Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.1983, Az.: 14 OVG A 69/82
Abgeschlossenheitsbescheinigung; Wohnungseigentum; Baubehörde; Prüfung; Wohnung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.06.1983
- Aktenzeichen
- 14 OVG A 69/82
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 12034
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1983:0630.14OVG.A69.82.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- Schleswig - 8 A 17/81
Fundstelle
- DNotZ 1984, 390-392
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - VIII. Kammer -, vom 16. März 1982 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung nach dem Wohnungseigentumsgesetz - WEG -.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Eckgrundstücks .../... in der Gemeinde .... Durch Bauschein vom 3. Mai 1973, ergänzt durch Nachtragsbauschein vom 27. November 1973, erteilte ihr der Beklagte die Genehmigung, auf dem Grundstück ein Hotel Garni nebst Tiefgarage mit 22 Einstellplätzen zu errichten (Hotel ...). In dem Bebauungsplan Nr. 18 a der Gemeinde ... ist der Bereich, in dem das Grundstück liegt, als Sondergebiet (Kurgebiet) ausgewiesen. Auf dem Grundstück lastet zugunsten der Gemeinde ... eine am 17. März 1971 in das Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit, nach der es dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks untersagt ist, die in dem Gebäude befindlichen Räume zu anderen Zwecken als dem Betrieb eines Hotels im klassischen Sinne zu verwenden. Durch notariellen Vertrag vom 18. März 1980 verkaufte die Klägerin das Grundstück mit dem darauf erstellten Hotel; der Vertrag kam jedoch nicht zur Durchführung.
Am 25. März 1980 beantragte die Klägerin beim Beklagten, ihr für das Hotel ... eine Abgeschlossenheitsbescheinigung zur Bildung von Teileigentum zu erteilen. Nach den dem Antrag beigefügten Zeichnungen war vorgesehen, daß neben den Garagen, der Betreiberwohnung und dem Restaurationsbetrieb jedes einzelne Hotelzimmer eine selbständige Einheit bilden sollte. Mit Schreiben vom 2. Juni 1980 reichte die Klägerin - hilfsweise - einen modifizierten Teilungsantrag ein. Dieser sieht vor, daß jeweils mehrere Hotelzimmer zu einer Einheit zusammengefaßt werden sollen.
Durch Bescheid vom 16. Juni 1980 lehnte es der Beklagte ab, die Abgeschlossenheitsbescheinigung in der einen oder anderen Form zu erteilen. Zur Begründung führte er aus, daß die Voraussetzungen für die Bildung von Sondereigentum nicht gegeben seien. Hotelzimmer seien keine Wohnungen, so daß Wohnungseigentum an ihnen nicht begründet werden könne. Sie dienten aber Wohnzwecken, so daß auch Teileigentum nicht möglich sei. Auch für die übrigen Bauteile könne die Abgeschlossenheit nicht bescheinigt werden, weil die Wirtschaftseinheit "Hotel" bei einer Aufteilung in Teileigentum aufgelöst werde. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der Beklagte durch Bescheid vom 16. Januar 1981 zurück.
Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, daß die Bildung von Sondereigentum in der Form des Teileigentums rechtlich möglich sei. Eine Wohnnutzung des Gebäudes nach der Teilung sei nicht beabsichtigt. Alle Räume sollten vielmehr im Rahmen des Hotelbetriebes gewerblich genutzt werden. Zweck der Teilung sei nur, die Finanzierung des Objektes zu erleichtern.
Die Klägerin hat beantragt,
1. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 1980 und der Widerspruchsbescheid des Beklagen vom 16. Januar 1981 werden aufgehoben,
2. der Beklagte wird verurteilt, die Abgeschlossenheitsbescheinigung gemäß dem Antrag der Klägerin vom 25. März 1980 zu erteilen,
hilfsweise,
gemäß Antrag vom 2. Juni 1980,
zu 2) hilfsweise:
der Beklagte wird verurteilt, die beantragte Abgeschlossenheitsbescheinigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat an seiner Auffassung festgehalten, daß ein Anspruch auf Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht bestehe.
Die beigeladene Gemeinde hat sich der Auffassung des Beklagten angeschlossen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der an dem Verfahren beteiligte Schleswig-Holsteinische Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt, jedoch den Rechtsstandpunkt des Beklagten und der Gemeinde unterstützt. Insbesondere hat er die Auffassung vertreten, daß die Prüfung der Baubehörde, ob eine Abgeschlossenheitsbescheinigung zu erteilen sei, über technische Fragen hinausgehe und sich auch darauf erstrecke, ob die Bildung von Wohnungs- oder Teileigentum rechtlich überhaupt zulässig sei.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 16. März 1982 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch darauf zustehe, die Abgeschlossenheitsbescheinigung zu erhalten. Zu Unrecht habe der Beklagte die Versagung der Bescheinigung hinsichtlich der Hotelzimmer darauf gestützt, daß die Räume weder wohnungs- noch teileigentumsfähig seien. Zunächst fehle es schon an der sachlichen Zuständigkeit des Beklagten, darüber zu befinden, ob Sondereigentum gebildet werden könne. Dies sei vielmehr Sache des Grundbuchamtes. Die Baubehörde habe sich bei ihrer Prüfung auf die spezielle Frage der Abgeschlossenheit zu beschränken. Darüber hinaus sei die Ansicht des Beklagten, daß die Hotelzimmer nicht teileigentumsfähig seien, auch inhaltlich nicht zutreffend. Denn Hotelzimmer dienten nicht Wohnzwecken, sondern der gewerblichen Zimmervermietung. Der Begriff des Wohnens verlange eine Haushaltsführung. Davon könne bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem Hotel nicht die Rede sein. Zumindest könne man sagen, daß bei Zimmervermietung in einem Hotel der gewerbliche Zweck die Wohnnutzung völlig überlagere. Bauplanungsrechtliche Bedenken könne der Beklagte dem Antrag nicht entgegenhalten, weil diese Fragen nicht zum Prüfungsumfang der Baubehörde gehörten. In Bezug auf die tatsachliche Abgeschlossenheit habe der Beklagte noch nicht die erforderlichen Ermittlungen angestellt. Daher habe die Kammer nur zu einem Bescheidungsurteil kommen können.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen. Zu ihrer Begründung wiederholen und vertiefen die Berufungskläger ihr bisheriges Vorbringen.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, daß die Teilung so durchgeführt werden solle, wie es in dem Nachtragsantrag vom 2. Juni 1980 dargestellt sei. Es sollten also insgesamt 17 Einheiten gebildet werden. Die Klägerin habe das gesamte Objekt an einen Hotelbetrieb verpachtet, der es hotelmäßig nutze. So solle es auch in Zukunft bleiben.
Der Beteiligte hält seinen Rechtsstandpunkt aufrecht; er stellt auch in der Berufungsinstanz keinen Antrag.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der vorgetragenen Rechtsansichten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der Beiakten Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat Erfolg.
Die Klage war abzuweisen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Abgeschlossenheitsbescheinigung hat.
Nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 iVm § 3 Abs. 2 WEG ist Voraussetzung für die von der Baubehörde auszustellende Bescheinigung, daß die Wohnungen oder sonstigen Räume, an denen Sondereigentum eingeräumt werden soll, in sich abgeschlossen sind. Das Nähere zum Begriff der Abgeschlossenheit ist in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes vom 19. März 1974 (Bundesanzeiger 1974 Nr. 58) geregelt. Darin heißt es unter Nr. 5:
Abgeschlossene Wohnungen sind solche Wohnungen die baulich vollkommen von fremden Wohnungen und Räumen abgeschlossen sind, zum Beispiel durch Wände und Decken, die den Anforderungen der Bauafsichtsbehörden (Baupolizei) an Wohnungstrennwände und Wohnungstrenndecken entsprechen und einen eigenen abschließbaren Zugang unmittelbar vom Freien, von einem Treppenhaus oder einem Vorraum haben. Zu abgeschlossenen Wohnungen können zusätzliche Räume außerhalb des Wohnungsabschlusses gehören. Wasserversorgung, Ausguß und WC müssen innerhalb der Wohnung liegen.
Zusätzliche Räume, die außerhalb des Wohnungsabschlusses liegen, müssen verschließbar sein.
Bei "nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen" gelten diese Erfordernisse sinngemäß.
Die Klägerin plant nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag, das Gebäude in 17 getrennte Einheiten aufzuteilen. Bei den Einheiten Nrn. 4 bis 17 handelt es sich um Hotelzimmer, die zu Gruppen von zwei, drei oder vier Zimmern zusammengefaßt werden sollen. Die Zimmer liegen jeweils auf derselben Etage, entweder nebeneinander oder sich gegenüber. Diese verschiedenen Zimmergruppen sind nach Auffassung des Senats nicht in sich abgeschlossen in der Weise, wie es nach § 3 Abs. 2 WEG und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift erforderlich ist. Das dürfte bereits deshalb nicht der Fall sein, weil sie ohne erkennbaren äußeren Abschluß ineinander übergehen. Zwar verfügt jedes einzelne Zimmer vom Flur her über eine abschließbare Tür. Doch wären zusätzliche bauliche Maßnahmen erforderlich, um auch die Gruppen als solche voneinander abzuschließen. Die Klägerin hat in der Verhandlung vor dem Senat allerdings ihre Bereitschaft erklärt derartige Maßnahmen vorzunehmen. Solange sie nicht ausgeführt sind, liegt eine Abgeschlossenheit der Räume aber schon aus diesem Grund nicht vor.
Es kommt jedoch noch ein weiterer, nach Ansicht des Senats wesentlicher Gesichtspunkt hinzu: Das Wohnungseigentumsgesetz verlangt in § 3 Abs. 2, daß die Wohnungen oder sonstigen Räume in sich abgeschlossen sind. Diese Formulierung macht deutlich, daß der Gesetzgeber auf das gesamte Objekt, an dem Sondereigentum begründet werden soll, abstellt. Es genügt nicht, daß die einzelnen Räume eines Vorhabens abgeschlossen sind, sondern es kommt auf das Vorhaben als ganzes an. Das muß bei Wohnungseigentum eine bestimmte Wohnung, bei Teileigentum eine nicht zu Wohnzwecken dienende Einrichtung sein. Entscheidend ist der jeweilige Verwendungszweck. Im vorliegenden Fall geht es um den Betrieb eines Hotels im klassischen Sinn. Nach den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen hat die Klägerin das Objekt an einen Hotelbetrieb verpachtet, der es hotelmäßig nutzt. So soll es auch in Zukunft bleiben. Es handelt sich mithin um einen gewerblichen Nutzungszweck, so daß die Bildung von Teileigentum in Betracht käme. Nach dieser Art der Nutzung muß sich auch die Frage der Abgeschlossenheit beurteilen. Sie ist für die Hotelzimmer dahin zu beantworten, daß diese weder einzeln noch gruppenweise in sich abgeschlossene Räume darstellen. Denn es handelt sich bei ihnen nur um unselbständige Teile des Objektes als solchem, die für sich allein nicht voll funktionsfähig sind. Der Hotelgast benutzt nicht nur sein Zimmer, sondern er ist, jedenfalls im Regelfall, zugleich auf die übrigen Einrichtungen des Hotels, wie Frühstücksraum, Restaurant, Aufenthaltsräume angewiesen. Nur mit allen diesen Einrichtungen zusammen bilden die Zimmer als Hotel eine wirtschaftliche und funktionelle Einheit. Nur diese Einheit als solche wäre der Abgeschlossenheit fähig. An diesen Erwägungen scheitert das Begehren der Klägerin bezüglich der Hotelzimmer.
Die gleichen Erwägungen sind aber auch für die geplanten Einheiten Nrn. 1 bis 3 (Garagen, Betreiberwohnung, Restaurationsbetrieb mit Schwimmhalle) maßgeblich. Diese stellen, jede für sich betrachtet, ebenfalls nur unselbständige Teile des Gesamtobjektes dar. Auch für sie kommt deshalb die Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Senat läßt die Revision zu, weil er den Rechtsfragen, die Gegenstand des Verfahrens sind, grundsätzliche Bedeutung beimißt und höchstrichterliche Entscheidungen dazu, soweit ersichtlich, bisher nicht ergangen sind.
Domhardt
Figge
Dr. Große