Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.01.2013, Az.: 74 IN 148/09

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
25.01.2013
Aktenzeichen
74 IN 148/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64317
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für die Darlegung eines Obliegenheitsverstoßes gem. § 295 Abs. 2 InsO genügt die Bezugnahme auf eine die individuellen Verhältnisse des Schuldners berücksichtigende Gehaltstabelle.

2. Ein Verschulden gem. § 296 Abs. 1 S. 1 InsO liegt jedenfalls dann vor, wenn ein selbstständig tätiger Schuldner auch nach Belehrung durch den Treuhänder über die jährliche Abführungspflicht keine Zahlungen leistet.

Tenor:

Die beantragte Restschulbefreiung wird versagt.

Die im Beschluss vom 23.5.2012 bewilligte Stundung wird aufgehoben.

Gründe

I. Über das Vermögen des anwaltlich vertretenen Schuldners ist aufgrund Eigen- und Fremdantrages am 08.06.2009 unter Bewilligung von Stundung das Insolvenzverfahren eröffnet worden.  Mit Schreiben vom 30.07.2009 gab der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Schuldners frei und belehrte den Schuldner über die Verpflichtung gem. §§ 35 Abs. 2, 295 Abs. 2 Insolvenzordnung. Nach Ankündigung der Restschuldbefreiung und  Vollzug der Schlussverteilung (mit einer Quote von 4,30 %) wurde das Verfahren mit Beschluss vom 03.06.2010 aufgehoben.

Mit Schreiben vom 19.05.2011 teilte der Treuhänder mit, dass der als selbständiger Medienberater tätige Schuldner über die Pflichten eines selbständig Tätigen in der Insolvenz informiert wurde und keine Zahlungen an die Insolvenzmasse erbrachte. Im Bericht vom 21.05. 2012 wiederholte der Treuhänder diese Angaben. Mit Beschluss vom 23. 05. 2012 bewilligte das Insolvenzgericht für das Restschuldbefreiungsverfahren Stundung. Mit Antrag vom 20.12.2012 hat das Finanzamt Göttingen Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 296 InsO beantragt. Zur Begründung hat es unter Vorlage eines Auszuges aus der Internetseite „gehaltsvergleich.com“ dargelegt, dass der Schuldner bei Eingehen eines Beschäftigungsverhältnisses einen durchschnittlichen Bruttoverdienst von 2.700 € hätte erzielen können, von dem mangels Unterhaltsverpflichtungen zum Stand vom 01.07.2011 ein pfändbarer Betrag von 483,78 € verblieben wäre. Der Schuldner hat dazu keine Stellung genommen, der Treuhänder hat mitgeteilt, dass er den Schuldner neben der schon früher vorgenommen Belehrung über die Pflichten gemäß § 295 InsO mit Schreiben vom 9.11.2012 auch über den Beschluss des BGH vom 19.07.2012 informierte.

II. Der zulässige Antrag ist begründet.

1.) Der Versagungsantragsteller hat dargelegt, dass der Schuldner gegen die Verpflichtung des § 295 Abs. 2 InsO verstoßen hat, die Insolvenzgläubiger so zu stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

2.) Es liegen auch die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 InsO vor.

Durch die Obliegenheitsverletzung wird die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt (§ 296 Abs. 1 S. 1 InsO). Bei Eingehung eines Beschäftigungsverhältnisses als angestellter Medienberater wäre ein pfändbarer Betrag von monatlich 483,78 € verblieben.

Der Schuldner hat auch nicht dargelegt, dass ihn kein Verschulden trifft (§ 296 Abs. 1 S. 1, zweiter Halbsatz InsO). Der Schuldner hat nicht angegeben, dass sein tatsächliches Einkommen unterhalb des Tariflohnes liegt und er sich vergeblich um abhängige Beschäftigung mit entsprechendem Einkommen bemüht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 07.05.2009 -  IX ZB 133/07, ZInsO 2009, 1217).

Nach dem Grundsatzbeschluss des BGH vom 19.07.2012 (IX ZB 188/09, ZInsO 2012,1488) steht fest, dass den selbständig tätigen Schuldner eine regelmäßige zumindest jährliche Abführungspflicht trifft. Auf diese Rechtsprechung ist der Schuldner durch Schreiben des Treuhänders vom 9.11.2012 hingewiesen worden (vgl. Schmerbach InsbürO 2012, 371, 373). Die Freigabe des Geschäftsbetriebes erfolgte am 30.7.2009; seitdem besteht die Abführungspflicht. Der Schuldner hat auch die Möglichkeit einer Heilung durch zwischenzeitliche Zahlung

(Schmerbach InsbürO 2012, 371, 374) nicht genutzt.

3.) Folglich ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

III. Weiter hat das Insolvenzgericht sein Ermessen dahin ausgeübt, die im Beschluss vom 23. 05. 2012 für das Restschuldbefreiungsverfahren bewilligte Stundung gem. § 4c Nr. 5 InsO aufzuheben. Das Verhalten des Antragsgegners stellt sich als schwere Pflichtverletzung dar, die eine Aufhebung der Stundung rechtfertigt. Die Entscheidungsbefugnis hat der Richter gem. § 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG an sich gezogen.