Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.01.1981, Az.: 18 UF 173/80
Rechtmäßigkeit der Durchführung eines Versorgungsausgleiches; Mitberücksichtigung von Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ; Verfallbare Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung bei der Durchführung des Versorgungsausgleiches
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.01.1981
- Aktenzeichen
- 18 UF 173/80
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1981, 13568
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1981:0114.18UF173.80.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stade - 16.07.1980 - AZ: 42 F 159/79
Rechtsgrundlagen
- § 621e ZPO
- § 1587 Abs. 2 BGB
- § 1587b BGB
- § 1 BetrAVG
- § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 3 BGB
Verfahrensgegenstand
Regelung des Versorgungsausgleichs
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nach § 1587b Abs. 3 S. 3 BGB ist beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich im Wege der Verrechnung nur ein einmaliger Ausgleich vorzunehmen. Dadurch wird die Regelung in § 1587 b Abs. 1 BGB ergänzt. Die Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung sind insoweit in das Splitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB einzubeziehen, als sie zu einer Verringerung der zu übertragenden Rentenanwartschaften führen.
- 2.
Nach § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 3 BGB sind noch verfallbare Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten. Auf seiten des Ausgleichsberechtigten sind jedoch auch verfallbare Anwartschaften in die Berechnung einzubeziehen.
In der Familiensache
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht A. sowie
die Richter am Oberlandesgericht Dr. K. und O.
am 14. Januar 1981
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wird der Beschluß des Amtsgerichts Stade vom 16. Juli 1980 geändert und wie folgt neu gefaßt:
Ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Beschwerdeinstanz werden gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien haben am 3.4.1965 die Ehe geschlossen. Auf den am 17.5.1979 zugestellten Scheidungsantrag der Ehefrau hat das Amtsgericht durch Urteil vom 4.9.1979 die Ehe geschieden, nachdem das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich abgetrennt worden war.
Nach Eingang der Auskünfte der Versorgungsträger hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 16.7.1980, auf den Bezug genommen wird, den Versorgungsausgleich durchgeführt.
Dabei ist das Amtsgericht aufgrund der für beide Eheleute erteilten Auskünfte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) davon ausgegangen, daß innerhalb der Ehezeit erworbene Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung auf seiten des Ehemannes in Höhe von monatlich 271,30 DM und auf seiten der Ehefrau in Höhe von monatlich 315,20 DM zu berücksichtigen sind. In Höhe der Hälfte des Differenzbetrages, also in Höhe von monatlich 21,95 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit, hat das Amtsgericht Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung vom Versicherungskonto der Ehefrau auf dasjenige des Ehemannes übertragen.
Der Ehemann hat daneben Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erworben. Insoweit hat das Amtsgericht den Ehemann verpflichtet, zur Begründung einer gesetzlichen Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 3,51 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit, einen Betrag von 630,45 DM zugunsten der Ehefrau an die BfA zu zahlen. Eine Verrechnung mit den Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung hat das Amtsgericht wegen der Unzulässigkeit des sogenannten "Supersplittings" als unzulässig angesehen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die fristgerecht eingelegte Beschwerde der BfA, mit der diese geltend macht, daß die Anwartschaften des Ehemannes aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in diesem Falle bereits beim Ausgleich der Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung hätten mitberücksichtigt werden müssen.
Die Parteien haben zum Beschwerde vorbringen nicht sachlich Stellung genommen.
II.
Die nach § 621 e ZPO zulässige Beschwerde führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts und zur Feststellung, daß ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
1.
Das Amtsgericht ist zutreffend von einer Ehezeit im Sinne von § 1587 II BGB vom 1.4.1965 bis 30.4.1979 ausgegangen. Während dieser Zeit haben beide Parteien Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der BfA erworben, und zwar der Ehemann in Höhe von monatlich 271,30 DM und die Ehefrau in Höhe von 315,20 DM. Das ergibt sich aus den Auskünften der BfA, gegen deren Richtigkeit keine Bedenken bestehen. Es liegen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die BfA von unrichtigen oder unvollständigen Unterlagen hinsichtlich der geleisteten Beiträge ausgegangen sein könnte. Auch von den Parteien sind insoweit keine Einwendungen erhoben worden.
Die Ehefrau hat somit in der Ehezeit höhere Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben als der Ehemann. Dem stehen jedoch die Anwartschaften des Ehemannes aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gegenüber. Die BfA macht mit ihrer Beschwerde zutreffend geltend, daß die Anwartschaften des Ehemannes gegenüber der VBL bereits im Rahmen des Splittings nach § 1587 b I BGB hätten berücksichtigt werden und zu einer Verringerung der Ausgleichspflicht der Ehefrau hätten führen müssen.
Nach § 1587 b III S. 3 BGB ist beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich im Wege der Verrechnung nur ein einmaliger Ausgleich vorzunehmen. Dadurch wird die Regelung in § 1587 b I BGB ergänzt. Die Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung sind insoweit in das Splitting nach § 1587 b I BGB einzubeziehen, als sie zu einer Verringerung der zu übertragenden Rentenanwartschaften führen.
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts kommt es hier auf die Frage der Zulässigkeit des sogenannten "Super-Splittings" nicht an. Dieses ist diskutiert worden in Fällen, in denen der Ehegatte mit den höheren Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung neben diesen zugleich auch noch eine betriebliche Versorgungsanwartschaft auszugleichen hat. Insoweit war teilweise vorgeschlagen worden, die betriebliche Versorgungsanwartschaft nicht durch Beitragsleistung nach § 1587 b III BGB, sondern durch eine Erhöhung der nach § 1587 b I BGB durch Splitting zu übertragenden gesetzlichen Rentenanwartschaften auszugleichen. Von der h.M., die auch vom Senat geteilt wird, ist das jedoch mit Rücksicht auf die §§ 1587 b IV Halbs. 2, 1587 o I S. 2 BGB unzulässig. Hier geht es jedoch nicht um eine Erhöhung, sondern um eine Verringerung der Übertragung von Rentenanwartschaften und um die Vermeidung eines gegenseitigen Doppelausgleichs. In diesem Rahmen ist eine Verrechnung nicht nur zulässig, vielmehr durch § 1587 b III S. 3 BGB geboten.
2.
Der Senat hat die Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich nicht nur im Rahmen des Beschwerdevorbringens, sondern daneben von Amts wegen in vollem Umfang zu überprüfen. Das führt dazu, daß hier auf Seiten des Ehemannes - soweit er ausgleichsberechtigt wäre - auch die noch verfallbare VBL-Versorgungsrente zu berücksichtigen ist, die höher ist als der vom Amtsgericht zutreffend errechnete Wert der unverfallbaren Versicherungsrente.
a)
Nach der vom Senat eingeholten ergänzenden Auskunft der VBL vom 31.10.1980 beträgt die Anwartschaft des Ehemannes auf eine dynamische Versorgungsrente für die Ehezeit monatlich 117,33 DM. Demgegenüber beträgt die auf die Ehezeit entfallende Anwartschaft auf eine nicht dynamische Mindestversorgungsrente (bzw. Versicherungsrente) monatlich 52,57 DM. Da der Ehemann die Voraussetzungen von § 1 BetrAVG nicht erfüllt, kommt daneben eine Anwartschaft auf die sogenannte qualifizierte Versicherungsrente nach dem Betriebsrentengesetz (§ 44 a der VBL-Satzung) nicht in Betracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Beschluß vom 29.10.1979, FamRZ 1980, 164), an der festgehalten wird, kann zwar die dynamische Versorgungsrente von 117,33 DM nicht in der Weise in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen werden, daß sie zu einer Ausgleichspflicht führt. Nach der Satzung der VBL erhält der Ehemann diese Rente nur, wenn er bis zum Eintritt des Versicherungsfalles, also bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zu einer eventuellen Erwerbsunfähigkeit, im öffentlichen Dienst tätig bleibt. Sollte er vorzeitig aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, dann erhält er nicht die dynamische Versorgungsrente, sondern nur die nach den geleisteten Beiträgen bemessene sogenannte Versicherungsrente. Aus diesem Grunde kann die Anwartschaft auf die höhere Versorgungsrente nicht als unverfallbar i.S.v. § 1587 a II Nr. 3 S, 3 BGB angesehen werden, so daß sie nicht zu einer Ausgleichspflicht im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich führen kann. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die genannte Entscheidung des Senats Bezug genommen (ebenso z.B. OLG Schleswig, FamRZ 1980, 600; OLG Hamm, FamRZ 1980, 1016 und 1019; OLG Düsseldorf, FamRZ 1980, 1016; OLG Hamburg, FamRZ 1980, 1133; a.A. OLG Celle, 19. ZS, FamRZ 1980, 265; OLG Bamberg, FamRZ 1980, 161; OLG München, FamRZ 1980, 598; OLG Stuttgart, FamRZ 1980, 1019).
Unverfallbar ist somit nur die Anwartschaft auf eine Versicherungsrente in Höhe von monatlich 52,57 DM. Hierbei handelt es sich um eine Anwartschaft, die nicht ebenso wie die Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig an die veränderten Geldwertverhältnisse angepaßt wird, die also nicht dynamisch ist. Es ist daher gemäß § 1587 a III Nr. 2 BGB der Barwert der Anwartschaft zu ermitteln. Da der Ehemann bei Ende der Ehezeit 36 Jahre alt war, ergibt sich gemäß Tabelle 1 der Anlage zur BarwertVO für die Ermittlung des Barwerts ein Faktor von 1,9. Der Barwert beträgt somit:
52,57 × 12 × 1,9 = 1.198,60 DM.
Dieser Barwert entspricht einer Anwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 7,03 DM (Tabellen 5 und 2 der Bekanntmachung von Rechengrößen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs). Hierbei handelt es sich um den im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgleichspflichtigen Wert der unverfallbaren betrieblichen Versorgungsanwartschaft.
b)
Die Anwartschaft des Ehemannes auf eine dynamische Versorgungsrente in Höhe von monatlich 117,33 DM ist somit noch verfallbar und kann nicht zu einer Ausgleichspflicht führen. Nach § 1587 a II Nr. 3 S. 3 BGB sind noch verfallbare Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten. Der Senat hat jedoch bereits mehrfach entschieden, daß auf seiten des Ausgleichsberechtigten auch verfallbare Anwartschaften in die Berechnung einzubeziehen sind (vgl. Beschluß vom 7.5.1980, FamRZ 1980, 804; ebenso OLG Celle, 12. ZS, FamRZ 1980, 801; a.A. OLG Celle, 17. ZS, FamRZ 1980, 807). Daran wird festgehalten. Nur dadurch kann vermieden werden, daß zur Zeit zu Lasten der Ehefrau ein Ausgleich von Anwartschaften vorzunehmen ist, der sich eventuell später, wenn die Unverfallbarkeit der Anwartschaft des Ehemannes eingetreten ist, als unberechtigt erweist.
Die Problematik wird deutlich, wenn man die insgesamt bestehenden Versorgungsanwartschaften gegenüberstellt:
1. | Anwartschaft der Ehefrau bei der BfA | 315,20 DM |
---|---|---|
2. | Anwartschaft des Ehemannes | |
a) | bei der BfA | 271,30 DM |
b) | bei der VBL auf Versorgungsrente | 117,33 DM |
bzw. auf Mindestversorgung (umgerechnet) | 7,03 DM. |
Zur Zeit steht noch nicht fest, ob die Anwartschaft des Ehemannes auf die verfallbare dynamische VBL-Versorgungsrente zu einem späteren Zeitpunkt unverfallbar werden wird oder nicht. Danach richtet es sich aber, ob letztlich der Ehemann oder die Ehefrau in der Ehezeit die höheren Anwartschaften erworben hat. Zusammen mit der verfallbaren Versorgungsrente sind die Anwartschaften des Ehemannes höher als die der Ehefrau. Daraus ergibt sich, daß der Ehemann der Ehefrau gegenüber nicht ausgleichsberechtigt ist.
Andererseits kann die Versorgungsrente von 117,33 DM nicht dazu führen, daß der Ehemann im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgleichspflichtig wird. Dem steht die Verfallbarkeit dieser Anwartschaft und damit § 1587 a II Nr. 3 S. 3 BGB entgegen. Ihre Berücksichtigung erfolgt nur insoweit, als sie eine Ausgleichspflicht der Ehefrau zum jetzigen Zeitpunkt ausschließt.
Ob und zu wessen Gunsten zu einem späteren Zeitpunkt auf Antrag ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich stattzufinden hat, hängt davon ab, ob die zur Zeit noch verfallbare Anwartschaft unverfallbar wird oder nicht.
3.
Demgemäß war der angefochtene Beschluß abzuändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a I ZPO.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat gemäß §§ 629 a II, 621 e II, 546 I ZPO die weitere Beschwerde zugelassen.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Die Entscheidung über den Beschwerdewert folgt aus § 17 a GKG.