Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 19.07.2022, Az.: 8 B 124/22

Aufwandsteuer; Diskriminierungsverbot von Verheirateten; Ehewohnung; Erwerbszweitwohnung; Melderechtliche Zwangslage; Zweitwohnungssteuerpflicht; Zur Zweitwohnungssteuerpflicht von Verheirateten ohne gemeinsame Hauptwohnung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
19.07.2022
Aktenzeichen
8 B 124/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 47925
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2022:0719.8B124.22.00

Fundstelle

  • Gemeindehaushalt 2023, 96

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Zweitwohnungssteuersatzung, die verheiratete Personen nur dann von der Steuer befreit, wenn sie nicht dauernd getrennt leben, aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung innehaben und von deren gemeinsamer Hauptwohnung das Erreichen des Arbeitsplatzes nur mit erheblichem Zeitaufwand möglich wäre, verstößt nicht gegen Art. 6 GG.

  2. 2.

    Eine "melderechtliche Zwangslage" (vgl. BVerfG, B. v. 11.10.2005 - 1 BvR 1232/00 -u.a., juris) für Verheiratete mit der Folge einer finanziellen Benachteiligung gegenüber Unverheirateten besteht nur dann, wenn einer der Ehepartner aus beruflichen Gründen neben der gemeinsamen Ehe- bzw. Familienwohnung eine Zweitwohnung hält, von der aus er oder sie einer Erwerbstätigkeit nachgeht und deshalb diese Erwerbszweitwohnung vorwiegend nutzt.

  3. 3.

    Bei Verheirateten ohne gemeinsame Hauptwohnung besteht ebenso wie bei Unverheirateten keine melderechtliche Zwangslage. Entscheiden sich Eheleute für das Halten unterschiedlicher Hauptwohnungen ohne beruflich darauf angewiesen zu sein, gibt es keinen Grund, sie gegenüber Ledigen zu bevorzugen.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 472,50 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2022.

Der Antragsteller ist Miteigentümer des unter der Adresse A-Straße in A-Stadt gelegenen Hausgrundstücks und ist dort seit 45 Jahren mit seinem Hauptwohnsitz angemeldet. Seit 19.03.2016 ist er außerdem bei der Antragsgegnerin unter der Anschrift D-Stadt mit einem Nebenwohnsitz angemeldet. Für diese Wohnung hatte er zuvor gemeinsam mit Frau A., seiner heutigen Ehefrau, am 06.12.2015 einen Mietvertrag unterzeichnet, in dem eine Nettokaltmiete von 1.000 € und ein Mietbeginn voraussichtlich ab 15.02.2016 vereinbart worden war. Seit 24.08.2019 ist der Antragsteller mit Frau A. verheiratet, die die Mietwohnung zum 19.03.2016 als Erstwohnsitz bei der Antragsgegnerin anmeldet hatte und diesen Hauptwohnsitz auch nach der Eheschließung beibehalten hat.

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung am 16.02.2021 ab dem Jahr 2022 eine Zweitwohnungssteuer zu erheben.

Die von der Antragsgegnerin hierfür geforderte "Erklärung zur Zweitwohnungssteuer" übersandte der Antragsteller mit Schreiben vom 20.11.2021 und beantragte zugleich, von der Erhebung der Zweitwohnungssteuer in seinem Fall abzusehen bzw. ihm eine Steuerbefreiung aufgrund § 5 der Satzung bzw. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, an seinem Hauptwohnsitz müsse er sich um seine 77 Jahre alte Mutter und die Instandhaltung des Hauses kümmern, außerdem liege der Schwerpunkt seiner sozialen Beziehungen in A-Stadt. Er "pendele" deshalb häufig - auch mehrfach pro Woche - zwischen den beiden Wohnungen hin und her. Die Zweitwohnung in D-Stadt nutzte er, um dort gemeinsam mit seiner Ehefrau zu leben und aus beruflichen Gründen, weil er als langjähriger Vorsitzender der Schwurgerichtskammer am F-Gericht und zahlreicher "Haftsachen" häufig kurzfristig am Arbeitsplatz erscheinen müsse und auf kurze Wege zur Arbeitsstätte angewiesen sei. Von A-Stadt aus benötige er mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa 80 bis 90 Minuten, wohingegen aus D-Stadt die Dauer der Anfahrt bis zum Landgericht weniger als 30 Minuten betrage. Seine Ehefrau nutze die Wohnung in D-Stadt dagegen als Hauptwohnsitz, weil sie in E-Stadt arbeite und so einen kürzeren Weg zu ihrer Arbeit habe.

Die Antragsgegnerin hörte den Antragsteller unter dem 18.01.2022 zu einer beabsichtigten Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer ab Januar 2022 an und teilte ihm mit, die von ihm vorgetragenen Gründe würden keine Ausnahme bzw. Steuerbefreiung rechtfertigen, weil er mit seiner Ehefrau keinen gemeinsamen Hauptwohnsitz außerhalb von D-Stadt habe.

Der Antragsteller verwies mit Schreiben vom 30.01.2022 nochmals darauf, dass er es unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Privilegierung von Ehepaaren nicht für zulässig halte, zur Zweitwohnungssteuer herangezogen zu werden, weil er den ersten Wohnsitz seiner Ehefrau als Zweitwohnung nutze und hierfür zusätzlich berufliche Gründe habe.

Die Antragsgegnerin zog den Antragsteller mit Jahresbescheid vom 11.02.2022 zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 630 € heran. Sie legte die vom Antragsteller angegebene aktuelle monatlichen Nettokaltmiete von 1.050 € entsprechend seines Anteils mit 50% zugrunde und rechnete auf die sich danach ergebende Jahresnettokaltmiete von 6.300 € den Steuersatz laut Satzung von 10% an.

Am 04.03.2022 hat der Kläger Klage erhoben (Az.: 8 A 70/22) und gleichzeitig einen ersten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (Az.: 8 B 71/22). Auf den Hinweis des Gerichts, dass ein derartiger Antrag nach § 80 Abs. 6 VwGO nur zulässig sei, wenn zuvor die Behörde einen bei ihr gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt habe und diese Voraussetzung während des laufenden Eilverfahrens nicht nachholbar sei, nahm der Kläger den Antrag zurück, woraufhin die Berichterstatterin das Verfahren mit Beschluss vom 30.03.2022 eingestellt hat.

Bereits zuvor beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Zweitwohnungssteuerforderung bei der Antragsgegnerin, was diese unter dem 29.03.2022 ablehnte. Sie verwies darauf, dass nach § 5 der Zweitwohnungssteuer-Satzung verheiratete Personen nur dann steuerbefreit sein könnten, wenn sie eine gemeinsame Hauptwohnung außerhalb des Gebietes der Antragsgegnerin führen. Dies sei beim Antragsteller nicht der Fall. Daneben sei auch nicht erkennbar, dass die Forderung für ihn eine unbillige Härte zur Folge hätte.

Daraufhin hat der Antragsteller am 13.04.2022 nochmals einen gerichtlichen Eilantrag gestellt.

Er wiederholt, dass aus seiner Sicht erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerforderung bestünden, weil er den Erstwohnsitz seiner Ehefrau nicht nur aus grundgesetzlich geschützten privaten, sondern auch aus beruflichen Gründen als Zweitwohnsitz mit nutze. Soweit die Antragsgegnerin ihm einen Statuswechsel vorgeschlagen habe und der Auffassung sei, ihm würden durch einen Wechsel seines Haupt- und Zweitwohnsitzes keinerlei Nachteile entstehen, sei dies nicht der Fall. Vielmehr würden Verwaltungsgebühren für die Änderung des Wohnsitzes einschließlich der entsprechenden Änderungen der Personalpapiere anfallen, und er erwarte steuerrechtliche Nachteile, weil bei Begründung seines Erstwohnsitzes in D-Stadt die Finanzverwaltung die tatsächlich deutlich häufiger als aus D-Stadt anfallenden Fahrtkosten im Rahmen der Pendlerpauschale zumindest infrage stellen würde. Hinzu wurde möglicherweise eine andere Regionalklasse im Rahmen der Fahrzeugversicherung, die Erhöhung von Versicherungsprämien aufgrund des Umstandes, dass er in D-Stadt anders als in A-Stadt keine Garage nutzen könne sowie weitere abschließend noch nicht bezifferbare Nachteile kommen. Da die Gemeinde Ilsede keine Zweitwohnungssteuer erhebe, versuche die Antragsgegnerin auf diese Weise zu eigenen Gunsten Meldungen zu erzwingen, um höhere Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleiches zu erhalten. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17.09.2008 ein solches Ziel als legitim ansehe, halte er dieses Vorgehen gegenüber solchen Bürgern, die seit vielen Jahren ihren Zweitwohnsitz in D-Stadt hätten, für befremdlich. Im Übrigen befinde er sich sehr wohl in einer melderechtlichen Zwangslage, denn für seine Ehefrau und ihn lasse sich - anders als § 22 Abs. 1 BMG es bestimme - nicht dauerhaft feststellen, welches die vorwiegend benutzte Wohnung sei. Dies hänge zum Beispiel auch davon ab, in welchem Rahmen Home-Office genutzt werde und in welchem Umfang notwendige Tätigkeiten in A-Stadt anfallen würden. Seine Ehefrau habe zum Jahresbeginn zudem ihre Arbeitszeit erheblich verringert, was dazu führe, dass die Wohnung in D-Stadt weniger genutzt werden müsse, um ihre Anreise zum Arbeitsplatz zu verkürzen. Dies würde den Schwerpunkt weiter Richtung A-Stadt verschieben. Da § 22 Abs. 3 und 4 BMG für Zweifelsfälle darauf abstelle, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehung liege, sei dies wegen der zahlreichen privaten Beziehungen, die so in D-Stadt nicht bestehen, aktuell A-Stadt. Er könne deshalb nicht einfach Erst- und Zweitwohnsitz tauschen. Schließlich habe er Bedenken gegen die alleinige Bemessung der jährlichen Zweitwohnungssteuer an der Höhe der monatlichen Nettokaltmiete. Diese Koppelung führe dazu, dass die Antragsgegnerin an der in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Entwicklung der Nettomieten automatisch partizipieren, ohne ihre eigenen kommunalen Dienstleistungen entsprechend anpassen zu müssen. Dieser Aufwand sei aber für alle Nutznießer kommunaler Angebote in D-Stadt grundsätzlich gleich. Bewohner von Ortsteilen wie dem Ringgebiet oder auch G. mit hohen Kaltmieten würden nach der jetzigen Regelung in der Satzung besonders hohe Zweitwohnungssteuern zahlen, während Bewohner von Ortsteilen mit geringerer Netto-Durchschnittsmiete begünstigt würden. Hier gelte kein Kopfprinzip wie bei den Schlüsselzuweisungen, sondern die Einwohner des Stadtgebietes würden unterschiedlich mit der neu eingeführten Zweitwohnungssteuer belastet. Hinzu komme, dass Mieter über die Nebenkosten auch die Grundsteuer zu tragen hätten, bei der die Folgen der gesetzlichen Neuberechnung ab 2025 noch gar nicht absehbar sei. Auch hier gehe er von einer Steigerung für G. aus, sodass beide Regelungen gemeinsam das Wohnen in der von ihm genutzten Zweitwohnung unverhältnismäßig verteuern würden.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage (8 A 70/22) gegen den Jahresbescheid der Antragsgegnerin vom 11.02.2022 bezüglich einer Zweitwohnungssteuer anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Sie bezieht sich zur Erwiderung auf ihre bisherige Begründung und erwidert weiter: Der Antragsteller sei nicht nur wegen der melderechtlichen Vorschriften, sondern auch wegen der nicht überwiegenden Nutzung der Wohnung am Beschäftigungsort daran gehindert, seinen Hauptwohnsitz am Erwerbsort anzumelden. Deshalb bestehe keine die Diskriminierung von Ehe und Familie begründende melderechtlichen Zwangslage. Wenn sich die Aufenthaltsdauer an den jeweiligen Wohnsitzen des Antragstellers tatsächlich nicht ohne weiteres ermitteln lasse, sei zur Bestimmung seines Hauptwohnsitzes maßgeblich, wo sich der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen befinde. Dazu habe er selbst angegeben, dies sei in Ilsede. Art. 6 Abs. 1 GG verbiete es zwar Ehegatten gegenüber Ledigen schlechter zu stellen, gebiete es aber umgekehrt nicht, Verheiratete gegenüber Unverheirateten besser zu stellen. Soweit der Antragsteller Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bemessung der Zweitwohnungssteuer anhand der monatlichen Nettomiete äußere, sei ihm entgegenzuhalten, dass es sich um eine Aufwandsteuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zweitwohnungsinhaber handele, und höherpreisige Zweitwohnungen Ausdruck größerer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit seien. Der Einwand, sie - die Antragsgegnerin - würde an den Steigungen der Nettomieten teilhaben, ohne die kommunalen Dienstleistungen in der Infrastruktur entsprechend zu verbessern, sei unbeachtlich, weil Steuern ohne individuelle Gegenleistung und unabhängig von einem bestimmten Zweck zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die mit Bescheid vom 11.02.2022 festgesetzte Zweitwohnungssteuer ist zulässig. Der Eilantrag ist jedoch nicht begründet, weil kein Anlass besteht, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (8 A 70/22) anzuordnen. Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide noch ist ersichtlich, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Daraus folgt, dass das Gesetz im Regelfall dem öffentlichen Interesse an einem stetigen Mittelzufluss den Vorrang vor dem privaten Interesse einräumt, bis zur endgültigen rechtlichen Klärung von der Zahlungspflicht verschont zu bleiben. Deshalb besteht regelmäßig kein Grund, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Abgabenbescheid anzuordnen, wenn sich seine Erfolgsaussichten lediglich als offen darstellen. Nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides kommt eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht. Diese Gewichtung findet ihre Rechtfertigung letztlich darin, dass durch die Zahlung vor Eintritt der Bestandskraft des Bescheides keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Der gezahlte Betrag ist vielmehr gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5b des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) i.V.m. § 236 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Zinsen zurückzuerstatten, wenn und soweit der Abgabenbescheid im Hauptsacheverfahren aufgehoben wird, weil er sich als rechtswidrig erweist. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides sind nur anzunehmen, wenn nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Außerdem darf die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen keine unbillige Härte zur Folge haben (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Dies beides ist hier nicht der Fall.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Antragstellers zur Zweitwohnungssteuer sind §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 NKAG in Verbindung mit der Zweitwohnungssteuersatzung der Antragsgegnerin vom 16.02.2021 (veröffentlicht im Amtsblatt für die Stadt Braunschweig vom 05.03.2021; im folgenden Satzung genannt). Nach § 1 der Satzung erhebt die Antragsgegnerin für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet eine Zweitwohnungssteuer. Zweitwohnung im Sinne der Satzung ist gemäß § 2 Abs. 2 jede Wohnung, in der eine Person mit Nebenwohnung im Sinne des Bundesmeldegesetzes angemeldet ist oder angemeldet sein müsste. Gemäß § 4 Abs. 1 der Satzung ist steuerpflichtig jede natürliche Person, die im Stadtgebiet eine Zweitwohnung im Sinne des § 2 innehat. Die Steuer bemisst sich nach der aufgrund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldeten Nettokaltmiete (§ 6 Abs. 1 der Satzung) und beträgt gemäß § 7 der Satzung 10 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.

Zweifel an der Wirksamkeit dieser Rechtsgrundlage bestehen nicht. Die Bezugnahme auf das Bundesmeldegesetz (BMG) in § 2 Abs. 2 der Satzung verdeutlicht, dass die Abgrenzung zwischen der Hauptwohnung und der Zweitwohnung anhand der Begriffe des Melderechts und der hierzu entwickelten Grundsätze vorzunehmen ist. Danach ist Hauptwohnung die vorwiegend, d.h. bei rein quantitativer Berechnung und eines Vergleichs der jeweiligen Aufenthaltszeiten am häufigsten genutzte Wohnung (vgl. § 21 Abs. 2 BMG; früher: § 8 Abs. 2 Satz 1 NMG). Bei verheirateten, nicht dauernd getrennt lebenden Personen ist nach § 22 Abs. 1 BMG (früher: § 8 Abs. 2 Satz 2 NMG) auf die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie abzustellen, wobei es für die Frage des überwiegenden Aufenthalts allein auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. In Zweifelsfällen ist die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt (§ 21 Abs. 3 in BMG).

Den vom Antragsteller erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Satzung vermag die beschließende Kammer nicht zu folgen. Entgegen seiner Auffassung verstößt die Regelung in § 5 Abs. 1 der Satzung nicht gegen Art. 6 GG.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der Satzung sind verheiratete Personen steuerbefreit,

a) die nicht dauernd getrennt leben und

b) die aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung innehaben und

c) deren gemeinsame Hauptwohnung sich außerhalb des Gebietes der Stadt Braunschweig befindet und

d) das Erreichen des Arbeitsplatzes ohne die Zweitwohnung nur mit erheblichem Zeitaufwand möglich wäre .

Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot von Verheirateten, die - wie der Antragsteller - nicht sämtliche Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 der Satzung erfüllen, ist nicht ersichtlich. Zwar trifft es zu, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11.10.2005 (1 BvR 1232/00 u.a., juris) die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer dann mit Art. 6 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt hat, wenn einer der Ehepartner aus beruflichen Gründen neben der gemeinsamen Ehewohnung eine Zweitwohnung hält, von der aus er einer Erwerbstätigkeit nachgeht und deshalb diese Wohnung vorwiegend nutzt. In diesen Fällen hätte nach dem einschlägigen Melderecht (heute: § 21 Abs. 2 Bundesmeldegesetz - BMG -) ausgehend von der tatsächlichen Nutzung eigentlich die vorwiegend genutzte Zweitwohnung als Hauptwohnung angemeldet werden müssen. Dies war und ist Verheirateten jedoch rechtlich verwehrt, weil deren Hauptwohnung hiervon abweichend grundsätzlich die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie ist (so auch heute § 22 Abs. 1 BMG). In einer derartigen Konstellation kommt es für Verheiratete nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu einer "melderechtlichen Zwangslage", die es ihnen regelmäßig unmöglich macht, sich der Steuerpflicht am Ort ihrer vorwiegend genutzten "Erwerbszweitwohnung" zu entziehen. Hierin liege im Vergleich zu Unverheirateten eine (finanzielle) Benachteiligung begründet. Letzteren stehe es nämlich frei, sich entsprechend der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse mit Hauptwohnung am Ort ihrer Berufstätigkeit und nicht am Hauptwohnort ihrer Familie zu melden und sich dadurch einer Zweitwohnungssteuerpflicht zu entziehen (BVerfG, B. v. 11.10.2005, aaO, juris Rn. 91 ff.; vgl. auch BVerfG, B. v. 14.03.2014 - 1 BvR 1159/11 -, juris).

Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben hat die Antragsgegnerin durch § 5 Abs. 1 Satz 1 ihrer Satzung ausreichend Rechnung getragen.

Dass der verheiratete Antragsteller nach dieser Regelung nicht von der Steuerbefreiung für verheiratete Personen profitiert, stellt entgegen seiner Auffassung keine gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßende Diskriminierung der Ehe dar. Ihm ist zwar beizupflichten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11.10.2005 ausdrücklich offengelassen hat, ob Art. 6 Abs. 1 auch in anderen Fallkonstellationen der Zweitwohnungssteuererhebung verletzt sein kann (aaO, juris; dazu auch B. v. 14.03.2014, aaO, juris Rn. 22).

Eine derartige Konstellation besteht im Fall des Antragstellers jedoch schon deshalb nicht, weil er sich mangels gemeinsamer Hauptwohnung nicht in einer melderechtlichen Zwangslage befindet. Auch hat er selbst angegeben, die in D-Stadt gehaltene Wohnung - obgleich sie sich an seinem Dienstsitz befindet - nicht überwiegend zu nutzen und den Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen in A-Stadt zu haben. Allein sein Argument, dass er die Zweitwohnung in D-Stadt nicht halten würde, wenn er ledig wäre, genügt nicht für die Annahme einer Diskriminierung von Verheirateten. Der Umstand, dass es sich um die überwiegend genutzte Wohnung seiner Ehefrau handelt, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Vielmehr handelt es sich um eine eigene und freie Entscheidung des Antragstellers sowie seiner Ehefrau, keine gemeinsame Hauptwohnung zu halten. Dies mag zwar heutzutage häufiger der Regelfall sein als zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2005. Gleichwohl ist das insoweit maßgebliche Melderecht unverändert geblieben und sieht auch im heutigen § 22 Abs. 1 BMG als Regelfall eine gemeinsame Hauptwohnung von Eheleuten vor. Entscheiden sich die Eheleute für das Halten unterschiedlicher Hauptwohnungen, ohne beruflich darauf angewiesen zu sein, gibt es keinen Grund, sie gegenüber Ledigen zu bevorzugen. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet Ehegatten gegenüber Ledigen schlechter zu stellen, verlangt aber umgekehrt nicht deren Bevorzugung. Eine solche wäre aber aus den o. g. Gründen gegeben, wenn der Antragsteller für seine Braunschweiger Wohnung von der Zweitwohnungssteuer befreit wäre.

Auch der in § 6 Abs. 1 der Satzung festgelegte Steuermaßstab ist rechtlich nicht zu beanstanden und verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der anhand der Jahresnettokaltmiete festgestellte Mietaufwand ist eine von der Rechtsprechung anerkannte Bemessungsgrundlage für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (vgl. BayVGH, B. v. 04.03.2021 - 4 ZB 20.246 -, juris Rn. 14 m.w.N.). Dieser Maßstab ist geeignet, den zu besteuernden Aufwand der Zweitwohnungsnutzung hinreichend realitätsnah abzubilden (Sächs. OVG, U. v. 10.09.2019 - 4 A 1403/18 -, juris Rn. 23 m.w.N.). Er spiegelt die in der Einkommensverwendung typischerweise zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der Wohnungsinhaber wider. Bei der Zweitwohnungssteuer handelt es sich um eine Aufwandssteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG, die nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen darf. Besteuert wird die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (vgl. BayVGH, B. v. 04.03.2021 aaO, juris Rn. 14 m.w.N.). Deshalb ist es gerechtfertigt, dass diejenigen, die aufgrund höherer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eine höhere Nettomiete zahlen können, auch zu einer höheren Zweitwohnungssteuer veranlagt werden.

Soweit der Antragsteller beanstandet, dass die Antragsgegnerin ohne eine Gegenleistung zu erbringen an den erheblichen Steigerungen der Mieten insbesondere im Ringgebiet und in Volkmarode partizipiert, ist er auf den Wortlaut von § 3 Abs. 1 AO zu verweisen. Danach sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

Schließlich liegt hier auch keine unzumutbare Härte i.S. von § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 VwGO vor. Die Zahlung von insgesamt 630,00 € berechnet auf der Grundlage der halben Jahresnettokaltmiete berührt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers, der als Vorsitzender Richter am F-Gericht nach R2 besoldet wird, nicht. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage zur Vermeidung einer unbilligen Härte i. S. von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO kommt hier gleichermaßen nicht in Betracht. Dem Antragsteller entstehen durch die Zahlungsverpflichtung keine irreparablen Nachteile, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG. In Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt die Kammer regelmäßig den Streitwert auf 1/4 des Hauptsachewertes fest. Der Streitwert in der Hauptsache beläuft sich nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG auf den dreifachen Jahresbetrag, weil zu erwarten ist, dass in Zukunft wiederkehrende und dabei gleichgelagerte Zweitwohnungssteuerbescheide gegenüber dem Antragsteller erlassen werden (630,00 € x 3 = 1.890,00 €: 4 = 472,50 €).