Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.05.1998, Az.: 4 A 4389/96
Verfassungsmäßigkeit der Festsetzung von Pflegesätzen; Rechtssicherheit und Vertrauensschutz als Elemente des Rechtsstaatsprinzips; Rückwirkungsverbot
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 11.05.1998
- Aktenzeichen
- 4 A 4389/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 30893
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1998:0511.4A4389.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 93 Abs. 6 S. 1 BSHG
- Art. 20 Abs. 3 GG
Verfahrensgegenstand
Streitgegenstand: Schiedsstellenentscheidung (§ 94 BSHG)
Das Verwaltungsgericht Braunschweig - 4. Kammer -
hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Ungelenk,
die Richter am Verwaltungsgericht Hachmann und Meyer sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen Bormann und Cordes
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 28.9.1996 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, eine Entgeltregelung gemäß § 93 BSHG zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu treffen, die für die Zeit vom 1.1.1996 bis zum 31.3.1996 keine Entgelterhöhung und für die Zeit ab dem 1.4.1996 lediglich eine Entgelterhöhung um 1 % vorsieht.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheit in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der für den Zeitraum vom 1.1.1996 bis zum 30.6.1996 abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung gemäß § 93 BSHG und den in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Steigerungssatz für das Alten- und Pflegeheim Korfesstraße in Braunschweig. Für das vorangegangene Jahr 1995 wurde zwischen der Klägerin und der Beigeladenen am 28.11.1994 eine Pflegesatzvereinbarung getroffen, die für die Pflegestufe I einen Pflegesatz von 83,30 DM, für die Pflegestufe III von 116,90 DM und für die Pflegestufe IV von 149,90 DM vorsah.
Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 6.11.1995 bei der Klägerin den Abschluß einer Pflegesatzvereinbarung für das erste Halbjahr 1996. Dabei ging sie von einem Steigerungssatz in Höhe von 4,45 % aus, so daß sich nach ihrer Berechnung Pflegesätze von 87,- DM, 121, 80 DM bzw. 156,60 DM ergaben.
Mit Schreiben vom 13.11.1995 teilte die Klägerin mit, daß sie noch kein konkretes Angebot unterbreiten könne, weil es für 1996 bislang noch nicht zu einer Verabredung von Vorgabe- und Kalkulationswerten gekommen sei. Unter dem 18.12.1995 bot die Klägerin sodann auf der Basis von Steigerungen der Personal- und Sachkosten von jeweils 2,0 % einen Steigerungssatz von 1,6 % an. Wegen der geplanten Änderung des BSHG wies sie jedoch darauf hin, daß dieses Angebot unter dem Vorbehalt einer abweichenden Neuregelung, wie z.B. der Deckelung der Pflegesätze, stehe.
Da auf dieser Basis keine Einigung zustandekam, wandte sich die Beigeladene mit Schreiben vom 22.12.1995 an die Beklagte und begehrte eine Entgeltentscheidung für das erste Halbjahr 1996. In der 23. Sitzung der Beklagten am 13.6.1996 einigten sich die Klägerin und die Beigeladene darauf, daß die Entgelte 1995 für die Zeit vom 1.1.1996 bis zum 30.6.1996 um 2,78 % erhöht werden sollten. Gleichzeitig wurde den Beteiligten eine Widerrufsfrist bis zum 21.6.1996 eingeräumt. Von dieser Widerrufsmöglichkeit machte die Klägerin am 21.6.1996 Gebrauch. In der 24. Sitzung am 24.6.1996 beschloß die Beklagte, daß die Pflegesätze für das Alten- und Pflegeheim Korfesstraße in Braunschweig mit Wirkung ab dem 18.1.1996 um 3,14 % erhöht werden. Dabei ging die Beklagte von 3,91 % Steigerung bei den Personalkosten und 2 % bei den Sachkosten aus und ermittelte den Endsteigerungssatz auf der Grundlage eines Verhältnisses der Personalkosten zu den Sachkosten von 70: 20 bei 10 % nicht steigerungsfähigen Kosten. Diese Entscheidung wurde im Bescheid vom 28.9.1996 umgesetzt, der am 7.10.1996 zugestellt wurde.
Am 1.11.1996 hat die Klägerin den Verwaltungsrechtsweg beschriften. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, daß aufgrund der Neuregelung des § 93 Abs. 6 BSHG durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl. S. 1088, 1092), das zum 1.8.1996 in Kraft getreten ist, eine Deckelung der Steigerung der Pflegesätze vorgenommen worden sei, die auch dieses Verfahren betreffe. Aufgrund dieser Neuregelung dürfe bezogen auf das Jahr 1995 für das Jahr 1996 erst ab dem 1.4.1996 eine Erhöhung der Pflegesätze von nur 1 % vorgenommen werden. Im übrigen sei der von der Beklagten ermittelte Steigerungssatz auch nicht korrekt. Es könne allenfalls von einer Steigerung der Kosten in Höhe von 2,13 % ausgegangen werden. Insoweit wird auf die Berechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 3.2.1997, Seite 2 bis 4, sowie die dortige Anlage Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung ihrer Entscheidung vom 28.9.1996 zu verpflichten, eine § 93 Abs. 6 BSHG entsprechende Entgeltregelung für die Zeit vom 1.1.1996 bis 30.6.1996 zu treffen, die berücksichtigt, daß für die Zeit 1.) vom 1.1.1996 bis 31.1.1996 keine Anhebung der Entgelte erfolgt und 2.) Entgelte frühestens ab dem 1.4.1996 um bis zu 1 % angehoben werden können, ausgehend von den für den 18.7.1995 festgesetzten Pflegesätzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, daß ihre Entscheidung bereits auf der Sitzung am 24.6.1996 getroffen worden sei und zu diesem Zeitpunkt die zum 1.8.1996 in Kraft getretene Deckelungsregelung noch nicht galt. Abzustellen sei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Beklagten und nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Die Beklagte habe gar nicht die Möglichkeit gehabt, die Neuregelung in ihre Entscheidung einfließen zu lassen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, daß die Deckelung bereits vor dem 1.8.1996 Gültigkeit haben soll, hätte er das Inkrafttreten des Gesetzes auf einen früheren Zeitpunkt gelegt und nicht auf eine rückwirkende Deckelung mit Wirkung ab dem 1.8.1996. Im übrigen sei die Berechnung des Steigerungssatzes korrekt vorgenommen worden.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag, schließt sich jedoch vollinhaltlich den Ausführungen der Beklagten an. Ergänzend führt sie aus, daß die Klägerin weder in ihr Entgeltangebot noch in das Schiedsstellenverfahren einen BSHG-Novellen-Vorbehalt eingebaut bzw. eingebracht habe. Die Auslegung des geänderten § 93 Abs. 6 BSHG durch die Klägerin sei im übrigen falsch. Pflegesatzvereinbarungen bzw. -festsetzungen könnten aufgrund dieser Gesetzesänderung nicht rückwirkend geändert werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vertrages der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28.9.1996 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, daß die Beklagte die Pflegesätze für das von der Beigeladenen betriebene Alten- und Pflegeheim in der Korfesstraße in Braunschweig unter Berücksichtigung der Fassung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.6.1996 (BGBl. I, S. 1088, 1092) festsetzt. Die durch dieses Gesetz ab dem 1.8.1996 in Kraft getretene Regelung ist nicht verfassungswidrig (1.) und ist von der Beklagten in der von der Klägerin begehrten Form anzuwenden (2.).
1.)
Die ab 01.08.1996 in Kraft getretene Neufassung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG ist nicht verfassungswidrig. Nach dieser Regelung dürfen die am 18.07.1995 vereinbarten oder durch die Schiedsstelle festgesetzten Pflegesätze bezogen auf das Jahr 1995 beginnend mit dem 01.04.1996 in den Jahren 1996, 1997 und 1998 in den alten Bundesländer nicht höher steigen als ein vom Hundert. Damit erfaßt diese Regelung auch Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten dieser Regelung ab 01.08.1996 liegen, nämlich den vor dem 01.08.1996 liegenden Zeitraum der Pflegesätze für das Jahr 1996. Diese rückwirkende Wirkung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein selbständiges Rückwirkungsverbot stellt das Grundgesetz nur für das Strafrecht auf. Außerhalb des Strafrechts beruht die Beschränkung der Rückwirkung von Gesetzen auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG (BVerfG, Beschl. vom 15.10.1996, BVerfGE 95, 64; 82mit Hinweis auf BVerfGE 88, 384, 403). Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Durch das Grundgesetz ist aber nur das Vertrauen der Bürger darauf gestützt, daß Rechtspositionen, die ihnen gesetzlich eingeräumt worden sind, nicht nachträglich verschlechtert werden. Der Einzelne soll sich grundsätzlich darauf verlassen können, daß der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände keine ungünstigeren Folgen knüpft, als sie zum Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände voraussehbar waren (sog. echte Rückwirkung). Auch kann unter bestimmten Umständen das Vertrauen des Bürgers Schutz dagegen begründen, daß seine Rechtsposition nicht nachträglich durch Vorschriften entwertet wird, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirken (sog. unechte Rückwirkung) (vgl. BVerfG, Beschl. vom 12.03.1996, BVerfGE 94, 241, 258 f. unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Eine echte Rückwirkung, wie sie von der Klägerin unter Berufung auf die Ansicht von Neumann (NDV 1997, S. 43 ff.) vertreten wird, liegt hier nicht vor. Im Gegensatz zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14.05.1986 (BVerfGE 72, 200), auf die sich Neumann beruft, liegt im vorliegenden Fall keine Situation vor, in der für in der Vergangenheit bereits abgeschlossene Sachverhalte rückwirkend eine Neuregelung getroffen wird. Von der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.05.1986 zu beurteilenden Änderung des Außensteuergesetzes waren nämlich auch Einkommenszuflüsse erfaßt, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt waren. Durch die Änderung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG dagegen werden Sachverhalte erfaßt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 01.08.1996 noch nicht abgeschlossen waren, nämlich hier der Höhe der Pflegesätze im Pflegesatzjahr 1996. Die Regelungen der Neufassung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG wirken somit auf Rechtsbeziehungen ein, die in der Vergangenheit begründet wurden, auf Dauer angelegt und noch nicht abgeschlossen sind. Ihnen kommt deshalb eine unechte Rückwirkung zu (vgl. BVerfG, BBesG, vom 13.05.1986, BVerfGE 72, 175, 196 [BVerfG 13.05.1986 - 1 BvR 1542/84] m.w.N.). Die Wirtschaftsperiode 1996 war nämlich in der Vergangenheit, d.h. zum 01.01.1996 bereits begründet, auf Dauer angelegt, nämlich für das gesamte Jahr 1996 und noch nicht abgeschlossen, da die Neuregelung zum 01.08.1996 in Kraft trat. Derartige Regelungen mit unechter Rückwirkung sind grundsätzlich zulässig. Jedoch ergeben sich für den Gesetzgeber aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit verfassungsrechtliche Schranken, wobei Rechtssicherheit in erster Linie für den Bürger Vertrauensschutz bedeutet. Das Vertrauen des Bürgers ist nämlich enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also auch bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Geboten ist eine Abwägung des Interesses des Einzelnen mit demjenigen, der Allgemeinheit. Nur wenn diese Abwägung ergibt, daß das Vertrauen auf die Fortgeltung der bestehenden Lage den Vorrang verdient, ist die Regelung unzulässig (vgl. BVerfGE 72, 175, 197 [BVerfG 13.05.1986 - 1 BvR 1542/84] m.w.N.).
Das Vertrauen der Träger von Pflegeheimen auf Fortbestehen der bisherigen Fassung des § 93 Abs. 6 BSHG ohne eine Deckelung bezüglich der Erhöhung der Pflegesätze auch noch für die Wirtschaftsperiode 1996 ist nicht schutzwürdig. Die Absicht, die Erhöhung von Pflegesätzen zu begrenzen, ist seit dem entsprechenden Kabinettsbeschluß vom 18.07.1995 (vgl. insoweit auch Neumann, NDV 1997, S. 43) bekannt. Zwar war seit diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, in welcher Form die Steigerung der Pflegesätze begrenzt werden sollte, an dem Ob gab es jedoch keine Zweifel mehr. So war im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27.09.1995 (BT-Drucks. 13/2440) vorgesehen, daß die Pflegesätze in den Kalenderjahren 1996, 1997 und 1998 nicht stärker steigen sollten als die allgemeinen Löhne (vgl. S. 8 und 17). Auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde die Deckelung als solche nicht mehr in Frage gestellt. So teilte die Bundesregierung in der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 26.10.1995 (BT-Drucks. 13/2764) mit, daß die Festlegung des maßgeblichen Pflegesatzes auf dem Tag der Kabinettsentscheidung verhindern solle, daß im Hinblick auf die vorgesehene Deckelung noch neue höhere Pflegesätze vereinbart werden können (S. 5). Somit konnten sich die Träger von Pflegeheimen bereits rechtzeitig vor Beginn der Wirtschaftsperiode 1996 darauf einstellen, daß es zu einer Deckelung der Erhöhung der Pflegesätze im Rahmen des § 93 BSHG kommen wird. Deshalb ist es nicht von entscheidender Bedeutung, daß diese Deckelung erst durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechtes vom 23.07.1996, das am 01.08.1996 in Kraft getreten ist, umgesetzt wurde. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt Kostendämpfungsgesetze als mit dem Grundgesetz vereinbart erklärt (vgl. Beschl. vom 31.10.1984, BVerfGE 68, 193, 216 ff.; Beschl. vom 14.05.1985, BVerfGE 70, 1, 24 ff.). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es auch, daß der Gesetzgeber den Stichtag "18. Juli 1995", d.h. den Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses, zugrundegelegt hat. Der Gesetzgeber darf Regelungen treffen, die einen Gesetzesadressaten für den Zeitraum zwischen dem Bekanntwerden einer beabsichtigten Gesetzesänderung und deren Beschluß durch den Gesetzgeber an tatsächlichen Gestaltungen hindern (vgl. BVerfG, Beschl. vom 03.12.1997, DVBl. 1998, S. 465). Diese Absicht hat der Gesetzgeber auch hier verfolgt. So ergibt sich aus der Drucksache 13/2764, S. 5, daß die Festlegung des maßgeblichen Pflegesatzes - auch für das Wirtschaftsjahr 1996 - auf den Tag der Kabinettsentscheidung, d.h. den 18.07.1995, verhindern solle, daß im Hinblick auf die vorgesehene Deckelung noch neue höhere Pflegesätze vereinbart werden können.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG bestehen deshalb aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht.
2.)
Die Beklagte handelte dadurch rechtswidrig, daß sie bei Erlaß ihres Bescheides vom 28.9.1996 nicht die bereits ab dem 1.8.1996 in Kraft getretene geänderte Fassung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG angewandt hatte. Maßgebend für eine Behörde ist der Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung bescheidmäßig umgesetzt wird und damit bekannt gemacht wird. Nicht von Bedeutung ist, zu welchem Zeitpunkt der zugrundeliegende Beschluß gefaßt worden ist. Insoweit ist die Situation vergleichbar mit der innerhalb einer Kommune, in der eine Entscheidung durch Beschluß eines Gremiums getroffen wird und erst danach durch die Verwaltung in Bescheidform umgesetzt wird. Darüber hinaus ist hierzu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber durch die Art der Neuregelung des § 93 Abs. 6 BSHG dieser Bestimmung einen rückwirkenden Regelungsgehalt ab dem 1.1.1996 beimißt, so daß diese Neuregelung
bereits deshalb auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die den Zeitraum ab dem 1.1.1996 betreffen. Bereits aus diesem Grunde ist das erkennende Gericht verpflichtet, im vorliegenden Fall, in dem es um die Höhe der Pflegesätze ab dem 1.1.1996 geht, die aktuelle Fassung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG zu berücksichtigen.
Bei Anwendung dieser neuen Fassung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG hätte die Beklagte den Pflegesatz für das von der Beigeladene betriebene Alten- und Pflegeheim Korfesstraße in Braunschweig entsprechend den Angaben im Tenor festsetzen müssen. So ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG, daß bezogen auf das Jahr 1996 das gesamte Jahr seit dem 01.01.1996 erfaßt werden soll. So ist bei der Formulierung "in den Jahren 1996, 1997 und 1998" keine Einschränkung auf bestimmte Teilzeiträume in diesen Jahren vorgenommen worden. Auch folgt aus der Gesetzesbegründung, daß die Neuregelung bereits ab 01.01.1996 Wirkung entfalten soll. So ergibt sich bereits aus der allgemeinen Gesetzesbegründung, daß "die Pflegesätze in Einrichtungen in den Kalenderjahren 1996, 1997 und 1998 nicht stärken steigen soll als ..." (vgl. Drucksache 13/2440, S. 17). In der speziellen Begründung zu § 93 BSHG heißt es sodann:
"Die Begrenzung gilt bereits ab 01. Januar 1996, wobei eine Neuvereinbarung von Pflegesätzen erst ab 01. April 1996 ohne Rückwirkung und nur für die Zukunft (Abs. 3 Satz 1) möglich ist".
(BT-Drucks. 13/2440, S. 29). Diese gesetzgeberische Absicht hat in dem Wortlaut der Vorschrift auch in hinreichender Form ihren Niederschlag gefunden.
Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO stattzugeben. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt hat und somit auch keinem Risiko ausgesetzt war, mit Prozeßkosten belastet zu werden.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Meyer
Hachmann