Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 21.08.2019, Az.: 1 A 57/18
Fahrenbuchauflage; Fahrtenbuch; Frontfoto; Heckaufnahme; Heckfoto; Zeugnisverweigerungsrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 21.08.2019
- Aktenzeichen
- 1 A 57/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69520
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31a Abs 1 S 1 StVZO
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Beklagten, ein Fahrtenbuch für die Dauer von zwölf Monaten zu führen.
Mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen C., dessen Halter der Kläger ist, wurde am 30. Oktober 2017 um 8:15 Uhr in D. im Bereich der Kreisstraße 50 (Elbuferstraße) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 44 km/h überschritten.
Mit Schreiben vom 14. November 2017 übersandte der Beklagte dem Kläger einen Anhörungsbogen. Unter dem 17. November 2017 antwortete der Kläger, das Fahrzeug werde von mehreren Personen genutzt und er könne sich nicht daran erinnern, an diesem Tag gefahren zu sein. Er bat um Zusendung einer Aufnahme des Fahrers, um diesen identifizieren zu können. Daraufhin befragte der Beklagte durch Schreiben vom 21. November 2017 den Kläger als Zeugen, worauf der Kläger unter dem 28. November 2017 erklärte, er mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Nachdem das Ordnungswidrigkeitenverfahren am 31. Januar 2018 eingestellt worden war, verfügte der Beklagte nach vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 7. März 2018 gegenüber dem Kläger, dass für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen C. oder ein dafür beschafftes Ersatzfahrzeug ein Fahrtenbuch für die Dauer von zwölf Monaten zu führen ist. Die Verfügung begründete er im Wesentlichen damit, dass der für den angeführten Verkehrsverstoß verantwortliche Fahrzeugführer nach intensiven Ermittlungen nicht habe ermittelt werden können. Er sei seiner Ermittlungspflicht - soweit zumutbar - nachgekommen. Der begangene Verstoß wäre mit einer Geldbuße in Höhe von 160 EUR, einem Fahrverbot von einem Monat sowie 2 Punkte im Verkehrszentralregister zu ahnden gewesen. Deshalb erweise sich der mit dem Fahrzeug begangene Verstoß als ausreichende Grundlage für die Anordnung.
Dagegen hat der Kläger am 22. März 2018 Klage erhoben. Er macht zur Begründung im Wesentlichen geltend: Primär nutzten er und seine Lebensgefährtin, daneben ab und zu ausgewählte Bekannte das Fahrzeug. Im Zeugenfragebogen habe der die Option Zeugnisverweigerungsrecht angekreuzt, weil er nicht mehr gewusst habe, wer gefahren sei und die weiteren Optionen des Formulars nicht zu passen schienen. Mittlerweile könne er aus der Erinnerung konstruieren, dass zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt seine Lebensgefährtin in Hamburg gewesen sei; sie sei zuvor mit dem Fahrzeug zum Bahnhof E. gefahren und habe es dort abgestellt. Er selbst habe das Fahrzeug nicht fahren können und dürfen, weil sein linkes Bein durch eine Operation unterhalb des Knies durchtrennt worden sei und durch Komplikationen sich kein neuer Knochen gebildet habe. Der Schlüssel für das Fahrzeug sei in einem Schuppen deponiert, so dass ausgewählte Bekannte das Fahrzeug nach vorheriger Erlaubnis für kurze Fahrten hätten ausleihen dürfen. Diese Praxis sei nach dem Vorfall eingestellt worden, so dass keine Gefahr bestehe, dass es zu Geschwindigkeitsüberschreitungen kommen werde, ohne dass der Täter zu ermitteln wäre. Die Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchanordnung lägen nicht vor. Er sei mehr als zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß und damit zu spät benachrichtigt worden. Dabei habe er seine Bereitschaft zur Aufklärung erklärt. Bei einem „von hinten Blitzen“ könne nicht die Rede davon sein, die Behörde habe alles Zumutbare getan, um den Täter zu ermitteln. Bei dieser Art von Verkehrsüberwachung könne der Täter nicht zweifelsfrei ermittelt werden und die Fahrtenbuchauflage werde de facto rechtsmissbräuchlich als Sanktion eingesetzt. Es wäre zumutbar gewesen, wie in Millionen anderer Verfahren auch, ein Frontfoto des Fahrzeugs zu fertigen, um den Täter zu ermitteln. Dass die Behörde von vornherein untaugliche Mittel zur effektiven Verkehrsüberwachung genutzt habe, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Ferner hätte der Beklagte - wie andere Behörden auch - ihn ausdrücklich nach dem Personenkreis der potentiellen Fahrzeugbenutzer befragen können. Hier sei lediglich „nach dem Fahrer“ gefragt worden. Einem Halter sei es nicht zuzumuten, auf Fragen zu antworten, die ihm gar nicht gestellt worden seien. Durch die Beschränkung der Nutzungsberechtigten sei die Anordnung auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu halten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 7. März 2018, wonach ihm die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von zwölf Monaten auferlegt worden ist, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er auf seine Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug und trägt ergänzend vor: Dass der Kläger nunmehr genauere Angaben zum möglichen Fahrerkreis mache, könne ihm nicht mehr zum Vorteil gereichen. Im Übrigen scheine die Vermutung des Klägers, ein Bekannter habe das am Bahnhof Ashausen abgestellte Fahrzeug dort abgeholt, nicht sehr lebensnah zu sein. Es bleibe dabei, dass der Kläger keine Angaben zum Fahrer oder zum möglichen Personenkreis gemacht habe, der den Verkehrsverstoß mit dem Fahrzeug begangen habe. Vor diesem Hintergrund habe er seiner Ermittlungsaufgabe in hinreichendem Maße nachgekommen. Soweit der Kläger geltend mache, er sei nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß benachrichtigt worden, stehe dies hier einer Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen, weil er auch keine Angaben zum Kreis der Fahrzeugnutzer gemacht habe, so dass nicht angenommen werden könne, dass er bei einem frühzeitigeren Hinweis insoweit anders gehandelt oder sogar darüber hinausgehende Angaben zum Fahrzeugführer gemacht hätte. In einem derartigen Verhalten des Fahrzeughalters liege die konkludente Erklärung, sich zum Kreis der Fahrzeugnutzer nicht konkret äußern zu wollen. Angesichts der Schwere des vorliegenden Straßenverkehrsverstoßes sei auch die Dauer der Anordnung von zwölf Monaten angemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Halter des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen F. verfügte Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
1.
Durch die angeführte Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem genannten Fahrzeug wurde eine erhebliche Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen. Dies ergibt sich aus den in der Beiakte befindlichen Unterlagen und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
2.
Die Feststellung eines Fahrzeugführers nach der festgestellten Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften war unmöglich im Sinne der genannten Vorschrift. Hiernach ist eine solche Feststellung unmöglich, wenn die zuständige Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Fahrzeugführer zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen traf. Mithin hat die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu veranlassen, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich an dem Verhalten und den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder keine weiteren Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer macht. Darin liegt die konkludente Erklärung, sich nicht zur Sache äußern zu wollen. Der Behörde werden in diesen Fällen weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht abverlangt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.10.1987 - 7 B 162.87 -, juris Rn. 5, Urt. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 -, juris Rn. 7; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 14.1.2019 - 12 ME 170/18 -, juris Rn. 16 f., Beschl. v. 1.2.2013 - 12 LA 122/12 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 7.6.2010 - 12 ME 44/10 -, juris Rn. 5).
Nach Maßgabe dessen war es der Verfolgungsbehörde nicht im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO möglich, den Fahrzeugführer zu ermitteln, da sie alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Maßnahmen traf, um den Fahrzeugführer zu ermitteln. Weitere Maßnahmen drängten sich hier nicht auf, zumal der Kläger als Halter des Tatfahrzeugs nicht hinreichend an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitwirkte. Zwar antwortete er auf den Anhörungsbogen vom 14. November 2017, dass er sich nicht daran erinnern könne, das Fahrzeug selbst gefahren zu sein, aber grundsätzlich bereit sei, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes mitzuwirken. Diese Erklärung ist nicht ausreichend, um weitere, erfolgversprechende Ermittlungsmaßnahmen der Bußgeldbehörde anzustoßen. Zum einen ist festzustellen, dass seine Erklärung nach dem Vorbringen im Klageverfahren nicht zutreffend war. Ihm musste bereits im November 2017 aufgrund seines damaligen Gesundheitszustands klar gewesen sein, dass er selbst nicht den Verkehrsverstoß begangen hatte. Im Übrigen hätte er - nach seinem eigenen Vorbringen im Klageverfahren - nähere Angaben zum Kreis der Fahrzeugnutzer geben können.
In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidungserheblich, dass der Anhörungsbogen und nachfolgend der Zeugenfragebogen mehr als zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß dem Kläger zugingen. Zwar gehört es grundsätzlich zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen, dass der Halter möglichst umgehend, im Regelfall innerhalb von zwei Wochen, von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, juris Rn. 2, Urt. v 13.10.1978 - VII C 77.74 -, juris, Rn. 18).
Diese Zweiwochenfrist gilt für jene vom Regelfall abweichenden Gestaltungen jedoch nicht, in denen bei typisierender Betrachtung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder erkennbar ist, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch seine spätere Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist. Verzögerte Ermittlungshandlungen der Behörde schließen deshalb die Fahrtenbuchanordnung nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist und deshalb auch bei einer früheren Anhörung ein anderes Ermittlungsergebnis nicht zu erwarten gewesen wäre (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, juris, Rn. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 23.11.2017 - 12 ME 211/17 -, Beschl. v. 20.7.2015 - 12 ME 83/15 -, n.v.). Dies ist der Fall, wenn die unterlassene Benennung des Fahrers nicht auf - angesichts des Zeitablaufs - fehlendem Erinnerungsvermögen, sondern auf anderen Umständen beruht.
So fehlt es an einer solchen Ursächlichkeit, wenn sich der Fahrzeughalter - wie hier - weigert, sich zur Sache zu äußern und nicht zugleich geltend macht, wegen der verzögerten Anhörung keine Erinnerung an den Fahrzeugführer oder den Kreis der Fahrzeugnutzer zu haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6.1987 - 7 B 139.87 -, juris Rn. 2, Urt. v. 13.10.1978 - VII C 77.74 -, juris Rn. 19). Hier weigerte sich der Kläger, sich zur Sache zu äußern, indem er im Rahmen seiner Zeugenanhörung erklärte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Der dagegen erhobene Einwand des Klägers, die weiteren Optionen des Zeugenfragebogens hätten nicht gepasst, greift nicht durch. Vielmehr hätte der Kläger in dem Zeugenfragebogen unter der Option „Ich sage wie folgt aus:“ das Vorbringen im Klageverfahren zum Nutzerkreis des Fahrzeuges der Bußgeldstelle des Beklagten ohne Weiteres der Verfolgungsbehörde mitteilen können. Dieser Formulierung im Zeugenfragebogen kann nicht entnommen werden, dass der Kläger allein aufgefordert worden wäre, den Fahrzeugführer, der den Verkehrsverstoß begangen hatte, zu benennen. Daneben ist eine Ursächlichkeit der unterbliebenen Ermittlung des Fahrzeugführers wegen Überschreitens der Zweiwochenfrist nicht gegeben, wenn der Fahrzeughalter - wie hier - in der Lage war, den Kreis der Nutzer des Fahrzeuges zu nennen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.5.1997 - 3 B 28.97 -, juris Rn. 5).
Ohne Belang ist dabei, ob den Kläger ein Verschulden an der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers trifft. Dies folgt aus dem gefahrenabwehrrechtlichen Charakter der Regelung mit dem Ziel, die Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs bei gegebenem Anlass dadurch zu gewährleisten, dass in Zukunft der Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit über das Fahrtenbuch alsbald ermittelt werden kann (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 14.1.2019, - 12 ME 170/18 -, juris, Rn. 16 f., Urt. v. 23.1.2014 - 12 LB 19/13 -, juris Rn 16 m.w.N.). Dementsprechend hängt die Beantwortung der Frage, ob die Mitwirkung eines Fahrzeughalters ausreichend war, nicht entscheidend davon ab, ob er im Bußgeldverfahren durchsetzbare Rechtspflichten, wie etwa die dort grundsätzlich bestehende Zeugnispflicht (vgl. § 46 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 5 OWiG) verletzt hat (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 14.1.2019, - 12 ME 170/18 - juris, Rn. 17, Beschl. v. 13.11.2017 - 12 LA 98/17 -, Beschl. v. 14.7.2016 - 12 ME 109/16, n. v.) oder ihm dies sogar „vorzuwerfen“ ist. Das kann schon daraus gefolgert werden, dass es kein „doppeltes Recht“ des Fahrzeughalters gibt, nach einem mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß zur Täterschaft (unter Berufung auf ein ihm zustehendes Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht) keine Angaben zu machen, aber gleichwohl eine Fahrtenbuchanordnung abzuwehren. Vielmehr darf auch ein vollständig rechtmäßiges Verhalten des Fahrzeughalters im Bußgeldverfahren in dem diesem Verfahren nachfolgenden Verwaltungsverfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführung - unter rein gefahrenabwehrrechtlichem Blickwinkel - als Obliegenheitsverletzung gewürdigt werden, welche den Umfang der Ermittlungen reduziert, die von der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren unternommen worden sein müssen, damit im Rahmen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO davon ausgegangen werden darf, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen. Mithin ist eine Fahrtenbuchanordnung nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Halter des Fahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden ist, im Ordnungswidrigkeitenverfahren - ausdrücklich oder konkludent - von seinem Aussage- und/oder Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht (BVerwG, Beschl. v. 22.6.1995 - 11 B 7.95 -, juris Rn. 3 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 31.10.2006 - 12 LA 463/05 -, juris Rn. 6). Mit der Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, bleibt das Recht des Betroffenen gewahrt, sich selbst oder Angehörige nicht bezichtigen zu müssen. Aus der für sich gesehen rechtmäßigen Handlungsweise des Betroffenen darf jedoch in zulässiger Weise die Prognose abgeleitet werden, dass er auch bei künftigen Verstößen - seien sie von ihm, seien sie von anderen begangen - von seinem Recht zu schweigen oder zu leugnen Gebrauch machen wird. Das damit verbundene Risiko, dass derartige zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung nicht hinnehmen, weil sie sich damit für einen nicht unbeträchtlichen Teilbereich von vornherein der Möglichkeit begäbe, durch die Androhung von Sanktionen Verkehrsverstößen und den damit verbundenen Gefahren, namentlich für die anderen Verkehrsteilnehmer, im allgemeinen Interesse vorzubeugen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.6.2018 - 12 LA 74/17 -, n.v., BA S. 7).
Der Einwand des Klägers, die Bußgeldstelle des Beklagten habe deshalb nicht alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers ergriffen, weil der Verkehrsverstoß nicht mit einem Frontfoto des Fahrzeugs dokumentiert worden sei, das den Fahrzeugführer hätte erkennen lassen können, greift nicht durch. Aus § 31a StVZO ergibt sich nicht, dass die Verfolgungsbehörde verpflichtet wäre, bestimmte Ermittlungsmittel oder -methoden anzuwenden. Vielmehr hat sie in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen. Daher genügt bei der Kontrolle von Geschwindigkeitsverstößen - durch Beobachtung oder durch Radarmessung - im Allgemeinen das Notieren des Kennzeichens als Sofortmaßnahme, solange der Kraftfahrzeughalter anschließend unverzüglich (vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles regelmäßig innerhalb von zwei Wochen) von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Weder ist ein sofortiges Anhalten des Fahrzeuges erforderlich noch bedarf es eines Frontfotos. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Verstoß selbst und das Kraftfahrzeugkennzeichen festgehalten werden, um darüber den Kraftfahrzeughalter und über ihn den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln. Daher gilt der Grundsatz, dass die Verfolgungsbehörde nicht verpflichtet ist, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.12.1993 - 11 B 113.93 -, juris Rn. 4, Urt. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 -, juris Rn. 7, Urt. v. 13.10.1978 - VII C 77.74 -, juris Rn. 16; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 5.6.2019 - 12 LA 83/19 -, n.v., Beschl. vom 8.6.2018 - 12 LA 74/17 -, n.v., Beschl. v. 30.1.2018 - 12 ME 217/17 -, n.v.; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschl. v. 26.4.2017 - 4 LA 12/17 -, juris Rn. 6).
3.
Der Beklagte erließ die angefochtene Verfügung gegen den richtigen Adressaten, weil der Kläger Halter des Fahrzeuges ist, mit dem der zugrunde liegende Verkehrsverstoß begangen worden war. Für den Halterbegriff des § 31a StVZO gelten die zu § 7 StVG entwickelten Grundsätze.
4.
Die Fahrtenbuchanordnung lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Ein solcher läge vor, wenn die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte beachtete bei seiner Anordnung die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens. Er stellte hinsichtlich der Dauer seiner Anordnung maßgeblich auf die Schwere des festgestellten Verkehrsverstoßes ab. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Anordnung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 40 km/h stellt eine so erhebliche Verkehrsübertretung dar, dass eine Androhung einer Fahrtenbuchauflage nicht ausreicht, sondern deren Anordnung geboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Geschwindigkeitsübertretung, die eine der hauptsächlichen Unfallursachen im Straßenverkehr ist, eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 10.8.2015 - 10 S 278/15 -, juris Rn. 14; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 8.7.2014 - 12 LB 76/14 -, juris Rn. 26). Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage ist insbesondere das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen. Stellt die Behörde im Regelfall hinsichtlich der Dauer auf das Gewicht des Verkehrsverstoßes ab, so darf sie die Dauer der Fahrtenbuchauflage anhand dieses Kriteriums staffeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.5.2015 - 3 C 13.14 -, juris Rn. 20; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 8.7.2014 - 12 LB 76/14 -, juris Rn. 28, Urt. v. 23.1.2014 - 12 LB 19/13 -, juris Rn. 19). Das Interesse der Allgemeinheit, einer Gefahr entgegenzuwirken, bei weiteren Zuwiderhandlungen vergleichbarer Schwere den Fahrer nicht ermitteln zu können, wächst je schwerer der Verstoß wiegt. Bei einem schweren Verstoß kann es deshalb gerechtfertigt sein, dem Halter eine längere Überwachung der Nutzung seines Fahrzeuges abzuverlangen. Dabei darf sich die Behörde bei der Bemessung des Gewichtes einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften an dem Punktsystem nach der Anlage 13 der Fahrerlaubnisverordnung orientieren (vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 8.7.2014 - 12 LB 76/14 -, juris Rn. 28). Ist ein Verstoß - wie hier - als schwerwiegend einzuschätzen, unterliegt die Dauer einer Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten keinen rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit. Hier ist der zugrunde liegende Verstoß als besonders schwerwiegend einzuordnen, weil eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 44 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft mit einer Geldbuße in Höhe von 160 EUR, zwei Punkten im Fahreignungsregister und einem Monat Fahrverbot zu ahnden gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.