Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.06.1995, Az.: 4 W 55/95

Nutzungsentschädigung eines Ehegatten für die Zeit des Getrenntlebens und der Zukunft; Nebenkosten und Nutzungskosten bei allein genutztem geringerem Miteigentumsanteil; Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Teilhabe an einer Gemeinschaft nach Bruchteilen; Modifizierung einer Bruchteilsgemeinschaft durch Wirkungen der Ehe; Unterhaltsleistung durch Gewährung einer Geldrente

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.06.1995
Aktenzeichen
4 W 55/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 30808
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1995:0602.4W55.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 03.11.1994 - AZ: 9 O 318/94

Fundstelle

  • NJW-RR 1996, 1221 (amtl. Leitsatz)

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die Beschwerde des Antragstellers vom 7. Februar 1995
gegen den Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 3. November 1994
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
die Richter ... und ...
am 2. Juni 1995
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der angefochtene Beschluß geändert.

Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt ... in Lüneburg zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.

Dem Antragsteller wird aufgegeben,

350,- DM monatlich, beginnend am 1. Juli 1995 zu zahlen, solange das Gericht nichts anderes bestimmt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind in einem Rechtsstreit jedoch nicht mehr als 48 Monatsraten zu zahlen. Die Folgeraten sind jeweils bis zum 1. eines jeden Monats zu zahlen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, sie ist auch begründet.

2

Die Parteien sind Eheleute und Miteigentümer des Hausgrundstücks ... Das Grundstück steht zu 75 % im Eigentum des Antragstellers, zu 25 % im Eigentum der Antragsgegnerin. Seit Oktober 1993 leben die Parteien in diesem Haus getrennt, der Antragsteller bewohnt die Wohnung im Obergeschoß, die Antragsgegnerin die Wohnung im Erdgeschoß, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es sich bei der Wohnung im Erdgeschoß um eine abgeschlossene Wohnung handelt.

3

Nach dem Auszug des Antragstellers aus der Ehewohnung im Erdgeschoß des Hauses hat er wie zur Zeit des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft Nebenkosten sowie Abträge für das Haus gezahlt.

4

Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin eine Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens und für die Zukunft, da die Antragsgegnerin trotz ihres geringeren Miteigentumsanteiles die größere Wohnung nutze. Außerdem verlangt der Antragsteller ebenfalls nachträglich und für die Zukunft anteilige Tragung der Nebenkosten sowie der Abträge für das Haus von der Antragsgegnerin.

5

Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers, ihm Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, mit der Begründung abgelehnt, die Trennung der Parteien habe nicht zu einer so grundlegenden Änderung der Verhältnisse geführt, daß der Antragsteller eine Neuregelung der Verwaltung und-Nutzung verlangen könne, da beide weiterhin das in ihrem Eigentum stehende Haus bewohnten.

6

Die gegen diese Entscheidung des Landgerichts gerichtete Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Erfolgsaussicht.

7

1.

Gemäß § 745 Abs. 1 BGB konnte der Antragsteller als Mehrheitseigentümer zu 3/4 durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung beschließen und durch Mehrheitsbeschluß festlegen, daß ab dem Zeitpunkt der Trennung der Parteien im Oktober 1993 die Antragsgegnerin eine Nutzungsentschädigung zu zahlen hat, soweit die von ihr bewohnte Fläche des Hauses über ihren Miteigentumsanteil hinausgeht, und sie sich an den Kosten und Lasten des Grundstücks entsprechend ihrem Miteigentumsanteil zu beteiligen hat.

8

Ein derartiger Mehrheitsbeschluß war nach Trennung der Parteien zulässig. Ehegatten, die Miteigentümer des mit dem Familienheim bebauten Grundstücks sind, sind nicht nur in ehelicher Lebensgemeinschaft verbunden, sondern als Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen auch aus den §§ 741 ff. BGB einander berechtigt und verpflichtet. Die Regeln der Bruchteilsgemeinschaft werden zwar durch die Wirkungen der Ehe nach den §§ 1353 ff. BGB modifiziert, soweit die eheliche Gemeinschaft verwirklicht wird. Leben die Ehegatten jedoch getrennt, läßt sich die Nutzung einer auch im Miteigentum des anderen Ehegatten stehenden Immobilie nicht mehr aus den Vorschriften über die Familienunterhalt herleiten, die eine intakte Ehe voraussetzen. Der laufende Unterhalt ist bei Getrenntleben durch Gewährung einer Geldrente zu leisten (§ 1361 Abs. 4 Satz 1 BGB). Keiner der getrenntlebenden Ehegatten kann eine andere Art der Unterhaltsgewährung verlangen (BGH FamRZ 1985, 436). Das Scheitern der Ehe, das durch die Trennung und die Einreichung eines Scheidungsantrages indiziert wird, führt zu einer Änderung auch solcher Rechtsverhältnisse, die vorher durch die Besonderheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft bestimmt waren (BGHZ 87, 265 = FamRZ 1983, 795 = NJW 1983, 1845).

9

Zwar haben die Parteien hinsichtlich der von dem Antragsteller beanspruchten Neuregelung wegen grundlegender Änderung der Verhältnisse einen ausdrücklichen Beschluß nicht gefaßt, ein Mehrheitsbeschluß gemäß § 745 Abs. 1 BGB kann aber auch formlos, also auch stillschweigend, gefaßt werden. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin auch angehört, wie sich aus dem vorprozessualen Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 14. September 1993 ergibt.

10

Bei dem Auszug des Antragstellers aus der ehelichen Wohnung im Erdgeschoß und Einzug in die Wohnung im Obergeschoß handelt es sich nicht um eine wesentliche Veränderung gemäß § 745 Abs. 3 BGB. Eine solche liegt nur dann vor, wenn durch die von dem Anragsteller vorgenommene Maßnahme die Zweckbestimmung des Grundtücks oder dessen Gestalt in einschneidender Weise geändert woren wäre (BGH NJW 1987, 3177 [BGH 04.05.1987 - II ZR 211/86]; BGH NJW 1983, 932). Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Das Grundstück war Anfang an als Wohngrundstück vorgesehen und wird von allen Beteiligten als solches genutzt.

11

Der Vortrag des Antragstellers zur Höhe des Nutzungswertes der beiden Wohnungen ist als noch ausreichend substantiiert des Beweises zugänglich, nachdem die Antragsgegnerin die geltend gemachte Höhe bestritten hat. Die Geltendmachung von Nebenkosten ist ausreichend substantiiert. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sind die Kosten für Wasser, Strom und Gas nur dann verbrauchsabhängig abzurechnen, wenn entsprechende Meßvorrichtungen vorhanden sind. Bei Fehlen derartiger Meßvorrichtungen kommt nur eine Verteilung nach Kopfteilen in Betracht, die hier zu einem höheren Kostenanteil der Antragsgegnerin führen könnte, als der Ansatz ihres Miteigentumsanteiles.

12

Im Hinblick, auf den angekündigten Antrag hinsichtlich zukünftiger monatlicher Vorauszahlungen kann Prozeßkostenhilfe auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Zuständigkeitsstreitwert für das Landgericht sei nicht erreicht.

13

Vorsorglich wird der Antragsteller darauf hingewiesen, daß Ausgleichsansprüche erstmals in dem der endgültigen Trennung folgenden Monat geltend gemacht werden können (Senat NJW-RR 1990, 265). Bedenken begegnet auch der geltend gemachte Zinszeitraum, da die Lasten des Grundstückes teilweise nicht monatlich fällig werden, sondern nur zu wenigen bestimmten Terminen im. Jahr (z.B. Versicherungen). Im übrigen wird hinsichtlich der für das Jahr 1994 geltend gemachten Kosten und Lasten des Grundstückes aufgrund des Zeitablaufes nicht mehr eine Abrechnung auf Vorauszahlungsbasis in Betracht kommen, sondern nur noch aufgrund der zwischenzeitlich erstellten Abrechnungen der Zahlungsempfänger.

14

Die Entscheidung über die Anordnung der Ratenzahlung ergibt sich aus § 115 Absatz 1 ZPO n.F..