Amtsgericht Verden
Beschl. v. 23.08.2010, Az.: 9b OWi 764/10
Akteneinsichtsrecht eines Verteidigers hinsichtlich der Bedienungsanleitung und Lebensakten von technischen Messgeräten als Teil der Unterlagen eines Bußgeldverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- AG Verden
- Datum
- 23.08.2010
- Aktenzeichen
- 9b OWi 764/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 22736
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGVERDN:2010:0823.9B.OWI764.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 62 OWiG
- § 69 OWiG
Fundstellen
- VRA 2010, 190
- VRR 2010, 363
Verfahrensgegenstand
Ordnungswidrigkeit
Amtlicher Leitsatz
Zu den Unterlagen des Bußgeldverfahrens gehören sämtliche verfahrensbezognen Unterlagen der Verwaltungsbehörden, die zu den Akten genommen werden und auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Das gilt für die Bedienungsanleitung, nicht jedoch für Lebensakten von technischen Messgeräten.
In der Bußgeldsache
...
hat das Amtsgericht Verden (Aller)
durch
den Richter am 23.08.2010
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Dem Betroffenen wird durch seinen Verteidiger in die Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitsüberwachungsgerätes Multanova VR 6F AFB, Eichschein-Nummer: 149000058, Akteneinsicht gewährt. Diese Einsicht erfolgt in den Räumen des Landkreises Verden.
Im Übrigen wird der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt der Landkreis Verden zu 50%, im Übrigen trägt der Betroffene diese selbst.
Gründe
Am 25.05.2010 erließ der Landkreis Verden gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften. Mit datiertem Schreiben vom 08.06.2010 legte der Verteidiger des Betroffenen Einspruch gegen diesen Bußgeldbescheid ein. Mit Schreiben vom 29.06.2010 bat der Verteidiger u.a. Akteneinsicht in die sog. Lebensakte des verwendeten Messgerätes sowie die Bedienungsanleitung. Beides verwehrte die Verwaltungsbehörde mit dem Hinweis, eine Lebensakte werde nicht geführt und die Bedienungsanleitung sei bei der Herstellerfirma zu erlangen.
Gegen diese Ablehnung beantragte der Verteidiger die gerichtliche Entscheidung.
Der nach §§ 62, 69 OWiG zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist (nur) zum Teil begründet.
Der Verteidiger des Betroffenen hat im Rahmen des Bußgeldverfahrens, das eine Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand hat, ein Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Gericht oder dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden. Zu den Unterlagen des Bußgeldverfahrens gehören sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen der Verwaltungsbehörden. die zu den Akten genommen werden und auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Um zu gewährleisten, dass der Verteidiger des Betroffenen die Bedienung und Aufstellung des konkret eingesetzten Messgerätes nachvollziehen und überprüfen kann, ist ihm auch Einsicht in die Bedienungsanleitung zu gewähren. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die gegen ein solches Akteneinsichtsrecht sprechen. Akteneinsicht ist in den Diensträumen zu gewähren, da eine Versendung der Originalunterlagen oder eine aufwändige Fertigung von Kopien nicht in Betracht kommt.
Es besteht indes kein Akteinsichtsrecht in die sog. Lebensakte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine solche - wie dem Verteidiger mitgeteilt und im Übrigen gerichtsbekannt ist - nicht geführt wird. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass Lebensakten von technischen Messgeräten nach hiesiger Auffassung in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Ansicht (vgl. nur Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 60 Rn. 49) nicht zu den Akten gehören. Es besteht auch kein Bedürfnis für die Führung solcher Akten, da die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung durch die Eichordnung hinreichend gewährleistet wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 473 Abs. 4 StPO. Diese Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 unanfechtbar.