 2090 aufgehoben und das Verfahren ausgesetzt worden sei.

Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wendet sich der Antragsteller mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde. Der Zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug wurde gehört. Diese hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nach § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, denn es gilt der Wiederholung des nachfolgend aufgezeigten Rechtsfehlers entgegenzuwirken. Die Rechtsbeschwerde ist auch mit der Sachrüge im Übrigen zulässig erhoben.

III.

Der Rechtsbeschwerde kann aufgrund der erhobenen Sachrüge ein Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben.

Zwar hat die Strafvollstreckungskammer nach § 115 Abs. 1 Satz 2 StVollzG den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammenzustellen, gleichwohl muss der Beschluss der Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 109 ff StVollzG den Anforderungen nach § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG i.v.m. § 267 StPO entsprechen und daher alle entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte enthalten (KG, NStZ-RR 2004, 255; OLG Celle StV 1999, 554). Hieran hat sich auch durch die Neufassung des § 115 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 StVollzG, die eine Bezugnahme auf bei den Gerichtsakten befindliche Schriftstücke erlauben, nichts geändert (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007,325 [OLG Karlsruhe 13.03.2007 - 1 Ws 183/06]; OLG Nürnberg ZfStrVo 2005,251; OLG Celle NStZ-RR 2005, 356 [OLG Celle 08.06.2005 - 1 Ws 185/05 (StrVollz)]). Hiernach muss der Tatbestand aus sich heraus verständlich sein und darf nur wegen weiterer Einzelheiten auf bei den Gerichtsakten befindliche Schriftstücke verwiesen werden. Möglich ist eine Bezugnahme hiernach nur, soweit hierdurch die Verständlichkeit der Darstellung und Begründung nicht leidet und muss insbesondere die Entscheidung die maßgeblichen Erwägungen enthalten, auf die Antragsgegnerin ihre Entscheidung stützt (Arloth/Krä, Strafvollzugsgesetze, 4. Aufl., § 115 StVollzG Rn. 6).

Dies gilt auch im Falle der eingeschränkten Prüfungskompetenz der Strafvollstreckungskammer im Hinblick auf das Vorliegen von Ermessens- oder Beurteilungsfehlern. Hier ist vielmehr zu überprüfen, ob die Vollzugsbehörde - und ihr folgend die Strafvollstreckungskammer - von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist (Arloth/Krä, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.). Fehlerhaft, weil nicht ausreichend, sind derartige Erwägungen dann, wenn sie auf unrichtigen oder unvollständigen tatsächlichen Grundlagen beruhen (OLG Karlsruhe, ZfstrVo 2002,377; OLG Nürnberg, NStZ 1998,2 1015), oder wenn nicht alle für die Abwägung relevanten Aspekte einbezogen wurden (OLG Hamm NStZ-RR 1997, 63 [OLG Hamm 22.08.1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96]). Diesen Anforderungen insbesondere dem letztgenannten Aspekt, wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind infolge einer Sicherheitsverfügung der Antragsgegnerin Beschränkungen, die dem Antragsteller im Hinblick auf den Kontakt mit seiner Ehefrau auferlegt wurden. Diese Beschränkungen unterliegen im Hinblick auf Art. 6 GG und dem hieraus herzuleiten besonderen Schutz von Ehe und Familie dem Erfordernis einer besonders sorgfältigen Begründung. Die angefochtene Entscheidung teilt hierzu lediglich mit, die Ehefrau des Antragstellers solle in die Straftaten, die offenbar Gegenstand des derzeit womöglich noch beim Landgericht Braunschweig anhängigen Verfahrens sind, involviert gewesen sein. Wie diese Beteiligung der Ehefrau sich konkret gestaltet hat und welche Auswirkungen diese auf den Vollzug des Antragstellers hatte, erschließt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Die angefochtene Entscheidung teilt durch die erfolgte Bezugnahme indessen vielmehr mit, dass das maßgebliche Verfahren derzeit ausgesetzt und der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufgehoben worden sei. Worauf dieser Verfahrensstand beruht und welche Bedeutung dieser für die angefochtenen Sicherungsmaßnahmen hat, erschließt sich aus den von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Feststellungen hingegen nicht. Die gebotene Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren ist aufgrund dieser lückenhaften Feststellungen somit nicht möglich.

Die Strafvollstreckungskammer wird nunmehr Gelegenheit haben, den Sachverhalt im Sinne ausreichender und vollständiger Feststellungen aufzuklären, wobei der Senat vorsorglich darauf hinweist, dass im Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG der Grundsatz der Amtsermittlung gilt.

IV.

Nach § 119 Abs. 5 StVollzG ist diese Entscheidung nicht anfechtbar.