Amtsgericht Nordhorn
Urt. v. 17.06.2004, Az.: 3 C 1223/03

Abdeckung; Abholfahrzeug; Abholung; Bauernhof; Befahrbarkeit; Fahrer; Fahrzeugführer; Gefahrbereich; Gefahrenstelle; Gefahrstelle; Güllegrube; Haftung; Hinweispflicht; Hofeigentümer; Hofgelände; Jauchegrube; Kraftfahrzeugschaden; Lagehinweis; Landwirtschaft; Metallplatte; Milcherzeuger; Milchfahrzeug; Milchtransportfahrzeug; Milchwirtschaft; Molkerei; Schadenersatzanspruch; Sorgfaltspflicht; Verkehrssicherungspflicht; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
AG Nordhorn
Datum
17.06.2004
Aktenzeichen
3 C 1223/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50892
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Hofeigentümger ist für die auf dem befahrbaren Teil des Hofgeländes befindliche Güllegrube verkehrssicherungspflichtig.

2. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht darf allerdings nicht überspannt werden und muss den ländlichen Gegebenheiten Rechnung tragen. So genügt der Landwirt im Allgemeinen seinen Pflichten, wenn er einen Fahrer eines täglich auf seinem Hof erscheinenden Milchtransportfahrzeugs auf die Lage der mit einer Metallplatte abgedeckten Güllegrube hinweist.

Tenor:

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens, trägt die Klägerin.

3.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin beansprucht von dem Beklagten restlichen Schadensersatz anlässlich einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.

2

Die Klägerin führt Milchtransporte aus. Von den Höfen holt sie mit Lkws die dort produzierte Milch ab und liefert sie an verschiedene Molkereien aus. Der Beklagte ist Landwirt und Milcherzeuger. Sein Hof in R. verfügt über ein etwa 25 m langes Gebäude, welches hauptsächlich aus einem Wohntrakt und einem kleineren Wirtschaftsteil besteht. Auf dem Hofgelände befindet sich weiter ein Stallgebäude mit einer Länge von ca. 20 Meter. Zwischen den beiden Gebäuden befindet sich eine betonierte, etwa 12 Meter breite, Freifläche.

3

Am 03.02.2003 fuhr ein Milchsammel-Lkw der Klägerin auf den Hof des Beklagten, um dort Milch abzuholen. Auf der Freifläche zwischen den Gebäuden brach der Lkw mit der Hinterachse in eine abgedeckte Güllegrube ein, die sich in einer Entfernung von etwa 5 Metern von der Milchabsaugstelle im Wohngebäude befindet. Der Unfallablauf im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin meint, die Güllegrube sei nicht hinreichend gesichert und kenntlich gemacht worden.

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Die Klägerin behauptet, ihrem Fahrer sei die Zufahrtstrecke auf dem Hofgelände bekannt gewesen, aber nicht die konkrete Lage der Grube. Unstreitig holt die Klägerin bereits seit dem Jahr 1999 Milch von dem Hof des Beklagten ab. Weiter ist unstreitig, dass der Zufahrtsweg für die Fahrzeuge der Klägerin nicht über den Bereich der abgedeckten Güllegrube führt.

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Mit der Klage vom 27.05.2003 begehrte die Klägerin von dem Beklagten zunächst Schadensersatz in Höhe von 8.711,28 Euro. Hierzu behauptet sie, bei dem Unfall seien folgende Teile des Lkws beschädigt worden: Produktenfach mit Jalousie nebst Leiter, hinteres Seitenverkleidungsteil, hintere Leuchteinheit, Stoßfänger hinten sowie Gelenkwelle. Den Reparaturaufwand bezüglich des Lkw-Aufbaus beziffert die Klägerin mit 3.795,00 Euro. Für die Schäden an der Leuchteinheit und dem Stoßfänger begehrt die Klägerin 995,98 Euro. Für die defekte Gelenkwelle verlangt die Klägerin 1.260,00 Euro. Ferner beansprucht die Klägerin Ersatz der Bergungskosten in Höhe von 299,00 Euro. Daneben macht die Klägerin einen sogenannten „Eigenschaden“ geltend. Dieser besteht im Wesentlichen aus Kosten für eine Ersatzfahrergestellung, vier Leihwageneinsätze, Fahrtkosten sowie Verdienstausfall in Höhe von insgesamt 2.360,80 Euro.

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Nachdem die klägerische Versicherung auf den Schaden 6.450,48 Euro abzüglich einer Selbstbeteiligung in Höhe von 511,00 Euro, also 5.939,48 Euro, gezahlt hat, reduzierte die Klägerin ihre Klageforderung.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.791,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2003 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte stellt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Abrede. Er behauptet, sowohl der Klägerin als auch ihrem Fahrer sei die Lage der Güllegrube genauestens bekannt gewesen. Den Schaden der Klägerin stellt der Beklagte insgesamt in Abrede. Er macht geltend, die Klägerin sei auch ihrer Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen. Denn in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle habe sich die Fachwerkstatt der Firma H. befunden, die den Schaden kostengünstig habe beseitigen können.

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Mit Urteil vom 16.10.2003 wies das Amtsgericht Nordhorn die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das Landgericht Osnabrück mit Urteil vom 09.03.2004 die Entscheidung des Amtsgerichts Nordhorn auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Nordhorn zurück.

13

Daraufhin hat das Amtsgericht Nordhorn am 18.05.2004 Beweis erhoben durch Besichtigung der Unfallörtlichkeit und Vernehmung der Zeugen P. und B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18.05.2004 hingewiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist auch nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht begründet.

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Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe der noch offenen 2.791,80 Euro nicht zu.

16

Ein entsprechender Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Vertragspflicht in Form der Verkehrssicherungspflicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 433 BGB.

17

Es kann davon ausgegangen werden, dass zwischen den Parteien zum Unfallzeitpunkt ein Vertrag bestand, wonach die Klägerin berechtigt und verpflichtet war, fortlaufend die von dem Beklagten erzeugte Milch abzuholen und zu verwerten.

18

Aus diesem Vertrag hat die Klägerin eine Pflicht in Form einer Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.

19

Es besteht der Grundsatz, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zum Schutze Dritter zu treffen hat. Bei einer vertraglichen Verbindung zwischen den Beteiligten ergibt sich dies aus der vertraglichen Schutzpflicht (Palandt/Thomas BGB Kommentar, 63. Auflage 2004, § 823 Rd-Nr. 58). Die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich Straßen, Wegen und Plätzen erstreckt sich auf die Instandhaltung des Belages und die entsprechende Unterhaltung (Palandt/Thomas BGB Kommentar, 63. Auflage 2004, § 823 Rd.-Nr. 125). Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht ist unterschiedlich und richtet sich danach, für welche Art von Verkehr ein Weg nach seinem äußeren Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist (BGH Versicherungsrecht 1989, 847).

20

Bei ländlichen Grundstücken gelten insoweit Besonderheiten. Denn insoweit handelt es sich um Grundstücke mit eingeschränktem Verkehr. Es gelten weniger strenge Anforderungen. Erkennbare Besonderheiten sind von den Verkehrsteilnehmern auch ohne Sicherung und Warnung hinzunehmen, wenn es ihnen möglich ist, sich entsprechend darauf einzustellen. So ist anerkannt, dass die Streupflicht auf dem Hofgelände, wenn überhaupt, nur eingeschränkt gilt (AG Prüm, Recht und Schaden 2002, 368, 369). Auch für die Sicherung einer Jauchegrube gilt eine eingeschränkte Verkehrssicherungspflicht. So hat das Landgericht Kiel entschieden, dass der Hofeigentümer bei dem Einbruch eines Baggers auf einem landwirtschaftlichen Hof in eine abgedeckte Jauchegrube nur dann haftet, wenn die Betonplatte fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten wurde (Landgericht Kiel, Recht und Schaden 1998, 153). Das Landgericht Kiel steht auf dem Standpunkt, dass derjenige, der sich auf dem Lande aufhält, regelmäßig nicht ohne weiteres mit einer für städtische Verhältnisse zu fordernden Verkehrssicherung rechnen könne, sondern sich auf die ländlichen Gegebenheiten selbst einstellen müsse.

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Die vorgenannten Grundsätze hält auch das Amtsgericht Nordhorn für zutreffend. Bei den nur dem beschränkten Verkehrsaufkommen zugänglichen Höfen können nicht die Maßstäbe angesetzt werden, die für den öffentlichen Verkehrsraum gelten. Der jeweilige Landwirt hat auf Gefahrenstellen auf seinem Hof im Rahmen des Zumutbaren hinzuweisen. Eine Beschilderung oder ähnliches ist von ihm nicht zu fordern, zumal allgemein bekannt ist, dass sich auf Höfen abgedeckte Güllegruben befinden können. Von dem Landwirt ist zu fordern, dass er eine stabile Abdeckung wählt und gegenüber regelmäßig erscheinenden Kraftfahrern Hinweise über die Lage der Grube erteilt.

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Diesen Erfordernissen genügt das Verhalten des Beklagten. Die Güllegrube war hinreichend abgedeckt. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme steht fest, dass sich auf der Güllegrube eine ca. 0,5 bis 1 cm dicke Eisenplatte befand, die gegen das Verrutschen durch angeschweißte Streben gesichert war. Seiner Hinweispflicht kam der Beklagte ebenfalls nach. Aufgrund der Aussage des Zeugen B. ist das Gericht davon überzeugt, dass zumindest ein Fahrer der Klägerin über die genaue Lage der Güllekammer informiert war. Dem Zeugen wurde von dem Beklagten aufgetragen, die Milchfahrer darauf hinzuweisen, dass sie nicht über die Güllekammer fahren sollten. Dieser Aufforderung kam der Zeuge auch nach, wie er glaubhaft bekundete. Für die Richtigkeit der Aussage des Zeugen B. sprechen auch die Angaben des Zeugen P. Dieser Zeuge war Fahrer des verunfallten Fahrzeugs. Nach seinen Angaben war er von einem anderen Fahrer der Klägerin eingewiesen worden, wie er auf dem Hofgelände zu fahren habe. Dieser andere Fahrer soll sogar gesagt haben, dass er nicht so nah an das Gebäude fahren solle. Dieser andere Fahrer beschrieb die einzuhaltende Wegstrecke auf dem Hofgelände und sagte sogar, dass sich auf dem Hofgelände eine Güllekammer befinde. Der Zeuge stellte zwar in Abrede, von der genauen Lage der Güllekammer gewusst zu haben. Das Gericht hat jedoch erhebliche Zweifel, ob diese Angabe der Wahrheit entspricht. Denn wenn der andere Fahrer sogar sagte, dass der Zeuge nicht so nah an das Gebäude fahren solle, dann wird es hierfür sicherlich einen Grund gegeben haben. Dies kann nur die Lage der Güllekammer gewesen sein, denn diese befindet sich nach dem Ergebnis der richterlichen Augenscheinseinnahme in unmittelbarer Nähe der Milchabsaugstelle, ca. nur 5 m entfernt. Anlässlich seiner Vernehmung wurde der Zeuge P. mehrfach von dem Gericht zu seinem Wissen bezüglich der Güllekammer befragt. Immer, wenn das Gericht zu diesem Punkt kam, wich der Zeuge etwas aus. So erklärte er zwar wiederholt, die genaue Lage sei ihm nicht bekannt gewesen. Zweimal sagte er aber auch, dass er nicht gewusst habe, dass die Abdeckung sein Fahrzeug nicht tragen würde. Zudem muss gesehen werden, dass der Zeuge P. nach seinen eigenen Angaben vor dem Unfall etwa 150 mal auf dem Hofgelände war. Die Freifläche zwischen den Gebäuden ist durchgehend betoniert. Dementsprechend dürfte eine großflächige Güllekammerabdeckung aus Stahl auch bei Nacht sichtbar gewesen sein. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Absaugvorgang sicherlich einige Minuten in Anspruch nahm. Folglich muss der Zeuge P. bei seinen zahlreichen Besuchen auf dem Hof des Beklagten die Beschaffenheit der Freifläche erkannt haben. Jedenfalls aber hätte er sich bei dem Beklagten konkret erkundigen müssen, wenn ihm die Lage der Güllekammer nicht genau bekannt war.

23

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kann das Gericht jedenfalls nicht feststellen, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Bewiesen ist, dass ein Fahrer der Klägerin auf das Vorhandensein der Güllekammer hingewiesen wurde. Dies nahm dieser Fahrer offenbar zum Anlass, auch den Zeugen P. entsprechend auf die Fahrstrecke auf dem Hofgelände einzuweisen. Der Zeuge P. gab selbst zu, sich an den Rat seines Kollegen nicht gehalten zu haben und beim Rangieren auf die Gülleabdeckung gefahren zu sein. Von daher kann die Klägerin nicht ernsthaft geltend machen, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt.

24

Ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs.1, 433 BGB scheidet danach aus.

25

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Aus den oben erwähnten Erwägungen ist die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auch im Rahmen des deliktischen Anspruchs abzulehnen.

26

Der Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 836 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Haftung des Grundstücksbesitzers für den Einsturz eines Gebäudes oder eines Gebäudeteils. Voraussetzung ist nämlich in jedem Fall die fehlerhafte Errichtung oder die mangelhafte Unterhaltung des eingestürzten Gebäudeteils. Hierzu ist von der Klägerin nichts vorgetragen worden.

27

Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht ernsthaft in Betracht. Die Klage war folglich abzuweisen. Auf die Einwendungen des Beklagten zur Anspruchshöhe kommt es nicht weiter an.

28

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 4 und 709 Satz 1 ZPO.