Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.11.1980, Az.: 4 W 98/80
Zwangsversteigerung eines im Miteigentum stehenden Hausgrundstücks; Einwilligungserfordernis bei Verfügung über gesamtes Vermögen; Antrag auf Zwangsversteigerung als Verfügung über das Miteigentum; Verstoß gegen eheliche Gemeinschaftsverpflichtungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.11.1980
- Aktenzeichen
- 4 W 98/80
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1980, 12152
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1980:1121.4W98.80.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 30.10.1980 - AZ: 3 O 606/80
Verfahrensgegenstand
Unzulässigkeit einer Teilungsversteigerung,
einstweiliger Einstellung,
Prozessführer
des XXX
Prozessgegner
die YYY
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 8. November 1980
gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 30. Oktober 1980
durch seine Mitglieder ... und ...
am 21. November 1980
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird nach einem Wert von 10.000,00 DM auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Parteien sind - im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft - getrenntlebende Eheleute. Ein Scheidungsverfahren ist noch nicht anhängig.
Auf Antrag der Beklagten ist vom Amtsgericht Osterholz/Scharmbeck am 26. September 1980 - 3 K 53/80 - die Zwangsversteigerung des den Parteien je zur ideellen Hälfte gehörigen, im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragenen Hausgrundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft angeordnet worden (Bl. 9 d.A.).
Der Kläger hat vorgetragen, daß es sich bei dem Grundstück um den einzigen nennenswerten Vermögensgegenstand der Parteien handele. Er hat die Ansicht vertreten, daß der Versteigerungsantrag unzulässig sei, weil die Beklagte über ihr Miteigentum nur mit seiner Einwilligung verfügen könne.
Er begehrt im vorliegenden Rechtsstreit, die Zwangsversteigerung des Grundstücks für unzulässig zu erklären.
Auf seinen Antrag hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluß die Zwangsversteigerung einstweilen eingestellt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie meint, daß in ihrem Versteigerungsantrag eine Verfügung über ihren Grundstücksanteil nicht gesehen werden könne.
Der Kläger meint demgegenüber, daß die Beantragung der Auseinandersetzungsversteigerung praktisch einer Verfügung über das Miteigentum gleichkomme.
II.
Die gemäß §§ 793, 577 ZPO zulässige (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 10. Aufl., § 769 Anm. 7) sofortige Beschwerde ist nicht begründet:
1.)
Der Beklagten ist allerdings zuzugeben, daß Grundstücksmiteigentümer kraft Gesetzes jederzeit berechtigt sind, die Aufhebung der Gemeinschaft durch Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses zu verlangen (§§ 749 Abs. 1, 753 Abs. 1 BGB) und daß der - jederzeit zurücknehmbare - Antrag auf Zwangsversteigerung für sich genommen nur eine Verfahrensvoraussetzung, nicht aber eine Verfügung über das Miteigentum am Grundstück darstellt (vgl. §§ 180 Abs. 1, 15, 29 ZVG). Ungeachtet dessen, daß es sich nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers bei dem Miteigentumsanteil praktisch um das gesamte Vermögen der Beklagten handelt, muß deshalb die Annahme eines Einwilligungserfordernisses für den Versteigerungsantrag in unmittelbarer Gesetzesanwendung außer Betracht bleiben (vgl. § 1365 Abs. 1; KG NJW 1971, 711; Zeller 8. Auflage Anm. 19 zu § 180 ZVG).
2.
Die gesetzliche Beschränkung eines Ehegatten, ohne Zustimmung des anderen über sein Vermögen im ganzen verfügen zu können, stünde auch nicht der Möglichkeit entgegen, einem Bieter im Versteigerungstermin durch Erteilung des Zuschlages das Grundstückseigentum verschaffen zu können, denn der Zuschlagsbeschluß stellt einen Staatshohheitsakt dar, der zum originären Eigentumserwerb des Erstehers führt und nicht etwa die Ausführung einer Weisung des Versteigerungsberechtigten (vgl. § 90 ZVG; Zeller Anm. 3 zu § 90 ZVG). Die Zustimmungsbedürftigkeit der Verfügung eines Ehegatten über sein Vermögen im ganzen käme als Grund, den Zuschlag zu versagen, nur in Betracht, wenn diese Tatsache aus dem Grundbuch hervorginge oder - als bloße Rechtsfrage, wie etwa die Zubehöreigenschaft der Sache eines Dritten - im Versteigerungsverfahren geklärt werden könnte (vgl. §§ 83 Ziff. 5, 28, 37 Ziff 5 ZVG; Zeller Anm. 8 zu § 37 ZVG und 6 Nr. 5 zu § 83 ZVG).
3.)
Mit Recht hat deshalb der Kläger angenommen, daß er den Weg der Widerspruchsklage gemäß § 771 ZPO gegen die angeordnete Zwangsversteigerung beschreiten muß, um das gesetzliche Erfordernis seiner Zustimmung als ein der Veräußerung des Miteigentumsanteils der Beklagten entgegenstehendes Recht ins Treffen führen zu können (vgl. BGH FamRZ 1972, 364, OLG Karlsruhe FamRZ 1970, 194).
4.)
Der Senat schließt sich der auch überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht des Landgerichts an, daß die Verfügungsbeschränkung des § 1365 Abs. 1 BGB entsprechend für den Antrag eines Ehegatten auf Teilungsversteigerung eines Grundstücks anwendbar ist, wenn das Miteigentum praktisch das ganze Vermögen des Antragstellers darstellt (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1970, 194, OLG Hamm Deutscher Rechtspfleger 1979, 20, LG Krefeld MDR 1976, 843 [LG Krefeld 14.05.1976 - 1 T 45/76] m.w.N.). Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung ist es, die wirtschaftliche Basis des ehelichen Gemeinschaftsverhältnisses erhalten zu helfen. Dieser Schutzzweck ließe sich im Falle einer Teilungsversteigerung umgehen. Die Notwendigkeit zu einer analogen Anwendung der Bestimmung des § 1365 Abs. 1 BGB läßt sich nicht mit der Begründung verneinen, daß eine Teilungsversteigerung während Bestehens der Ehe auch schon nach der Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als Verstoß gegen die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft rechtsmißbräulich wäre und die Möglichkeit zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage böte. Denn nicht jede Verfügung eines Ehegatten über gemeinschaftlichen Grundbesitz wirkt sich unmittelbar auf das gemeinschaftliche Eheleben aus. Stünde die Teilungsversteigerung eines Grundstücks in Frage, auf dem sich das eheliche Wohnheim befindet, dann könnte in der Tat der Antrag eines Ehegatten auf Durchführung der Zwangsversteigerung zum Zwecke der Auseinandersetzung der Miteigentümer einen Verstoß gegen die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft darstellen. Die Einleitung einer Teilungsversteigerung eines gemeinschaftlichen Grundstücks von Ehegatten, das dagegen nicht unmittelbar der ehelichen Lebensführung dient, wird sich dagegen nur in extrem gelagerten Fällen als Verstoß gegen die ehelichen Gemeinschaftsverpflichtungen qualifizieren lassen.
5.)
Ebenso wie im Falle eines beabsichtigten freihändigen Verkaufs des Miteigentumsanteils bleibt es dem die Teilungsversteigerung anstrebenden Ehegatten unbenommen, vom zuständigen Vormundschaftsrichter die Zustimmung des anderen Ehegatten ersetzen zu lassen, z. B. wenn die Veräußerung aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist (vgl. §§ 1365 Abs. 2 BGB; § 45 FGG).
Angesichts der sich aus vorstehenden Gründen ergebenden Erfolgsaussicht der Klage ist die vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluß angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung nicht zu beanstanden (§§ 771 Abs. 3, 769 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren entspricht § 97 Abs. 1 ZPO.