Amtsgericht Göttingen
Urt. v. 12.02.2013, Az.: 21 C 121/12
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 12.02.2013
- Aktenzeichen
- 21 C 121/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64316
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Zivilgerichte sind für eine Klage auf Feststellung der Deliktseigenschaft zuständig, auch wenn die Höhe der Forderung streitig.
2. Der Feststellung steht nicht entgegen, dass dem Schuldner inzwischen Restschuldbefreiung
erteilt ist.
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin mit Datum vom 6.9.2006 in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten vor dem Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe (61 IN 163/03) angemeldete Forderung in Höhe von 1.506,38 € aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Streitwert: Bis 900 €
Tatbestand:
Die Parteien streiten nach erteilter Restschuldbefreiung um die Eigenschaft einer Insolvenzforderung als deliktische Forderung.
Über das Vermögen des Beklagten wurde mit Beschluss des Amtsgerichtes Bad Homburg v.d. Höhe vom 31.10.2003 (61 IN 163/03) das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin meldete am 6.9.2006 für den Zeitraum vom 1.2.2003 bis 30.6.2003 Beitragsforderungen i.H.v. 3.690,53 € an. Die Forderung wurde am 4.12.2006 zur Tabelle festgestellt und der Widerspruch des Beklagten gegen die Höhe der Forderung und den Grund als aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammend vermerkt. Dem Beklagten ist inzwischen die Restschuldbefreiung erteilt, nach seinen Angaben datiert der Beschluss vom 2.9.2010.
Im Zeitraum Mai 2002 bis 10. 7. 2003 war bei dem Beklagten der Mitarbeiter S. beschäftigt. Für Februar und März 2003 führte der Beklagte u.a. den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung in Höhe von monatlich 753,19 € nicht ab, allerdings erhielt der Mitarbeiter Schlegel sein Nettoeinkommen ausgezahlt.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er rügt die örtliche Zuständigkeit und hält die Klage für unzulässig, da die Möglichkeit einer inzidenten Feststellung bestehe. Die Klage sei unbegründet, da dem Beklagten inzwischen die Restschuldbefreiung erteilt und ein Strafverfahren gegen ihn eingestellt worden sei. Schließlich habe der Insolvenzverwalter zu Unrecht Weihnachtsgeld als Gehaltsbestandteil gebucht, obgleich dieses weder vertraglich vereinbart noch durch betriebliche Übung entstanden gewesen und ausgezahlt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I.
Die Klage ist zulässig. Der Zivilrechtsweg ist eröffnet (1.), das Amtsgericht Göttingen örtlich zuständig (2.) und die Feststellungsklage auch zulässig (3.).
1. Der Zivilrechtsweg ist eröffnet.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Festlegung der besonderen Zuständigkeiten in § 185 InsO nicht dazu führt, dass Verwaltungsgerichte bzw. Finanz- oder Sozialgerichte die zivilrechtliche Frage des Vorliegens einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zu prüfen haben (BGH ZInsO 2011, 44). Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem jeweiligen Schutzgesetz. Auch wenn das Schutzgesetz nicht zivilrechtlicher Natur ist, handelt sich nur um eine Vorfrage zur Feststellung der Deliktseigenschaft. Der Beklagte hat allerdings nicht nur der Deliktseigenschaft, sondern auch der Höhe der Klageforderung widersprochen. Ist auch die Höhe der Forderung streitig ist, ändert dies nichts an der Zuständigkeit der Zivilgerichte, da es sich nur um eine Vorfrage zur Feststellung der Deliktseigenschaft handelt (OLG Schleswig ZInsO 2011, 1708; LG Itzehoe ZInsO 2012, 505 mit zust. Anm. Eschenburg; a. A. LSG Thüringen, Beschl. V. 18.10.2012 - L 6 RK 950/12B).
2. Das Amtsgericht Göttingen ist örtlich zuständig gemäß § 32 ZPO. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Gothaer BKK, hatte ihren Sitz in Göttingen. Bei der dortigen Einzugsstelle ist der ausstehende Sozialversicherungsbeitrag bei Fälligkeit nicht eingegangen, dort verwirklichte sich der Unterlassungstatbestand des § 266a StGB. Wegen der näheren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die der Klageschrift beigefügten Urteile des OLG Braunschweig und des LG Braunschweig.
3. Die Feststellungsklage ist zulässig.
Bestreitet der Schuldner eine Forderung, kann der Gläubiger gemäß § 184 Abs. 1 InsO Feststellungsklage erheben. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Forderung bestritten wird, sondern auch bei Widerspruch gegen die Deliktseigenschaft gemäß § 175 Abs. 2 InsO.
Dies gilt auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO. Von der Erteilung ausgenommen sind u. a. gemäß § 302 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Voraussetzung ist, dass der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte. Hat der Schuldner - wie im vorliegenden Fall der Beklagte - der Anmeldung gemäß § 175 Abs. 2 InsO widersprochen, muss die Klägerin als Insolvenzgläubigerin den Widerspruch beseitigen und eine entsprechende Korrektur der Tabelle erreichen, damit sie nach Erteilung der Restschuldbefreiung vollstrecken kann.
Die Erhebung einer Feststellungsklage ist nicht an die Einhaltung einer Klagefrist gebunden und ist auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens möglich (BGH ZInsO 2009, 278). Dies gilt auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO. Der BGH (ZInsO 2009, 278 Tz.12) führt aus, ein Zuwarten des Gläubigers mit Erhebung einer Feststellungsklage, auch deshalb in Betracht, um abzuwarten, ob sich der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode wirtschaftlich erholen, so dass anschließende Vollstreckungsversuche aussichtsreich erschienen.
Allerdings besteht bereits ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 S. 2 InsO) ein Anspruch auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle. (LG Göttingen ZInsO 2005, 1113). Vollstreckt ein Gläubiger aus der Tabelle, obgleich keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zur Tabelle festgestellt ist, ist Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO möglich (FK - InsO/Ahrens, § 302 Rn. 37). Umstritten ist, ob nach Erteilung der Restschuldbefreiung eine Erteilung eines Tabellenauszuges nur bei Eintragung der Deliktseigenschaft in Betracht kommt und demgemäß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zur Überprüfung dieser Voraussetzungen berechtigt ist (so AG Göttingen, ZInsO 2011,934; a. A. LG Köln ZinsO 2012, 1682, 1683; Hain ZInsO 2011,1193, 1200 f.). In Anbetracht der ungeklärten Rechtslage besteht das Rechtsschutzinteresse für eine Feststellungsklage.
II.
Die Klage ist auch begründet. Die Forderung besteht in der geltend gemachten Höhe (1.). Sie stammt auch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (2.). Der Feststellung steht nicht entgegen, dass dem Beklagten inzwischen Restschuldbefreiung erteilt ist (3.).
1. Die Forderung besteht in der geltend gemachten Höhe.
Die Klägerin hat in der Klagbegründung unter Angabe des für die Versicherungsbeiträge maßgeblichen Bruttoeinkommens die einzelnen Beitragssätze nebst den sich daraus ergebenden Einzelbeträgen sowie den Gesamtbetrag von monatlich 753,19 € berechnet. Der Vortrag des Beklagten, es handele sich um Sozialversicherungsbeiträge auf Weihnachtsgeld, ist damit widerlegt. Er ließe sich auch nicht vereinbaren mit Zahlungen in den Monaten Februar und März.
2. Die Forderung stammt aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB. Der Beklagte hat die Arbeitnehmeranteile nicht abgeführt, allerdings das Nettoeinkommen an den Arbeitnehmer ausgezahlt. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, ein Strafverfahren gegen ihn sei eingestellt worden. Er ist dem Vortrag im Klägerschriftsatz vom 8.1.2013 nicht entgegengetreten, wonach gegen ihn ein in Ablichtung beigefügter Strafbefehl erging und das Verfahren gegen Zahlung einer Auflage gemäß § 153a StPO eingestellt wurde.
3. Unerheblich ist es, dass dem Beklagten inzwischen die Restschuldbefreiung erteilt worden ist.
Die Erteilung der Restschuldbefreiung bewirkt nicht das Erlöschen einer Insolvenzforderung, vielmehr wird sie nur in eine unvollkommene Verbindlichkeit umgewandelt mit der Folge, dass im Falle der nicht zu beanspruchenden Befriedigung keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten besteht, § 301 Abs. 3 InsO.
Ob aus dem Zeitablauf sich rechtlich erhebliche Schlussfolgerungen ergeben, kann dahinstehen. Entsprechende Einreden hat der Beklagte nicht geltend gemacht. Auch für eine Verwirkung gemäß § 242 BGB ist nichts ersichtlich und vorgetragen.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Für die Bemessung des Streitwertes hat das Gericht die Hälfte des Forderungsbetrages zu Grunde gelegt.