Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.06.1998, Az.: 7 B 7282/98

Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung als "leitender Beamter"; Rechtliche Einordnung der Änderung einer Dezernatseinteilung; Zumutbarkeit der Ausübung einer dem statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Amt nicht entsprechenden Tätigkeit; Umfang einer Entscheidung über einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren; Kriterien für die Bewertung des Amtes eines kommunalen Wahlbeamten

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.06.1998
Aktenzeichen
7 B 7282/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 31883
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1998:0611.7B7282.98.0A

Fundstelle

  • NdsVBl 1998, 266-268

Verfahrensgegenstand

Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer -
am 11.06.1998
beschlossen:

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller entsprechend seinem Amt als Erster Stadtrat zu beschäftigen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller begehrt (sinngemäß), amtsangemessen beschäftigt zu werden.

2

Im zweiten Halbjahr 1993 schrieb die Antragsgegnerin die nach Besoldungsgruppe B 2 BBesO dotierte Stelle des "allgemeinen Vertreters des Oberstadtdirektors als Stadtdirektor" aus. In der Ausschreibung war u.a. ausgeführt, das bisher zum Aufgabenbereich gehörende Dezernat umfasse das Amt für Finanzwesen, das Amt für Bildungs- und Sozialwesen und das Kulturamt sowie die Leitung der Stadtwerke. Eine Änderung bleibe vorbehalten. Am 14.12.1993 wurde der Antragsteller vom Rat der Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.02.1994 bis 31.01.2006 zum Stadtdirektor gewählt und war seitdem u.a. als Stadtkämmerer tätig.

3

Im Jahr 1997 bereitete die Antragsgegnerin eine grundlegende Umstrukturierung der Verwaltungsorganisation Vor, welche die Einführung eines neuen Steuerungsmodells zur Steigerung der Effizienz zum Ziel hatte. Die Vorbereitungen hierzu mündeten in einem Strukturmodell, welches vorsah, die Dezernenten Ebene abzuschaffen und stattdessen sechs Fachbereiche sowie eine Stabstelle einzurichten. Dabei sollte die dem Oberstadtdirektor unmittelbar zugeordnete Stabstelle für das Controlling, das Beteiligungscontrolling und die Steuerungsunterstützung der übrigen Verwaltung sowie für die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Partnerschaften zuständig sein. Im Beiblatt zur Beschlußvorlage Nr. 188/97 des Rates der Antragsgegnerin vom 26.09.1997, welche die Umsetzung der Organisationsänderung zum Gegenstand hatte, war ausgeführt, der Antragsteller übernehme die Leitung dieser Stabstelle und erhalte deshalb keine zusätzlichen Fachbereichszuständigkeiten. Gleichzeitig waren in der Vorlage die von ihm bisher schwerpunktmäßig wahrgenommenen finanzwirtschaftlichen Aufgaben dem künftigen Fachbereich 1 "zentrale Dienste und Finanzen" zugeordnet und angekündigt worden, daß alle neu gebildeten Leitungsfunktionen in den Fachbereichen und der Stabstelle intern ausgeschrieben würden. In der am 29.12.1997 erfolgten Ausschreibung war für die Stelle des Leiters des Fachbereichs 1 eine Wertigkeit nach BesGr. A 13 BBesO und für den Leiter der Stabstelle Steuerungsunterstützung ein nach BesGr. A 12 BBesO bewerteter Dienstposten vorgesehen.

4

Mit Schreiben vom 29.01.1998 teilte der Antragsteller dem Oberstadtdirektor der Antragsgegnerin mit, er werde sich an dem Ausschreibungsverfahren nicht beteiligen, da er für die Dauer von 12 Jahren zum Stadtdirektor bzw. Ersten Stadtrat gewählt worden sei. Er habe sich zum damaligen Zeitpunkt zur Wahl gestellt, weil er insbesondere an den Aufgaben eines Stadtkämmerers interessiert gewesen sei und bitte deshalb, ihm die Leitung des Fachbereichs 1 zu übertragen.

5

Am 10.03.1998 beschloß der Rat der Antragsgegnerin, dem Antragsteiler "zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Beschäftigung" - neben der allgemeinen Vertretung des Hautpverwaltungsbeamten - unter dem Vorbehalt einer jederzeitigen Änderung die Aufgabenbereiche des "Leiters des Bereichs Controlling" und des "Werkleiters der Stadtwerke" zuzuordnen. Weiter war in der Vorlage ausgeführt: Diese Aufgaben würden nach BesGr. A 16 BBesO bewertet. Die Funktion des Ersten Stadtrates führe zu einer Bewertung nach BesGr. B 2 BBesO. Gleichzeitig beschloß der Rat der Antragsgegnerin, der Fachbereich 1 werde dem Antragsteller für die Dauer seiner Wahlzeit nicht übertragen.

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Dies teilte der Oberstadtdirektor der Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 11.03.1998 mit und führte ergänzend aus: Eine Übertragung der Stelle des Leiters des Fachbereichs 1 auf den Antragsteller komme nicht in Betracht, da der Dienstposten nach BesGr.A 13 g.D. BBesO bewertet sei, der Antragsteller hingegen dem höheren Dienst angehöre. Darüber hinaus sei er aufgrund seines volkswirtschaftlichen Studiums für die Leitung des Bereichs "Cöntrolling" in besonderem Maße geeignet. Gleichzeitig ordnete der Oberstadtdirektor der Antragsgegnerin in diesem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben hinsichtlich der Übertragung der Leitung des Bereichs "Controlling" und des Entzugs des bisherigen Aufgabengebiets mit Ausnahme der Werkleitung der Stadtwerke zum 01.04.1998 die sofortige Vollziehung an und begründete dies mit der Notwendigkeit, die Funktionen der Leiter des Fachbereichs 1 und des Bereichs "Controlling" umgehend besetzen zu müssen, um ein reibungsloses Verwaltungshandeln zu gewährleisten. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 30.03.1998 Widerspruch ein, aber den - soweit ersichtlich - bisher nicht entschieden wurde.

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Am 03.04.1998 hat der Antragsteller sodann auf dem Verwaltungsrechtsweg um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und trägt dazu vor: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin sei nicht hinreichend begründet. Auch seien seine Interessen nicht in die Abwägung einbezogen worden. Der Entzug der bisherigen Aufgaben stelle einen Eingriff in sein Amt als Erster Stadtrat dar. Er sei als leitender Beamter gewählt worden und werde infolge der Organisationsänderung nicht mehr mit Leitungsfunktionen betraut. Statt bisher 220 Mitarbeiter sei ihm nur noch ein Mitarbeiter zugeordnet. Auch habe er als Leiter des Bereichs "Controlling" keine Entscheidungsbefugnisse, sondern sei zuarbeitend tätig und dem Oberstadtdirektor unmittelbar unterstellt. Zudem entspreche die Bewertung der Stelle nicht der BesGr. A 16 BBesO, da sie durch die Antragsgegnerin selbst nach BesGr. A 12 BBesO ausgeschrieben worden sei. Die Aufgabe der Werkleitung der Stadtwerke habe auch in der Vergangenheit nur 20 % seiner Tätigkeit in Anspruch genommen.

8

Weiter führt der Antragsteller aus: Es sei nicht auszuschließen, daß die Umstände, die einem gegen ihn durchgeführten Disziplinarverfahren zugrundegelegen haben, auch die ihn betreffende Aufgabenänderung veranlaßt hätten. Durch Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 01.10.1997 war gegen den Antragsteller eine Geldbuße von 7.000,- DM verhängt worden, weil er sich als Teilnehmer der Jahreshauptversammlung der freiwilligen Feuerwehr Goslar am 15.02.1997 in abfälliger und beleidigender Weise öffentlich über leitende Beamte und Ratsherren der Antragsgegnerin geäußert haben soll. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg. Die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig bestätigte die Entscheidung durch Beschluß vom 10.03.1998 - (13 A 3/98). In einem daraufhin erschienenen Presseartikel der Goslarschen Zeitung vom März 1998 wird der SPD-Fraktionsvorsitzende des Rates der Antragsgegnerin mit der Äußerung zitiert: "Jetzt gebe es nur eines, der Antragsteller müsse abgelöst werden. Wer andere Funktionsträger in dieser Weise beleidige, sei untragbar Personal zu führen". Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende soll demselben Artikel zufolge geäußert haben: "Ob für eine Abwahl Raum sei, hänge auch davon ab, ob der Antragsteller die ihm vom Rat per Sofortvollzug zugewiesenen neuen Aufgaben, u.a. das zentrale Controlling, wahrnehme".

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Der Antragsteller, der sich der Sache nach gegen die Entziehung der sein Amt prägenden Leitungsfunktionen wendet, beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 30.03.1998 gegen die "Verfügung" der Antragsgegnerin vom 11.03.1998 wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

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Sie erwidert: Zwar treffe es zu, daß der Antragsteller als Leiter des bereichs "Controlling" weniger Leitungsfunktionen wahrnehme, er sei jedoch als Werkleiter der Stadtwerke für einen Personalstamm von 80 Mitarbeitern zuständig. Zudem seien die Dienstposten der Fachbereichsleiter bereits zum 01.04.1998 anderweitig besetzt worden, nachdem der Antragsteller - was von ihm bestritten wird - telefonisch mitgeteilt habe, er werde gegen die geänderte Aufgabenverteilung keine Rechtsmittel ergreifen. Einen gegen die Stellenbesetzung gerichteten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung habe er nicht gestellt. Die Ausschreibung der Funktion des Leiters des Bereichs "Controlling" nach BesGr. A 12 BBesO sei fehlerhaft gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei noch keine hinreichend exakte Stellenbewertung vorgenommen worden. Ein Vergleich mit anderen Kommunen belege die Richtigkeit der nunmehr vorgenommenen Bewertung. So sei das Aufgabenfeld "strategisches Controlling" bei der Stadt Detmold, welches noch enger gefaßt sei, als das des Antragstellers, nach VergGr. I b BAT, vergleichbar mit BesGr. A 14 BBesO, ausgeschrieben worden. Auch würden die Geschäftsführer von in Privatrechtsform betriebenen Stadtwerken vergleichbarer Kommunen mit weniger Beschäftigten nach VergGr. I/II BAT bezahlt.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

13

II.

Die Kammer geht bei ihrer Entscheidung davon aus, daß der Antragsteller der Sache nach begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn amtsangemessen zu beschäftigen.

14

Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde: Die Änderung einer Dezernatseinteilung stellt keinen Verwaltungsakt dar (OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.10.1975 - II OVG B. 39/75). Auch sonstige Änderungen des Aufgabenbereichs eines Beamten - wie sie hier durch die Abschaffung der Verwaltungsgliederung in Dezernate eingetreten ist - stellen lediglich innerorganisatorische Maßnahmen ohne Verwaltungsaktsqualität dar (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.11.1991 - ZBR 92, 175 [BVerwG 28.11.1991 - BVerwG 2 C 41.89] und ZBR 92, 176 [BVerwG 28.11.1991 - BVerwG 2 C 7/89]). Da das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.03.1998 somit rechtlich nicht als Verwaltungsakt zu bewerten ist, war die darin enthaltene "Anordnung der sofortigen Vollziehung" nicht erforderlich. Vielmehr lag es auch ohne eine solche Anordnung im Ermessen der Antragsgegnerin, die beschlossene Organisationsänderung zum 01.04.1998 umzusetzen.

15

Gleichwohl kann der von einer solchen Aufgabenänderung betroffene Beamte, wenn er der Auffassung ist, daß ihm nach der Änderung keine Aufgaben mehr verblieben seien, die seinem statusrechtlichen Amt entsprechen, sein Rechtsschutzziel im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgen (BVerwG, Urt. v. 28.11.1991, a.a.O.), wobei er gemäß § 126 Abs. 3 BRRG auch in diesem Fall ein Vorverfahren durchführen muß. Insoweit ist die Rechtsbehelfsbelehrung der Antragsgegnerin zu Recht ergangen.

16

Der Antragsteller hätte also zur sachgerechten Verfolgung seines Rechtsschutzbegehrens den Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragen müssen, ihn auch nach der Organisationsänderung amtsangemessen zu beschäftigen. Ein solcher Antrag ist dem Vorbringen des Antragstellers mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Auch bei der Auslegung von Prozeßerklärungen kommt es nicht auf ihren Wortlaut, sondern auf den Sinn des Begehrens des Rechtsschutzsuchenden an (BayVGH, Beschl. v. 27.8.1987 - DVBl. 88, 590). Daher kann auch ein Antrag nach § 123 VwGO in einen solchen nach § 80 Abs. 5. VwGO umgedeutet werden und umgekehrt (Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 123 Rdnr. 5; Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl., § 123 Rdnr. 2, jeweils m.w.N.).

17

Der somit nach § 123 VwGO statthafte Antrag ist auch begründet.

18

Gemäß § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch zur. Regelung eines vorläufigen Zustandes ist der Erlaß einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind gemäß § 123 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) und das gefährdete Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Das ist geschehen.

19

Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, daß es dem Antragsteller im Hinblick auf den - wie noch darzustellen ist glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch nicht zuzumuten ist, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über eine nach Abschluß des Vorverfahrens, erhobene Klage auf amtsangemessene Beschäftigung mit Aufgaben betraut zu werden, die seinem statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Amt nicht entsprechen. Zwar kann das Gericht dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und darf dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozeß erreichen könnte (BVerwG, DVBl. 93, 355; Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 123 Rdnr. 13 m.w.N.), doch gilt dies im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache besteht. So liegt es hier. Eine Versagung der begehrten einstweiligen Anordnung hätte zur Folge, daß der Antragsteller möglicherweise über Jahre hinweg mit Aufgaben betraut würde, die seinem Amt nicht angemessen sind. Dies ist dem Antragsteller auch im Hinblick auf die Interessen der Antragsgegnerin nicht zuzumuten. Der Kammer drängt sich - auch im Hinblick auf die Presseerklärungen der Fraktionsvorsitzenden der im Rat der Antragsgegnerin vertretenen Parteien - der Eindruck auf, daß die Antragsgegnerin versucht, den Antragsteller wegen seines disziplinarisch geahndeten Verhaltens mit der streitbefangenen Aufgabenzuweisung "kaltzustellen". Ein solches Vorgehen lassen weder die beamtenrechtlichen noch die kommunalverfassungsrechtlichen Bestimmungen zu.

20

Dem Antragsteller steht daher auch ein Anordnungsanspruch zur Seite.

21

Dieser ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß der dem Antragsteller zugeordnete Dienstposten entgegen der Bewertung durch die Antragsgegnerin nicht der BesGr. A 16 bzw. B 2 BBesO entspräche. Die hierzu von den Beteiligten herangezogenen Vergleiche mit anderen Dienstposten für Laufbahnbeamte führen im vorliegenden Fall nicht weiter. Anders als bei der Bewertung von Dienstposten für Laufbahnbeamte, bei denen dem Dienstherrn ein Bewertungsspielraum zusteht, der einer gerichtlichen Überprüfung dann zugänglich ist, wenn sich die Bewertung des vom Beamten bekleideten Dienstpostens als Mißbrauch der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn und damit als Manipulation zum Nachteil des Stelleninhabers darstellt (BVerwG, Urt. v. 28.11.1991, a.a.O.), ist die Bewertung des Amtes eines kommunalen Wahlbeamten durch Gesetz und Verordnung festgelegt. Gemäß § 21 Abs. 1 BBesG i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 BKomBesV vom 07.04.1978 BGBl. I S. 468 darf das Amt des allgemeinen Vertreters des ersten hauptamtlichen Wahlbeamten auf Zeit einer Gemeinde mit mehr als 30.000 bis zu 100.000 Einwohnern nach sachgerechter Bewertung höchstens in die BesGr. B 5 BBesO eingestuft werden. Unter Berücksichtigung dessen ist das Amt des allgemeinen Vertreters des Hauptverwaltungsbeamten in niedersächsischen Gemeinden mit 40.001 bis 60.000 Einwohnern nach § 21 Abs. 2 BBesG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Nds. Kommunalbesoldungsverordnung vom 12.11.1996 (Nds GVBl. S. 464) in die BesGr, B 2 BBesO eingestuft. Dies läßt einen Bewertungsspielraum des Dienstherrn nicht zu. Abgesehen davon liegen für die Annahme einer Manipulation auch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Die Antragsgegnerin hat eingeräumt, daß die in der Stellenausschreibung vom 29.12.1997 ausgewiesene Bewertung der Stelle des Bereichs "Controlling" nach BesGr. A 12 BBesO fehlerhaft war. Hinzu kommt, daß die Ausschreibung auch nicht die höherwertige Aufgabe der Werksleitung der Stadtwerke einschloß.

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Der Anordnungsanspruch ergibt sich in dem hier zu entscheidenden Fall daraus, daß die vorgenommene Aufgabenzuweisung den Anspruch des Antragstellers auf eine, amtsangemessene Beschäftigung verletzt. Der Beamte hat einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, entsprechend seinem Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktioneilen Sinn beschäftigt zu werden (BVerwG, Urt. v. 27.2.1992 - ZBR 92, 242 [BVerwG 27.02.1992 - BVerwG 2 C 45.89]). Zwar kann der Dienstherr den Aufgabenbereich eines Beamten grundsätzlich jederzeit verändern, ohne daß dem Bekleiden einer Leitungsfunktion eine das Ermessen des Dienstherrn einschränkende Bedeutung zukäme (BVerwG, Urt. v. 28.11.1991 a.a.O.), doch gilt dies nur, solange dem Beamten ein dem statusrechtlichen Amt entsprechender Dienstposten verbleibt, d.h. wenn der für ihn vorgesehene Aufgabenbereich seinem statusrechtlichen Amt gerecht wird (BVerwG, Urt. v. 24.1.1985 - ZBR 85, 223). Das ist vorliegend nicht der Fall.

23

Die Wahl des Antragstellers, der zunächst zum Stadtdirektor ernannt wurde und seit der zum 01.11.1996 in Kraft getretenen Reform des Kommunalverfassungsrechts die Amtsbezeichnung Erster Stadtrat führt, erfolgte auf der Grundlage des § 81 Abs. 1 NGO. Danach können außer dem Hauptverwaltungsbeamten auch andere leitende Beamte in das Beamtenverhältnis auf Zeit berufen werden. Aus der gesetzgeberischen Formulierung "leitender Beamter" folge, daß die Wahrnehmung angemessener Leitungsfunktionen dem statusrechtlichen Amt des Ersten Stadtrates immanent ist. Abweichend von den vorstehenden Ausführungen zur Organisationsfreiheit hinsichtlich der Übertragung von Führungsaufgaben folgt hieraus für die nach § 81 NGO in das Beamtenverhältnis auf Zeit berufenen Beamten, daß ein Entzug der Leitungsfunktionen nicht ohne Eingriff in das abstrakt-funktioneile Amt möglich ist.

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Auch wenn dem Gebot einer Betrauung mit Leitungsfunktionen eine Reduzierung von Führungsaufgaben in angemessenem Umfang nicht entgegensteht, trägt die von der Antragsgegnerin vorgenommene Aufgabenzuweisung diesen Anforderungen nicht hinreichend Rechnung. Durch die in § 81 NGO auf Kommunen einer bestimmten Größenordnung beschränkte Möglichkeit, neben dem Hauptverwaltungsbeamten weitere leitende Beamte in das Beamtenverhältnis auf Zeit zu berufen, hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß er solche Beamte nur in Gemeinden für erforderlich hält, in denen wegen der notwendigen Verwaltungsgröße die einzelnen Bereiche so zugeschnitten sind, daß der Hauptverwaltungsbeamte die Entscheidungsund Leitungsbefugnisse nicht mehr weitgehend allein ausüben kann (vgl. Lüersen-Neuffer, NGO § 81 Anm. 1). Daher ist dem Beamten ein eigener Geschäftskreis zuzuordnen, der die selbständige Wahrnehmung einer Gestaltungsaufgabe der Gemeinde erfordert und für eine leitende Funktion einen eigenen kommunalpolitisch relevanten Verantwortungsbereich bietet (Thieme, NGO, 3. Aufl., § 81 Rdnr. 4). Zwar hat der leitende Beamte wenn - wie hier - bereits in der Stellenausschreibung eine Änderung des Aufgabenbereichs vorbehalten war, keinen Anspruch auf eine im Kern unveränderte Dezernatseinteilung, weshalb auch der Antragsteller nicht verlangen kann, als Kämmerer eingesetzt oder mit vergleichbaren. Aufgaben betraut zu werden, doch muß ihm in jedem Fall eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptverwaltungsbeamten und ein eigener kommunalpolitischer Verantwortungsbereich eingeräumt werden (vgl. Thiele, NGO, 14. Aufl., § 81 Erl. 2; vgl. auch VG Hannover, Urt. v. 15.12.1994 - 9 A 4590/92). Das ist vorliegend nicht in hinreichendem Maße geschehen.

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Die Frage, ob die konkret zugewiesenen Aufgaben im gebotenen Umfang Leitungs- und Gestaltungsmöglichkeiten beinhalten, ist sowohl unter quantitativen als auch unter qualitativen Aspekten zu beurteilen. Die dem Antragsteller zugewiesenen Aufgaben genügen diesen Anforderungen nicht. Zwar hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Funktion eines Werkleiters der Stadtwerke belassen, doch hat der Antragsteller glaubhaft dargetan, daß diese Tätigkeit sowohl sachlich als auch zeitlich von untergeordneter Bedeutung ist. Voraussetzung für die Einrichtung von Ämtern für Zeitbeamte ist, daß entsprechend deren Stellung als gemeindliche Führungskräfte leitende Funktionen den Amtsinhalt prägen (Thiele, NGO, 4. Aufl., § 81 Erl. 2). Dem Geschäftsbereich eines leitenden Beamten muß - jedenfalls nach klassischer Verwaltungsorganisation - mindestens ein Amt angehören, das die selbständige Wahrnehmung oder Steuerung einer Gestaltungsaufgabe der Gebietskörperschaft erfordert. Nicht zulässig ist es daher, einen Geschäftsbereich so zuzuschneiden, daß er quantitativ oder qualitativ einem Dezernat nicht entspricht. Auch ein bloß zuarbeitender oder beratender Einsatz genügt nicht, da eine leitende Tätigkeit Führungsaufgaben voraussetzt (Engel/Fey Rdnr. 9 ff. zum vergleichbaren § 62 NLO). Der Zuschnitt der für den Antragsteller vorgesehenen Aufgaben ist durch die "Leitung" des Bereichs Controlling geprägt. Hierfür veranschlagt der Antragsteller 80 % seiner Arbeitszeit, was auch von der Antragsgegnerin nicht substantiiert bestritten wird. Da der Antragsteller darüber hinaus unwidersprochen vorgetragen hat, es sei ihm insoweit nur ein Mitarbeiter zugeordnet, läßt sich auch aus der Bezeichnung "Bereich Controlling" nicht auf eine Organisationseinheit mit Führungsbedarf schließen. Zudem hat die Antragsgegnerin selbst eingeräumt, daß dem Antragsteller auf diesem Tätigkeitsfeld weniger eine leitende denn eine dem Hauptverwaltungsbeamten zuarbeitende Funktion zukomme.

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Obwohl die dem Antragsteller übertragenen Aufgaben somit keine amtsangemessene Beschäftigung darstellen, kommt eine Verpflichtung zur Rückübertragung der bisherigen Aufgaben oder der Übertragung der Leitung des Fachbereichs 1 nicht in Betracht, da die Antragsgegnerin in der Entscheidung, welche Leitungsaufgaben sie dem Antragsteller übertragen will, ein nur durch die Mißbrauchsschranke begrenztes Organisationsermessen hat, welches - insbesondere im Hinblick auf die in § 138 NGO vorgesehene Experimentierklausel - auch die Abschaffung der Dezernatsebene zuläßt, die nicht mit einem Wegfall der obersten Leitungsebene sondern nur mit einem Wechsel ihrer Bezeichnung und einer anderen Aufgabenverteilung und -strukturierung verbunden ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 3 GKG, wobei wegen der teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache auf eine Reduzierung des Auffangstreitwertes im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung verzichtet wurde.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,- DM festgesetzt.

Hartermann
Dr. Struß
Schwarz