Landgericht Lüneburg
Urt. v. 29.12.1988, Az.: 1 S 226/87

Anwendung der sogenannten Zweikondiktionentheorie im Falle der arglistigen Täuschung wegen der Bösgläubigkeit des Verkäufers im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Vertrages; Rückzahlung des Kaufpreises nach wirksamer Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung; Verschweigen von Vorschäden am Fahrzeug des Verkäufers

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
29.12.1988
Aktenzeichen
1 S 226/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 20505
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:1988:1229.1S226.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Winsen (Luhe) - 21.09.1987 - AZ: 4 b C 900/87

Fundstelle

  • NJW 1989, 1097-1098 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 1988
durch
den Präsidenten des Landgerichts ... und
die Richterinnen am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 21. September 1987 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.758,37 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Dezember 1986 zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe des Pkw Opel Ascona B mit dem amtlichen Kennzeichen ...

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 7/17 dem Kläger und zu 10/17 dem Beklagten auferlegt.

Entscheidungsgründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

2

Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Beklagte ist lediglich zur Zahlung von 1.758,37 DM an den Kläger verpflichtet Zug um Zug gegen Herausgabe des verkauften Fahrzeuges.

3

Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich aus §§ 123, 142, 812, 818 BGB. Der Kläger hat wirksam den Kaufvertrag über den Pkw wegen arglistiger Täuschung angefochten.

4

Der Beklagte hat den Kläger dadurch arglistig getäuscht, daß er ihm den Vorschaden des Fahrzeuges verschwiegen hat, obwohl er ihm bekannt war. Daß dem Beklagten dieser frühere Unfallschaden bekannt gewesen sein muß, ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ... in dem insoweit ausgeführt wird, daß es sich im vorliegenden Falle um einen starken Vorderwagenschaden gehandelt haben muß, der nur auf unzulängliche und kostensparende Weise "behoben" worden ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist weiter davon auszugehen, daß der Beklagte bei Durchführung der Sanierungsarbeiten diesen schlecht behobenen Schaden erkennen mußte, zumal auch im Bereich des Vorderwagens Sanierungsarbeiten durchgeführt worden sind, also an der Stelle, an der der Pkw zuvor beschädigt worden war. Da der Beklagte von Beruf Kraftfahrzeugschlosser ist, können ihm die von dem Sachverständigen beschriebenen Vorschäden nicht verborgen geblieben sein. Schließlich hat der Beklagte konkrete Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen auch nicht erhoben.

5

Die aufgrund der arglistigen Täuschung erklärte Anfechtung des Kaufvertrages durch den Kläger mit Schreiben vom 25. November 1986 hat gemäß § 142 BGB die Nichtigkeit des Kaufvertrages zur Folge. Das führt zur Rückabwicklung des Vertrages nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften, d.h. der Beklagte schuldet grundsätzlich die Rückzahlung des Kaufpreises und der Kläger die Rückgabe des Fahrzeuges. Bei dieser Rückabwicklung ist hier allerdings zu berücksichtigen, daß der Pkw mittlerweile so beschädigt Ist, daß sich die Wiederherstellung wirtschaftlich nicht mehr lohnt und damit Totalschaden vorliegt. In welcher Weise diese Tatsache sich hier auswirkt, hängt davon ab, welche der verschiedenen bereicherungsrechtlichen Theorien angewendet wird.

6

Nach der sogenannten Zweikondiktionentheorie müßte der Beklagte den Kaufpreis ohne Rücksicht auf das Schicksal des Pkw zurückzahlen; denn bei dem Kläger ist durch die Zerstörung die Bereicherung weggefallen und damit eine Ersatzpflicht über die Herausgabe des zerstörten Fahrzeuges hinaus nicht mehr gegeben (§ 818 Abs. 3 BGB).

7

Demgegenüber hätte der Kläger nach der Saldotheorie lediglich einen Anspruch auf Rückzahlung des um den Wert des zerstörten Fahrzeuges verminderten Kaufpreises. Der Beklagte wäre nicht mehr als bereichert anzusehen, soweit der Kläger den Pkw bei der Rückabwicklung nicht mehr in seinem ursprünglichen Zustand bieten kann. Nach dieser Theorie beschränkt sich die Bereicherung bereits bei dem Austausch der Leistungen nur auf den Saldo. Dieses Austauschverhältnis soll auch bei der Rückabwicklung berücksichtigt werden, weil anderenfalls der Verkäufer stärker belastet würde, als das dem Grundgedanken des § 818 Abs. 3 BGB entspräche (BGHZ 57, Seite 150). Nach dieser Meinung würde es praktisch keinen Unterschied machen, ob der Kläger die Zerstörung des Fahrzeuges verschuldet hat oder nicht.

8

Schließlich wendet der BGH im Falle der arglistigen Täuschung wegen der Bösgläubigkeit des Verkäufers im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Vertrages (§ 819 Abs. 1 BGB) die Zweikondiktionentheorie an, kommt dann über § 242 BGB zu einer Berücksichtigung des Verschuldens des Käufers bei der Zerstörung des Fahrzeuges (BGHZ 57, Seite 151). Für die Ansprüche aus unerlaubter Handlung kommt er zu demselben Ergebnis über § 254 BGB.

9

Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung des BGH nicht, weil die richtige Verteilung des Risikos der Gefahrtragung nach Übergabe der gekauften Sache mit der Bösgläubigkeit des Verkäufers grundsätzlich nichts zu tun hat und deshalb unabhängig davon zu beurteilen ist.

10

Denn zwischen der arglistigen Täuschung und dem Untergang des Fahrzeuges besteht in der Regel kein Rechtswidrigkeitszusammenhang, es sei denn, der Unfall wäre gerade auf den Mangel zurückzuführen, über den der Käufer getäuscht worden ist. Gegen die Entscheidung des BGH ist schließlich auch einzuwenden, daß sie zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem, ob der Käufer wegen arglistiger Täuschung anficht oder die Wandlung erklärt. Die Wandlung des Vertrages wäre dem getäuschten Käufer gemäß §§ 467, 351 BGB nämlich dann verwehrt, wenn der Untergang oder die Verschlechterung der gekauften Sache durch ihn verschuldet ist. Dagegen könnte der Käufer bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung die Folgen des Unfalls über § 818 Abs. 3 BGB auf den Verkäufer abwälzen und die Kosten für die Anschaffung eines neuen Autos sparen, weil er arglistig getäuscht worden ist.

11

Wegen dieser aufgezeigten unterschiedlichen, oft vom Zufall abhängigen Ergebnisse hält es die Kammer mit einem Teil der Literatur (Lieb in Münchener Kommentar, 2. Auflage 1986, § 818 Rdn. 102; Huber in JuS 1972, Seite 443 ff.; Medikus "Bürgerliches Recht", 12. Auflage, § 12 Rdn. 229 f.) für zweckmäßiger, die Rückabwicklungsregeln nach Rücktritts- und Bereicherungsrecht zu harmonisieren. Die Risikotragung des Käufers hinsichtlich des Schicksals der gekauften Sache kann nicht von dem Zufall abhängen, ob der arglistig getäuschte Käufer später wandelt oder anficht. Daraus folgt, daß auch bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung§§ 350, 351 BGB entsprechend anzuwenden sind, d.h. hier, daß es darauf ankommt, ob der Kläger die Zerstörung des Fahrzeuges verschuldet hat oder nicht.

12

Der Kläger ist mit dem Pkw in den Straßengraben gefahren. Ursächlich hierfür war nach den Feststellungen des Sachverständigen ... nicht der Abriß der Stabilisatorstütze vorne rechts. Das Fahrzeug blieb nämlich trotzdem in jeder Hinsicht lenkfähig. Die Betriebssicherheit wurde hierdurch nur unwesentlich und das auch nur bei hoher Geschwindigkeit beeinträchtigt. Scheidet aber danach die von dem Kläger genannte Ursache für den Unfall aus, so ist nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheines davon auszugehen, daß der Käger infolge von Unaufmerksamkeit oder aufgrund seiner geringen Fahrpraxis von der Straße abgekommen ist; denn andere Ursachen für den Unfall, die nicht in seinem Verantwortungsbereich liegen, hat der Kläger konkret nicht dargetan.

13

Deshalb ist der Rückzahlungsanspruch des Klägers in entsprechender Anwendung des § 351 BGB um den Wert zu mindern, den der Pkw ohne diesen Unfall gehabt hätte. Der Sachverständige ... hat bei seiner Anhörung im Termin vor der Kammer ausgeführt, daß der Pkw mit dem ersten, schlecht reparierten Unfallschaden höchstens 1.200,00 DM wert gewesen sei. Nach Abzug dieses Wertes verbleibt zugunsten des Klägers ein Rückzahlungsanspruch von 1.450,00 DM.

14

Dieser Betrag ist nicht weiter um den Wert der Gebrauchsvorteile zu reduzieren, die der Kläger durch die Benutzung des Pkw erlangt hat. Der Wert dieses Gebrauchsvorteile, der der Wertminderung des Fahrzeuges durch den Gebrauch entspricht, ist vielmehr bereits in dem Wert des Fahrzeuges von 1.200,00 DM berücksichtigt. Denn dies ist der Wert, den das Fahrzeug bei dem Verkauf an den Kläger, also ohne die spätere Wertminderung durch die Nutzung des Fahrzeuges, hatte.

15

Schließlich kann der Kläger von dem Beklagten auch noch die Sachverständigenkosten in Höhe von 308,37 DM gemäß §§ 123, 823 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen; denn diese Kosten, die zur Feststellung des Vorschadens aufgewendet wurden, wären dem Kläger ohne die arglistige Täuschung des Beklagten nicht entstanden.

16

Insgesamt steht dem Kläger danach ein Erstattungsanspruch von 1.756,37 DM gegen den Beklagten zu.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.