Arbeitsgericht Hannover
Beschl. v. 28.07.2006, Az.: 1 BV 11/06

Bibliographie

Gericht
ArbG Hannover
Datum
28.07.2006
Aktenzeichen
1 BV 11/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 45417
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGHAN:2006:0728.1BV11.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LAG Niedersachsen - 21.06.2007 - AZ: 4 TaBV 85/06
LAG Niedersachsen - 26.07.2007 - AZ: 4 TaBV 85/06
BAG - 21.01.2009 - AZ: 7 ABR 65/07

Tenor:

  1. Die Betriebsratswahl vom 04.05.2006 wird für unwirksam erklärt.

Gründe

1

A)

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

2

Die Antragsteller sind wahlberechtigte Arbeitnehmer der Beteiligten zu 5. Diese ist weltweit auf dem Gebiet der Mobilfunktechnik und Telekommunikation tätig. Für ihre Kunden ist sie verantwortlich für das Projektmanagement, den Aufbau, die Koordination und die Integration von Telekommunikationsanlagen im Festnetz und Mobilbereich.

3

Die Beteiligte zu 5 unterhält weltweit Projektbüros in Bhutan, Kuwait, Mosambik und Kasachstan. Darüber hinaus unterhält sie Projektbüros und Betriebe hier in Hannover, Berlin, Hamburg, Frankfurt, Leipzig und Dresden.

4

Die Mehrheit der circa 130 wahlberechtigten Mitarbeiter der Beteiligten zu 5 ist im Objektgeschäft tätig und damit nicht ständig im Betrieb Hannover anwesend.

5

Am 04.05.2006 hat bei der Beteiligten zu 5 die Betriebsratswahl 2006 stattgefunden.

6

Der Wahlvorstand für die Betriebsratswahl fasste am 15.02.2006 das Wahlausschreiben ab. In diesem Wahlausschreiben wies der Wahlvorstand darauf hin, dass die Vorschlagslisten zur Betriebsratswahl bis zum 01.03.2006, 18:00 Uhr bei ihm eingereicht werden könnten.

7

Am 01.03.2006 um 13:05 Uhr überreichte der Beteiligte zu 1 dem Wahlvorstand seine unter dem Namen ... aufgestellte Vorschlagsliste.

8

Auf dieser ansonsten per Computer ausgedruckten Vorschlagsliste war handschriftlich der Name des Mitarbeiters ... nachgetragen.

9

Die Vorschlagsliste bestand aus mehreren zusammengehefteten Blättern, auf denen sich für die fünf Kandidaten insgesamt 14 Stützunterschriften befanden.

10

Das Wahlvorstandsmitglied ... nahm die Vorschlagsliste am 01.03.2006 in Empfang und ging sodann zu den weiteren Wahlvorstandsmitgliedern, die sich die Liste daraufhin ansahen. Dieses Vorgehen hat das Wahlvorstandsmitglied ... im Anhörungstermin vom 28.07.2006 geschildert.

11

Am 02.03.2006 überprüfte der Wahlvorstand dann nochmals die eingereichten Vorschlagslisten. Dabei stellte der Wahlvorstand fest, dass der Name des Mitarbeiters ... auf der Vorschlagsliste ... nachgetragen war und somit davon ausgegangen werden musste, dass nicht sämtliche Stützunterschriften sich auch auf den Wahlbewerber ... bezogen.

12

Nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt und entsprechender Beratung teilte der Wahlvorstand dem Beteiligten zu 1 am 16.03.2006 mit, dass die Vorschlagsliste ... an einem nicht behebbaren Mangel leide und daher nicht zur Betriebsratswahl am 04.05.2006 zugelassen werde.

13

Die Betriebsratswahl fand sodann am 04.05.2006 ohne Zulassung der Liste ... statt.

14

Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgte am 09.05.2006.

15

Am 23.05.2006 beantragten die Beteiligten zu 1 bis 4 die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.

16

Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind der Auffassung, dass der Wahlvorstand gegen die ihm obliegende Pflicht nach § 7 Abs. 2 Wahlordnung, die Vorschlagslisten unverzüglich zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten, verletzt habe.

17

Die Antragsteller beantragen,

  1. die Betriebsratswahl vom 04.05.2006 für unwirksam zu erklären.

18

Der Beteiligte zu 6 beantragt,

  1. den Antrag zurückzuweisen.

19

Der Beteiligte zu 6 ist der Auffassung, dass der Wahlvorstand seine ihm obliegenden Pflichten nicht verletzt habe. Insbesondere sei im Hinblick darauf, dass der Mangel der Vorschlagsliste ... nur sehr versteckt zu erkennen gewesen sei, keine Verletzung der Prüfungspflichten des Wahlvorstandes gegeben.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 28.07.2006 Bezug genommen.

21

B)

Der gestellte Antrag ist zulässig.

22

Die Antragsteller haben die Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG eingehalten; sie sind nach § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG auch anfechtungsbefugt.

23

Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen seitens der Kammer nicht.

24

Der Antrag ist auch begründet, da nach Auffassung der Kammer gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und durch den Verstoß das Wahlergebnis auch beeinflusst werden konnte.

25

Zwar ist die Kammer insoweit der Auffassung, dass die Liste ... in der Tat an einem erheblichen Mangel gelitten hat, da unstreitig nicht sämtliche Stützunterschriften sich auch auf den Wahlbewerber ... bezogen.

26

Nach Auffassung der Kammer hat jedoch der Wahlvorstand seine Prüfungspflicht nach § 7 Abs. 2 S. 2 Wahlordnung verletzt.

27

Das BAG hat dazu entschieden, dass der Wahlvorstand am letzten Tag der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen Vorkehrungen zu treffen hat, damit er bei Eingehen der Wahlvorschläge möglichst sofort prüfen und die Listenvertreter über etwaige Mängel informieren kann. Verletzt er diese ihm nach § 7 Abs. 2 S. 2 Wahlordnung obliegende Pflicht, kann dies zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen (BAG AP Nr. 2 zu § 14 BetrVG 1972). Nach Auffassung der Kammer hat der Wahlvorstand diese ihm obliegende Pflicht verletzt. Denn nach den Angaben des Wahlvorstandsmitglieds ... im Anhörungstermin vom 28.07.2006 wurde die Liste ... unmittelbar nach Eingang durch den Wahlvorstand geprüft. Erst später, also am nächsten Tag, fand jedoch eine nochmalige und genauere Prüfung statt. Erst nach nochmaliger Prüfung und anwaltlicher Beratung und Neuentscheidung wurde die Liste mit Schreiben vom 16.03.2006 endgültig abgelehnt.

28

Nach Auffassung des Gerichts genügt diese Vorgehensweise nicht den Anforderungen an die Pflichten des Wahlvorstandes, wie sie das BAG aufgestellt hat. Wenn der Wahlvorstand unmittelbar nach Eingang einer Vorschlagsliste eine Prüfung anstellt, muss diese umfassend sein. Sie muss so erfolgen, dass etwaige Mängel noch berichtigt werden können. Diese Prüfung hat der Wahlvorstand jedoch nicht unverzüglich vorgenommen; vielmehr hat er erst am 16.03.2006 endgültig seine Prüfung durch Entscheidung über die Ablehnung der Liste getroffen. Dieses stellt keine unverzügliche Prüfung mehr dar. Zwar ist dem Wahlvorstand zuzugeben, dass der Mangel der Liste nicht ohne Weiteres offensichtlich war. Auf der anderen Seite bezweckt die Prüfungspflicht nach § 7 Abs. 2 Wahlordnung, dass den Einreichern der Vorschlagsliste noch die Möglichkeit gegeben wird, etwaige Mängel zu korrigieren. Damit korrespondiert eine Pflicht des Wahlvorstandes die Prüfung vollständig und umfassend unmittelbar nach Einreichung der Liste vorzunehmen. Eine - wie hier vorgenommene - schrittweise Prüfung ist nach Auffassung der Kammer insoweit nicht den Vorschriften der Wahlordnung entsprechend.

29

Demzufolge liegt hier nach Auffassung der Kammer ein Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift vor.

30

Es ist auch davon auszugehen, dass durch diesen Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. Bei Zulassung der Liste wäre möglicherweise ein anderes Wahlergebnis gegeben gewesen.

31

Demzufolge war nach Ansicht der Kammer dem Anfechtungsantrag der Beteiligten zu 1 bis 4 stattzugeben.