Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.05.2018, Az.: 3 Ws 64/18 (StrVollz)

Recht des Sicherungsverwahrten auf Tragen eigener Kleidung nicht anwendbar bei Tätigkeit als Koch in der Anstaltsküche

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.05.2018
Aktenzeichen
3 Ws 64/18 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 24116
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 08.01.2018 - AZ: 62 StVK 26/17

Fundstelle

  • StV 2018, 663

Amtlicher Leitsatz

Das Recht des Sicherungsverwahrten zum Tragen eigener Kleidung (§ 24 Satz 1 Nds. SVVollzG) wird, soweit es die Arbeitskleidung bei einer Tätigkeit als Koch in der Anstaltsküche betrifft, durch die Pflicht zum Tragen geeigneter und sauberer Arbeitskleidung gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel VIII Nr. 1 der VO (EG) Nr. 852/2004 beschränkt.

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 62. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen vom 8. Januar 2018 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Streitwert wird auf bis zu 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller befindet sich zum Vollzug der Sicherungsverwahrung in der Vollzugsanstalt der Antragsgegnerin. Er ist dort als Koch in der Anstaltsküche beschäftigt. Bei seiner Tätigkeit trägt er den Vorgaben der Antragsgegnerin entsprechend anstaltseigene Arbeitskleidung.

Am 3. November 2016 beantragte der Antragsteller die Genehmigung, auf seine Kosten und zu den Vorgaben der Arbeitsschutzbestimmungen während der Arbeitszeit eigene Arbeitskleidung tragen zu dürfen. Dieser Antrag wurde von der Antragsgegnerin mit Verfügung vom 10. November 2016, dem Antragsteller mündlich bekannt gegeben am 16. November 2016, abgelehnt.

Den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 14. März 2017 hat die Strafvollstreckungskammer als unbegründet zurückgewiesen. Sie ist dabei der Argumentation der Antragsgegnerin gefolgt, dass im Falle einer Nutzung privater Arbeitskleidung durch Sicherungsverwahrte die Einhaltung der hohen gesetzlichen Anforderungen an die Lebensmittelhygiene nicht gewährleistet sei. Insbesondere sei nicht sichergestellt, dass stets eine strikte Trennung der Arbeitskleidung von der Privatkleidung erfolge; darüber hinaus erfülle eine Reinigung der Kleidung im Haftbereich mittels einer Gemeinschaftswaschmaschine nicht dieselben hygienischen Anforderungen wie in der Wäscherei der Vollzugsanstalt. Die Beschaffung und das Waschen eigener Arbeitskleidung in der Anstaltswäscherei sei für den Antragsteller demgegenüber mit hohen Kosten verbunden.

Gegen diese seinem Verfahrensbevollmächtigten am 27. Februar 2018 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller am 26. März 2018 Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Antragsgegnerin bzw. die Strafvollstreckungskammer zu verpflichten, über seinen Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Die Einhaltung der Hygienevorschriften sei ihm ebenso ein Anliegen wie der Antragsgegnerin. Die Beschaffung von Arbeitskleidung auf eigene Kosten stelle aus seiner Sicht kein Problem dar.

Der zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Strafvollzug hält die Rechtsbeschwerde für (jedenfalls) unbegründet. Es sei davon auszugehen, dass das Recht des Sicherungsverwahrten, gemäß § 24 Satz 1 Nds. SVVollzG eigene Kleidung zu tragen, sich von vornherein nicht auf die Arbeit nach dem Fünften Kapitel des Nds. SVVollzG erstrecke.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die von dem Antragsteller erhobene Sachrüge führt nicht zum Erfolg. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer einen Ermessensfehler der Antragsgegnerin verneint.

§ 24 Satz 1 Nds. SVVollzG gibt dem Sicherungsverwahrten einen Rechtsanspruch auf das Tragen eigener Kleidung. Eine generelle Ausnahme von diesem Grundsatz in Bezug auf die Arbeit im Vollzug ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Das Recht des Sicherungsverwahrten steht indes unter dem Vorbehalt des § 5 Satz 2 Nds. SVVollzG (vgl. BeckOK Strafvollzug Nds/Reichenbach, 10. Edition, § 24 Nds. SVVollzG Rn. 6). Nach dieser Vorschrift können dem Sicherungsverwahrten, soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, die Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt erforderlich sind. Im Einzelfall stehen auch anderweitige gesetzliche Sicherheitsbestimmungen, aus denen sich etwa die Pflicht zum Tragen von Arbeitsschutzkleidung ergibt, dem aus § 24 Satz 1 Nds. SVVollzG folgenden Recht zum Tragen eigener Kleidung entgegen; da diese Regelungen in der Arbeitswelt außerhalb des Vollzuges in derselben Weise gelten, entspricht diese Ausnahme von § 24 Satz 1 Nds. SVVollzG dem Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 2 Nds. SVVollzG in besonderer Weise (vgl. BeckOK Strafvollzug Nds/Reichenbach, aaO. Rn. 2). Hierzu zählen vorliegend die sich aus der gebotenen Einhaltung der gesetzlichen Hygienevorschriften ergebenden Anforderungen.

Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um einen Lebensmittelunternehmer im Sinne von Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit. Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die der Primärproduktion i.S.v. Art. 4 Abs. 1 nachgeordnet sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II zu erfüllen. Anhang II Kapitel VIII Nr. 1 dieser Verordnung bestimmt, dass Personen, die in einem Bereich arbeiten, in dem mit Lebensmitteln umgegangen wird, ein hohes Maß an persönlicher Sauberkeit halten müssen; sie müssen geeignete und saubere Arbeitskleidung und erforderlichenfalls Schutzkleidung tragen. Der Begriff der geeigneten und sauberen Arbeitskleidung wird weder in der Lebensmittelhygieneverordnung noch in sonstigen geltenden Vorschriften des Lebensmittelrechts definiert und ist als unbestimmter Rechtsbegriff daher durch das Gericht auszulegen (vgl. VG Berlin, GewArch 2015, 411, 412).

Nachdem die Geeignetheit der von der Antragsgegnerin geforderten Arbeitskleidung nicht im Streit steht, ist es im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin gegen die von dem Antragsteller angestrebte Handhabung Bedenken im Hinblick auf die Sauberkeit der Arbeitskleidung erhebt. Unter Heranziehung der DIN 10524 stellt die Antragsgegnerin zunächst zutreffend darauf ab, dass beim Tragen eigener Arbeitskleidung eine strikte Trennung von Privat- und Arbeitskleidung nicht mehr gewährleistet ist, so dass über die Privatkleidung Mikroorganismen in den Küchenbereich eingetragen werden können. Naheliegend ist auch, dass die zur Reinigung der Privatkleidung vorgesehene Gemeinschaftswaschmaschine keine für Wäsche aus Lebensmittelbereichen ausreichende Reinigungsleistung erbringt. Die dahingehenden Erwägungen der Antragsgegnerin lassen einen Ermessensfehlgebrauch nicht erkennen. Soweit der Antragsteller grundsätzlich bereit sein mag, privat beschaffte Arbeitskleidung auf seine Kosten in der Anstaltswäscherei waschen zu lassen, wäre es für die Antragsgegnerin kaum kontrollierbar, ob er dies tatsächlich hinsichtlich sämtlicher betroffener Kleidungsstücke praktiziert oder einzelne Teile doch einer anderweitigen bzw. nicht ausreichenden Reinigung zuführt. Im Hinblick auf die durch das Lebensmittelhygienerecht geschützten hochrangigen Rechtsgüter - Gesundheit und körperliche Unversehrtheit - ist es nicht zu beanstanden, dass schon begründete Zweifel an der Einhaltung der erforderlichen Sauberkeit der Arbeitskleidung durch unsachgemäße Lagerung oder Reinigung zu einer Versagung der beantragten Genehmigung führen. Demgegenüber ist ein eigenes, gegebenenfalls höher zu gewichtendes Interesse des Antragstellers am Tragen privat beschaffter Arbeitskleidung nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Soweit dem Antragsteller daran gelegen sein mag, seine Arbeitskleidung von der anderer Sicherungsverwahrter getrennt zu halten, ist darauf hinzuweisen, dass die ihm überlassene Anstaltskleidung dem Antragsteller zur alleinigen Nutzung zur Verfügung steht und mithin nicht auch von anderen Sicherungsverwahrten genutzt werden darf (vgl. Nds. LT-Drucks. 16/4873, S. 70; BeckOK Strafvollzug Nds/Reichenbach, aaO. Rn. 8).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 StVollzG. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3 Nr. 2, 65 GKG.