Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 21.03.2001, Az.: 6 B 278/01

Nachbarwiderspruch gegen die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur biologischen Verwertungüberwachungsbedürftiger Abfälle; Berechtigung der Verweigerung der Vorlage von Beiakten ; Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes; Voraussetzungen für die Verweigerung der Vorlage von Aktenbestandteilen; Geheimhaltungsbedürftigkeit von Akten

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
21.03.2001
Aktenzeichen
6 B 278/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 26151
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2001:0321.6B278.01.0A

Fundstelle

  • NVwZ 2001, 1073 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur biologischen Verwertung überwachungsbedürftiger Abfälle

Nachbarwiderspruch

Antrag gemäß §§ 80 Abs. 5, 80 a VwGO

Entscheidung über die Berechtigung der Vorlageverweigerung

Prozessführer

Herr ...

Prozessgegner

Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven, Elfenweg 15/17, 27474 Cuxhaven,

Sonstige Beteiligte

Firma ... Na. GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer

Niedersächsisches Umweltministerium, Archivstraße 2, 30169 Hannover

In dem Rechtsstreit
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
am 21. März 2001
durch
den Vorsitzenden
beschlossen:

Tenor:

Die Verweigerung der Vorlage der Beiakten D und E zu 6 B 131/01 ist in dem Umfang, wie er sich aus der Stellungnahme des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 9. März 2001 ergibt, berechtigt.

Gründe

1

Die vorliegende Entscheidung ergeht gemäß § 99 Abs. 2 VwGO entsprechend den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - (BVerfGE 101, 106 ff.) aufgestellt hat.

2

Nach dieser Entscheidung ist § 99 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 VwGO mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar, soweit er die Aktenvorlage auch in denjenigen Fällen ausschließt, in denen die Gewährung effektiven Rechtsschutzes, wie namentlich bei Auskunftsbegehren, von der Kenntnis geheimgehaltener Verwaltungsvorgänge abhängt. Im Übrigen behält die Vorschrift des § 99 VwGO auch in der derzeitigen Form ihren Anwendungsbereich. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber für die erforderliche gesetzliche Neuregelung eine Frist bis zum 31. Dezember 2001 gesetzt. Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 132) entschieden, dass bis zu einer Neuregelung im anhängigen Verfahren der vorliegenden Art die Verwaltungsvorgänge zurÜberprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorlageverweigerung dem Gericht vorzulegen sind, ohne dass dieses den Beteiligten Akteneinsicht gewähren oder den Akteninhalt in sonstiger Weise, etwa in der Entscheidungsbegründung, bekannt geben darf. Das Verfahren zur Prüfung und zur Entscheidung über die Berechtigung der Vorlageverweigerung wird dem den Vorsitz führenden Richter als Einzelrichtersache zugewiesen.

3

Entsprechend diesen Grundsätzen ist auch hier zu verfahren. Zwar gehört der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem sich der Antragsteller unter Berufung auf die Verletzung von Nachbarrechten gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur biologischen Verwertung überwachungsbedürftiger Abfälle in ... wendet, nicht zu denjenigen Fällen, in denen die Gewährung effektiven Rechtsschutzes, wie namentlich bei Auskunftsbegehren, von der Kenntnis geheimgehaltener Verwaltungsvorgänge abhängt; lediglich in diesen Fällen hat die Regelung des § 99 VwGO dem Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 131) Anlass zu verfassungsrechtlicher Beanstandung gegeben. Gleichwohl verfährt das erkennende Gericht auch hier entsprechend den im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Verfahrensgrundsätzen. Der Antragsgegner hat nämlich die in den Beiakten D und E zu 6 B 131/01 enthaltenen, nach seiner Auffassung geheimbehaltungsbedürftigen Aktenbestandteile dem Verwaltungsgericht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorlageverweigerung vorgelegt. Das Gericht hat daraufhin das Nds. Umweltministerium als zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung zur Entscheidung über die Berechtigung der Vorlageverweigerung um Stellungnahme gebeten. Das Nds. Umweltministerium hat seine Stellungnahme unter dem 9. März 2001 abgegeben. Darin hat das Nds. Umweltministerium die Aktenbestandteile, die es als geheimhaltungsbedürftig einstuft, gekennzeichnet und entsprechend § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO - als Beteiligter des die Vorlageverweigerung betreffenden Zwischenstreits (§ 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO) - die gerichtliche Entscheidung über die Berechtigung der Vorlageverweigerung beantragt.

4

Dieser Antrag ist begründet.

5

Die Voraussetzungen für die Verweigerung der Vorlage der Aktenbestandteile in den Beiakten D und E zu 6 B 131/01, die das Nds. Umweltministerium in seiner Stellungnahme vom 9. März 2001 als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat, liegen vor. Bei diesen Aktenbestandteilen handelt es sich um geheimzuhaltende Vorgänge im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Hierunter fallen nämlich u.a. auch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse eines Beteiligten - gesetzlich erwähnt etwa in §§ 30 VwVfG, 172 GVG, 8 UIG, 10 Abs. 2 BImSchG - (vgl. Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 13. Aufl. 2000, Rdnr. 5, Cosack/Tomerius, NVwZ 1993, 841, 842), um die es hier geht. Die vom Gericht bei seiner Entscheidung entsprechend § 99 Abs. 2 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem wirtschaftlichen Geheimhaltungsinteresse des beigeladenen Unternehmers einerseits und den Rechtsschutzinteressen des Antragstellers im Bereich des Umweltschutzes andererseits fällt zugunsten der Beigeladenen aus. Das Gericht macht sich insoweit die Ausführungen des Nds. Umweltministeriums in seiner Stellungnahme vom 9. März 2001 zu eigen und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Gärtner