Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.11.2018, Az.: 11 UF 116/18
Abgrenzung; Adoption; Aufhebungsantrag; fehlende Geschäftsfähigkeit; Geschäftsunfähigkeit; Nichtigkeitsfeststellung; Verfassungsbeschwerde
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.11.2018
- Aktenzeichen
- 11 UF 116/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74498
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 103 Abs 1 GG
- § 197 Abs 3 FamFG
- § 192 Abs 1 FamFG
- § 1753 Abs 2 BGB
- § 1760 Abs 2 Buchst a BGB
- § 1771 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Abgrenzung zwischen der Aufhebung und der Nichtigkeitsfeststellung einer Adoption wegen fehlender Geschäftsfähigkeit des Annehmenden.
Tenor:
I.
Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, sowohl die Beschwerde vom 20.09.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichtes –Familiengerichtes- Osnabrück vom 14.08.2018 als auch die Verfahrenswertbeschwerde vom 20.09.2018 ohne erneute mündliche Verhandlung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat gedenkt, den Wert des Beschwerdeverfahrens auf 500.000 € festzusetzen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Beschwerde unter Kostengesichtspunkten, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
II.
Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 68 Absatz 3 Satz 2 FamFG zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
Von der erneuten Vornahme eines Termins sind zusätzliche entscheidungsrelevante Erkenntnisse nicht zu erwarten.
Die Beschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg.
1)
Die Antragstellerin ist die Ehefrau und Alleinerbin des am….2015 verstorbenen Erblassers. Unstreitig hinterließ dieser ein Vermögen im Umfang von etwa 8 Millionen Euro (Bl. 98).
Die Antragsgegnerin ist die Tochter der Antragstellerin, die aus deren vorangegangener Ehe hervorgegangen ist.
Der Erblasser beantragte im Januar 2015 die Annahme seiner Stieftochter im Wege der Annahme Volljähriger. Die Antragstellerin und der Erblasser haben im Jahr 1993 die Ehe miteinander geschlossen. Bei der Beurkundung des Antrages auf Annahme der Antragsgegnerin durch den verstorbenen Ehemann der Antragstellerin am 21.01.2015 war die hiesige Antragstellerin zugegen und bestätigte unter § 1.3 i.V.m. § 3.2 der Urkunde, dass ein Vater-Tochter-Verhältnis bereits entstanden sei. Unter § 6.1 der Urkunde hieß es: „Wir betrauen den amtierenden Notar, den Antrag auf Annahme als Kind, und zwar auch nach unserem Tode, beim zuständigen Familiengericht zu stellen und einzureichen.“
Im Adoptionsverfahren wurde ein ärztliches Attest vorgelegt, welches den Annehmenden als leicht adipösen 73-jährigen Mann in gutem Allgemeinzustand, mit allerdings einer leichten Lebervergrößerung als Folge einer Leberzirrhose beschrieb (Bl. 21 der Beiakte Amtsgericht Osnabrück – 35 F 8/15 AD – im Folgenden BA). Das Familiengericht setzte einen Anhörungstermin für den 09.04.2015 an, zu diesem Termin erschienen lediglich die hiesige Antragstellerin und die Annehmende (Bl. 30 BA). Sie teilten mit, dem Annehmenden gehe es nicht gut, ob und wann er zum Gericht kommen könne, stehe nicht fest. Die Anzunehmende führte dort aus, man sei schon immer wie eine Familie gewesen und zu ihrem leiblichen Vater habe sie keinen Kontakt, eine Volladoption werde nicht gewünscht. Es wurde besprochen, dass der Annehmende sich wegen eines Anhörungstermins bei Gericht melden solle.
Mit Schriftsatz vom 21.05.2015 teilte der Notar mit, der Annehmende sei am….2015 verstorben. Es bat die Annahme nach § 1753 Absatz 2 BGB, wie in der Antragsurkunde in § 6 Ziffer 1 vorgesehen, auszusprechen. Durch Beschluss vom 01.06.2015 (Bl. 34f BA) sprach das Amtsgericht –Familiengericht- Osnabrück die Annahme der Stieftochter durch den verstorbenen Erblasser aus. Der Beschluss wurde der Anzunehmenden am 04.06.2015 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 23.03.2018 hat die Antragstellerin sodann in dem vorliegenden Verfahren die Wiederaufnahme des Adoptionsverfahrens, die Aufhebung des Adoptionsbeschlusses und die Zurückweisung des Adoptionsantrages vom 29.01.2015 als unzulässig beantragt. Beim Erblasser habe zum Zeitpunkt des Antrages eine ausgeprägte Alkoholabhängigkeit vorgelegen, die zur Entwicklung eines Korsakow-Syndromes geführt habe, weswegen der Erblasser nicht geschäftsfähig gewesen sei. Zur Substantiierung ihres Vortrages legte sie ärztliche Bescheinigungen aus den Jahren 2012 und 2014 vor (Bl. 25-35, 37), nach denen ein chronischer Alkoholabusus mit Abhängigkeitssyndrom vorlag, und benannte Zeugen für die behauptete Geschäftsunfähigkeit.
Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung der Anträge beantragt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die Antragstellerin verhalte sich widersprüchlich, da sie die jetzt von ihr behauptete Geschäftsunfähigkeit des Erblassers weder im Rahmen ihrer gerichtlichen Anhörung am 09.04.2015 noch bei der Beurkundung des entsprechenden Antrages erwähnt habe. Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen ergebe sich allenfalls eine zeitweise Einschränkung der Urteilsfähigkeit. Auch habe der Erblasser der Antragstellerin im Januar 2015 eine General- und Vorsorgevollmacht (Bl. 54 ff) ausgestellt, die diese trotz der von ihr behaupteten Geschäftsunfähigkeit des Erblassers nicht zurückgewiesen habe.
Durch Beschluss vom 07.08.2018 hat das Amtsgericht –Familiengericht- den Antrag zurückgewiesen und den Verfahrenswert auf 500.000 € festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine ZPO-Nichtigkeitsklage sei vorliegend nicht zulässig, auch ein Nichtigkeitsgrund sei nicht vorgebracht worden. Zudem widerspreche das Verhalten der Antragstellerin Treu und Glauben, nachdem diese im Adoptionsverfahren mitgewirkt und eine Geschäftsunfähigkeit dort nicht vorgebracht habe. Angesichts eines unstreitigen Vermögens von acht Millionen Euro sei die Festsetzung eines Verfahrenswerts in Höhe von 500.000 € angemessen.
Gegen die Abweisung ihrer Anträge und die Festsetzung des Verfahrenswertes wendet sich die Antragstellerin mit ihren Beschwerden vom 20.09.2018. Sie verfolgt in der Sache die erstinstanzlichen Anträge weiter und begehrt die Reduzierung des festgesetzten Verfahrenswertes. Zur Begründung ihrer Aktivlegitimation bezieht sie sich auf das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers und den Anspruch des Erblassers auf rechtliches Gehör. Auch verhalte sich die Antragstellerin nicht treuwidrig, sie habe bei der Adoption nicht aktiv mitgewirkt, sei vielmehr von der vorliegenden „Blitz-Adoption“ völlig überrumpelt worden. Soweit das Familiengericht den maximal zulässigen Verfahrenswert festgesetzt habe, liege ein Fall des Ermessensnichtgebrauch vor. Soweit die Vermögensverhältnisse der Beteiligten maßgeblich wären, sei zudem beachtlich, dass das Vermögen zum großen Teil in Firmen- und Immobilienanteilen gebunden sei.
2)
Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des ggf. als Nichtigkeitsfeststellungsantrag auszulegenden Antrages ist unbegründet.
Grundsätzlich sind ausgesprochene Annahmen nicht anfechtbar, Abänderung und Wiederaufnahme sind nicht möglich, § 197 Absatz 3 FamFG. Anders als die Antragstellerin meint, gilt diese Vorschrift auch für die hier vorliegende Erwachsenenadoption (Engelhardt in: Keidel FamFG, 19. Auflage 2017, § 197 Rn 2, 21; Borth in: Musielak FamFG, 6.Auflage 2018, § 197 Rn 13; Maurer in: MüKo FamFG, 3. Auflage 2018, § 197 Rn. 87).
Eine einmal ausgesprochene Adoption mit ihren statusrechtlichen Wirkungen soll nach dem gesetzgeberischen Willen grundsätzlich Bestand haben. Der Verlust der Abänderungsbefugnis tritt bereits bei Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle ein (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG; vgl. Engelhardt in: Keidel FamFG, 19. Auflage 2017, § 197 Rn 25). Das Gesetz durchbricht diesen Grundsatz mit der Möglichkeit der Aufhebung (§§ 1759ff BGB, hier auch § 1771 BGB) und der Geltendmachung der Nichtigkeit.
Die im Gesetz nicht geregelte Nichtigkeit ist auf besonders schwere Fälle begrenzt. Sie ist grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn der Entscheidung jegliche rechtliche Grundlage fehlt oder wenn sie eine der Rechtsordnung ihrer Art nach unbekannte Rechtsfolge ausspricht (vgl. etwa Engelhardt in: Keidel FamFG, 19. Auflage 2017, § 197 Rn 25; Götz in: Palandt BGB, 77. Auflage 2018, § 1759 Rn 1; OLG Hamm, Beschluss vom 30.04.2014, 15 W 358/13; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.03.2011, 6 UF 31/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.10.2007, 3 Wx 179/07; BayOBLG, Beschluss vom 12.06.2002, 1Z BR 56/01).
Dabei können Mängel, die zur Aufhebung führen, schon gesetzessystematisch gerade nicht für eine Nichtigkeit hinreichen (vgl. Götz in: Palandt BGB, 77. Auflage 2018, § 1759 Rn 1; Engler in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2007, § 1759 Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.1996, 3 W 99/95). Die von der Antragstellerin angeführte Geschäftsunfähigkeit taugt, da sie in § 1760 Absatz 2 a) BGB als Aufhebungsgrund normiert ist, damit gerade nicht als Nichtigkeitsgrund.
Das gleiche gilt für den Umstand, dass der Annehmende infolge seines Versterbens nicht mehr persönlich durch das Gericht angehört werden konnte. Wie § 1753 Absatz 2 BGB bestimmt, ist eine Annahme auch dann möglich, wenn der Annehmende vor dem Ausspruch der Annahme verstirbt. Als Zulässigkeitsvoraussetzung sieht das Gesetz lediglich die unbedingte Stellung des Adoptionsantrages durch den Annehmenden vor. Eine solche unbedingte Antragstellung lag hier in Form des notariell beurkundeten Antrags vom 21.01.2015 vor, in welchem unter § 6.1 die Annahme auch für den Fall des zwischenzeitlichen Versterbens des Annehmenden beantragt wurde. Die Durchführung einer persönlichen Anhörung ist für die Zulässigkeit des Verfahrens nach § 1753 Absatz 2 BGB gerade nicht erforderlich. Insoweit ist schon fraglich, ob überhaupt ein Verfahrensfehler vorliegt, ein solcher wäre zudem kein Nichtigkeitsgrund nach der oben genannten Rechtsprechung.
Soweit das Verfahrensrecht in § 192 Absatz 1 FamFG die Anhörung des Annehmenden vorschreibt, käme allenfalls eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Annehmenden in Betracht, Art. 103 Absatz 1 GG. Eine solche Verletzung kann aber nur über eine gegen den Annahmebeschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.1994, 2 BvR 397/93, Engelhardt in: Keidel FamFG, 19. Auflage 2017, § 197 Rn 22; Borth in: Musielak FamFG, 6.Auflage 2018, § 197 Rn 13). Dies hätte allerdings ebenfalls nicht die Nichtigkeit des Annahmebeschlusses zur Folge. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren gegen die Abweisung der Nichtigkeitsfeststellung ist daher auch dieser Gesichtspunkt ohne Belang.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin selber liegt nicht vor, diese wurde vom Amtsgericht persönlich angehört und hat sich jedenfalls nicht gegen die beantragte Adoption ausgesprochen.
Ein Aufhebungsverfahren setzt demgegenüber einen entsprechenden Aufhebungsantrag voraus, §§ 1771 Satz 1, Satz 2, 1760 BGB. Der Antrag bedarf gem. § 1767 Abs. 2 Satz 1, § 1762 Absatz 1 und 3 BGB der notariellen Form. Eine Aufhebung wirkt grundsätzlich auch nur für die Zukunft, § 1767 Abs. 2 Satz 1, § 1764 Absatz 1 Satz 1 BGB. Ein solcher Aufhebungsantrag liegt allerdings unzweifelhaft nicht vor.
Soweit die Antragstellerin eine Anfechtungs-/Aufhebungsberechtigung aus ihrer Rolle als Alleinerbin ihres Mannes herleitet, lässt die gesetzliche Systematik der Aufhebungsvorschriften, insbesondere die § 1767 Abs. 2 Satz 1, § 1762 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 2 lit. a), § 1764 Absatz 1 Satz 2 BGB, erkennen, dass der Gesetzgeber gerade nicht von einem Aufhebungsantragsrecht des Erben ausging. Das Antragsrecht als höchstpersönliches Recht ist gerade nicht vererbbar (vgl. Götz in: Palandt BGB, 77. Auflage 2018, § 1771 Rn 1; Saar in: Ermann BGB, 15. Auflage 2017, § 1762 Rn 2; OLG München, Beschluss vom 16.04.2007, 31 Wx 102/06; BayOBLG, Beschluss vom 14.03.1986, BReg 1 Z 10/86).
Die Beschwerde der Antragstellerin hat daher keine Aussicht auf Erfolg.
Auch hinsichtlich der Streitwertbeschwerde, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß § 59 Abs. 1 Satz 5 FamGKG i. V. m. § 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG in der nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung unter dem hiesigen Aktenzeichen 11 WF 186/18 zu entscheiden hat, beabsichtigt der Senat die Zurückweisung. Die für die Verfahrenswertbemessung maßgeblich Norm ist hier, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, § 42 Absatz 2 FamGKG. Danach sind bei der Ausübung des Ermessens alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, maximal ist ein Wert von 500.000 € festzusetzen. Da sich die Antragstellerin im Adoptionsverfahren nicht gegen die Annahme ausgesprochen hat und nun bei Vorliegen einer unstreitigen Erbschaftssumme von etwa 8 Millionen Euro die Feststellung der Nichtigkeit begehrt, war der vom Amtsgericht festgesetzte Wert nicht zu beanstanden. Ob das hinterlassene Vermögen zum Großteil in Firmen- und Immobilienanteilen gebunden ist, kann für die Verfahrenswertfestsetzung außer Betracht bleiben.