Landgericht Braunschweig
Urt. v. 15.03.1996, Az.: 6 S 366/95

Ausgestaltung der Überprüfung einer mietvertraglichen Klausel bezüglich der Berechtigung zur monatlichen Berechnung von Verwaltungskosten; Wirksamkeitsvoraussetzungen von Nebenbestimmungen in einem Mietvertrag; Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Mietzinskalkulation

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
15.03.1996
Aktenzeichen
6 S 366/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 24969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:1996:0315.6S366.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Braunschweig - 19.10.1995 - AZ: 113 C 3637/95

Fundstelle

  • WuM 1996, 283-284 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Forderung aus einem Mietvertrag

In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Febr. 1996
durch
die Richter am Landgericht ... und ... und
die Richterin am Landgericht ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 19. Oktober 1995 - Geschäftsnummer: 113 C 3637/95 (9) - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 725,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Juni 1995 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte auch künftig nicht berechtigt ist, aufgrund der Vereinbarung in § 4 Nr. 1 des Mietvertrages vom 27. Nov. 1992 dem Kläger monatliche Verwaltungskosten in Höhe von 25,- DM in Rechnung zu stellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Gebührenstreitwert wird für den Berufungsrechtszug auf 1.025,- DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

2

I.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm aufgrund des Vertrages vom 27. Nov. 1992 (Abl. Bl. 5, 6) erbrachten Verwaltungskosten von monatlich 25,- DM für die Zeit vom (1. Januar 1993 bis zum 31. Mai 1995), ferner auf Feststellung, daß die Beklagte auch künftig nicht berechtigt ist, ihm aufgrund von § 4 Nr. 1 des Mietvertrages monatliche Verwaltungskosten von 25,- DM in Rechnung zu stellen.

3

1.

Die Beschwer des § 511 a ZPO ist erreicht. Der Leistungsantrag beträgt (§ 4 ZPO) 725,- DM. Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist nach § 3 ZPO der dreifache Jahresbetrag zugrundezulegen, da die getroffene Regelung zumindest für diesen Zeitraum Bedeutung erlangen sollte. Insoweit ist in einer dem Anspruch auf Zustimmung zur Mietzinserhöhung gem. § 2 MHG vergleichbaren Weise die Berechnung vorzunehmen.

4

2.

In der Sache hat der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm aufgrund des bezeichneten Mietvertrages bereits erbrachten Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Mai 1995, ferner auf die Feststellung, daß der Beklagte aufgrund der Vereinbarung in § 4 Nr. 1 des Mietvertrages ein Anspruch auf Zahlung solcher Kosten nicht zusteht.

5

a)

Der Anspruch des Klägers ist in der geforderten Höhe von 725,- DM gerechtfertigt.

6

Es handelt sich um Verwaltungskosten, die er in Höhe von monatlich 25,- DM in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Mai 1995 an die Beklagte gezahlt hat. Insoweit sind die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Variante BGB gegeben.

7

In dem Mietvertrag der Parteien vom 27. November 1992 (Ablichtungen Bl. 5, 6) ist zwar in § 4 Nr. 1 eine Vereinbarung getroffen worden, die den Beklagten zur Zahlung von 25,- DM monatlich "Verwaltungskosten" verpflichtet. Diese Vereinbarung ist jedoch unwirksam.

8

Dieser Teil der Vereinbarung ist, soweit es sich um die Zahlung und um die Sachbezeichnung handelt, mit Schreibmaschine in den Vordruck "Mietvertrag" eingesetzt worden. Dieser Mietvertrag ist von der Beklagten vorgelegt worden. Aus der Sachdarstellung beider Parteien geht hervor, daß die Klausel mehrfach von der Beklagten im Rahmen von Mietverträgen zwischen ihr und Mietern verwendet worden ist, zumindest auch in dem Mietvertrag, der in dem Rechtsstreit 6 S 383/95 der Kammer (Amtsgericht Braunschweig: 113 C 3202/95) zu beurteilen ist (Abl. Bl. 7 bis 10 Beiakten). Damit sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 2 AGBG gegeben. Es handelt sich insoweit um allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Unwirksamkeit dieser Regelung folgt aus§ 9 Abs. 1 AGBG. Diese Klausel enthält nämlich eine unangemessene Benachteiligung des Klägers.

9

§ 4 Nr. 1 des Vertrages, überschrieben mit "Mietzins, Betriebskosten und weitere Nebenkosten", lautet:

"Der Mietzins beträgt monatlich 740,- DM plus 25,- DM Verwaltungskosten DM 765,- in Worten siebenhundertfünfundsechzig, gem.§ 2 MHRG DM".

10

Der Betrag von 765,- DM ist ein formularmäßig vorbereitetes Kästchen eingefügt (Abl. Bl. 6).

11

Durch die Klausel wird neben dem Grundmietzins und den (vgl. § 4 Nr. 2) abzurechnenden Nebenkostenvorauszahlungen, die sich auf die Betriebskosten im Sinne von Anlage 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung beziehen und die in den Einzelheiten aufgeführt sind - mit der Oberschrift "Art der Betriebskosten ..." - eine weitere Gruppe von Nebenkosten eingeführt. Das widerspricht aber der gesetzlichen Regelung.

12

Ein Vermieter darf allerdings im Rahmen der ihm zustehenden Vertragsfreiheit selbst darüber entscheiden, ob und aufweiche Weise er - außerhalb des preisgebundenen Wohnraums - Nebenkosten in die Mietzinskalkulation einbezieht. Andere Nebenkosten als die in der Anlage 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung genannte Betriebskosten sind zwar nicht nach § 4 MHG umlagefähig, sie bilden aber einen Bestandteil der Grundmiete (BGH NJW 1993, 1061 f.).

13

§§ 4, 10 MHG sollen als Mieterschutzbestimmungen solche Nebenkostenvereinbarungen - als gesonderte Positionen - unterbinden, die den Kreis der gesetzlich umlagefähigen Betriebskosten erweitern. Damit sind Verwaltungskosten von dem vereinfachten Umlageverfahren nach § 4 MHG ausgeschlossen (vgl. Fischer/Dieskau/Pergande/Schwender/Geldmacher/Franke, Wohnungsbaurecht Band 5: Mietrecht, Nov. 1993, § 546 BGB Anm. 8.1).

14

Gegenstand des Rechtsentscheides des OLG Koblenz ist die Beurteilung der Frage, ob nach Maßgabe der §§ 4 und 10 MHG eine Vereinbarung wirksam ist, nach der der Mieter auf andere Nebenkosten als die in Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung genannten Betriebskosten monatlich Vorauszahlungen zu leisten hat, die erhöht werden können und über die jährlich abzurechnen ist (WM 1986, 50 f). Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich von der Frage, über die das OLG Koblenz zu entscheiden hatte, insoweit, als die Vereinbarung der Parteien in § 4 Nr. 1 des Mietvertrages eine Erhöhung der Position "25,- DM Verwaltungskosten" für sich nicht vorsieht, diese vielmehr Teil der ortsüblichen Miete sein sollen wie sie sich nach § 2 MHG versteht. Das OLG Koblenz führt aber allgemein aus, daß die Bestimmungen der II. Berechnungsverordnungüber Betriebskosten die Grenze darstellen, über die hinauszugehen dem Vermieter verwehrt sei, was sich aus den §§ 4, 10 MHG ergebe. Eine so vorzunehmende restriktive Auslegung sei demnach geboten. Die von den Parteien gewählte Formulierung der Vereinbarung stellt sich als eine Vertragsgestaltung dar, die den Kläger im Ergebnis dazu verpflichtet hat, nicht den Betriebskosten zuzurechnende Nebenkosten (hier: Verwaltungskosten) als betragsmäßig ausgewiesenen Mietzinsbestandteil zu zahlen. Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung wird nicht dadurch erreicht, daß die Grundmiete und die Verwaltungskosten jeweils ausgeworfen und zu einem Betrag unter Bezugnahme auf § 2 MHG zusammengefaßt werden.

15

Denn diese Aufschlüsselung führt für den Mieter zu einer Unsicherheit: Er wird über den Kreis der umlagefähigen Nebenkosten im Ergebnis im unklaren gelassen (vergl. Sternel, 3. Aufl., Randnr. 687).

16

Für die Beurteilung dieser Frage kommt es auch nicht entscheidend darauf an, daß bei der von den Parteien vorgenommenen Fallgestaltung im Rahmen einer Erhöhung Grundlage einer solchen lediglich die Grundmiete sein kann (vergl. Kammer WM 1991, 339 [BGH 08.11.1990 - III ZR 364/89]). Denn es bleibt bei dieser Art der Vereinbarung der Umstand bestehen, daß hier ein Betrag an Grundmietzins und ein Nebenkostenbetrag der gleichfalls betragsmäßig ausgeworfen ist, zu einer Summe zusammengefaßt werden.

17

Auch wenn zugunsten der Beklagten davon auszugehen ist, daß damit die Position "Verwaltungskosten" an die Zulässigkeit der Erhöhung im Rahmen des § 2 MHG angebunden wird, bleibt es ein ausgewiesener Teil an - weiteren - Nebenkosten, die außerhalb der gesetzlichen Regelung stehen. Der Mieter wird mit einer weiteren Position an Nebenkosten im Ergebnis zusätzlich belastet. Sie bleibt als solche im Rahmen der Zusammenfassung bestehen.

18

Daß die Parteien sie formal zu einem Oberbegriff (ortsübliche Miete nach 2 MHG) zusammengefaßt haben, begründet nicht die Wirksamkeit der Vereinbarung. Es bleibt die Vereinbarung einer dritten Art von Leistung, nämlich einer Nebenleistung von Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung bestehen (vgl. auch OLG Karlsruhe WM 1988, 204). Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich nicht um eine Kalkulation der Vermieterin, die lediglich mit einem festen Betrag ausgewiesen ist. Eine solche Beurteilung läßt sich nach der gewählten Formulierung nicht vornehmen.

19

b)

Da somit dieser Teil des Mietvertrages nicht in wirksamer Weise vereinbart worden ist, hat der Kläger auch einen Feststellungsanspruch mit dem Inhalt, daß es der Beklagten versagt ist, aufgrund der bezeichneten Vereinbarung dem Kläger monatliche Verwaltungskosten in Höhe von 25,- DM in Rechnung zu stellen und sie von ihm zu fordern (§§ 256 ZPO; 9 AGBG; 2, 4, 10 MHG).

20

Da die Kammer nicht von ergangenen Rechtsentscheiden abweicht, liegen die Voraussetzungen für die Einholung eines Rechtsentscheides ihrerseits bei dem zuständigen Oberlandesgericht nicht vor (§ 541 ZPO).

21

3.

Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges nach §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

22

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Wert des Streitgegenstandes ist für den Berufungsrechtszug nach§§ 4, 3 ZPO; 16 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG festgesetzt worden, und zwar für den Feststellungsbetrag für den Jahresbetrag der begehrten Feststellung. Es handelt sich um den Gebührenstreitwert.