Amtsgericht Wilhelmshaven
Beschl. v. 18.03.2004, Az.: 16 FH 468/99
Antrag des Unterhaltsbeistandes auf Abänderung des Unterhaltstitels im vereinfachten Verfahren nach dem Kindesunterhaltsgesetz; Folgen für den Antrag bei einem gerichtlichen Entscheidungszeitpunkt erst nach Außerkrafttreten der entsprechenden Vorschrift ; Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips für rechtzeitig gestellte Anträge
Bibliographie
- Gericht
- AG Wilhelmshaven
- Datum
- 18.03.2004
- Aktenzeichen
- 16 FH 468/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33796
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGWILHV:2004:0318.16FH468.99.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz
Fundstellen
- FamRZ 2004, 1887 (Volltext mit red. LS)
- JAmt 2004, 214
Das Amtsgericht - Familiengericht -Wilhelmshaven hat
durch
den Richter am Oberlandesgericht Fiedelak
am 18.03.2004
beschlossen:
Tenor:
- I.
Der Beschluß des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 19.01.2004 wird aufgehoben.
- II.
Die vollstreckbare Urkunde des Jugendamtes Wilhelmshaven vom 18.08.1997, Urkundenregister-Nr. 426/97, wird dahin abgeändert, daß der Antragsgegner der Antragstellerin jeweils 100 % des Unterhaltsbedarfs der jeweiligen Altersstufe nach § 1 der Regelbetragsverordnung unter Abzug des jeweils gesetzlich anrechenbaren Kindergeldes zu zahlen hat, und zwar
- a)
vom 01.01. bis zum 30.06.1999 monatlich 224 DM (349 DM abzüglich 125 DM Kindergeldanteil),
- b)
01.07. bis 31.12.1999 monatlich 230 DM (355 DM abzüglich 135 DM Kindergeldanteil),
- c)
Januar bis Dezember 2000 monatlich 220 DM (355 DM abzüglich 135 DM Kindergeldanteil),
- d)
Januar bis Juni 2001 355 DM (ohne Anrechnung von Kindergeld),
- e)
Juli bis Dezember 2001 366 DM ohne Anrechnung von Kindergeld),
- f)
01.01.2002 bis 30.06.2003 188 EUR (ohne Anrechnung von Kindergeld),
- g)
Juli 2003 192 EUR
(199 EUR abzüglich 7 EUR Kindergeldanteil),
- h)
August 2003 bis Juli 2009 derzeit 241 EUR, (ohne Anrechnung von Kindergeld)
- i)
ab August 2009 derzeit 284 EUR. (ohne Anrechnung von Kindergeld)
- III.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Gründe
I.
Der Antragsgegner ist der Vater der Antragstellerin. Er hat durch die vollstreckbare Urkunde des Jugendamtes Wilhelmshaven vom 18.08.1997, Urkundenregister-Nr.: 426/97, anerkannt, der Antragstellerin Unterhalt zu schulden.
Mit Antrag vom 20.04.1999 hat die Stadt Wilhelmshaven als Unterhaltsbeistand der Antragstellerin den Antrag gestellt, den Unterhaltstitel im vereinfachten Verfahren nach Artikel 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz wie folgt abzuändern:
- 1.
vom 01.01.1999 bis zum 30.06.1999
100 % des Regelbetrages der 1. Altersstufe, monatlich mithin unter Anrechnung des Kindergeldanteiles von 125 DM monatlich 224 DM,vom 01.07.1999
100 % des jeweiligen Regelbetrages der ersten Altersstufevom 01.08.2003
100 % des jeweiliges Regelbetrages der zweiten Altersstufevom 01.08.2009
100 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe - 2.
Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur Zeit wie folgt auf den Regelbetrag anzurechnen in Höhe von 125 DM gem. § 1612 b Abs. 1 BGB.
Der Antragsgegner hat zu dem Antrag nicht Stellung genommen.
Bei der Bearbeitung des Antrages durch das Amtsgericht Wilhelmshaven sind die Akten verloren gegangen. Der jetzige Antragsteller-Vertreter, der seit November 2001 Unterhaltsbeistand für die Antragstellerin ist, hat nach Erteilung einer 2. Ausfertigung des mit den Akten verloren gegangenen Unterhaltstitels den Titel erneut am 13.11.2003 eingereicht.
Artikel 5 § 3 des Kindesunterhaltsgesetzes ist mit Ablauf des 30.06.2003 außer Kraft getreten.
II.
Der Erinnerung der Antragstellerin ist abzuhelfen, weil der Antrag der Antragstellerin von Anfang an begründet war und rechtzeitig gestellt worden ist. Die Antragstellerin hat ihren Antrag bereits am 20.04.1999 gestellt. Sie hat dadurch eine rechtlich geschützte Position erlangt, nach der sie darauf vertrauen konnte, daß über ihren Antrag im vereinfachten Verfahren nach Artikel 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz entschieden wird.
Diese Position ist ihr durch das Außerkrafttreten der genannten Vorschrift nicht genommen worden. Zwar enthält das Kindesunterhaltsgesetz insoweit keine Übergangsregelung, die ausdrücklich bestimmt, ob und wie Anträge zu bescheiden sind, die vor dem Außerkrafttreten gestellt worden sind, aber nicht mehr beschieden werden konnten.
Bei der Auslegung des Gesetzes zu der Frage, welche Folgen das Außerkrafttreten der Vorschrift hat, muß das Rechtsstaatsprinzip berücksichtigt werden. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der Gesetzgeber mit dem Außerkrafttreten der Vorschrift auch rechtzeitig gestellten, aber noch nicht beschiedenen Anträgen, die Wirkung nehmen würde. Damit wären rechtzeitig gestellte Anträge ohne jeden Schutz des Antragstellers den Unwägbarkeiten und Widrigkeiten der Bearbeitung durch das Gericht ausgesetzt (wie der vorliegende Falle sehr anschaulich zeigt).
Dagegen ist ein etwaiges Vertrauen des Antragsgegners darauf, dass der Antrag der Antragstellerin nach Ablauf nicht mehr beschieden werden kann, nicht rechtlich schützenswert.
Die Antragstellerin war deshalb auch nach Ablauf des 30.06.2003 in der Sache zu bescheiden.
Insoweit besteht kein Zweifel daran, daß der Antragsgegner der Antragstellerin dem Grunde nach zum Unterhalt verpflichtet ist und der Höhe nach ihr zumindest den Unterhalt nach § 1 der Regelbetragverordnung schuldet.