Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.1983, Az.: 14 OVG A 39/82

Abgeschlossenheitsbescheinigung; Wohnungseigentum; Apartment; Wohnung; Rücknahme; Berufung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.06.1983
Aktenzeichen
14 OVG A 39/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 12033
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1983:0630.14OVG.A39.82.0A

Verfahrensgang

vorgehend
Schleswig - 9 A 708/81 (90)

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin zu a) wird der Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - IX. Kammer - vom 23. Februar 1982 geändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner Bescheide vom 22. Februar 1982 und 29. Oktober 1982 verpflichtet, der 9. Kommanditgesellschaft für 72 Appartements Abgeschlossenheitsbescheinigungen zu erteilen.

Soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit wird der angefochtene Gerichtsbescheid für unwirksam erklärt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 3/4, die Klägerin zu b) 1/4. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerinnen sind in Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümer des Grundstücks ... 141 in .... Auf dem Grundstück haben sie ein mehrgeschossiges Gebäude errichtet, in dem sich 72 Appartements befinden. An das Gebäude schließen sich im Sockelgeschoß vier Läden an. Nach dem Bauschein des Beklagten vom 13. Februar 1978 ist den Klägerinnen die Genehmigung für ein "Appartementhotel mit Laden- und Restaurationsteil,..." erteilt worden. Ein Restaurant ist in dem Gebäude jedoch nicht enthalten. Die Baugenehmigung ist mit einer Reihe von Bedingungen und Auflagen versehen. Unter der Nr. 039 heißt es:

2

Es wird darauf hingewiesen, daß die Nutzung des Gebäudes gemäß Festsetzung des B-Planes nur als gewerblicher Beherbergungsbetrieb statthaft ist. Eine anderweitige Nutzung wird hiermit ausdrücklich ausgeschlossen.

3

Die einzelnen Appartements sind von unterschiedlicher Größe. Sie liegen nebeneinander und sind über Treppenanlagen und Laubengänge gesondert zugänglich. Sämtliche Appartements verfügen über Küchen oder Räume mit Kochgelegenheit und Baderäume.

4

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 9 der Gemeinde ..., der das Gebiet als Sondergebiet (Kurgebiet) ausweist.

5

Am 15. Juni 1981 stellten die Klägerinnen beim Beklagten den Antrag, ihnen für das Objekt eine Abgeschlossenheitsbescheinigung zur Bildung von Teileigentum zu erteilen. Da über den Antrag zunächst nicht entschieden wurde, erhoben die Klägerinnen am 2. Dezember 1981 Untätigkeitsklage.

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Durch Bescheid vom 22. Februar 1982 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß ein Anspruch auf Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht bestehe, weil weder Wohnungseigentum noch Teileigentum begründet werden könne. Für Wohnungseigentum lägen die Voraussetzungen nicht vor, weil Hotelappartements nicht wie Wohnungen dauerhaft genutzt worden dürften. Da die Räume aber Wohnzwecken dienten, könne auch Teileigentum nicht gebildet werden. Die Frage der Abgeschlossenheit stelle sich daher nicht mehr. Eine Aufteilung in Teileigentum sei auch deshalb nicht zulässig, weil die Wirtschaftseinheit Hotel dadurch aufgelöst werde.

7

Die Klägerinnen haben ihre Klage damit begründet, daß die fraglichen Raumeinheiten alle Merkmale einer baulichen Abgeschlossenheit aufwiesen. Planungsrechtliche Gesichtspunkte dürfe die Beklagte bei der Entscheidung nicht berücksichtigen.

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Die Klägerinnen haben beantragt,

9

den Beklagten zu verpflichten, die beantragten Abgeschlossenheitsbescheinigungen zu erteilen.

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Der Beklagte hat zu der Klage keine sachliche Stellungnahme abgegeben.

11

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 23. Februar 1982 abgewiesen. In den Gründen der Entscheidung wird ausgeführt: Der Beklagte habe mit Recht angenommen, daß Wohnungseigentum für die Appartements der Klägerinnen nicht gebildet werden könne. Die Eigenschaft einer Wohnung könne nur solchen Appartementsabschlüssen zuerkannt werden, die nach ihrer genehmigten Zweckbestimmung dauerhaft bewohnbare Räume seien. Daran fehle es hier. Denn jedenfalls vor einer genehmigten Nutzungsänderung dürften die Appartements als Teile eines Hotelbetriebes nur gewerblich genutzt werden. Aber auch die Bildung von Teileigentum sei nicht zulässig, weil der Beklagte zutreffend davon ausgegangen sei, daß es sich um Räume handele, die Wohnzwecken dienten.

12

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerinnen. Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte am 29. Oktober 1982 einen Widerspruchsbescheid erlassen, durch den er seinen ablehnenden Bescheid vom 22. Februar 1982 bestätigt hat.

13

Zur Begründung der Berufung wiederholen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor: Die Maßnahmen nach dem Wohnungseigentumsgesetz stünden in der Zuständigkeit der Grundbuchamter. Der Baugenehmigungsbehörde komme lediglich eine Hilfsfunktion zu. Sie habe den baulichen Zustand zu testieren. Wie die betreffende Raumeinheit genutzt werden solle, sei für ihre Entscheidung ohne Belang.

14

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Klägerinnen erklärt, daß in ihrem Verhältnis zueinander die vier Läden der 10. Kommanditgesellschaft zugeordnet seien. Es sei beabsichtigt, für die Läden ein gesondertes Flurstück zu bilden, so daß es insoweit keiner Abgeschlossenheitsbescheinigung mehr bedürfe. Die Berufung werde daher hinsichtlich des Ladenteiles zurückgenommen.

15

Die Klägerin zu a) beantragte,

16

unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheides der 9. Kommanditgesellschaft für 72 Appartementwohnungen die Abgeschlossenheitsbescheinigungen zu erteilen.

17

Der Beklagte hat sein Einverständnis erklärt, soweit die Berufung zurückgenommen worden ist. Im übrigen beantragt er,

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die Berufung zurückzuweisen.

19

Er hält an seiner Auffassung fest, daß die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht erfüllt seien.

20

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Beiakten Bezug genommen.

21

II.

Soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, ist das Berufungsverfahren mit den Folgen, die sich aus § 126 VwGO ergeben, einzustellen.

22

Im übrigen führt die Berufung zum Erfolg. Die Klägerin zu a) hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Abgeschlossenheitsbescheinigungen, weil es sich bei den 72 Appartements in dem Gebäude ..., ... 141, nach Auffassung des Senats um abgeschlossene Wohnungen im Sinne von §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 WEG handelt.

23

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Appartements seien zwar zum Wohnen bestimmte Räume, aber keine Wohnungen, kann nicht gefolgt werden. Die Entscheidung über die Frage, unter welche Form des Sondereigentums Räume fallen, für die eine Abgeschlossenheitsbescheinigung begehrt wird, ist letztlich von den Zivilgerichten zu treffen; sie obliegt nicht dem Beklagten als Verwaltungsbehörde, wenngleich bei der Beurteilung, ob Räume in sich abgeschlossen sind, zwangsläufig mit geprüft werden muß, welche Art von Sondereigentum in Betracht kommt. Soweit es dabei um Wohnungseigentum geht, ist für den Begriff der Wohnung von der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes vom 19. März 1974 (BAnz. 1974 Nr. 58) auszugehen. Unter Nr. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift heißt es (s. auch DIN 283 in GMBl 51, 79):

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Eine Wohnung ist die Summe der Räume, welche die Führung eines Haushaltes ermöglichen; dazu gehören stets eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit sowie Wasserversorgung, Ausguß und WC.

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Die Voraussetzungen, die danach an das Vorliegen einer Wohnung zu stellen sind, liegen hier vor. Insbesondere verfügen sämtliche Appartements, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, über eine eigene Küche oder einen Raum mit Kochgelegenheit. Daneben sind die sonstigen Einrichtungen vorhanden, die von der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift gefordert werden (Wasserversorgung, Ausguß und WC). Auch größenmäßig sind die einzelnen. Appartements so bemessen, daß sie die Führung eines Haushalts ermöglichen, wobei nach Meinung des Senats die Eignung für einen Einpersonenhaushalt genügt. Schließlich dienen die Appartements auch dem Zweck, daß darin gewohnt wird. Dabei ist es gleichgültig, ob sie von den einzelnen Eigentümern selbst genutzt oder vermietet werden sollen Auch im Falle der Vermietung, also der Nutzung durch einen wechselnden Personenkreis, behält die betreffende Raumeinheit die Merkmale einer Wohnung, wie sie von der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift verlangt werden.

26

Dem Ergebnis steht nicht entgegen, daß der Bauschein vom 13. Februar 1978 den Hinweis enthält, das Gebäude dürfe nur als gewerblicher Beherbergungsbetrieb genutzt werden, und eine anderweitige Nutzung ausdrücklich ausgeschlossen wird. Die Frage, welche Bedeutung der Baugenehmigung und den baurechtlichen Vorschriften für die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung zukommen, ist im Gesetz nicht näher geregelt und auch in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht hinreichend geklärt (Ermann-Ganten, BGB, 7. Aufl. 1981, Rdz. 6 zu § 7 WEG und das VG Hamburg, Urt. v. 2.5.1973 - VIII VG Nr. 14/73 -, meinen, daß das Vorhandensein einer Baugenehmigung bzw. baupolizeiliche Vorschriften außer Betracht zu bleiben hätten, während im Komm. von Staudinger - BGB 11. Aufl. Rdz. 20 zu § 3 WEG - offenbar eine Baugenehmigung vorausgesetzt wird; vgl. auch zu der Sonderregelung des § 12 LBO BaWü: Urt. d. VGH Mannheim v. 3.11.1978 - VIII 121/77 -). Der Senat braucht sich mit dieser Frage im einzelnen nicht zu befassen. Die hier erteilte Baugenehmigung trägt dem Umstand Rechnung, daß die Gemeinde ... das Gebiet, in dem das Grundstück liegt, planerisch als Sondergebiet ausgewiesen hat, das nicht für Dauerbewohner, sondern nur zur Unterbringung von Kur- und Feriengästen bestimmt sein soll. Hierauf läßt sich die Versagung der Abgeschlossenheitsbescheinigung nach Ansicht des Senats nicht stützen. Denn planungsrechtliche Gesichtspunkte können dem Antrag auf Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht entgegengehalten werden. Das Wohnungseigentumsgesetz und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift bieten dazu keine Handhabe (vgl. Bielenberg, ZfBR 1989 S. 7 ff [9]). Hiervon abgesehen wird eine gewerbliche Nutzung der Appartements durch die Bildung von Sondereigentum nicht ausgeschlossen. Die einzelnen Appartements können auch dann an Kur- und Feriengäste vermietet werden, wenn sie verschiedenen Eigentümern gehören. Dem Senat ist aus Streitsachen aus dem Wohnungsbauförderungsrecht bekannt, daß zahlreiche Eigentümer von Eigentumswohnungen in den Erholungsgebieten ihre Räume Vermietungsgesellschaften an die. Hand geben oder sie selbst gegen Entgelt an Dritte überlassen. Es mag allerdings dazu kommen, daß einzelne Appartements nach ihrer rechtlichen Verselbständigung ständig durch Dauerbewohner genutzt werden. Die bloße Möglichkeit, daß das geschieht, muß jedoch bereits deshalb) außer Betracht bleiben, weil sie zu wenig vorhersehbar ist. Im übrigen läßt sich ein derartiges Ergebnis, auch wenn es planerisch unerwünscht sein sollte, nach dem Ausgeführten nicht über die Versagung der Abgeschlossenheitsbescheinigung verhindern. Es müßte vielmehr im Einzelfall geprüft werden, ob hierfür andere Wege, wie etwa ein auf die Bauvorschriften gestütztes Nutzungsverbot, in Betracht kämen (vgl. Bielenberg, aaO, S. 10).

27

Schließlich kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob die Appartements tatsächlich und rechtlich zur Dauernutzung geeignet sind, in dem Sinne, wie es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für Wohnungen erforderlich ist, die als steuerbegünstigt anerkannt werden sollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.1977 - BVerwG VIII C 43.76 -, Buchholz BVerwG, § 82 II. WoBauG Nr. 17; Urt. v. 3.8.1977 - BVerwG VIII C 59.76 -, Buchholz, aaO, Nr. 19). Denn den Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes liegt eine andere Zielsetzung zugrunde. In den Genuß der Anerkennung sollen nur Wohnungen kommen, die förderungsfähig sind. Die Förderung hat in erster Linie das Ziel, den Wohnungsmangel zu beseitigen. Diese Gesichtspunkte können auf das Wohnungseigentumsgesetz nicht übertragen werden (ebenso Bielenberg, aaO, S. 10 f). Daher braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, ob das einzelne Appartement von seiner Größe her dem Wohnbedarf einer bestimmten Familiengemeinschaft entspricht. ES genügt vielmehr die abstrakte Eignung für die Führung eines Haushalts, wobei, wie bereits erwähnt, ein Einpersonenhaushalt ausreichend ist.

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Der Einwand des Beklagten, daß im Falle der Aufteilung in Sondereigentum die Wirtschaftseinheit Hotel aufgelöst werde, greift ebenfalls nicht durch, weil ein Hotel gar nicht erstellt worden ist und nicht betrieben wird.

29

Die Appartements, um die es hier geht, sind in sich abgeschlossen in der Weise, wie es unter Nr. 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift verlangt wird. Denn sie besitzen Wände und Decken, die den Anforderungen der Bauaufsichtsbehörde an Wohnungstrennwände und Wohnungstrenndecken entsprechen und haben eigene abschließbare Zugänge über Treppenanlagen und Laubengänge.

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Damit sind die Voraussetzungen erfüllt, die für die Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen vorliegen müssen; die Berufung muß somit Erfolg haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.

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Der Senat läßt die Revison zu, weil er den Rechtsfragen, die Gegenstand des Verfahrens sind, grundsätzliche Bedeutung beimißt und höchstrichterliche Entscheidungen dazu, soweit ersichtlich, bisher nicht ergangen sind.

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Domhardt

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Figge

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Dr. Große