Landgericht Lüneburg
Urt. v. 28.07.2020, Az.: 2 O 15/19

Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gegen den Täter als Schädiger wegen des sog. Schockschadens (hier: erlittene eigene gesundheitliche Beeinträchtigung des Vaters durch den sexuellen Missbrauch der Tochter)

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
28.07.2020
Aktenzeichen
2 O 15/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2020:0728.2O15.19.00

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 12.05.2021 - AZ: 5 U 85/20
BGH - 06.12.2022 - AZ: VI ZR 168/21

In dem Rechtsstreit
des Herrn T. P., B.-Weg 1, D.,
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Kanzlei A., A., L.,
gegen
Herrn J. T., H.-Straße 6, B.,
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. D., H.-Straße 88, L.,
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 07.07.2020 durch die Richterin am Landgericht A. als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2018 zu zahlen.

  2. 2.

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2018 zu zahlen.

  3. 3.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. 4.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 47% und der Beklagte zu 53 %.

  5. 5.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch.

Bei dem Kläger handelt es sich um den Vater der am 16.03.2007 geborenen F. P., die von dem Beklagten in zehn Fällen sexuell missbraucht wurde. Auf das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 17.06.2016 (Anlage K1, Bl. 6 ff. d.A., insbesondere Ziffern II.1, II.2, II.4, II.5, II.14 - 16 und II.17 - 19), mit dem der Beklagte wegen dieser und weiterer Taten zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, wird bezüglich der Taten zum Nachteil der F. P. Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, dass er nach Kenntnisnahme der gegen den Beklagten gerichteten Vorwürfe eine tiefgreifende reaktive depressive Verstimmung erlitten habe, aufgrund derer er im Zeitraum vom 09.06.2015 bis 05.08.2016 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Seine Arbeits- und Konzentrationsfähigkeit sei erheblich eingeschränkt gewesen, weil er sich gedanklich immer mit dem Geschehen um seine Tochter beschäftigt habe. Die quälende Ungewissheit um mögliche schlimmere Verletzungshandlungen habe sein Denken vollständig vereinnahmt. Er habe sich in dieser Zeit bei einer Psychologin in fünf Sitzungen mittels Hypnosetherapie psychisch behandeln lassen. Erst nach Abschluss des gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahrens habe sich sein Zustand gebessert. An die Zeit der Arbeitsunfähigkeit habe sich noch eine sechswöchige Phase der Wiedereingliederung angeschlossen.

Der Kläger vertritt unter Verweis auf das Urteil des Landgerichts Bonn vom 04.03.2006 (Az. 3 O 334/06; zitiert aus juris) die Ansicht, dass der Beklagte ihm für die durch den Missbrauch seiner Tochter erlittene eigene gesundheitliche Beeinträchtigung zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet sei.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.12.2017 sei der Beklagte - was unstreitig ist - zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.500,00 EUR bis zum 19.01.2018 aufgefordert worden. Diese Frist habe der Beklagte - was ebenfalls unstreitig ist - verstreichen lassen. Neben der Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes schulde der Beklagte die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 537,46 EUR.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, das hinsichtlich der Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2018 zu zahlen,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 537,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass ein Fall des sog. "Schockschadens" vorliegend nicht anzunehmen sei. Dieser sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann als ersatzpflichtige Gesundheitsbeeinträchtigung anzusehen, wenn die Beeinträchtigungen pathologisch fassbar seien und über die Beeinträchtigungen hinausgingen, denen nahe Angehörige etwa bei der Mitteilung tödlicher Verletzungshandlungen erfahrungsgemäß ausgesetzt seien. Besondere Bedeutung sei dem Umstand beizumessen, ob die psychische Beeinträchtigung auf einer direkten Beteiligung oder des Miterlebens zurückzuführen sei oder nur durch den Erhalt einer Nachricht vom Schadensereignis ausgelöst werde. Gegen eine pathologisch fassbare Beeinträchtigung des Klägers spreche zum einen, dass bei der Tochter des Klägers nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. im Ermittlungsverfahren keine psychischen Belastungen durch die Taten festzustellen gewesen seien. Der Kläger und seine Ehefrau jedoch an der gegen den Beklagten gerichteten "medialen Hetze" während des Strafverfahrens beteiligt gewesen seien.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 28.12.2018 zugestellt worden.

Der Kläger hat Klage zunächst beim Amtsgericht Lüneburg erhoben und zur Höhe des in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldantrages eine Begehrensvorstellung von 4.500,00 EUR geäußert. Nachdem das Amtsgericht den Streitwert mit Beschluss vom 20.12.2018 auf 7.500,00 EUR festgesetzt hat, hat der Kläger Verweisung an das Landgericht Lüneburg beantragt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens. Auf die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. R. F. in seinem Gutachten vom 02.12.2019 (Bl. 95 ff. d.A.) und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 04.12.2019 (Bl. 113 d.A.) und 12.02.2020 (Bl. 140 d.A.) wird Bezug genommen. Ebenso auf seine ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2020 (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2020, Bl. 183 ff. d.A.).

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2020 informatorisch angehört worden. Auch diesbezüglich wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1.)

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 EUR gem. §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger aufgrund der vom Beklagten zu Lasten der Tochter des Klägers begangenen Missbrauchstaten eine pathologisch fassbare Gesundheitsbeeinträchtigung erlitten hat.

Der Sachverständige Dr. med. F. hat überzeugend ausgeführt, dass bei dem Kläger aufgrund der von ihm beschriebenen Symptomatik von Leid und emotionaler Beeinträchtigung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs seiner Tochter und der Ausbildung einer depressiven Symptomatik, Angst und Besorgnis, der beschriebenen Einschränkung bei der Bewältigung der alltäglichen Routinen und dem Rückzug von Sozialkontakten die Diagnose einer Anpassungsstörung entsprechend ICD-10: F34.2 zu stellen sei. Insbesondere vor dem Hintergrund der eigenen Biographie - der gewaltsamen Tötung der Mutter im achten Lebensjahr des Klägers - und der sich daraus ergebenden erhöhten Vulnerabilität sei die Ausbildung einer Anpassungsstörung und damit eines als durchaus pathologisch zu bezeichnenden Störungsbildes gut nachvollziehbar. Diesbezüglich hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Anhörung noch einmal vertiefend erläutert, dass die Schilderungen des Klägers während der Exploration einen authentischen Eindruck gemacht hätten, so dass sich ein insgesamt stimmiges Bild ergeben habe. Bei den Angaben zu seiner Kindheit, der Tötung seiner Mutter sei die Bewegtheit des Klägers deutlich spürbar gewesen. Hinsichtlich des Zeitraumes nach dem Missbrauch der Tochter habe er detailliiert schildern können, wie sich die Taten auf seinen Alltag, seinen Beruf und seine Kontakte zu anderen Menschen ausgewirkt hätten. Wenn er davon ausgehe, dass der Kläger ihm kein anderes schwerwiegendes Ereignis verschwiegen habe, dass sich im zeitlichen Rahmen des Bekanntwerdens der Taten zu Lasten der Tochter des Klägers ereignet habe, könne der sichere Schluss gezogen werden, dass die zu diagnostizierende Anpassungsstörung auf dem Bekanntwerden des Missbrauchs der Tochter des Klägers beruht habe. Hinweise auf eine frühere Ursache der Anpassungsstörung seien auch vor dem Hintergrund der belastenden Ereignisse in der Kindheit des Klägers nicht feststellbar, da dieser über eine im Übrigen unauffällige Biographie verfüge und bis zum streitgegenständlichen Zeitraum auch am Arbeitsplatz zu Recht gekommen sei.

Diese überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen macht sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung zu eigen. Dem steht auch der Einwand des Beklagten nicht entgegen, dass die Feststellungen des Sachverständigen allein auf den Angaben des Klägers beruhen. Zum einen hat der Sachverständige, der dem Gericht als erfahrener forensischer Sachverständiger aus zahlreichen Strafverfahren bekannt ist, dargelegt, warum er die Angaben des Klägers in dessen Exploration für authentisch erachtet hat. Zum anderen deckt sich dieser Eindruck des Sachverständigen mit dem Eindruck, den sich das Gericht in der informatorischen Anhörung des Klägers von diesem verschaffen konnte. Auch in der mündlichen Verhandlung wirkten die Angaben des Klägers nachvollziehbar und authentisch, insbesondere vor dem Hintergrund des von ihm geschilderten zeitlichen Ablaufs; der Steigerung im Hinblick auf die sich ausweitenden Ermittlungsergebnisse und dem Beginn der Besserung mit Abschluss des Strafverfahrens. Auch machten die Angaben des Klägers nicht den Eindruck von einem weitergehenden Bestrafungsbedürfnis gegenüber dem Beklagten getragen zu sein, auch wenn der Kläger selber angegeben hat, dass er schockiert gewesen sei, als dem Beklagten eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt worden sei.

Diese vom Kläger erlittene Gesundheitsbeeinträchtigung rechtfertigt einen eigenen Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Beklagten nach den Grundsätzen des sog. "Schockschadens". Die zum Schockschaden entwickelten Grundsätze geltend nämlich nicht ausschließlich dann, wenn das haftungsauslösende Ereignis ein Unfall war. Mit Urteil vom 21.05.2019 (Az. VI ZR 299/17) hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass eine grundsätzliche Einschränkung auf Unfallereignisse nicht bestehe und die Grundsätze des "Schockschadens" ausdrücklich auf den Bereich ärztlicher Behandlungsfehler angewendet.

Nach diesen Grundsätzen können psychische Störungen von Krankheitswert eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Die Schadensersatzpflicht für psychische Auswirkungen einer Verletzungshandlung setzt nicht voraus, dass diese Auswirkungen eine organische Ursache haben; es genügt vielmehr grundsätzlich die hinreichende Gewissheit, dass die psychisch bedingte Gesundheitsbeschädigung ohne die Verletzungshandlung nicht aufgetreten wäre (Urteil des BGH vom 27.01.2015, Az. VI ZR 548/12; zitiert aus juris). Im Bereich der sogenannten "Schockschäden" erfahren diese Grundsätze allerdings eine gewisse Einschränkung. Danach begründen seelische Erschütterungen wie Trauer oder seelischer Schmerz, denen Betroffene beim Tod oder einer schweren Verletzung eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, auch dann nicht ohne weiteres eine Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, wenn sie von Störungen der physiologischen Abläufe begleitet werden und für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sind. Denn die Anerkennung solcher Beeinträchtigungen als Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, die Deliktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch nach den durch sie gesetzten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken und Beeinträchtigungen, die allein auf die Verletzung eines Rechtsgutes bei einem Dritten zurückzuführen sind, mit Ausnahme der §§ 844, 845 BGB ersatzlos zu lassen. Psychische Beeinträchtigungen können in diesen Fällen deshalb nur dann als Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Betroffene beim Tod oder einer schweren Verletzung eines nahen Angehörigen in der Regel ausgesetzt sind (Urteil des BGH vom 21.05.2019, Az. VI ZR 299/17, m.w.N.; zitiert aus juris).

Diese Voraussetzungen sind nach dem oben dargestellten Ergebnis der Beweisaufnahme erfüllt, da die vom Sachverständigen diagnostizierte Anpassungsstörung als pathologischer Zustand zu werten ist. Dieser überschreitet auch die Beeinträchtigungen, denen Eltern missbrauchter Kinder in der Regel ausgesetzt sind, denn der Kläger war aufgrund seiner psychischen Erkrankung unter anderem für rund 14 Monate arbeitsunfähig.

Soweit der Sachverständige in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, dass die Anpassungsstörung nach ICD-10: 43.2 in der Regel nicht länger als sechs Monate anhalte und ihm zur Beurteilung des zeitlichen Verlaufs fremdanamnestische Angaben gefehlt hätten, hat er in seiner Anhörung ergänzt, dass es eine breite Variation gäbe und die Dauer von Person zu Person unterschiedlich sei. Grundlegend sei dabei die sog. Resilienz des Betroffenen. Aufgrund des vom Kläger geschilderten eher dysfunktionalen Umgangs mit Belastungen ("da muss ich durch" und fehlende Kommunikation) erscheine es durchaus möglich, dass die Anpassungsstörung beim Kläger einen deutlich längeren zeitlichen Verlauf genommen habe. Diese Ausführungen sind ausreichend, um auch den ursächlichen Zusammenhang zwischen Tat und zeitlicher Dauer der beim Kläger aufgetretenen Belastungsstörung als bewiesen zu erachten, da diese - anders als die Gesundheitsbeeinträchtigung selber - nicht dem Beweismaßstab des § 286 ZPO, sondern als sekundärer Schaden dem des § 287 ZPO unterfällt.

Soweit der Zurechnungszusammenhang in Fällen psychischer Beeinträchtigungen einer gesonderten Prüfung bedarf, ist zu beachten, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der verletzten Norm begrenzt wird. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist. Hierfür muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung bzw. der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Daran fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist. Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (Urteil des BGH vom 17.04.2018, Az. VI ZR 237/17; zitiert aus juris). So wurde der Zurechnungszusammenhang etwa verneint im Fall der sog. Rentenneurose, also dann wenn der Geschädigte das schadensauslösende Ereignis in neurotischem Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen (Urteil des BGH vom 10.02.2015, Az. VI ZR 8/14; zitiert aus juris); ebenso im Fall der psychischen Gesundheitsverletzung einer Mutter aufgrund der Nachricht über eine schwere Erbkrankheit des Vaters der gemeinsamen Kinder (vgl. BGHZ 201, 263 Rn. 9 ff.). Anerkannt ist im Bereich des sog. "Schockschadens" zudem, dass es an dem für eine Schadensersatzpflicht erforderlichen Schutzzweckzusammenhang fehlt, wenn der Dritte, auf dessen Tod oder schwere Verletzung die psychischen Beeinträchtigungen des Betroffenen zurückgehen, diesem nicht persönlich nahesteht; auch insoweit verwirklicht sich allein ein - dem Schädiger nicht zurechenbares - allgemeines Lebensrisiko (Urteil des BGH vom 20.03.2012, Az. VI ZR 114/11; zitiert aus juris).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend der Zurechnungszusammenhang nicht zu verneinen. Der sexuelle Missbrauch des eigenen Kindes durch einen Dritten ist weder als Bagatelle noch als allgemeines Lebensrisiko anzusehen. Auch fehlt es dem Kläger nicht an der persönlichen Nähe zu der unmittelbar durch die Tat Betroffene. Schließlich wird die Schadenszurechnung auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Entstehung der beim Kläger diagnostizierten Anpassungsstörung unter Umständen auf dessen erhöhter Vulnerabilität beruht. Die besondere Verletzlichkeit des Geschädigten kommt dem Schädiger nicht zugute.

Unter Berücksichtigung der vom Kläger glaubhaft geschilderten Beeinträchtigungen, an deren Vorliegen das Gericht insbesondere auch vor den Ausführungen des Sachverständigen keine Zweifel hat, erscheint ein Schmerzensgeld insbesondere aufgrund der Dauer der Beschwerden und der damit einhergehenden Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 4.000,00 EUR gerechtfertigt (vgl. im ähnlich gelagerten Fall Urteil des LG Bonn vom 04.03.2008, Az. 3 O 334/06; zitiert aus juris).

Dem Kläger fällt auch kein Mitverschulden hinsichtlich der Dauer seiner Beeinträchtigungen deshalb zur Last, weil er sich einer vom Sachverständigen als untauglich eingeschätzten Therapieform unterzogen hat. Vielmehr durfte er sich diesbezüglich auf den Rat seines Hausarztes verlassen.

2.)

Der Kläger hat zudem Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von 4.000,00 EUR, mithin in Höhe von 413,64 EUR gem. § 823 BGB.

Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt hinsichtlich der Hauptforderung aus §§ 286, 288 BGB, bezüglich der Nebenforderung aus § 291 BGB.

3.)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Soweit der Kläger zunächst eine Begehrensvorstellung von 4.500,00 EUR dargelegt hat, ist er dem Streitwertbeschluss des Amtsgerichts, mit dem dieses den Streitwert auf 7.500,00 EUR festgesetzt hat, nicht entgegengetreten und hat auch nicht deutlich gemacht, dass er an der zunächst geäußerten Begehrensvorstellung festhalten wolle, so dass die Kostenquote nach einem Obsiegen im Verhältnis von 4.000,00 EUR: 7.500,00 EUR festzusetzen war.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.