Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 25.01.2017, Az.: 3 A 209/15

Fremdwasser; Niederschlagswassergebühr; Schmutzwassergebühr

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.01.2017
Aktenzeichen
3 A 209/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53833
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Mitbenutzung der Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung zur Außenbereichsentwässerung
Der Ausgleich von Über- und Unterdeckungen aus mehrjährigen Kalkulationsperioden darf noch nach dem Ablauf des Dreijahreszeitraumes gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG erfolgen.
Zur Berechnung des Fremdwasseranteils im Schmutzwasser.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwasserbeseitigungsgebühren für das Jahr 2014. Sie ist Eigentümerin des bebauten Grundstücks „Q. 105“ in M.. Mit Gebührenbescheid vom 19.01.2015 setzte die Beklagte die für das Grundstück zu entrichtenden Schmutzwassergebühren für das Kalenderjahr 2014 nach einer bezogenen Frischwassermenge von 25.887 m³ und einem Gebührensatz von 2,52 €/m³ auf 65.235,24 € fest und forderte abzüglich geleisteter Vorauszahlungen in Höhe von 63.304,00 € den Betrag von 1.931,24 € an. Außerdem setzte die Beklagte eine Niederschlagswassergebühr in Höhe von 3.908,31 € nach einer abflusswirksamen Fläche von 10.563 m² und einem Gebührensatz von 0,37 €/m² fest und forderte abzüglich geleisteter Vorauszahlungen in Höhe von 3.880,00 € den Betrag von 28,31 € an. Die ebenfalls festgesetzten Abschlagszahlungen für 2015 sind nicht streitbefangen.

Am 23.02.2015, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Beklagte habe die gebührenfähigen Kosten nicht für jede öffentliche Einrichtung separat ermittelt. Die Verteilungsschlüssel der Kosten auf die öffentlichen Einrichtungen seien willkürlich gegriffen. Die öffentlichen Verkehrsflächen seien nicht in die Kostenträgermenge einbezogen. Oberflächenwasser aus dem Außenbereich, welches durch die Niederschlagswasserkanäle geleitet werde, sei nicht berücksichtigt worden. Der Fremdwasseranteil im Schmutzwasser sei zu hoch. Dasselbe gelte für den kalkulatorischen Mischzinssatz von 4,4 %. Der vorgelegten Kalkulation seien die Nutzungsdauer und die Abschreibungssätze der einzelnen Gegenstände des Anlagevermögens nicht zu entnehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 19.01.2015 für das Grundstück Q. 105 in M. - Kassenzeichen R. - aufzuheben, soweit darin Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigungsgebühren für das Kalenderjahr 2014 festgesetzt worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und führt aus, dass Betriebsabrechnungsbögen für jede öffentliche Einrichtung aus dem Kalkulationszeitraum vorlägen. Die zu entwässernden öffentlichen Verkehrsflächen seien im Kalkulationszeitraum nicht erfasst gewesen. Soweit die Kosten nicht eindeutig einer Flächenart zugeordnet werden konnten, wären sie hälftig geteilt worden. Inzwischen seien die zu entwässernden öffentlichen Verkehrsflächen mit einer Gesamtfläche von 1.760.852 m² erfasst worden. Die angeschlossenen privaten Flächen machten mit 2.135.000 m² rund 54,8 % der entwässerten Flächen aus, sodass sie mit der kalkulierten Anteilsquote von 50 % nicht benachteiligt worden seien. Oberflächenwasser aus dem Außenbereich werde nicht in die Niederschlagswasserkanalisation eingeleitet, was im Einzelnen dargelegt wird. Alle vier Kläranlagen seien mit mechanischen, biologischen und chemischen Reinigungsstufen ausgestattet. Der Fremdwasseranteil umfasse auch die Einleitungen aus Gebieten mit Mischkanalisation und liege - um diese Zuflussmengen bereinigt - in der Zentralkläranlage mit 15,85 % unter dem Bundesdurchschnitt. In die abwassertechnischen Anlagen würden jährlich zwischen 1,5 und 2 Mio. Euro investiert, durchschnittlich 0,6 Mio. Euro würden pro Jahr für Unterhaltungsmaßnahmen ausgegeben. Das Anlagenverzeichnis umfasse rund 1.400 Seiten, weshalb in die Kalkulationsunterlagen für den Rat lediglich eine Zusammenfassung aufgenommen werde. Seit 2002 sei der Kalkulationszeitraum zweijährig. Deshalb sei es zulässig gewesen, Unterdeckungen aus dem Kalkulationszeitraum 2010/11 im Kalkulationszeitraum 2014/15 auszugleichen.

Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten auf den Einzelrichter übertragen worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach-  und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid der Beklagten vom 19.01.2015 für das Grundstück Q. 105 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Hinsichtlich der in Höhe von 3.908,31 € festgesetzten Niederschlagswassergebühr ist die Klage nicht begründet. Die abflusswirksame Fläche des klägerischen Grundstücks als Berechnungsgrundlage der Gebühr ist nicht angezweifelt worden. Der angefochtene Bescheid beruht auch auf einer rechtmäßigen Satzung und wirksamen Kalkulation. Die für das Kalenderjahr 2014 maßgebliche Abwassergebührensatzung (AGS) der Beklagten vom 12.12.2013 gibt keinen Hinweis darauf, dass die Einrichtung zur zentralen Niederschlagswasserbeseitigung (§ 1 Abs. 1 AGS) neben der Grundstücks- auch der Straßenoberflächenentwässerung zu dienen bestimmt wäre (zur Zulässigkeit vgl. Driehaus-Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: 09/16, § 6 Rn 708a). Von daher ist es folgerichtig, in der Gebührenkalkulation die auf die Entwässerung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze entfallenden Kosten aus dem Aufwand der Einrichtung herauszurechnen und die Flächen ebenfalls nicht mit einzubeziehen. Dabei begegnet es nach den Vorgaben des § 5 Abs. 2 NKAG keinen grundsätzlichen Bedenken, die nicht zur Grundstücksentwässerung erforderlichen Einrichtungskosten zu schätzen, solange die Gesamtfläche der öffentlichen Verkehrsflächen nicht ermittelt wurde und soweit die Schätzung nicht zu einer unzulässigen Quersubventionierung zu Lasten der gebührenpflichtigen Eigentümer der Anliegergrundstücke geht. Vorliegend hat die Beklagte hinreichend belegt, dass letzteres nicht der Fall ist, indem sie während und unmittelbar nach der laufenden zweijährigen Kalkulationsperiode 2014/15 die öffentlichen Verkehrsflächen mit ca. 1.761.000 m² ermittelt hat, was einem Verhältnis der zu entwässernden privaten Flächen (ca. 2.135.000 m²) von ungefähr 45 % zu 55 % entspricht. Von daher besteht kein Anlass zu Zweifeln, dass der für die Entwässerung der öffentlichen Verkehrsflächen herausgerechnete Anteil von 50 % der wesentlichen Kostenpositionen nicht ausreichend geschätzt worden wäre. Soweit in der Gebührenkalkulation teilweise geringere Prozentsätze abgezogen wurden, hat die Beklagte dieses Vorgehen mit den höheren Kosten der Grundstücksentwässerung im Vergleich zu derjenigen der Verkehrsflächen, vorzugsweise mit dem im Kalkulationszeitraum nur bei der Grundstücksentwässerung anfallenden Aufwand für die Erstellung und den Versand der Gebührenbescheide, plausibel erklärt.

Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Vermutung, dass Oberflächenwasser aus dem Außenbereich durch die Niederschlagswasserkanäle geleitet werden könnte, hat die Klägerin zwar im Hinblick auf verschiedene (teil-)verrohrte Gewässer dritter Ordnung (vgl. § 40 NWG) sowie auf einige Regenrückhalteeinrichtungen vorgetragen. Die Beklagte ist dem jedoch unter Vorlage von Unterlagen zur Kostentragungspflicht Dritter für Unterhaltungsmaßnahmen an diesen Werken bzw. zur fehlenden Zugehörigkeit (teil-)verrohrter Gewässer zur öffentlichen Einrichtung ausführlich entgegen getreten. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und anhand der nachgereichten Unterlagen steht für das erkennende Gericht zwar fest, dass - insbesondere zur Ableitung des Quellwassers vom Hainbuchenbrunnen - Leitungen der öffentlichen Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung auch zur Beseitigung von Oberflächenwasser aus dem Außenbereich, mithin für einrichtungsfremde Zwecke, genutzt werden. Ohne den Gesamtumfang dieser Nutzung durch Dritte nach dem Grundsatz der „ungefragten Fehlersuche“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.04.2002  - 9 CN 1.01 -, juris, Rn 43 f.; Nds. OVG, Urteil vom 16.02.2016 - 9 KN 288/13 -, juris, Rn 14) in allen Einzelheiten festzustellen, schätzt das Gericht analog § 173 VwGO i.V.m. § 287 ZPO nach den seitens der Klägerin aufgezeigten Problemfällen die herauszurechnenden Kosten allenfalls auf einen mittleren dreistelligen Eurobetrag im Jahr. Es handelt sich nicht um einen methodischen Fehler der Kalkulation, so dass die Grenze der Unbeachtlichkeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG bei weitem nicht erreicht wird; die fraglichen Beträge haben auch keinen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der einbezogenen Unterdeckungen aus Vorjahren, so dass sie in der nächstfolgenden Kalkulationsperiode auszugleichen sein werden.

Die Kalkulationen der Gebührensätze für die drei öffentlichen Einrichtungen der Beklagten zur Abwasserbeseitigung (vgl. § 1 Abs. 1 AGS) wurden dem Rat zwar in einem einheitlichen Schriftstück vorgelegt; hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Beklagte die gebührenfähigen Kosten nicht für jede öffentliche Einrichtung separat ermittelt habe. Die Zuordnung aller Kosten und Einnahmen zu den einzelnen Einrichtungen ist innerhalb des Kalkulationswerks zutreffend durchgeführt worden und für jede einzelne Einrichtung wurde der Gebührensatz ermittelt. Den gesetzlichen Anforderungen aus § 5 NKAG ist damit genügt worden. Die Nutzungsdauer und die Abschreibungssätze der einzelnen Gegenstände des Anlagevermögens müssen nicht unmittelbar aus der Kalkulation zu entnehmen sein. Es liegt auf der Hand, dass gerade bei leitungsgebundenen öffentlichen Einrichtungen sehr umfangreiche Verzeichnisse des Anlagevermögens zu führen sind, deren Aufnahme in die Ratsvorlage zum Verständnis des Zahlenwerks nicht erforderlich ist. Die Beklagte hat hierzu unwidersprochen ausgeführt, dass ihr Anlageverzeichnis ca. 1.400 Seiten umfasst. Solange Ratsmitglieder ein derart umfangreiches Anlagenkonvolut nicht ausdrücklich fordern, weil es für ihre Entscheidungsfindung erheblich ist, besteht für die Beklagte kein Anlass zur Vorlage.

Der angesetzte kalkulatorische Mischzinssatz von 4,4 % ist ordnungsgemäß berechnet worden (vgl. Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 735b). Der erfolgte Aufschlag von 0,13 Prozentpunkten auf den rechnerischen Satz von 4,27 % ist zulässig, weil er die zum Jahresende 2013 erkennbare Tendenz der Zinsentwicklung und die beabsichtigte weitere Kreditaufnahme prognostisch berücksichtigt.

Soweit ersichtlich, wurde zwar die „Stadtentwässerung M.“ als Einrichtungsbetreiber zur Mitte der Kalkulationsperiode aus den Stadtwerken M., die gleichzeitig in die „Versorgungsbetriebe M. GmbH“ (http://www.versor gungsbetriebe.de/de/Unternehmen/Unternehmen.html) umfirmiert wurden, herausgegründet. Nicht zu erkennen ist jedoch, dass dieser Vorgang bereits im Kalkulationszeitpunkt Ende 2013 absehbar gewesen wäre, oder dass er - beispielsweise durch eine Änderung der Personalkostenanteile  (vgl. dazu Nds. OVG, Urteil vom 17.07.2012 - 9 LB 187/09 -, juris, Rn 39ff) - so erhebliche Auswirkungen auf die Kostenstruktur hätte, dass ein Abbruch der Kalkulationsperiode mit einer Nachkalkulation erforderlich gewesen wäre. Ein eventueller Ausgleich der durch diesen Vorgang verursachten Über-  oder Unterdeckungen darf daher in der nachfolgenden Kalkulationsperiode erfolgen.

Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, dass der Ausgleich von Unterdeckungen aus der Kalkulationsperiode 2010/11 erst in der Periode 2014/15 erfolgte. Nach der Rechtsprechung des Nds.OVG (Urteil vom 17.07.2012 - 9 LB 187/09 -, juris Rn 25ff; ebenso Driehaus-Lichtenfeld, aaO., 726 d), mit welcher der erkennende Einzelrichter übereinstimmt, sind die Gemeinden gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG verpflichtet, Kostenüberdeckungen innerhalb der nächsten 3 Jahre auszugleichen, wenn am Ende des Kalkulationszeitraums die tatsächlichen von den kalkulierten Kosten mit der Folge einer Überdeckung abweichen; Kostenunterdeckungen sollen innerhalb dieses Zeitraums ausgeglichen werden. Diese Vorschrift geht davon aus, dass nach Ablauf des gewählten Kalkulationszeitraums, der in der Regel bis zu drei Jahre betragen kann (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG), eine Nachberechnung (Betriebsabrechnung) vorgenommen wird, die von den tatsächlichen Kosten und den tatsächlichen Maßstabseinheiten des zurückliegenden und abgeschlossenen Kalkulationszeitraums ausgeht. Der erforderliche Ausgleich hat innerhalb von 3 Jahren so zu erfolgen, dass er innerhalb der Frist wirksam wird. Dies hätte bei einer 2- oder 3-jährigen Kalkulationsperiode die Folge, dass der Ausgleich immer in der unmittelbar nachfolgenden Periode erfolgen müsste. Zu diesem frühen Zeitpunkt liegen jedoch die Betriebsergebnisse des letzten Kalenderjahrs der Kalkulationsperiode noch nicht vor, so dass die auszugleichenden Beträge teilweise doch durch eine Prognose geschätzt werden müssten. Die Grundsätze des Ausgleichsgedankens - bei erlaubter mehrjähriger Kalkulationsperiode einerseits Abrechnung auf der Grundlage endgültigen Zahlenmaterials, andererseits möglichst periodennaher Ausgleich - kollidieren in diesen Fällen miteinander. In dieser Situation dürfte es eher den Absichten des Landesgesetzgebers entsprechen, eine Über- oder Unterdeckung anhand der endgültigen Betriebsergebnisse festzustellen und den Ausgleich bei einer zweijährigen Kalkulationsperiode in das erste Jahr der übernächsten Periode zu verschieben (also in das dritte Jahr nach ihrem Entstehen), auch wenn wegen der Einheitlichkeit des Gebührensatzes im Kalkulationszeitraum eine Ausgleichung noch in das vierte Jahr nach ihrem Entstehen hinüber gezogen wird. In diesem Sinne beabsichtigt der Gesetzgeber aktuell, als Anknüpfungspunkt der weiterhin dreijährigen Ausgleichsfrist den Ablauf des Kalenderjahres heranzuziehen, in welchem die Über-/Unterdeckung erstmals festgestellt wird.

Für die Beantwortung der Frage, bis zu welcher Höhe ein Fremdwasseranteil in der öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung noch als betriebsbedingte Erschwernis bzw. systemimmanent zu charakterisieren ist, kommt dem in den jeweiligen Anlagentypen „üblicherweise“ anfallenden Fremdwasseranteil eine wichtige indizielle Wirkung zu (Nds. OVG, Beschluss vom 15.10.2014 - 9 LA 169/12 -, juris, Rn 13ff, m.w.N.). Liegt er nicht oder nur unwesentlich über dem durchschnittlichen Anteil bei Anlagen ähnlicher Größe in Niedersachsen, so wird damit indiziert, dass die Fremdwasserkosten als Kosten für betriebliche Erschwernisse im Zusammenhang mit dem Betrieb der jeweiligen Abwasserbeseitigungseinrichtung stehen und daher noch als betriebsbedingte und damit gebührenfähige Kosten angesehen werden können. In diesem Fall muss der Gebührenschuldner konkret darlegen, warum der Fremdwasseranteil auf einer unwirtschaftlichen Betriebsführung der Beklagten beruht und deshalb bei den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermittelnden Kosten der Anlage nicht berücksichtigt werden darf. Ein deutliches Überschreiten des „üblicherweise“ bei Anlagen vergleichbarer Art anfallenden Fremdwasseranteils deutet auf Ursachen als systemimmanente Gründe hin. Dann ist es Sache des Anlagenbetreibers, im Einzelnen konkret auszuführen und zu belegen, dass die Ursache des „unüblich“ hohen Fremdwasseranteils nicht auf einer unwirtschaftlichen Betriebsführung beruht, wobei dem Einrichtungsträger wegen der Maßnahmen zur Reduzierung eines Fremdwasserzuflusses ein Planungs- und Ermessensspielraum zusteht.

Angaben zu den Fremdwasseranteilen, die in Niedersachsen bei Anlagen ähnlicher Größe im Mittel vorzufinden sind, gibt es in einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts, die auf dessen Homepage zu finden ist (Fachserie 19 Reihe 2.1.2 „Umwelt Öffentliche Wasserversorgung und öffentliche Abwasserversorgung“, S. 24 ff.,  https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/UmweltstatistischeErhebungen/Wasserwirtschaft/Wasserwirtschaft2190213139004.pdf?__blob=publicationFile). Diese Veröffentlichung definiert Schmutzwasser (aaO., S.10) als durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes Wasser von unterschiedlicher Qualität, das abgeleitet wird. In der Erhebung über die öffentliche Abwasserentsorgung ist damit derjenige Teil des Abwassers gemeint, der nicht von Niederschlägen stammt und nicht durch Fremdwasser in die Kanalisation gelangt ist. Als Fremdwasser (aaO., S.8) wird u.a. das durch Undichtigkeit in die Kanalisation eindringende Grundwasser, das unerlaubt über Fehlanschlüsse eingeleitete Wasser sowie das einem Schmutzwasserkanal z.B. durch Abdeckungen von Kanalschächten zufließende Oberflächenwasser bezeichnet. Fremdwasser ist i.d.R. Wasser aus diffusen Quellen, beispielsweise Niederschlägen, Dränage, laufenden Brunnen, Bach- und Grundwassereintritten, Wasserhaltung von Baustellen. Wie sich aus Ziffer 4.4. der Strukturdaten (aaO., S. 60; ebenso Ziffer 1.2., S. 25) ergibt, setzten sich die in Niedersachsen im Jahr 2013 in allen Kläranlagen behandelten 577.638.000 m³ Abwasser aus 453.692.000 m³ Schmutzwasser, 88.736.000 m³ Fremdwasser und 35.210.000 m³ Niederschlagswasser zusammen, welches aus 3.358 km Mischwasserkanälen stammte. Die durchschnittliche Menge des täglich in Misch- und Schmutzwasserkanälen eindringenden Fremdwassers wird für Niedersachsen auf 4,8 Liter je Meter Kanallänge beziffert. Nach diesen Angaben handelt es sich bei den 35.210.000 m³ Niederschlagswasser, die 2013 in allen niedersächsischen Kläranlagen behandelt wurden, in erster Linie um solches, das durch die Mischwasserkanäle den Kläranlagen zugeleitet wurde und demzufolge in die Jahresabwassermenge einbezogen wurde.

Das Schmutzwasserbeseitigungssystem der Beklagten ist im Kalkulationszeitraum 2014/15 mit einer durchschnittlichen zu reinigenden Schmutzwassermenge von 1.742.500 m³ in die auf Seite 25 Spalte 7 der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2013 genannte Anlagengröße von 1 bis 4 Mio m³ Jahresabwassermenge einzuordnen. Hinsichtlich dieser Gruppe wird für Niedersachsen im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Begrifflichkeiten die Summe des Fremdwassers mit 30.432.000 m³ und des häuslichen und betrieblichen Schmutzwassers mit 152.513.000 m³ angegeben. Ausgehend von einer Jahresabwassermenge aller niedersächsischen Anlagen dieser Gruppe von 193.145.000 m³ beträgt der Fremdwasseranteil ca. 15,75 %, ausgehend von der Gesamtmenge des häuslichen und betrieblichen Schmutzwassers (152.513.000 m³) ca. 19,95 %. Das Nds. OVG (aaO. Rn 18) hat offen gelassen, welche der beiden Berechnungsmethoden anzuwenden ist, weil trotz einer Abweichung der Ergebnisse in Höhe von von rund 5 Prozentpunkten das streitbefangene Schmutzwassersystem „jedenfalls nicht deutlich über den Mittelwerten vergleichbarer Anlagen gelegen hat“.

Die Beklagte hat für die Jahre 2014 und 2015 die Schmutzwassermengen wie folgt angegeben:

Zentral-KA

KA S. 

KA T. 

KA U. 

2014   

1.535.335 m³

132.270 m³

3.535 m³

3.381 m³

2015   

1.686.892 m³

116.755 m³

3.476 m³

3.396 m³

Da die Beklagte ihre vier technisch selbständigen Kläranlagen, die nach ihren Angaben alle über eine mechanische, biologische und chemische Reinigungsstufe verfügen, also von ihrer Art und Wirkungsweise vergleichbar sind, zulässigerweise (vgl. Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 703) zu einer einzigen öffentlichen Einrichtung zusammengefasst hat, kommt es vorliegend ausschließlich auf die addierten Gesamtabwassermengen an, die 1.674.521 m³ für 2014 und 1.810.519 m³ für 2015, durchschnittlich also 1.742.520 m³, betragen haben. Tatsächlich abgerechnet wurden 1.099.587 m³ (2014) bzw. 1.123.866 m³ (2015); dies deckt sich im Wesentlichen mit dem kalkulierten Frischwasserbezug von ca. 1,07 Mio m³ jährlich. Vom Wasserverband V. wurden aus dem Gebiet von W. 260.816 m³ (2014) bzw. 278.468 m³ (2015) Schmutzwasser zugeleitet. Für den Kalkulationszeitraum ergibt sich aus diesen Zahlen eine durchschnittliche Jahresschmutzwassermenge einschließlich des Mischwassers von (1.360.403 + 1.402.334 : 2=) 1.381.368,5 m³, woraus sich eine durchschnittliche Fremdwassermenge von (1.742.520 m³ - 1.381.368,5 m³ =) 361.151,5 m³ jährlich errechnet. Der Fremdwasseranteil an der Jahresschmutzwassermenge im Kalkulationszeitraum beträgt bei der Beklagten somit ca. 20,73 % und liegt damit gemäß der Rechtsprechung des Nds.OVG jedenfalls nicht deutlich über dem Mittelwert vergleichbarer Anlagen.

Hinzu kommt, dass in den 20,73 % auch ein von der Beklagten nicht näher bezifferter Anteil des Niederschlagswassers aus den Mischwasserkanälen enthalten ist, der ausschließlich der Zentralkläranlage zugeleitet wird, und nicht unter den Fremdwasserbegriff des Statistischen Bundesamts fällt. Die Gesamtlänge ihrer Mischwasserkanäle beziffert die Beklagte mit 10,1 km und diejenige der Schmutzwasserkanäle mit 145,2 km. Der niedersächsische Durchschnittswert des eindringenden Fremdwassers beträgt 4,8 Liter je Tag und Meter Leitungslänge (Stat. Bundesamt, aaO., S. 60), woraus sich für die Einrichtung der Beklagten (10,1 x 4,8 x 365) eine Jahresgesamtfremdwassermenge in den Mischwasserkanälen von 17.695,2 m³ und  in den Schmutzwasserkanälen von (145,2 x 4,8 x 365) 254.390,4 m³ errechnen lässt. Eine Fremdwassermenge von 272.085,6 m³ im Jahr würde bei der Beklagten dem Durchschnittswert entsprechen, was 15,62 % der durchschnittlichen Jahresabwassermenge entsprechen würde. Wenn berücksichtigt wird, dass im Einzugsbereich der Mischwasserkanäle bei einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge im Stadtgebiet der Beklagten von 717,1 L/m² (wikipedia), also 7.171 m³/ha, allein in der typischerweise in Mischkanalisation entwässerten historischen Innenstadt von ca. 10 ha mit einem angenommenen Ableitungswert von 30 % der Niederschlagsmenge  jährlich rund 21.500 m³ Niederschlagswasser in die Kanalisation eingeleitet werden dürften, verringert dies den Fremdwasseranteil noch weiter. Die Berechnungen und Schätzungen sprechen mithin dafür, dass er (noch) als betriebsbedingt anzusehen ist. Konkrete Gründe, die belegen, dass trotz der Indizwirkung im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, dass der Fremdwasseranteil gleichwohl auf einer unwirtschaftlichen Betriebsführung der Beklagten beruht und deshalb bei den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermittelnden Kosten der Anlage nicht berücksichtigt werden darf, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.