Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.05.2020, Az.: 6 U 100/20

Anspruch auf Unterlassung von Behauptungen; Unzutreffende Äußerungen über Mitbewerber; Abstrakt gehaltene falsche Rechtsausführungen in einem Informationsblatt

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
25.05.2020
Aktenzeichen
6 U 100/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 66534
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 07.02.2020 - AZ: 6 O 845/19

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Beklagter und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB e. V., vertreten durch das geschäftsführende Präsidiumsmitglied CC, Ort2,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Landgericht (...)
am 25. Mai 2020
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

[Gründe]

I.

Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass seine Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, weil das Landgericht der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben hat.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der im Tenor der angefochtenen Entscheidung genannten Behauptungen aus § 4 Nr. 4 i.V.m. §§ 3, 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG.

Der Beklagte vertritt in seiner Berufungsbegründung vom 14.05.2020 weiterhin - wie bereits im vorangegangenen Rechtsstreit LG Aurich 6 O 92/19 = OLG Oldenburg 6 U 287/19, in dem ein Mitbewerber den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen hatte - seine offensichtlich unzutreffende Auffassung, aus § 18 SchfHwG folge, dass ein "Bevollmächtigter Schornsteinfeger" nicht in "Personalunion" auch freie Tätigkeiten des Schornsteinfegerhandwerks (Messung, Kehrung, Abgaswegeüberprüfung) durchführen dürfe. Der in der Berufungsbegründung zitierte Auszug aus dem "Informationsschreiben" des Beklagten ist eben nicht gleichbedeutend mit dem dort ebenfalls zitierten Auszug aus dem Abmahnschreiben der Klägerin vom 23.01.2019, sondern erweckt bewusst den falschen Eindruck, dass ein Bevollmächtigter Schornsteinfeger in seinem Bezirk generell (und nicht nur in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter Schornsteinfeger) keine "freien" Schornsteinfegerdienstleistungen anbieten und ausführen dürfe.

Diese Rechtsansicht ist unhaltbar und daher nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Auf den Hinweisbeschluss und den Zurückweisungsbeschluss des Senates im Rechtsstreit 6 U 287/19 wird Bezug genommen.

Wie die Klägerin zu Recht vorträgt, darf ein Bevollmächtigter Schornsteinfeger trotz seiner staatlichen Beleihung als "Bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger" gleichwohl auch privatwirtschaftliche Dienstleistungen des Schornsteinfegerhandwerkes wie Messungen, Kehrungen und Abgaswegeüberprüfungen durchführen. Lediglich die hoheitliche Tätigkeit der Abnahme einer Feuerstelle gem. § 16 SchfHwG ist durch § 18 SchfHwG zur Vermeidung von Interessenkollisionen insoweit eingeschränkt, als diese bei solchen Feuerstellen ausgeschlossen ist, an deren Verkauf, Einbau etc. der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger beteiligt war. Dieser eindeutigen Rechtslage kann sich eigentlich auch der Beklagte nicht verschließen.

Das Verhalten des Beklagten ist auch wettbewerbswidrig. Allerdings ergibt sich entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts der Wettbewerbsverstoß nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG, weil dieser Unterlauterkeitstatbestand irreführende Angaben über das eigene (werbende) Unternehmen betrifft (vgl. insoweit etwa Götting/Nordemann, UWG, 3. Aufl. 2016, § 5 Rn. 0.7; Brammsen, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2020, § 4 Nr. 2 UWG Rn. 17), während der Schutz von Mitbewerbern vor unzutreffenden Äußerungen über ihr Unternehmen oder ihre Tätigkeit in § 4 UWG geregelt ist. An dem Ergebnis, dass das Landgericht der Unterlassungsklage zu Recht stattgegeben hat, ändert dies indessen nichts. Der Beklagte hat durch die unstreitig von ihm Anfang 2019 im Kehrbezirk Ort1 vorgenommene Verteilung des von der Klägerin als Anlage 1 vorgelegten "Informationsblattes" an private Haushalte den örtlich zuständigen Bevollmächtigten Schornsteinfeger als Mitbewerber gezielt behindert (§ 4 Nr. 4 UWG).

Der Beklagte stellt es in dem "Informationsblatt" nicht etwa als seine persönliche Rechtsansicht, sondern als Fakt dar, dass der örtlich zuständige "Bevollmächtigte Schornsteinfeger" in seinem Bezirk keine Dienstleistungen wie Messung, Kehrung und Abgaswegeüberprüfung durchführen dürfe, was er noch besonders dadurch unterstreicht, dass er den Satz mit drei Ausrufezeichen abschließt.

Auch wenn es sich hierbei nicht um falsche Tatsachenbehauptungen über das Unternehmen eines Konkurrenten i.S.d. 4 Nr. 2 UWG handeln dürfte, weil sich die eher abstrakt gehaltenen (falschen) Rechtsausführungen des Beklagten in dem "Informationsblatt" nicht auf konkrete Vorkommnisse beziehen, die dem Beweis zugänglich wären, z.B. auf bestimmte von dem Konkurrenten in der Vergangenheit angebotene oder durchgeführte Dienstleistungen (vgl. hierzu Brammsen, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2020, § 4 Nr. 2 UWG Rn. 42 ff. m. Nachw. zur Rspr. des BGH), erfüllt das Verhalten des Beklagten nach Auffassung des Senats den Tatbestand der gezielten Behinderung eines Mitbewerbers gem. § 4 Nr. 4 UWG.

Eine solche liegt in der "Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber (...), die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen" (Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 4 Rn. 4/9 unter Hinweis auf BGH, GRUR 14, 393 Rn 28 - wetteronline.de; BGH, GRUR 14, 785 Rn 23 - Flugvermittlung im Internet; BGH, GRUR 15, 607 [BGH 12.03.2015 - I ZR 188/13] Rn 16 - Uhrenankauf im Internet).

Bei der somit gebotenen Gesamtwürdigung des Inhaltes des "Informationsblattes" und der Umstände seiner Verteilung an private Haushalte, die der Beklagte unstreitig vorgenommen hat, handelt es sich nach Überzeugung des Senats um eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern. Wenn die Bewohner des Bezirkes auch nur teilweise an die Richtigkeit der falschen Rechtsausführungen des Beklagten glauben - was nicht fernliegt, weil der Beklagte immerhin ein ortsansässiger Schornsteinfegermeister ist -, besteht die reale Gefahr, dass zahlreiche Haushalte dem zuständigen Bevollmächtigten Schornsteinfeger nur wegen dieser Fehlinformation Aufträge nicht erteilen, die sie ihm sonst erteilt hätten. Damit werden die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Konkurrenten empfindlich beeinträchtigt. Das Verhalten des Beklagten ist auch unlauter, denn er verfolgt offensichtlich gezielt den Zweck, Konkurrenten auf dem Gebiet der "freien" Schornsteinfegerdienstleistungen an der Entfaltung zu hindern und möglichst zu verdrängen. Es handelt sich letztlich um einen "boykottähnlichen" Versuch, auf die Willensbildung der potentiellen Kunden einzuwirken.

Das folglich gem. § 4 Nr. 4 UWG unlautere Handeln des Beklagten ist gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, so dass der Klägerin, bei der es sich unstreitig um einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG handelt, gem. § 8 Abs. 1 UWG ein Unterlassungsanspruch aus eigenem Recht (vgl. hierzu Ottofülling, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, § 8 UWG Rn. 350) zusteht.

Es besteht entgegen der Berufungsbegründung auch Wiederholungsgefahr, auch wenn das Landgericht hierzu in seinem Urteil keine expliziten Ausführungen gemacht hat. Diese Wiederholungsgefahr ist schon dadurch indiziert, dass der Beklagte sich geweigert hat, die von der Klägerin geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hinzu kommt, dass der Beklagte nach wie vor offensichtlich völlig uneinsichtig ist. So hat er sich etwa auch in der durchgeführten Verhandlung vor der Einigungsstelle nicht zu einer Änderung seines Verhaltens bewegen lassen. Auch auf weitere Versuche der Klägerin, die Angelegenheit ohne ein gerichtliches Verfahren zu beenden, ist er nicht eingegangen. Auf die chronologische Darstellung des vorgerichtlichen Geschehens auf S. 3 - 5 der Klageschrift, die unbestritten geblieben ist, wird Bezug genommen. Das Verteidigungsvorbringen des Beklagten in erster und zweiter Instanz im vorliegenden Verfahren ebenso wie im vorangegangenen Verfahren 6 U 287/19 bestätigt ebenfalls diese Wiederholungsgefahr. Schon der Umstand, dass der Beklagte jeweils den Instanzenzug ausschöpft, zeigt in aller Deutlichkeit, dass sein Vorbringen, schon aufgrund der ersten Verurteilung durch das Landgericht Aurich (6 O 92/19) bestehe keine Wiederholungsgefahr mehr, abwegig ist.

Entgegen der Berufungsbegründung ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Klägerin auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG. Die Mutmaßung des Beklagten, der Mitbewerber DD (der Kläger im Verfahren 6 U 287/19) habe die Klägerin über das "Informationsblatt" informiert, wurde von der Klägerin bereits erstinstanzlich bestritten und ist durch nichts belegt. Die Klägerin muss dem Beklagten auch nicht mitteilen, wie ihr sein "Informationsblatt" bekannt geworden ist. Insbesondere trifft sie insoweit entgegen der Ansicht des Beklagten keine sekundäre Darlegungslast. Denkbar ist z.B. auch, dass Bewohner der Gemeinde Ort1, die das "Informationsschreiben" in ihrem Briefkasten vorfanden, die Klägerin informierten. Selbst wenn aber der Mitbewerber DD die Klägerin informiert haben sollte, würde dies den von der Klägerin im allgemeinen Interesse an der Lauterkeit des Wettbewerbs geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht ohne Weiteres entfallen lassen. Die Annahme des Beklagte, es gehe hier lediglich um die Erlangung von Abmahngebühren, ist spekulativ und durch nichts belegt.

Mit der Unterlassungsaufforderung vom 23.01.2019 (Anlage 2) hat die Klägerin dem Beklagten Gelegenheit gegeben, den Streit durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beizulegen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UWG). Weil diese Abmahnung berechtigt war, hat der Beklagte der Klägerin gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen, weshalb das Landgericht den Beklagten auch zu Recht verurteilt hat, der Klägerin die Abmahnkosten zu erstatten.

II.

Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und zur Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zweier Wochen nach Zustellung des Beschlusses.