Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.02.1989, Az.: 2 UF 9/89

Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte; Verbindlichkeit einer ausländischen Entscheidung bei erneuter Klage über denselben Streitgegenstand im Inland; Einordnung von Unterhaltsansprüchen als nicht abgeschlossene bzw. abgeschlossene Verträge i.S.d. § 220 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB); Verstoß einer zweijährigen Klageausschlussfrist im nachehelichen jugoslawischen Unterhaltsrecht gegen den deutschen ordre public ; Angewiesenheit auf Sozialhilfe und deutscher ordre public

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.02.1989
Aktenzeichen
2 UF 9/89
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 16551
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1989:0228.2UF9.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG ... - AZ: 18 F 225/88

Fundstellen

  • IPRspr 1989, 4
  • NJW-RR 1989, 1097 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

nachehelicher Unterhalt

Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz

Prozessführer

Frau ...,

Prozessgegner

Herr ...,

In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts ...
durch
den Vizepräsidenten am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 28. Februar 1989

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr für die Berufungsinstanz Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Der Klägerin kann Prozeßkostenhilfe nicht gewährt werden, da die beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

2

Das Amtsgericht hat den auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt gerichteten Antrag der Klägerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

3

Es dürfte zwar die Zulässigkeit der Klage und des Antrags zu bejahen sein. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Soweit nach den Bestimmungen über den Gerichtsstand ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist - vorbehaltlich anderer Regelungen, insbesondere in zwischenstaatlichen Abkommen - auch seine internationale Zuständigkeit begründet (vgl. z.B. BGH FamRZ 1983, 806). Hier ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts aus §§ 12, 13 ZPO, da der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand in Salzgitter hat.

4

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, daß mit dem klageabweisenden Urteil des Kreisgerichts ... vom 23.4.1983 eine Entscheidung über denselben Streitgegenstand vorliegen kann. Ein im Ausland ergangenes Urteil schließt eine neue Klage im Inland grundsätzlich nicht aus, weil sich die Verbindlichkeit der ausländischen Entscheidung für das deutsche Reichsgebiet nicht von selbst versteht. Es ist lediglich, soweit das ausländische Urteil anzuerkennen ist, eine inhaltlich übereinstimmende Sachentscheidung zu treffen (vgl. z.B. BGH FamRZ 1986, 665, 667).

5

Der Unterhaltsantrag ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht nach den anzuwendenden jugoslawischen Recht kein Unterhaltsanspruch zu.

6

Da die Klägerin nachehelichen Unterhalt verlangt, richtet sich gemäß Art. 220 Abs. 2, 18 Abs. 4 S. 1 EGBGB (n.F.) und nach Art. 8 Abs. 1 des Haager Übereinkommens vom 2.10.1073 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (BGBl. 1986 II S. 825, 838) das Unterhaltsstatut nach dem Scheidungsstatut. Die Übergangsvorschrift des Art. 220 EGBGB bestimmt in Abs. 1, daß auf vor dem 1.9.1986 abgeschlossene Vorgänge das bisherige internationale Privatrecht anwendbar bleibt, und in Abs. 2, daß die Wirkung familienrechtlicher Rechtsverhältnisse von dem in Abs. 1 genannten Tag an den Vorschriften des neuen Rechts unterliegen. Da Unterhaltsansprüche für die Zeiträume, in denen ihre Voraussetzungen vorliegen, jeweils neu entstehen, liegt insoweit kein abgeschlossener Vorgang i.S. des Abs. 1 der Vorschrift vor, auch wenn der Scheidungsanspruch vor dem 1.9.1986 rechtskräftig geworden ist (BGBFamRZ 1987, 682).

7

Der geltend gemachte Unterhaltsanspruch beurteilt sich gemäß Art. 18 Abs. 4 S. 1 EGBGB nach jugoslawischem Recht, da das Scheidungsurteil des Kreisgerichts ... vom 25.11.1981 als Heimatstaaten-Entscheidung aufgrund der jugoslawischen Staatsangehörigkeit beider Parteien ohne Zustimmung des Landesjustizverwaltung nach Art. 7 § 1 Abs. 1 S. 3 FamRÄndG vom 11.8.1961 anzuerkennen ist.

8

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist jedoch nach jugoslawischem Recht gemäß Art. 288 Abs. 2 des Gesetzes über die Ehe und Familienbeziehungen der sozialistischen Republik Serbien nicht durchsetzbar, da sie die Unterhaltsklage nicht innerhalb von zwei Jahren nach der Ehescheidung eingereicht hat. Diese vorgenannte Regelung steht nicht in Widerspruch zur deutschen öffentlichen Ordnung (ordre public) gemäß Art. 6 EGBGB. Das Verbot der Anwendung ausländischen Rechts greift nur ein, wenn das Ergebnis der Rechtsanwendung zu den Grundgedanken des deutschen Rechts und der ihm zugrundellegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es aus deutscher Sicht untragbar erscheint. Das trifft hier nicht zu.

9

Die Verschiedenheit der beiden Regelungen rechtfertigt nicht die Anwendung des Art. 6 EGBGB. Im Grundsatz erkennt das jugoslawische Unterhaltsrecht ebenso wie das deutsche ein nacheheliches Unterhaltsrecht an. Die nach jugoslawischem Recht zur Verfügung stehende Zeitspanne von zwei Jahren gibt dem geschiedenen Ehegatten eine immerhin ausreichende Überlegungsfrist, ob er Klage erheben will. Dieser Ausschlußfrist liegt der im jugoslawischen Recht stärker betonte Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit zugrunde. Inwieweit ein Staat den Grundsatz der Eigen- oder den der Mitverantwortung stärker gewichtet, muß Sache des jeweiligen Gesetzgebers bleiben. Eine andersartige Gewichtung kann nicht zur Anwendung des Grundsatzes des ordre public gemäß Art. 6 EGBGB führen, solange das ausländische Recht ein Unterhaltsstandrecht dem Grunde nach anerkennt.

10

Der deutsche ordre public ist auch nicht deshalb verletzt, weil die Klägerin bei einer Klageabweisung auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die öffentliche Fürsorge will gerade untragbare mit der öffentlichen Ordnung unvereinbare Zustände verhindern. Die Gewährung von Sozialhilfe kann daher für sich allein nicht in Widerspruch zu dem ordre public stehen.

11

Art. 228 Abs. 2 des jugoslawischen Familienrechts ist nach alldem anwendbar, so daß die Klägerin mit dem Anspruch ausgeschlossen ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Klägerin überhaupt ein Unterhaltsanspruch nach jugoslawischem oder deutschem Recht zusteht, was bislang nicht dargetan ist.