Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 24.09.2014, Az.: Ws 206/12; Ws 198/13

Keine Erledigung des Maßregelvollzugs bei Zweifeln am Fortbestehen der Erkrankung bzw. der Gefährlichkeit des Verurteilten; Festlegung der krankhaften Störung des im Maßregelvollzug Untergebrachten als schwer ist keine Sachverständigen-, sondern eine Rechtsfrage

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
24.09.2014
Aktenzeichen
Ws 206/12; Ws 198/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 26987
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2014:0924.WS206.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 05.06.2012

Amtlicher Leitsatz

1. Die Beurteilung, ob eine Störung (noch) derart schwerwiegend ist, dass eine schwere andere seelische Abartigkeit i. S. d. § 20 StGB vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die allein vom Gericht durch eine Bewertung der - in der Regel mit Hilfe eines Sachverständigen - festgestellten Ausprägungen der Störung zu beantworten ist.

2. Die Voraussetzungen einer Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus wegen Wegfalls der Anordnungsvoraussetzungen oder Fehleinweisung müssen mit Sicherheit festgestellt werden. Zweifel wirken sich insoweit grundsätzlich zu Lasten des Verurteilten aus.

3. Eine Erledigung der Maßregel wegen einer fehlerhaften Bewertung einer anderen seelischen Abartigkeit i. S. d. § 20 StGB als schwer, kommt, da es sich um einen Rechtsfehler handelt, nicht in Betracht.

4. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist der Grund ihrer Dauer insbesondere dann zu Lasten des Untergebrachten zu berücksichtigen, wenn Vollzugslockerungen aufgrund seines Verhaltens nicht möglich sind und eine Entlassung daher nicht vorbereitet werden kann.

Tenor:

Es wird - ohne Kostenentscheidung - festgestellt, dass sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 14. Juni 2012 gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig - große Strafvollstreckungskammer - vom 5. Juni 2012 erledigt hat.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11. Juni 2013 gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig - große Strafvollstreckungskammer - vom 1. Juni 2013 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1. Zum Anlassurteil der Unterbringung

Der Verurteilte wurde am 04.03.2005 vom Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Wolfsburg (Az.: 6c Ls 504 Js 61783/04) wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt (Bl. 2 ff. Bd. I d. VH). Seine dagegen gerichtete Berufung wurde verworfen und mit dem Berufungsurteil (Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 26.01.2006 - 2 Ns 20/05) zugleich seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (Bl. 8 ff. Bd. I d. VH).

Der Verurteilung lagen vier Sexualstraftaten aus dem Herbst 2004 zum Nachteil der damals 9-jährigen Geschädigten zugrunde, die der Verurteilte in einer Eisdiele kennen gelernt und deren Vertrauen er sich durch die Vorführung von Zauberkunststücken erschlichen hatte:

- In einem Fall forderte er die Geschädigte auf, ihm auf die Toilette in die Kellerräume der Eisdiele zu folgen, wo er vor ihr bis zum Samenerguss onanierte.

- Dies wiederholte sich in einem weiteren Fall in seiner Wohnung, wobei er der Geschädigten über der Bekleidung an die Scheide fasste. Der Verurteilte hatte die Geschädigte unter dem Vorwand in seine Wohnung gelockt, ihr sein Aquarium zu zeigen.

- In zwei weiteren Fällen führte er der Geschädigten in seiner Wohnung Pornofilme vor, forderte sie auf, ihren Unterleib zu entkleiden und küsste sie mit seinem Mund auf die Scheide, wobei er auch mit der Zunge an der Scheide des Kindes leckte.

Die von der Sachverständigen ..., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, beratene Kammer diagnostizierte eine Störung der sexuellen Präferenz in Form einer pädophil orientierten Exhibitionismus mit progrediertem Verlauf (ICD F 65.2.) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung.

Wegen der weiteren Urteilsfeststellungen wird auf VH I Bl. 8 ff. (Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 26.01.2006) und VH I Bl. 2 ff. (Urteil des Amtsgerichts Wolfsburg vom 04.03.2005) verwiesen.

Die Unterbringung wird seit der am 03.02.2006 eingetretenen Rechtskraft des Urteils vollzogen. Zuvor hatte sich der Verurteilte seit dem 03.12.2004 in Untersuchungshaft und seit dem 26.01.2006 in einstweiliger Unterbringung befunden (Bl. 16 Bd. I d. VH).

2. Zu den Vorstrafen:

Der Verurteilte war bereits früher durch Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei sich auch die Vorstrafen (seit August 1985) nicht auf exhibitionistische Handlungen beschränkten (s. SH "Urteile").

Am 14.01.1982 wurde er vom Amtsgericht Wolfsburg wegen fortgesetzten sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit exhibitionistischen Handlungen und Verbreitung pornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass er in 12 Fällen vor Mädchen im Kindesalter onanierte, wobei er ihnen teils Pornohefte zeigte.

Am 25.10.1984 wurde er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen. Dem lag zu Grunde, dass er sich am 01.07.1984 vor mehreren Mädchen im Kindesalter von seinem Fenster aus zeigte und an seinem Geschlechtsteil manipulierte, um sich sexuell zu erregen. Des Weiteren warf er den spielenden Kindern einen Zettel mit seiner Telefonnummer zu, in den er 3,30 DM gewickelt hatte, wobei er hoffte, dass die Mädchen zu ihm Kontakt aufnehmen würden.

Am 26.09.1985 wurde er vom Amtsgericht Wolfsburg wegen fortgesetzten sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er im Mai 1985 Mädchen im Kindesalter, die er zuvor durch Pfeifen oder Blenden mit einem Spiegel auf sich aufmerksam gemacht hatte, von einem Fenster seiner Wohnung heraus sein entblößtes Geschlechtsteil zeigte, um sich sexuell zu erregen.

Die vorgenannte Strafe wurde in eine weitere Verurteilung durch das Amtsgericht Wolfsburg wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vom 28.11.1985 (i. V. m. dem Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 24.02.1986) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, einbezogen. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen. Dem weiteren Urteil lag zugrunde, dass der Verurteilte am 31.08.1985 einer Bekannten aus einer Selbsthilfegruppe angeboten hatte, zu ihm zum Kaffeetrinken zu kommen und ihre 11-jährige Tochter mitzubringen. Während die Bekannte auf Bitte des Verurteilten Kuchen holte, forderte der Verurteilte das Mädchen auf, den Rock hoch- und den Schlüpfer runterzuziehen. Das Mädchen kam der Aufforderung nach, woraufhin der Verurteilte es am Geschlechtsteil streichelte.

Am 27.04.1988 verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren.

Nach den Feststellungen hatte der Verurteilte Ende 1986 zum Nachteil zweier 7 und 9 Jahre alten Töchter einer Bekannten Sexualstraftaten begangen, während die Mutter der Kinder abwesend war:

- Mindestens einmal onanierte er vor den Augen der Mädchen bis zum Samenerguss,

- an anderen Tagen streichelte er sie am Gesäß, zog ihnen die Schlüpfer herunter und fasste ihnen zwischen die Beine,

- ferner rief er mehrfach bei der Familie an und onanierte, während er mit einem der Kinder sprach. Dabei stöhnte er und sagte, dass er jetzt seinen "Schwanz" streichele.

Außerdem lernte der Verurteilte im Sommer 1987 ein 9-jähriges und zwei 11-jährige Mädchen kennen, die er auf deren Weg zum Spielplatz vom Fenster seiner Wohnung aus dadurch auf sich aufmerksam machte, dass er sich mehrfach nackt am Fenster vor ihnen zeigte und an seinem Glied manipulierte. Er warf den Kindern auch kleinere Geldbeträge aus dem Fenster und forderte sie auf, seine Wohnung zu betreten. Die Kinder waren in der Folgezeit mehrfach in der Wohnung des Verurteilten. Dort kam es zu mehreren sexuellen Handlungen, wofür er den Kindern kleinere Geldbeträge gab:

- er onanierte mehrfach vor den Mädchen,

- er brachte zwei der Mädchen mehrmals dazu, sich nackt auszuziehen, wobei er sie wiederholt zwischen die Beine fasste,

- er küsste die Mädchen auch an der Brust und an der Scheide,

- er ließ sich von den Kindern am Glied bis zum Samenerguss streicheln.

Am 16.08.1991 wurde er vom Landgericht Braunschweig (in Verbindung mit dem nach Teilaufhebung durch den BGH ergangenem Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 03.04.1992) wegen fortgesetzten sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen hatte sich der Verurteilte nach seiner Haftentlassung am 03.07.1990 zunächst nicht getraut, Kontakt zu seinen Mitmenschen aufzunehmen. Im August 1990 beobachtete er aus seiner Wohnung heraus die auf einem Kinderspielplatz spielenden jeweils 11 Jahre alten Geschädigten. Er stellte sich nur mit einem T-Shirt bekleidet an das geöffnete Wohnzimmerfenster und onanierte vor den Mädchen. Anschließend winkte er die Mädchen zu sich heran und fragte sie, ob sie mit in seine Wohnung kommen wollten. Die Mädchen besuchten ihn in den folgenden Wochen wiederholt, wobei der Verurteilte die Kinder mit dem Anmalen von Gipsfiguren beschäftigte und ihnen Kuchen und kleinere Geldbeträge gab. Dabei kam es zu folgenden sexuellen Handlungen:

- mindestens zweimal onanierte der Verurteilte vor den Mädchen bis zum Samenerguss,

- einmal streichelte er eines der Mädchen über der Hose an der Scheide, um sich sexuell zu erregen.

Anfang Dezember 1990 bekam der Verurteilte mit, dass eines der Mädchen die Enkelin seines Bruders war und forderte die Mädchen auf, nicht mehr zu kommen. Eines der Mädchen kam jedoch weiterhin zum Verurteilten und besuchte diesen bis Ende Januar 1991 mit wechselnder Begleitung (Mädchen im Alter von 11 bis 13 Jahren). Bei diesen Gelegenheiten kam es zu weiteren sexuellen Handlungen:

- viermal onanierte der Verurteilte vor den Mädchen bis zum Samenerguss

- eines der Mädchen streichelte er über der Hose an der Scheide, um sich sexuell zu erregen.

Am 07.07.1994 erfolgte eine Verurteilung durch das Amtsgericht Wolfsburg wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Dem lag zu Grunde, dass der Verurteilte am 16.10.1993 vor drei 12, 13 und 16 Jahre alten Mädchen, die in seiner Wohnung Gipsfiguren bemalten, bis zum Samenerguss onanierte, dem 13 und dem 16-jährigen Mädchen oberhalb der Kleidung am Po streichelte und das 12-jährige Mädchen in den Po gekniffen hatte. Der Aufforderung an eines der Mädchen, seinen Oberschenkel anzufassen, kam dieses nicht nach, vielmehr verließen die Schülerinnen die Wohnung.

3. Zum Verfahrensstand

Während der Unterbringung hat die Sachverständige ... am 29.04.2011 ein externes Gutachten erstattet (SH Gutachten). Diese verwarf die Diagnose eines Exhibitionismus und diagnostizierte eine fixierte Störung der Sexualpräferenz in Form einer heterosexuellen Pädophilie (ICD 10: F65.5) sowie eine histrionische Persönlichkeitsstörung. Das Risiko erneuter einschlägiger Straftaten stufte sie als erheblich ein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf den SB Gutachten verwiesen.

Die große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig hat am 05.06.2012 die Fortdauer der Unterbringung angeordnet (Bl. 93 ff. Bd. II d. VH). Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten hat der Senat mit Beschluss vom 16. Juli 2012 (Bl. 115 ff. Bd. II d. VH) als unbegründet verworfen.

Des Weiteren hat die große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig mit Beschluss vom 01.06.2013 die Fortdauer der Unterbringung angeordnet (Bl. 137 ff. Bd. II d. VH). Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 16.07.2013 (Bl. 175 ff. Bd. II d. VH) als unbegründet verworfen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 17.02.2014 (Bl. 2 ff. Bd. III d. VH) die Verfassungswidrigkeit der Beschlüsse der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 05.06.2012 und 01.06.2013 und des Senats vom 16.07.2012 und 16.07.2013 festgestellt, indes (nur) die Beschlüsse des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Dabei hat es beanstandet, dass die Beschlüsse den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung der Anordnung einer Fortdauer der Unterbringung nicht genügten. Es fehle bereits an der ausreichenden Konkretisierung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit der vom Verurteilten ausgehenden Gefahr. Ferner werde nicht ausreichend dargelegt, dass die Gefahr das Gewicht des Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermag und es fehle eine Befassung mit der Frage, ob dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit mit weniger belastenden Maßnahmen Rechnung getragen werden könne.

Der Senat hat daraufhin den Sachverständigen Dr. med. ... mit der Erstattung eines kriminalprognostischen Gutachtens beauftragt, das dieser unter dem 23.06.2014 vorgelegt hat (SH Gutachten). Das ... Psychiatriezentrum hat unter dem 15.07.2014 ergänzend Stellung genommen (Bl. 108 ff. Bd. III d. VH). Des Weiteren hat der Senat am 24.09.2014 eine Sachverständigenanhörung durchgeführt, an der auch der Funktionsoberarzt der Maßregelvollzugseinrichtung ..., teilgenommen hat (vgl. Anhörungsvermerk, Bl. 156 ff. Bd. III d. VH).

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortigen Beschwerden des Verurteilten gegen die Beschlüsse der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 05.06.2012 und 01.06.2013 als unbegründet zu verwerfen (Bl. 11 ff., 99 ff. Bd. III d. VH).

II.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht auch den Beschluss des Senats hinsichtlich der sofortigen Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 05.06.2012 aufgehoben hat, war festzustellen, dass sich die damit noch anhängige sofortige Beschwerde erledigt hat. Durch den zwar für verfassungswidrig erklärten, jedoch nicht aufgehobenen Fortdauerbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 01.06.2013 ist die sofortige Beschwerde prozessual überholt. Einer Entscheidung bedarf es auch nicht im Hinblick auf ein fortbestehendes Feststellungsinteresse, nachdem die Verfassungswidrigkeit des Beschlusses vom 05.06.2012 bereits vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist. Eine Kostenentscheidung ist insoweit nicht veranlasst (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, Rn. 17 vor § 296).

III.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 01.06.2013 ist unbegründet. Die Voraussetzungen der Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus liegen weiterhin vor.

1. Keine Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB

Die Voraussetzungen für eine Erledigung der Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB liegen nicht vor. Die Erledigung ist nur auszusprechen, wenn mit Sicherheit festgestellt werden kann (Zweifel gehen insoweit zu Lasten des Verurteilten), dass der bei den Anlasstaten bestehende Defektzustand oder die daraus resultierende Gefährlichkeit des Verurteilten weggefallen ist, (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage, § 67d, Rn. 24; Veh in MK, StGB, 2. Auflage, § 67d Rn. 28). Das ist nicht der Fall:

a) Der Sachverständige Dr. med. ... hat bei dem Verurteilten mit überzeugender Begründung (insbesondere S. 76 ff. d. Gutachtens) eine Pädophilie (ICD-10: F65.4) diagnostiziert, die bereits bei Begehung der Anlasstaten bestanden habe und unvermindert fortbestehe. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Diagnose, die durch die Anlasstaten und die Vorstrafen anschaulich belegt wird. Dass die Präferenzstörung des Verurteilten im Anlassurteil als pädophil orientierter Exhibitionismus eingestuft und zudem eine kombinierte Persönlichkeitsstörung angenommen worden war, ist dabei unerheblich, da der für die Straftaten verantwortliche Defektzustand - wenn auch mit korrigierter Diagnose - unverändert fortbesteht.

Die Erledigung der Maßregel ist auch nicht deshalb auszusprechen, weil die Pädophilie nicht (mehr) als schwere andere seelische Abartigkeit i. S. d. § 20 StGB einzustufen wäre. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen einer Erledigung nach § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB anzunehmen, wenn zwar eine seelische Abartigkeit (hier: Pädophilie) besteht, diese jedoch nicht mehr als "schwer" i. S. d. § 20 StGB einzustufen wäre (vgl. Beschluss vom 05.02.2014, 1 Ws 340/13, juris, Rn. 13 m. w. N.; a. A.: Koller in RuP 2007, 57 ff. (63), wonach in diesen Fällen nur eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung in Betracht kommt). Auch ist der Sachverständige Dr. ... in seinem schriftlichen Gutachten zu der Einschätzung gelangt, dass die Pädophilie des Verurteilten von Beginn an nicht die Einstufung als schwere andere seelische Abartigkeit gerechtfertigt hätte. Allerdings handelt es sich bei der Beurteilung, ob eine diagnostizierte Störung, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich des 4. Merkmals gemäß § 20 StGB fällt, auch als "schwer" i. S. d. Vorschrift einzustufen ist, um eine Rechtsfrage (Senat, aaO.; s. a. BGH, Urteil vom 26.08.1997, 1 StR 383/97, juris, Rn. 8, OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.06.2007, 2 Ws 137/07, juris, Rn. 12; LG Berlin, Beschluss vom 01.12.2010, 594 StVK 146/10, juris, Rn. 24; Fischer, StGB, 61. Auflage, § 20 Rn. 42 m. w. N.), die das Gericht ohne Bindung an die Bewertung des Sachverständigen selbst zu beurteilen hat (OLG Stuttgart aaO.). Nach der Beurteilung des Senats kann nicht mit der für eine Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Zustand des Verurteilten zum Zeitpunkt der Anlassdelikte oder heute so beschaffen war oder ist, dass die Pädophilie nicht als schwere andere seelische Abartigkeit einzustufen wäre.

Die Diagnose einer Pädophilie rechtfertigt nicht ohne weiteres die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit. Insoweit kann auch der Schluss auf eine lediglich gestörte sexuelle Entwicklung gerechtfertigt sein. Der Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit ist bei sexueller Devianz nur dann erreicht, wenn die sexuelle Präferenz den Täter in seiner Persönlichkeit so nachhaltig verändert hat, dass sein Hemmungsvermögen in Bezug auf strafrechtlich relevantes Sexualverhalten erheblich herabgesetzt ist. Dies ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Täters unter Einbeziehung seiner Entwicklung, seines Charakterbildes sowie der ihm zur Last gelegten Tat einschließlich der ihr zugrunde liegenden Motive festzustellen (BGH, Beschluss vom 10.09.2013, 2 StR 321/13, juris, Rn. 6; Urteile vom 06.01.1998, 5 StR 446/97 und 582/97, jeweils juris, Rn. 8 f.). Die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit ist insbesondere dann naheliegend, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone mit abnehmender Befriedigung, zunehmender Frequenz, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung auf diese Praktiken geworden sind (BGH, Beschluss vom 06.07.2010, 4 StR 283/10, juris, Rn. 4). Sie kommt jedoch auch in anderen Konstellationen in Betracht (OLG Stuttgart, aaO., Rn. 14 f.). In den Blick zu nehmen sind z. B. der Anteil der Paraphilie an der Sexualstruktur, die Intensität des paraphilen Musters im Erleben, die Integration der Paraphilie in das Persönlichkeitsgefüge und die bisherigen Fähigkeiten des Probanden zur Kontrolle paraphiler Impulse (vgl. Ergebnis einer interdisziplinaren forensisch-psychiatrischen Arbeitsgruppe, veröffentlicht von Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß in NStZ 2005, 57 ff., dort unter II.2.2, S. 61). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dabei unter anderem auf die Bedeutung des Sexualverhaltens des Verurteilten außerhalb seiner Delinquenz (Beschluss vom 06.01.1998, 5 StR 582/97 Rn. 9), einschlägiger Vorverurteilungen, der Umsetzung sexueller Tagträume und Phantasien in deviante Handlungen, einer deutlichen Steigerung der Tathandlungen und gescheiterter Therapieversuche (Beschluss vom 25.07.2006, 4 StR 141/06 Rn. 14) hingewiesen worden.

Der Sachverständige hat seine Auffassung, dass eine schwere andere seelische Abartigkeit von Anfang an nicht vorgelegen habe (vgl. insbesondere S. 98 ff. d. Gutachtens), damit begründet, dass der Verurteilte durchaus andere Handlungsoptionen hatte, als Kinder zu missbrauchen. Das Einweisungsgutachten erfülle - so der Sachverständige - nicht die Mindestanforderungen für die Begutachtung der Schuldfähigkeit entsprechend der BGH-Arbeitsgruppe (Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, aaO.). Kriterien für eine progrediente sexuelle Deviation seien weder rückblickend noch aktuell ersichtlich. Der Sachverständige hat zur weiteren Prüfung der Schwere der seelischen Abartigkeit die Kriterien der o. g. Arbeitsgruppe für die Schwere von Persönlichkeitsstörungen geprüft und ist anhand dieser Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bedingungen für die Erfüllung einer schweren anderen seelischen Abartigkeiten aufgrund einer Persönlichkeitsstörung nicht vorliegen. Des Weiteren hat er nur eines von vier Kriterien der Entscheidungshilfe für die Einstufung einer Pädophilie nach Nitsche et al. angenommen und die übrigen Kriterien verneint.

Diese im schriftlichen Gutachten vorgenommene Bewertung - die als normative Beurteilung bereits nicht zu den Aufgaben des Sachverständigen gehört (s. o.) - wird vom Senat nicht geteilt. Da vorliegend nur noch eine andere seelische Abartigkeit aufgrund einer sexuellen Devianz, nicht aber aufgrund einer Persönlichkeitsstörung in Rede steht, kommt es auf die vom Sachverständigen geprüften, für Persönlichkeitsstörungen entwickelten Kriterien der Arbeitsgruppe Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß et al. nicht an. Die oben dargestellten von dieser Arbeitsgruppe entwickelten Kriterien für die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit aufgrund einer sexuellen Devianz wurden vom Sachverständigen hingegen nicht geprüft. Insgesamt ist der Sachverständige ferner bei seiner im Gutachten vertretenen Bewertung, dass die Pädophilie nicht derart schwer sei, dass sie die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit rechtfertige, von einem zu strengen Maßstab für das 4. Merkmal des § 20 StGB ausgegangen. Des Weiteren berücksichtigt die Bewertung des Sachverständigen nicht, dass die Annahme einer Fehleinweisung oder eines nachträglichen Wegfalls der Störung nur dann in Betracht kommt, wenn dies mit Sicherheit festgestellt werden kann (s. o.). Dass dem Täter andere Handlungsoptionen zur Verfügung standen, schließt die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht aus, da - wie bereits dargestellt - keine Aufhebung, sondern nur eine erhebliche Herabsetzung des Hemmungsvermögens erforderlich ist. Auch folgt aus den Mängeln des Gutachtens im Anlassverfahren nicht, dass auch das Ergebnis der Begutachtung fehlerhaft war. Schließlich ist die Progredienz der sexuellen Devianz kein notwendiges Kriterium für die Annahme einer schweren andere seelischen Abartigkeit.

Dies vorausgeschickt kommt der Senat zu der Bewertung, dass zwar nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Pädophilie eine Schwere, die die Einschätzung als schwere andere seelische Abartigkeit rechtfertigen würde, nicht erreicht hat, dies andererseits aber auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit (s. o.) festgestellt werden kann. Aufgrund der Verschlossenheit des Verurteilten sind wesentliche für die Beurteilung maßgebliche Kriterien weiterhin nicht einschätzbar, wobei die Feststellungslast im Rahmen des § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB gegen die Annahme einer Fehleinweisung oder eines nachträglichen Wegfalls der Störung streitet. So hatte bereits der Sachverständige in seinem Gutachten darauf hingewiesen (dort S. 76 f.), dass es ihm - wie aus der Wiedergabe des Explorationsgesprächs auch ersichtlich - trotz aller Versuche nicht gelungen sei, herauszufinden, wann der Verurteilte erstmals den Gedanken hatte, dass das Exhibieren vor kleinen Mädchen für ihn reizvoll sein könne. Auch müsse offen bleiben, inwieweit der Verurteilte in seinen durchgängig normalisierenden Auskünften seine Sexualität jenseits seiner "doofen Neigung" (so die Formulierung des Verurteilten) seit der Pubertät auch nur ansatzweise wahrheitsgemäß beschrieben habe. Der Sachverständige sah sich vor diesem Hintergrund nicht in der Lage, zu entscheiden, ob von einer Kernpädophilie auszugehen sei. Er wies darauf hin, dass auch kernpädophile Männer zuweilen Ehen eingingen und Kinder zeugten. Die Angabe des Verurteilten, dass ihn nicht die Mädchen, sondern nur das Exhibieren gereizt habe, sei eine völlig haltlose Behauptung vor dem Hintergrund, dass er die Mädchen seinerseits berührt habe. Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige erneut darauf hingewiesen, dass nicht klar sei, was in dem Verurteilten vorgehe und wie sehr ihn pädophile Inhalte beschäftigten. Mit der Kontrollfähigkeit des Verurteilten könne er sich nicht ernsthaft befassen, ohne etwas über das Innere des Verurteilten zu erfahren. Für eine Kontrollfähigkeit spreche, dass der Verurteilte die Mädchen habe manipulieren müssen und hierfür die Fähigkeit zu Triebaufschub erforderlich sei. Dagegen spreche, dass den Verurteilten selbst Gefängnisstrafen nicht abgehalten hätten weiterzumachen.

Nach alledem besteht nach Auffassung des Senats jedenfalls die ernsthafte Möglichkeit, dass der Verurteilte damals wie heute von pädophilen Phantasien okkupiert wird, diese bestimmend für seine Sexualstruktur sind und der Verurteilte in seiner Kontrollfähigkeit in Bezug auf pädophile Straftaten erheblich eingeschränkt ist. Gerade der nicht ausreichend einschätzbare Gesichtspunkt der Kontrollfähigkeit ist ausschlaggebend für die Beurteilung einer anderen seelischen Abartigkeit als schwer. Für eine nur geringe Kontrollfähigkeit spricht dabei, dass bei dem Verurteilten Verdrängungsmechanismen (ich-dystone Verarbeitung) greifen (vgl. zur Bedeutung dieses Kriteriums: Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, aaO. unter II.2.3). Der Verurteilte räumt zwar die Straftaten ein, blendet den Aspekt der Pädophilie jedoch aus und zieht sich - in angesichts des Ablaufs der von ihm begangenen Straftaten unhaltbarer Weise - darauf zurück, dass es ihm nur auf das Exhibieren ankomme. Insoweit hat bereits die Vorgutachterin ... nachvollziehbar ausgeführt, dass der Verurteilte in der Regel versucht habe, über seine exhibitionistischen Handlungen das Interesse der Mädchen zu wecken und dann weitere Kontakte aufzubauen, so dass von Exhibitionismus im eigentlichen Sinne nicht gesprochen werden könne (S. 41 des Vorgutachtens). Die Anlass- und früheren Straftaten zeigen vielmehr ein umfängliches sexuelles Interesse an vorpubertären Mädchen. Dass der Verurteilte insoweit zumeist erst eine gewisse Beziehung zu den Tatopfern aufgebaut hat, bevor es zu (über Exhibitionismus hinausgehenden) Handlungen sexuellen Missbrauchs kam, belegt zwar, dass er in der Lage ist, die Befriedigung seines Triebes hinaufzuschieben, dies steht der Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit jedoch nicht entgegen, da keine Aufhebung, sondern lediglich eine erhebliche Herabsetzung des Hemmungsvermögens hierfür erforderlich ist (vgl. oben). Dem Verurteilten kam es ersichtlich auf einvernehmliche sexuelle Kontakte zu den Kindern an, die er ohne ein behutsames Vorgehen nicht hätte erreichen können. Für eine Herabsetzung des Hemmungsvermögens spricht, dass der Verurteilte sich trotz der hohen Entdeckungsgefahr und auch nach der Erfahrung von Freiheitsentzug infolge seiner Straftaten, nicht von weiteren einschlägigen Straftaten hat abhalten lassen. Auch die weitgehende Erfolglosigkeit der langjährigen therapeutischen Bemühungen spricht für die Schwere der bestehenden Pädophilie. Aufgrund der durch die fehlende Offenheit des Verurteilten bestehenden Unklarheit über sein inneres Erleben in Bezug auf seine Sexualität und die Straftaten ist es letztlich nicht möglich, eine ansatzweise verlässliche Einschätzung dahingehend vorzunehmen, ob die Pädophilie den Verurteilten in seiner Persönlichkeit so nachhaltig verändert hat, dass sein Hemmungsvermögen in Bezug auf strafrechtlich relevantes Sexualverhalten erheblich herabgesetzt ist. Dies hat letztlich auch der Sachverständige in seiner Anhörung so bestätigt, indem er ausführte, dass eine ernsthafte Beurteilung der Kontrollfähigkeit des Verurteilten nicht möglich sei, ohne mehr über das Innere des Verurteilten zu erfahren.

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Paraphilie die Persönlichkeit des Verurteilten derart beherrscht, dass die Störung den erforderlichen Schweregrad für das 4. Merkmal des § 20 StGB erreicht. Diese Beurteilung betrifft den Zeitpunkt des Anlassurteils und den heutigen Zustand gleichermaßen. Angesichts der bislang fehlenden erkennbaren Therapiefortschritte ist nicht ersichtlich, dass es Änderungen gegeben hat. Dass es während der Unterbringung nicht zu devianten Auffälligkeiten gekommen ist, hat angesichts fehlender Möglichkeiten hierzu (der Verurteilte hatte bislang keine unbegleiteten Lockerungen) keine Aussagekraft. Die Voraussetzungen des § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB können somit nicht mit Sicherheit festgestellt werden.

b) Abgesehen von den vorstehenden Ausführungen käme auch eine Erledigung der Maßregel wegen einer Fehleinweisung aufgrund von Rechtsfehlern (wozu die Bewertung einer Störung als "schwer" i. S. d. § 20 StGB gehört, s. o.) nach insoweit einhelliger Rechtsprechung nicht in Betracht (OLG Hamburg, Beschluss vom 24.09.2010, Ws 90/10, juris, Rn. 23; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.10.2010, 3 Ws 970/10, Rn. 16 ff.; Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010, 1 Ws 164/10, juris, Rn. 14.; LG Berlin, aaO. Rn. 22 ff.). Diese Rechtsprechung ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.2006, 2 BvR 1486/06, juris, Rn. 3 ff.). Für diesbezügliche Fehler der Sachverständigen des Erkenntnisverfahrens oder der Strafkammer im tatsächlichen Bereich ist nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Sachverständige erklärt, keine Anhaltspunkte dafür zu haben, dass die damals tätige Sachverständige ... ihrer Beurteilung andere Anknüpfungstatsachen als er selbst zugrunde gelegt hatte.

2. Keine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB

Auch die Voraussetzungen einer Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB liegen nicht vor.

Eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung käme nur dann in Betracht, wenn mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzugs keine störungsbedingten erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen würde.

Dabei beherrscht der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowohl die Anordnung als auch die Fortdauer der Unterbringung. Das sich hieraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsverletzungen verlangt nach einem gerechten und vertretbaren Ausgleich. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs (BVerfG, Urteil v. 08.10.1985, 2 BvR 1150/80, 2 BvR 2504/82, juris, Rn. 43). Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hängt das erforderliche Maß an Gewissheit für zukünftig straffreies Verhalten einerseits wesentlich vom Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ab, wird aber andererseits durch die Dauer der Unterbringung wieder dahin relativiert, dass bei einem bereits langdauernden Freiheitsentzug etwaige Zweifel an einer günstigen Kriminalprognose leichter überwunden und Risiken in Kauf genommen werden müssen, um damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen. Das geforderte Maß der Wahrscheinlichkeit einer günstigen Prognose hängt maßgeblich von dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes ab (KG, Beschluss vom 07.05.2001, 1 AR 43/01, 5 Ws 23/01, juris, Rn. 3).

Nach diesen Maßstäben kommt eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung nicht in Betracht.

Der Sachverständige hat unter Anwendung verschiedener Prognoseinstrumente eine "mindestens mittlere, bei vorsichtiger Einschätzung hohe" Rückfallwahrscheinlichkeit für Sexualstraftaten angenommen (S. 101 d. Gutachtens). Er hat in der Anhörung klargestellt, dass diese Wahrscheinlichkeitseinstufung auch für Sexualdelikte gelte, bei denen der Verurteilte Mädchen im Kindesalter an der (auch nackten) Scheide berührt und diese dort küsst.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass der Verurteilte nach seiner Entlassung vor Mädchen in vorpubertärem Alter oder allenfalls in der Pubertät exhibiere und masturbiere. Bei entsprechender Gelegenheit bestehe auch die Gefahr, dass er Mädchen (wie in der Vergangenheit) sexuell berühre und auch die Scheide der Mädchen küsse.

Im Einzelnen ergab die Anwendung des Static-99 ein Gesamtscore von mindestens 5 (durchschnittliches bis hohes Rückfallrisiko, S. 95, 109 d. Gutachtens), wobei der Sachverständige darauf hinwies, dass "keine offizielle Verurteilung" wegen Exhibitionismus vorliege, was zu einem weiteren Risikopunkt und somit der Bewertung "Hohes Rückfallrisiko" geführt hätte. Im Gegensatz zu diesem Hinweis des Sachverständigen ist der Verurteilte jedoch auch wegen exhibitionistischer Handlungen vor Kindern ohne Berührungen verurteilt worden (das insoweit tateinheitlich verwirklichte Delikt des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ändert daran nichts, da das Kriterium lautet: "Verurteilungen aufgrund sexuell motivierter Straftaten ohne Opfer bzw. ohne körperlichen Kontakt - Exhibitionismus, obszöne Telefonanrufe, Voyeurismus ...", s. S. 109 d. Gutachtens), so dass tatsächlich auch dieses Item erfüllt ist, was zu einem Score von 6 und damit zur Annahme eines hohen Rückfallrisikos führt.

Der SVR-20 hat nach der Bewertung des Sachverständigen nur einen geringen Summenscore ergeben (S. 95, 110 d. Gutachtens). Diesbezüglich wies der Sachverständige jedoch darauf hin, dass ein Summenscore nicht gebildet werden solle, sondern es der Einschätzung des Gutachters überlassen bleibe, auch bei nur wenigen bejahten Items eine hohe Gefährlichkeit abzuleiten. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass es sich bei dem "Sexual Violence Risk-20" um einen Rückfallindikator für sexuelle Gewalttaten handelt, die hier gerade nicht in Rede stehen. Der Sachverständige kam für dieses Prognoseinstrument zur Annahme eines "mindestens moderaten" und eher hohen Rückfallrisikos.

Bei Anwendung des Tatbild-Risikoscores (TBRS) nach Dahle gelangte der Sachverständige zu einem mittleren bis hohen Risiko (S. 96). Bei Anwendung der Prognosekriterien nach Schüler-Springorum kam er zur Einschätzung, dass es sich bei dem Verurteilten um einen deutlich rückfallgefährdeten Täter handele (S. 97).

In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Sachverständige, dass er ein moderates bis hohes Risiko auch bezüglich Straftaten wie der Anlassdelikte sehe, die mit konkretem Körperkontakt (Anfassen oder auch Küssen der Scheide der vorpubertären Mädchen) einhergingen (25 - 50 % innerhalb eines Zeitraums von zwei bis sechs Jahren). Es sei eine Frage der Gelegenheit. Wegen der weiteren Ausführungen des Sachverständigen in der Anhörung wird auf den Anhörungsvermerk vom 24.09.2014 verwiesen.

Vor dem Hintergrund der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zur weiteren Gefährlichkeit des Verurteilten geht auch der Senat von einer mindestens mittleren bis hohen Wahrscheinlichkeit dafür aus, dass der Verurteilte im Fall seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug Mädchen im vorpubertärem Kindesalter dadurch sexuell missbrauchen wird, dass er nicht nur vor diesen onaniert, sondern diese auch an deren Geschlechtsteil berührt und an diesem leckt und/oder dieses küsst. Sexualdelikte, die mit einem aktiven Zugehen auf Kindern und dem Suchen von Körperkontakt verbunden sind, sind schwerwiegende Straftaten (BGH, Beschluss vom 22.08.2007, 2 StR 263/07, juris, Rn. 5).

Angesichts der Umstände, dass der Verurteilte seine Straftaten durchgehend in der Weise bagatellisiert hat, dass er den Tatopfern nicht geschadet habe, seine bestehende pädophile Neigung nach wie vor nicht einräumt, sich mit dieser nicht auseinandersetzt und diesbezüglich auch kein Problembewusstsein erkennen lässt, muss aus Sicht des Senats davon ausgegangen werden, dass die Gefährlichkeit des Verurteilten seit seiner Verurteilung unverändert fortbesteht.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Beziehung des Verurteilten zu seiner Ehefrau (von der er sich zudem - wenn auch aus finanziellen Gründen - scheiden lassen möchte) kein wirksamer protektiver Faktor ist, zumal es auch während der früheren Ehe des Verurteilten zu einschlägigen Straftaten gekommen war. Auch die Stabilität der Beziehung ist angesichts der von dem Funktionsoberarzt der Einrichtung in der Anhörung geschilderten Umstände ("böser Brief" der Ehefrau mit Hinweisen auf eine neue Beziehung ihrerseits, psychische Erkrankung der Ehefrau, s. Anhörungsvermerk) fraglich.

Auch dass der Verurteilte angibt, sich inzwischen als alten Mann zu akzeptieren, an dem junge Mädchen kein Interesse mehr hätten, ist nicht geeignet, die Prognose maßgeblich zu verbessern. Wie der Sachverständige in der mündlichen Anhörung angegeben hat, steckt in dieser Aussage eine kognitive Verzerrung, da der Verurteilte erkennbar davon ausgeht, die Opfer seiner früheren Straftaten hätten ihn sexuell attraktiv gefunden. Gerade dies lässt befürchten, dass es zu neuen sexuellen Missbrauchshandlungen dann kommen würde, wenn der Verurteilte (ggf. in erneuter kognitiver Verzerrung) wiederum den Eindruck gewinnen würde, dass er doch noch für Mädchen im Kindesalter "attraktiv" ist. Ein solcher Eindruck kann sehr schnell entstehen, wenn Kinder ggf. auch durch exhibitionistische Handlungen am Fenster neugierig werden oder seine Nähe suchen, wenn er ihnen - wie früher - Zauberkunststücke oder ein Aquarium vorführt, ihnen Geldbeträge schenkt oder sich mit ihnen künstlerisch beschäftigt. Die Angabe des Verurteilten spricht aus Sicht des Senats auch dafür, dass der Verurteilte die Verantwortung für sexuelle Handlungen im wesentlichen bei den Kindern sieht, da er die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten davon abhängig macht, ob diese ihn als sexuell attraktiv empfinden.

Auch sonst ist das Alter des Verurteilten kein protektiver Faktor. Zwar hat der Verurteilte in Bezug auf seine sexuelle Potenz angegeben, dass er derzeit Viagra bräuchte. Er wisse nicht warum, vielleicht habe man ihm etwas ins Essen "gehauen". Er hat jedoch angegeben, mit seiner Ehefrau (einmal) Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Erektionsstörungen könnten allerdings Folge der kürzlich begonnenen Behandlung mit Antidepressiva sein. Der Sachverständige hat diesbezüglich erläutert, dass Erektionsstörungen eine mögliche Nebenwirkung dieser Behandlung sein könnten. Er wies jedoch auch darauf hin, dass die sexuelle Präferenzstörung unabhängig von der Fähigkeit zu Erektion und Ejakulation fortbestehe.

Das durch diese erhebliche Gefahr beeinträchtigte Allgemeininteresse an einem Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch in Form von Streicheln, Küssen und Lecken an ihren Geschlechtsorganen überwiegt nach Bewertung des Senats trotz der langen Unterbringungsdauer weiterhin das immer gewichtiger werdende Freiheitsinteresse des Verurteilten. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Grund der bisherigen Dauer der Unterbringung insbesondere darin begründet liegt, dass der Verurteilte sich mit seinen Straftaten - insbesondere den über Exhibitionismus hinausgehenden Aspekten - nicht auseinandersetzen wollte, diese bis heute teilweise leugnet und bagatellisiert und nach wie vor auch mit einer triebdämpfenden Medikation oder einem Aufenthalt in einer betreuten Wohnform nicht einverstanden ist. Vor diesem Hintergrund sind dem Verurteilten folgerichtig (auch aufgrund einer fehlenden Einschätzbarkeit des Verurteilten infolge fehlender Offenheit) bislang noch keine unbegleiteten Lockerungen gewährt worden.

Es besteht allerdings die nicht gänzlich unbegründete Hoffnung, dass durch eine weitere Therapie im Maßregelvollzug die Voraussetzungen für eine Entlassung mit vertretbarem Risiko noch geschaffen werden können. Der Verurteilte hat seit einiger Zeit eine neue erfahrene Einzeltherapeutin. Nach Einschätzung der Therapeuten ist er offener geworden und erlebt die Behandler nicht mehr nur als repressiv, sondern auch als unterstützend. Die Klinik erwägt infolge dieser aktuellen Entwicklung, dem Verurteilten nach Klärung der Situation mit der Ehefrau auch unbegleitete Lockerungen zu gewähren. Möglicherweise kann im Rahmen der Einzeltherapie bei dem Verurteilten eine größere Veränderungsmotivation und ein Risikobewusstsein geweckt werden. Dafür könnte sprechen, dass es dem Sachverständigen während der Exploration jedenfalls kurz gelungen war, den Verurteilten zu erreichen, als er ihn darauf ansprach, wie es auf ihn als 9-jährigen Jungen gewirkt hätte, wenn eine ältere Frau sich vor seinen Augen selbst befriedigt hätte, wobei dies nach dem Eindruck des Sachverständigen für den Verurteilten eine erschreckende Vorstellung gewesen ist.Der Sachverständige hat hinsichtlich weiterer therapeutischer Schritte angegeben, dass der Verurteilte, um überhaupt erreicht werden zu können, einer hochfrequenten Einzeltherapie bedürfe und diesbezüglich nähere Vorschläge für die weitere Ausgestaltung dieser Einzeltherapie gemacht (S. 103 d. Gutachtens). Ob dies was bringe, sei fraglich, jedoch nicht ausgeschlossen.

Mildere Maßnahmen als die weitere Unterbringung im Maßregelvollzug, durch die die Gefährlichkeit des Verurteilten auf ein vertretbares Maß gesenkt werden könnte, sind nicht ersichtlich. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass ein geringer kontrollierendes Entlassungsumfeld als eine geschlossene Heimeinrichtung beim aktuellen Therapiestand unter kriminalpräventiven Gesichtspunkten nicht seriös befürwortet werden könne. Diesbezüglich wies er in der Anhörung darauf hin, dass die Mitarbeiter darauf achten müssten, dass der Verurteilte dort keinen Besuch von Kindern empfange. Der Verurteilte lehnt eine Unterbringung in einem Heim jedoch ab (dies sei sein Tod).

In der Anhörung ergänzte der Sachverständige, dass die Gefährlichkeit auch durch eine triebdämpfende Medikation gesenkt werden könne (soweit ersichtlich hat der Verurteilte während einer früher im Rahmen einer Bewährung durchgeführten Androcur-Therapie keine Straftaten begangen), die allerdings vom Verurteilten ebenfalls abgelehnt wird.

Zwar könne auch das Antidepressivum, das der Verurteilte nunmehr nehme, triebmindernd wirken, dies müsse jedoch nicht notwendig der Fall sein. Zur sachgerechten Einschätzung der Wirkung auf den Sexualtrieb sei eine verlässliche therapeutische Beziehung erforderlich, in der der Patient offen über seine Sexualität spreche. Dies sei hier nicht der Fall.

Auch mit Hilfe einer elektronischen Fußfessel könnte die Gefährlichkeit nicht wesentlich gemildert werden. Diese ermöglicht nur die Feststellung, wo sich der Verurteilte aufhält, nicht jedoch, was er dort tut. Da die Kontaktaufnahme zu seinen Tatopfern in der Vergangenheit dadurch erfolgte, dass er diese entweder vom Fenster seiner Wohnung aus ansprach oder sie in einer Eisdiele oder über eine Bekanntschaft zu den Eltern kennenlernte, wäre die Meldung des Betretens von Kinderspielplätzen oder Schulen nicht geeignet, solche Taten zu verhindern. Es verbleibt allein der Effekt, dass der Verurteilte durch das Tragen der Fußfessel an die Gefahr eines Widerrufs der Unterbringung erinnert wird. Angesichts der Risiken, die der Verurteilte auch trotz erlittenen Freiheitsentzugs in der Vergangenheit bei der Begehung seiner Taten eingegangen ist, misst der Senat diesem Gesichtspunkt lediglich eine geringe protektive Wirkung bei, die nicht geeignet wäre, das Risiko so weit zu verringern, dass eine Aussetzung der Maßregel zum jetzigen Zeitpunkt vertretbar wäre.

Der Senat hält es jedoch zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für geboten, dass die Klinik angesichts der zuletzt begonnenen positiven Entwicklung die vom Sachverständigen vorgeschlagenen therapeutischen Maßnahmen umsetzt und dem Verurteilten entsprechend den im Anhörungstermin vorgeschlagenen Planungen weitergehende Lockerungen zugesteht, soweit dies vertretbar erscheint. Dabei wird die Vollzugseinrichtung insbesondere zu berücksichtigen haben, dass die weitere Unterbringung im Hinblick auf allein exhibitionistische Taten nicht gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.02.2014, aaO., S. 13, Bl. 8 Bd. III d. VH), sondern nur wegen der bestehenden Gefahr von darüber hinausgehenden Sexualstraftaten angeordnet wird. Bis zu einem gewissen Grad wird daher das Risiko allein exhibitionistischer Straftaten während einer Vollzugslockerung deren Versagung jedenfalls dann nicht rechtfertigen können, wenn hiervon Therapiefortschritte oder eine verlässlichere Einschätzung der Gefährlichkeit des Verurteilten zu erwarten wären.

3. Keine Erledigung nach § 67d Abs. 6 S. 1 2. Alt. StGB

Da aus den vorgenannten Gründen das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Freiheitsinteresse des Verurteilten weiterhin überwiegt, kommt auch eine Erledigung der Maßregel aus Verhältnismäßigkeitsgründen gemäß § 67d Abs. 6 S. 1 2. Alt. StGB nicht in Betracht.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.