Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 25.08.1992, Az.: 7 A 7095/91
Rechtmäßigkeit einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen gesundheitlicher Nichteignung ; Berufung in das Beamtenverhältnis ; Eignung des Beamten in gesundheitlicher Hinsicht; Art und Ausmaß von krankheitsbedingten Fehlzeiten
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 25.08.1992
- Aktenzeichen
- 7 A 7095/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 22075
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1992:0825.7A7095.91.0A
Rechtsgrundlagen
- § 39 Abs. 1 Nr. 2 NBG
- Art. 3 Abs. 1 S. 1 GG
- § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBG
Fundstelle
- NVwZ-RR 1993, 260-262 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 1992
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Hartermann,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bieler,
den Richter Speckesser sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der 1956 geborene Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen gesundheitlicher Nichteignung.
Der Kläger trat am 1.8.1982 als Regierungsinspektor-Anwärter bei der Beklagten ein.
Bei der amtsärztlichen Einstellungsuntersuchung am 4.5.1982 wurde bei dem Kläger bei einer Größe von 1,81 m ein Gewicht von 99 kg festgestellt. Der Amtsarzt hielt eine Gewichtsreduzierung von 10 kg für notwendig und empfahl eine amtsärztliche Nachuntersuchung in ein bis zwei Jahren.
Zum 1.8.1985 wurde der Kläger zum Regierungsinspektor z.A. ernannt, bei der Bezirksregierung Lüneburg eingestellt und zum 1.7.1986 zur Beklagten versetzt.
Bei der amtsärztlichen Untersuchung anläßlich des bevorstehenden Ablaufs der regulären Probezeit durch das Gesundheitsamt Wolfenbüttel am 12.1.1988 wurde bei dem Kläger ein Körpergewicht von 120 kg festgestellt. Der Amtsarzt diagnostizierte Fettsucht und Neigung zu erhöhtem Blutdruck. Er führte aus, daß bei einer weiteren Einhaltung der bestehenden Lebensweise der Eintritt erheblicher gesundheitlicher Störungen bei dem Kläger mehr oder weniger vorprogrammiert sei. Aus amtsärztlicher Sicht könne es nicht als wahrscheinlich angenommen werden, daß der Kläger bis zum Erreichen der normalen Dienstaltersgrenze voll dienstfähig bleiben werde. Es bestehe hingegen die Wahrscheinlichkeit, daß er aufgrund drohender Sekundärerkrankungen infolge der Fettsucht die normale Dienstaltersgrenze nicht erreiche.
In einer weiteren amtsärztlichen Untersuchung am 2.8.1988 wurde beim Kläger ein Gewicht von 106 kg festgestellt. Der Amtsarzt empfahl eine weitere Reduktion, zumindest jedoch das Halten des bestehenden Gewichtes.
Bei einer durch die Beklagte veranlaßten weiteren amtsärztlichen Untersuchung am 7.11.1988 wurden deutlich erhöhte Harnsäurewerte im Sinne einer Gicht, das Vorliegen einer Fettleber-Hepatitis mit einer deutlichen Überhöhung des Gamma-Gt-Wertes, eine Blutüberfülle aller Lungenabschnitte bei Fettsucht sowie leichtere Erhöhungen der Fettstoffe beim Kläger festgestellt. Der Amtsarzt führte in seinem Gutachten aus, daß bisher noch keine Schäden aufgetreten seien, die bei vernünftiger Lebensführung nicht wieder rückgängig zu machen seien, aber bei Beibehaltung der bestehenden Befunde nicht davon auszugehen sei, daß der Kläger bis zum Erreichen der normalen Dienstaltersgrenze voll dienstfähig bleiben werde.
Aufgrund der Feststellungen des Amtsarztes verlängerte die Beklagte die Probezeit des Klägers mehrfach auf insgesamt fünf Jahre bis zum 31.7.1990.
Zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme als Lebenszeitbeamter wurde am 22.3.1990 ein Gutachten durch Prof. Dr. ... vom Städtischen Klinikum Braunschweig erstellt. Bei dem Kläger wurde ein Körpergewicht von 114,5 kg festgestellt. Des weiteren führte der Gutachter aus, der Kläger
"leidet an einer erheblichen Fettsucht mit einem relativen Körpergewicht von 40 % über dem Normalgewicht nach Broca; Zeichen oder Befunde einer eigentlichen Stoffwechselstörung ließen sich nicht feststellen .... Herr S. ist in vollem Umfang körperlich leistungsfähig; bei der ergometrisch festgestellten Belastbarkeit erreichte er beschwerdefrei den alters- und konstitutionsbedingten Sollwert .... Das erhebliche Übergewicht ... läßt statistisch erwarten, daß in erhöhtem Maße Sekundärschäden auftreten ... Zwar ist Übergewicht per se kein atherogener Risikofaktor, somit auch kein isolierter Risikofaktor für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit mit Herzinfarkt. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit gegenüber Normalgewichtigen deutlich erhöht, daß Herr S. eine arterielle Hypertonie, eine Fett- oder Kohlenhydratstoffwechselstörung ... oder erhöhte Harnsäurewerte im Blut ... entwickelt. So finden sich in einer Untersuchung von Bettinger et al. 1978 bei Adipösen mit einem Übergewicht von mehr als 20 % nach Broca in 35 % 1, in 36 % 2 und mehr koronare Risikofaktoren. Vermittelt über diese assoziierten Risikofaktoren führt dann die Gesamtkonstellation zu einer Beschleunigung des Verlaufs der Arteriosklerose ... mit den kardiovaskulären Komplikationen. Durch die deutlich über dem Erwartungswert bei Normalgewichtigen liegende Häufung der Risikofaktoren-Addition ist die Lebenserwartung reduziert .... Die gehäuft assoziierten Risikofaktoren des erhöhten Blutdrucks, der Fett- und Kohlenhydratstoffwechselstörungen induzieren und beschleunigen die Sekundärschäden am Gefäßsystem einschließlich des Herzens. Eine exakte Angabe des Risikogrades ist nicht möglich .... Durch drastische Gewichtsabnahme bis zur Gewichtsnormalisierung nach Broca läßt sich ... das gesundheitliche Risiko und damit die Gefahr einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit senken .... Es ist Herrn S. durchaus zuzutrauen, daß er unter dem ständigen Appell, unter sorgfältiger medizinischer und ggf. auch psychologischer Führung sein Gewicht erheblich wird reduzieren können. Damit ist auch zu erwarten, daß er seine normale Dienstaltersgrenze erreichen wird, ohne vorher partiell oder komplett dienstunfähig zu werden."
Ein fachröntgenologischer Befundbericht ergab einen altersentsprechenden regelrechten Herz-, Lungen- und Gefäßbefund.
In einer amtsärztlichen Stellungnahme vom 2.4.1990 wurde darauf hingewiesen, daß eine drastische Gewichtsabnahme des Klägers notwendig sei, dieser gerade dies nach jahrelanger amtsärztlicher Beobachtung jedoch nicht vermocht habe.
Der Kläger wurde zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis angehört. Da der Dienststellenpersonalrat der Entlassung nicht zustimmte, wurde ein Nichteinigungsverfahren nach §73 NdsPersVG eingeleitet. Durch Beschluß der Einigungsstelle wurde die Beklagte angewiesen, den Kläger zum 1.10.1990 unbefristet als Angestellten in einer vergleichbaren Vergütungsgruppe einzustellen und ihn erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, sofern die Einstellungsvoraussetzungen erfüllt sind. Daraufhin wurde der Kläger mit Verfügung vom 30.7.1990 mit Ablauf des 30.9.1990 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen.
Gegen diese Verfügung legte der Kläger Widerspruch ein, der von der Beklagten zurückgewiesen wurde.
Der Kläger hat rechtzeitig Klage erhoben.
Er trägt vor: Gegenwärtig sei er gesund, was auch in dem Untersuchungsbefund vom 23.2.1990 zum Ausdruck komme, nach dem er "in sehr gutem Allgemeinzustand" sei. Die Einschätzung der Beklagten, er werde bis zum Erreichen der Altersgrenze voraussichtlich nicht voll dienstfähig bleiben, stütze sich nur auf die Prognose, daß bei Beibehaltung der gegenwärtigen Lebensweise eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten sei. Diese Einschätzung beruhe daher allein auf einem zukünftigen Verhalten seinerseits. Nicht beweisen lasse sich, ob die Prognose auch eintreten werde. Da hier an etwas Ungewisses angeknüpft werde, müsse man besonders strenge Anforderungen stellen. Es sei unzulässig, die Entlassung von einem gegenwärtigen Verhalten abhängig zu machen. Er berufe sich auf die Entscheidung des VG Gelsenkirchen vom 19.4.1991 - Az. 1 K 293/90 -. Eine Prognose über zukünftiges nicht vorhersehbares Verhalten stelle keine hinreichende Tatsachengrundlage für eine Entscheidung über seine mangelnde Eignung dar. Vielmehr bedürfe es einer sicheren Tatsachengrundlage in Form von bereits eingetretenen Folgeerkrankungen; solche lagen nicht vor. Der Wahrscheinlichkeitsgrad zukünftiger Erkrankungen sei bei ihm jedoch nicht höher einzuschätzen als bei einem gleichaltrigen normgewichtigen Menschen mit einem Zigarettenkonsum von etwa 20 Zigaretten pro Tag. Es stelle eine verfassungsrechtlich nicht vertretbare Ungleichbehandlung von Rauchern und Übergewichtigen dar, wenn lediglich die Übergewichtigkeit für die Beurteilung einer beamtenrechtlichen Eignung als relevant angesehen werde.
Der Kläger beantragt,
die Entlassungsverfügung der Beklagten vom 30.7.1990 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 20.2.1991 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Verweis auf die ärztlichen Gutachten führt sie aus, daß beim Kläger der Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Bei der medizinischen Prognose sei zu berücksichtigen, daß es sich bei der voraussichtlich eintretenden Dienstunfähigkeit nicht um eine Vermutung handele, sondern, daß diese Einschätzung auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere. Im Gegensatz zu dem angeführten Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, welchem Sachverständigengutachten zugrunde lagen, die dem dortigen Kläger zwar Übergewicht attestiert, daraus jedoch für den dortigen Kläger kein gesundheitliches Risiko abgeleitet hätten, lägen im vorliegenden Fall eindeutige Gutachten vor, die ihre Beurteilung nicht allein auf den Umstand der Übergewichtigkeit stützten, sondern in denen auf konkrete, deutlich erhöhte gesundheitliche Risiken hingewiesen werde. Zudem habe der Kläger trotz mehrerer amtsärztlicher Hinweise in der Vergangenheit es bis zum heutigen Tag nicht vermocht, sein Gewicht erheblich zu reduzieren. Daher könnten die gesundheitliche Eignung des Klägers und seine Bewährung im Sinne von §39 Abs. 1 Nr. 2 NBG nicht bejaht werden.
Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Entlassung ist formell rechtmäßig. Es ist insbesondere das nach dem Niedersächsischen Personalvertretungsgesetz notwendige Verfahren eingehalten worden.
Die ergangene Entlassungsentscheidung ist auch materiell rechtmäßig.
Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.
Gemäß §39 Abs. 1 Nr. 2 NBG kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt. Der Begriff der Bewährung bezieht sich auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung. Sind in der Probezeit des Beamten Mängel auf einem der Gebiete der Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung zu erkennen, so rechtfertigt schon dies, Nichtbewährung festzustellen, weil die Berufung in das Beamtenverhältnis von der Erfüllung aller dieser Erfordernisse abhängig ist. Ob die Mängel von dem Beamten verschuldet sind, ist nicht erheblich (BVerwG, Urteil vom 29.9.1960 - BVerwG II C 79.59 - zu §31 Abs. 1 Nr. 2 BBG, BVerwGE 11, 139 ff.[BVerwG 29.09.1960 - II C 79/59]).
Maßgebend für die Beurteilung, ob sich ein Beamter auf Probe bewährt hat bzw. ob er wegen mangelnder Bewährung entlassen werden kann, ist allein sein Verhalten in der laufbahnrechtlichen Probezeit. Leistungen nach Ablauf der - ggf. verlängerten - laufbahnrechtlichen Probezeit bleiben außer Betracht, selbst wenn der Status als Beamter auf Probe noch weiter fortbestanden oder der Beamte aufgrund der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage zunächst noch weiter Dienst geleistet hat (BVerwG, Urteil vom 31.5.1990 - BVerwG 2 C 35.88 - zu §43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein, BVerwGE 85, 177 ff.[BVerwG 31.05.1990 - 2 C 35/88]).
Bestandteil der Bewährung in der Probezeit ist auch die Eignung des Beamten in gesundheitlicher Hinsicht. Die Entlassung eines Beamten auf Probe wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung setzt - anders als die Versetzung eines Beamten auf Lebenszeit in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen - nicht dauernde Dienstunfähigkeit voraus. Sie setzt auch nicht voraus, daß der Betroffene noch zur Zeit der Entlassung krank ist. Die gesundheitliche Eignung fehlt in einem die Entlassung des Beamten auf Probe rechtfertigenden Maße schon dann, wenn während der Probedienstzeit Umstände gesundheitlicher Art festgestellt werden, die geeignet sind, den Beamten für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit untauglich erscheinen zu lassen. Hierfür genügt schon eine körperliche oder psychische Veranlagung (z.B. Labilität gegenüber Umwelteinflüssen) der Art, daß die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze - und somit eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand - nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urteil vom 17.5.1962 - BVerwG II C 87.59 - zu §31 Abs. 1 Nr. 2 BBG, ZBR 1963, 215 f.). Es ist eindeutig, daß sich derartige Zweifel nicht nur aus ärztlichen Gutachten, sondern auch aus anderen Umständen, insbesondere auch aus erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten ergeben können. Es kommt nicht allein und entscheidend auf die Art und das Ausmaß der einzelnen körperlichen Gebrechen usw., den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an. Ob hiernach die Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung des Beamten gerechtfertigt sind, läßt sich nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen (BVerwG, Beschluß vom 16.9.1986 - BVerwG 2 B 92.86 -, Buchholz 232 Nr. 39 zu §31 BBG).
Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob der Beamte sich in der Probezeit nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis seines für die Beurteilung zuständigen Organs. Dabei genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitzt und die fachlichen Leistungen erbringt, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig sind, um eine Bewährung zu verneinen. Diese Entscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind. Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt in dem an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen knüpfenden Ausspruch der Entlassung - ohne daß dies einer ausdrücklichen Darlegung bedarf - kein fehlerhafter Ermessensgebrauch (BVerwG, Urteil vom 31.5.1990 - BVerwG 2 C 35.88 - zu §43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein, BVerwGE 85, 177 ff.[BVerwG 31.05.1990 - 2 C 35/88]). §11 Abs. 1 Nr. 3 NBG bestimmt ausdrücklich, daß Beamter auf Lebenszeit nur werden darf, wer sich als Beamter auf Probe in der Probezeit bewährt hat. §39 Abs. 1 Nr. 2 NBG räumt deshalb - ebenso wie die entsprechenden Vorschriften des Bundes und der Länder - dem Dienstherrn bei mangelnder Bewährung eines Beamten in der Probezeit kein Ermessen ein, diesen gleichwohl zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen. §7 Abs. 5 Satz 1 NLVO bestimmt demgemäß, daß Beamte, die sich nicht bewähren, entlassen werden. §39 Abs. 1 Nr. 2 NBG trägt mit dem Wort "kann" nur dem Gesichtspunkt Rechnung, daß der Dienstherr auch die Probezeit des Beamten verlängern kann, wenn die Nichtbewährung des Beamten noch nicht endgültig feststeht. Diese Formulierung erfaßt ferner auch das - auf eine andere Sachentscheidung gerichtete - Ermessen des Dienstherrn, einen Beamten mit dessen Zustimmung - anstelle seiner Entlassung - in die nächstniedrigere Laufbahn derselben Fachrichtung zu übernehmen (§7 Abs. 5 Satz 2 NLVO). Der Dienstherr hat hingegen kein Ermessen, einen Beamten auf Probe, der sich endgültig nicht bewährt hat, wie bisher weiterzubeschäftigen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31.5.1990 - BVerwG 2 C 35.88 - zu §43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein, BVerwGE 85, 177 ff.[BVerwG 31.05.1990 - 2 C 35/88]).
Die von der Beklagten getroffene Entscheidung ist bei Zugrundelegung dieser Kriterien rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat den Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums nicht verkannt, der Beurteilung keinen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe beachtet und keine sachfremden Erwägungen angestellt.
Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, daß sich der Kläger in der Probezeit nicht bewährt hat. Die Nichtbewährung des Klägers ergibt sich hier aus einer Zusammenschau der ärztlichen Untersuchungen bzw. Gutachten vom 12.1.1988, 2.8.1988, 7.11.1988, 22.3.1990 und 2.4.1990. Die mangelnde gesundheitliche Eignung des Klägers ergibt sich insbesondere auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. ... vom Städtischen Klinikum Braunschweig. Nach diesem Gutachten hat der Kläger ein Übergewicht von 40 % über dem Normalgewicht nach Broca. Dieses erhebliche Übergewicht läßt statistisch erwarten, daß in erhöhtem Maße Sekundärschäden auftreten, denn durch das Übergewicht ist die Wahrscheinlichkeit gegenüber Normalgewichtigen deutlich erhöht, daß der Kläger eine arterielle Hypertonie, eine Fett- oder Kohlenhydratstoffwechselstörung oder erhöhte Harnsäurewerte im Blut entwickelt. Hinzu kommt die hohe Wahrscheinlichkeit eines erhöhten Blutdruckes, der Sekundärschäden am Gefäßsystem einschließlich des Herzens mit hohem Risiko nach sich ziehen kann. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, daß durch die deutlich über dem Erwartungswert bei Normalgewichtigen liegende Häufung der Risikofaktoren-Addition die Lebenserwartung reduziert sei. Abschließend hat der Gutachter festgestellt, daß ein Erreichen der normalen Dienstaltersgrenze nur dann wahrscheinlich ist, wenn der Kläger unter medizinischer und psychologischer Führung sein Gewicht erheblich reduziert und hält.
Das Gericht folgt der Einschätzung des Gutachters; seine Ausführungen sind schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend.
Soweit der Kläger vorbringt, aus dem Gutachten ergebe sich keine Tatsache, die auf eine bereits bestehende Erkrankung Rückschlüsse zuließe, vielmehr würde dem Kläger ein sehr guter Allgemeinzustand attestiert werden und die Entscheidung der Nichtübernahme in das Beamtenverhältnis somit lediglich auf Prognosen gestützt werden, die ohne Zugrundelegung von bestehenden Tatsachen unzulässig seien, kann dem nicht gefolgt werden.
Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Entlassung eines Beamten auf Probe wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung weder die dauernde Dienstunfähigkeit noch voraussetzt, daß der Betroffene noch zur Zeit der Entlassung krank ist. Sein sehr guter Allgemeinzustand steht daher der Entlassung nicht entgegen.
Die Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht, daß der Kläger eine körperliche oder psychische Veranlagung der Art aufweist, daß die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Es genügt allein die Prognose, daß die bestehende Übergewichtigkeit zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen kann. Die Prognose basiert auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen, denen umfassende empirische Untersuchungen zugrunde liegen. Aufgrund dieser wissenschaftlich fundierten Untersuchung besteht in signifikanter Weise die Wahrscheinlichkeit von Folgeerkrankungen, die zu einem Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit bereits vor Erreichen der Altersgrenze führen. Dem steht auch nicht die Aussage des Gutachters Prof.Dr. ... entgegen, wonach es dem Kläger durchaus zuzutrauen ist, daß er unter dem ständigen Appell, unter sorgfältiger medizinischer und ggf. auch psychologischer Führung sein Gewicht erheblich wird reduzieren können und damit auch zu erwarten sei, daß er seine normale Dienstaltersgrenze erreichen werde, ohne vorher partiell oder komplett dienstunfähig zu werden. Der Gutachter spricht ausdrücklich davon, daß es dem Kläger "durchaus zuzutrauen" sei, sich entsprechend zu verhalten und daß er sein Gewicht erheblich wird reduzieren "können". Der Gutachter hat damit nicht festgestellt, daß die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
Der Kläger ist zu Unrecht der Auffassung, daß es unzulässig sei, die Entlassung von einem gegenwärtigen Verhalten abhängig zu machen. Maßgebend für die Beurteilung, ob sich ein Beamter auf Probe bewährt hat bzw. ob er wegen mangelnder Bewährung entlassen werden kann, ist allein sein Verhalten in der laufbahnrechtlichen Probezeit. Leistungen nach Ablauf der - ggf. verlängerten - laufbahnrechtlichen Probezeit bleiben außer Betracht (BVerwG, Urteil vom 31.5.1990 - BVerwG 2 C 35.88 - zu §43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein, BVerwGE 85, 177 ff.[BVerwG 31.05.1990 - 2 C 35/88]). Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Gerichts auch für die Beurteilung der gesundheitlichen Bewährung. Ob der Kläger zukünftig sein Gewicht reduzieren wird, ist daher unerheblich. Ausschlaggebend ist einzig und allein sein Verhalten während der Probezeit. Die Einschätzung der Beklagten, die auf dem amtsärztlichen Gutachten vom 2.4.1990 beruht, wonach der Kläger nach jahrelangen amtsärztlichen Beobachtungen es nicht vermocht hat, sein Gewicht drastisch zu reduzieren und deshalb von der mangelnden Bewährung auszugehen sei, ist vom Gericht nicht zu beanstanden. Hierbei handelt es sich um eine Prognose, die - entgegen der Auffassung des Klägers - sehr wohl aufgrund einer hinreichenden Tatsachengrundlage erfolgt ist. Grundlage der Prognoseentscheidung sind die ärztlichen Untersuchungen vom 12.1., 2.8. und 7.11.1988 sowie vom 22.3. und 2.4.1990. Die Prognose wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Kläger zwischenzeitlich 14 kg abgenommen hatte. Die spätere Entwicklung hat gezeigt, daß dieses Verhalten nicht repräsentativ war.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen ist auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar, da die Frage, ob Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung des Beamten gerechtfertigt sind, sich nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen läßt. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, daß beide Fälle nicht vergleichbar sind.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes vor. Der Gleichheitssatz beinhaltet nach herrschender Auslegung, daß wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich bzw. wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt werden darf. Eine Gleichheit im Unrecht und damit einen Anspruch auf Fehlerwiederholung gibt es nicht; die Berufung auf rechtswidrige Parallelfälle ist daher irrelevant. Vor diesem Hintergrund dringt der Kläger mit seinem Einwand, es stelle eine verfassungsrechtlich nicht vertretbare Ungleichbehandlung von Rauchern und übergewichtigen dar, wenn lediglich die Übergewichtigkeit für die Beurteilung einer beamtenrechtlichen Eignung relevant sei, nicht durch. Im Ergebnis will der Kläger einen Anspruch auf Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit daraus herleiten, daß gleichaltrige normgewichtige Menschen mit einem Zigarettenkonsum von etwa 20 Zigaretten pro Tag trotz mangelnder gesundheitlicher Eignung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen werden. Er macht damit einen Anspruch auf Fehlerwiederholung geltend, der von Art. 3 des Grundgesetzes nicht gedeckt ist.
Im übrigen fehlt es nach Auffassung des Gerichts an der Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Zweifel an der gesundheitlichen Eignung können sich nicht nur aus ärztlichen Gutachten, sondern auch aus anderen Umständen ergeben. Es kommt nicht allein und entscheidend auf die Art und das Ausmaß der einzelnen körperlichen Gebrechen usw., den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an. Ob hiernach die Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung des Beamten gerechtfertigt sind, läßt sich nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen. Da es sich also jeweils um eine Einzelfallentscheidung handelt, kann der Kläger nicht pauschal mit einem gleichaltrigen normgewichtigen Menschen mit einem Zigarettenkonsum von etwa 20 Zigaretten pro Tag verglichen werden, da bei einem derartigen Vergleich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles nicht berücksichtigt werden würden.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus §154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig, An der Katharinenkirche 11, Postfach 47 27, 3300 Braunschweig, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingeht.
Dr. Bieler
Speckesser