Amtsgericht Goslar
Urt. v. 21.10.2003, Az.: 8 C 285/03
Sorgfaltsmaßstab bei der Beaufsichtigung von Handtaschen; Verhaltensregeln zur Erfüllung dieses Maßstabes
Bibliographie
- Gericht
- AG Goslar
- Datum
- 21.10.2003
- Aktenzeichen
- 8 C 285/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 29665
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOSLR:2003:1021.8C285.03.0A
Fundstelle
- RRa 2004, 137-138 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung
Prozessführer
...
Rechtsanwälte.......
Prozessgegner
Firma..........
Rechtsanwälte.....
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Goslar
auf die mündliche Verhandlung vom 30.09.2003
durch
die Richterin am Amtsgericht......
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einer Reisegepäckversicherung geltend.
Gemeinsam mit ihrem Ehemann unternahm die Klägerin vom 20.03.2003 bis 01.04.2003 eine Leserreise der Goslarschen Zeitung in die Volksrepublik China. Sie hatte bei der Beklagten eine Reisegepäckversicherung abgeschlossen.
Auf dem Flughafen in Peking wurde der Klägerin in der Gepäckhalle ihre Handtasche entwendet, die an dem Handgriff des Gepäckwagens hing und auf die kurzzeitig ihr Ehemann Obacht gab, der seine Hände in der Wartezeit überwiegend, jedoch nicht durchgehend, links und rechts auf die Trageriemen der Handtasche gelegt und diese regelmäßig im Blick gehabt hatte. Nachdem die Klägerin nach wenigen Minuten zurückkehrte, bemerkte sie sofort, dass ihre Handtasche fehlte.
Die Klägerin macht Schadensersatz für verlorene Gegenstände gemäß Aufstellung auf Seite 3 bis 4 der Klage mit einem Zeitwert von insgesamt 2.030,27 EUR (Blatt 3 bis 4 der Akte) geltend.
Die Klägerin meint, sie treffe keine grobe Fahrlässigkeit an dem Schadenseintritt, in der Gepäckhalle des Flughafens hätten sich seinerzeit lediglich 2 Reisegruppen aufgehalten, die Reisenden seien ihr zum Teil bekannt gewesen, Anlass, die Gefahr eines Diebstahls anzunehmen, habe nicht bestanden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.105,65 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, der Ehemann der Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt, indem er die Gepäckstücke nicht ausreichend beaufsichtigt habe. Die Klägerin habe zudem gegen ihre Obliegenheit gemäß § 5 Nr. 1. VB-ERV 2001 Teil D verstoßen mit der Folge, dass die Beklagte auch aus diesem Grunde leistungsfrei sei. Darüber hinaus bestreitet sie die Höhe der geltend gemachten Forderung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, da der von ihr mit der Beaufsichtigung der Gepäckstücke beauftragte Ehemann den Schadenseintritt grob fahrlässig herbeigeführt hat, indem er die Handtasche nicht ausreichend beaufsichtigt hat.
Handtaschen, in denen üblicherweise Wertgegenstände und Bargeld aufbewahrt werden, sind besonders diebstahlsgefährdet und deshalb besonders sorgfältig zu beaufsichtigen. Dies erfordert im Regelfall ständigen Körper- oder zumindest durchgehenden Blickkontakt, der ein jederzeitiges unmittelbares Eingreifen sicherstellt. Beide Voraussetzungen hat der Ehemann der Klägerin vorliegend nicht erfüllt. Er selbst hat den Diebstahl noch nicht einmal bemerkt sondern wurde erst durch die Klägerin auf den Verlust aufmerksam gemacht, als diese zu dem Gepäckwagen zurückkam.
Abweichendes gilt vorliegend auch nicht etwa deshalb, weil sich der Diebstahl in der Gepäckhalle ereignet hat, in der lediglich Flughafenpersonal und die Fluggäste von 2 Flügen anwesend waren. Auch unter diesen Umständen ließ sich die Gefahr eines Diebstahls nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht hinreichend zuverlässig ausschließen, da zum einen der Klägerin nicht sämtliche Fluggäste bekannt waren sondern lediglich diejenigen aus ihrer eigenen Reisegruppe, die auch nur einen Teil der Fluggäste eines der beiden Flüge ausmachte. Hinzukam das Flughafenpersonal, das ihr gänzlich unbekannt war. Bei diesen Gegebenheiten hätte sie ihre Handtasche entweder mit sich führen oder sie von ihrem Ehemann durch ständigen Körper- oder Blickkontakt aus unmittelbarer Nähe durchgehend beaufsichtigen lassen müssen, woran es jedoch fehlt.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Ziffer 11,711 ZPO.