§ 93 NJVollzG - Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
Bibliographie
- Titel
- Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz (NJVollzG)
- Amtliche Abkürzung
- NJVollzG
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 34210
(1) 1Eine medizinische Untersuchung und Behandlung ist ohne Einwilligung der oder des Gefangenen zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuches zu verhindern. 2Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von einer oder einem Gefangenen eine Gefahr für die Gesundheit einer anderen Person ausgeht und die Maßnahme verhältnismäßig ist.
(2) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung sowie eine Zwangsernährung sind auch bei Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der oder des Gefangenen zulässig, soweit diese oder dieser zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist.
(3) Eine Maßnahme nach Absatz 2 darf nur angeordnet werden, wenn
- 1.
eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahme gerichtet sind, nicht vorliegt,
- 2.
die oder der Gefangene durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer ihrer oder seiner Auffassungsgabe und ihrem oder seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise informiert wurde,
- 3.
der ernsthafte und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer Ärztin oder eines Arztes, ein Einverständnis zu der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
- 4.
die Maßnahme zur Abwendung der Gefahren nach Absatz 2 geeignet und erforderlich ist und
- 5.
der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen und die durch das Unterlassen der Maßnahme möglichen Schäden deutlich überwiegt.
(4) 1Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. 2Die Anordnung bedarf in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2 der Zustimmung einer Ärztin oder eines Arztes, die oder der für eine andere für den Vollzug von Freiheitsentziehungen nach diesem Gesetz bestimmte Anstalt tätig ist, und der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters. 3Die Gründe für die Anordnung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2, in den Fällen des Absatzes 2 auch das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen sowie die ergriffene Maßnahme, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren. 4Gleiches gilt für Erklärungen der oder des Gefangenen, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.
(5) 1Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 sind der oder dem Gefangenen vor Durchführung der Maßnahme schriftlich bekannt zu geben. 2Sie oder er ist darüber zu belehren, dass gegen die Anordnung bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann. 3Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die oder der Gefangene Gelegenheit hatte, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
(6) Bei Gefahr im Verzuge finden die Bestimmungen in Absatz 3 Nrn. 2 und 3, Absatz 4 Satz 2 und Absatz 5 keine Anwendung.
(7) 1Die zwangsweise körperliche Untersuchung der oder des Gefangenen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist nur zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. 2Sie bedarf der Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes und ist unter deren oder dessen Leitung durchzuführen.