Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.12.1974, Az.: R OVG L 2/74 (Nds.)

Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines Mitgliedes des Hauptrichterrates; Unterschied zwischen Richtervertretung und Personalvertretung; Genehmigungspflicht bei Reisen eines Mitglieds des Hauptrichterrates; Sachgerechte Ausübung von Aufgaben des Hauptrichterrates

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.12.1974
Aktenzeichen
R OVG L 2/74 (Nds.)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1974, 11607
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1974:1203.R.OVG.L2.74NDS.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 20.02.1974 - AZ: III A 58/73

Fundstelle

  • DRiZ 1975, 218-219

Verfahrensgegenstand

Erstattung von Reisekosten

Redaktioneller Leitsatz

Durch die einer Reise vorangehende Anordnung der Reise durch die Dienststelle wird weder die Unabhängigkeit des Hauptrichterrates noch die Richtervertretungstätigkeit gefährdet.

Der Senat für Richtervertretungssachen beim Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat im Termin zur mündlichen Anhörung am 3. Dezember 1974 in Lüneburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Lindner,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Kröger und Neumann sowie
die ehrenamtlichen Richter Beyer und Frau Degkwitz
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - III. Kammer Osnabrück - vom 20. Februar 1974 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist Richter in der nieder sächsischen Sozialgerichtsbarkeit und Mitglied des Hauptrichterrates der niedersächsischen Sozialgerichtsbarkeit.

2

Der Niedersächsische Sozialminister, dem die niedersächsischen Sozialgerichte unterstellt sind, unterrichtete unter dem 4. Oktober 1971 den Präsidenten des Landessozialgerichts Niedersachsen über die Ansicht der Justizminister und Senatoren für Justiz der Länder über die Einrichtung ständiger überregionaler Konferenzen von Richter Vertretungen. Er hielt solche Konferenzen nicht für zur ordnungsgemäßen Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Richtervertretungen notwendig, da das Niedersächsische Richtergesetz für Richterräte lediglich solche Aufgaben vorsehe, die sie gegenüber den zuständigen Dienststellen zu erfüllen hätten. Persönliche Kontakte zu Stellen außerhalb des Landes könnten grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der Richtervertretungen gezählt werden. Reisen zu solchen überregionalen Tagungen könnten nicht anerkannt werden und ihre Kosten seien daher nicht erstattungsfähig.

3

Der Präsident des Landessozialgerichts Niedersachsen informierte hiervon den Hauptrichterrat der Sozialgerichtsbarkeit.

4

In der Zeit vom 17. bis einschließlich 19. April 1972 fand in Hofgeismar in Hessen eine gemeinsame Tagung der Richtervertretungen der Länder statt. Die Tagungsordnung der Konferenz sah folgende Punkte vor:

"a.
Richterfortbildung, insbesondere Beteiligung der Richtervertretungen an den Angelegenheiten der Deutschen Richterakademie in ...,

b.
Erfahrungsaustausch über die derzeit bestehenden Regelungen betreffend Beurteilung von Richtern in den einzelnen Bundesländern und gegebenenfalls zu erwartende Änderungen bzw. Neuregelungen,

c.
Referentenentwurf des 1. Justizreformgesetzes des Bundes,

d.
Erfahrungsaustausch über die derzeit bestehenden landesrechtlichen Regelungen auf dem Gebiet des Rechts der Richtervertretungen einschließlich zu erwartender Änderungen in einzelnen Bundesländern und ihre Auswirkungen auf die Stellung des Richters,

e.
Richterbesoldung,

f.
Verschiedenes, u.a. Arbeitszeitverordnung für Beamte und Richter in Baden-Württemberg."

5

Der Hauptrichterrat der niedersächsischen Sozialgerichtsbarkeit beschloß, den Antragsteller als seinen Vertreter zu dieser Tagung zu entsenden. Der Antragsteller nahm an der Tagung teil.

6

Der Hauptrichterrat für die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit beschloß ebenfalls, sich an dieser Konferenz zu beteiligen. Sein Antrag, diese Reise zu genehmigen, wurde vom Niedersächsischen Minister der Justiz abgelehnt.

7

Der Antragsteller holte keine Genehmigung (Anordnung) für diese Reise nach ... (17. bis 19.4.1972 einschl.) ein. Er beantragte unter dem 21. April 1972 bei dem Beteiligten, ihm die Kosten dieser Reise zu erstatten. Der Beteiligte lehnte dies durch Bescheid vom 30. August 1972 ab. Auf den "Widerspruch" des Antragstellers führte der Beteiligte in seinem "Widerspruchsbescheid" vom 15. März 1973 aus: Weder sei die erforderliche Reisegenehmigung eingeholt worden noch sei die Reise zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Tätigkeit der Richtervertretung erforderlich gewesen.

8

Aus den Vorschriften des Niedersächsischen Richtergesetzes folge, daß die Aufgaben, die den Richtervertretungen zustehen, funktionell durch die Zuständigkeit der obersten Dienstbehörde begrenzt seien. Für Entscheidungen, die durch andere Landesbehörden oder Bundesbehörden getroffen werden, sehe das Gesetz keine Mitwirkung oder Mitbestimmung der Richtervertretung vor. Das gelte auch, wenn solche Entscheidungen gemeinschaftlich von mehreren Länder- oder Bundesbehörden getroffen werden. Insbesondere bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Tagung der Mitglieder der Richtervertretungen der Bundesländer. Dabei sei es unerheblich, welche Problempunkte vorgesehen seien.

9

Der Antragsteller hat darauf am 13. April 1973 das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Das Gesetz habe die Aufgaben der Richtervertretung so allgemein erläutert, daß auch ein landesübergreifender Erfahrungsaustausch eingeschlossen sei. Es sei Aufgabe der obersten Richterräte, dafür zu sorgen, daß die länderweisen Unterschiede abgebaut würden. Dies gelte besonders dann, wenn eine überregionale Einrichtung, die Richterakademie in Trier, bestehe. Aufgrund ständiger Rechtsprechung stehe im übrigen fest, daß eine Genehmigung der Reise nicht erforderlich sei.

10

Der Antragsteller hat beantragt,

die Bescheide des Präsidenten des Landessozialgerichts vom 30. August 1972 und 15. März 1973 aufzuheben und ihn zu verpflichten, ihm (dem Antragsteller) 139,80 DM Reisekosten für die Teilnahme an der gemeinsamen Tagung der Mitglieder der Richtervertretungen der Bundesländer einschließlich Berlins vom 17. bis 19. April 1972 in ... gemäß Reisekostenrechnung vom 21. April 1972 nebst 4 % Zinsen seit dem 30. August 1972 zu erstatten.

11

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen,

12

Er hat sich auf den Inhalt seines letzten Bescheides bezogen und ergänzend ausgeführt, daß nach § 110 des Niedersächsischen Richtergesetzes in der bis zum 1. Juli 1972 geltenden Fassung eine Anordnung der Reise erforderlich gewesen sei.

13

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen und zur Begründung seines Beschlusses im wesentlichen ausgeführt: Die Aufgaben der Richtervertretungen seien im Niedersächsischen Richtergesetz und im Niedersächsischen Personalvertretungsgesetz abschließend aufgeführt. Zu ihnen gehöre nicht die Teilnahme an Konferenzen von Hauptrichterräten der Bundesländer. Zwar wirke und bestimme der Richterrat auch in Fragen der Fortbildung mit, das bedeute jedoch nicht, daß sämtliche Veranstaltungen, auf denen Fragen der Fortbildung der Richter erörtert werden, zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben erforderlich wären. Konferenzen mit Richterräten seien im Gesetz nicht vorgesehen. Das brauche jedoch nicht solche Konferenzen zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben auszuschließen.

14

Die Voraussetzungen für eine Reise lägen hier aber nicht vor.

15

Denn für den Hauptrichterrat der Niedersächsischen Sozialgerichtsbarkeit sei eine Beteiligung ausgeschlossen, die von Gremien getroffen werde, die nicht Behörden des Landes Niedersachsen seien. Eine Einflußnahme auf Entscheidungen der Landesjustizminister in Fragen der Fortbildung der Richter sei weder durch Bundes- noch durch Landesrecht vorgeschrieben.

16

Gegen diesen dem Antragsteller am 5. März 1974 zugestellten Beschluß wendet er sich mit seiner am 18. März 1974 zugegangenen Beschwerde.

17

Der Antragsteller wiederholt seinen Vortrag und führt ergänzend aus: Abzulehnen sei die Ansicht des Verwaltungsgerichts, vor Antritt der Reise hätte eine Anordnung der Reise von der Dienststelle eingeholt werden müssen. Denn eine solche Genehmigungspflicht sei mit dem Sinngehalt des Richtervertretungsrechtes nicht zu vereinbaren. Auch folge aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im 14. Band, daß eine solche Reise nicht genehmigungspflichtig sei. Im übrigen wäre eine Genehmigung von dem Beteiligten nicht zu erwarten gewesen. Schwerpunkt der Tagung der Richtervertretungen sei das Problem gewesen, wie die Richtervertretungen sich an der Programmgestaltung für ... beteiligen könnten. Zwei von zweiundeinhalb Tagen sei allein hierüber verhandelt worden. Da der Hauptrichterrat ein Initiativrecht auf dem Gebiete der Fortbildung habe, habe eine Konferenz angesetzt werden müssen, um die verschiedenen Richterräte zu einer einheitlichen Auffassung zu bringen. Zu Unrecht verweise auch das Verwaltungsgericht auf Befugnisse der Personalräte, denn es bestände ein fundamentaler Unterschied zwischen einem Richterrat und einem Personalrat.

18

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach dem Antrage I. Instanz zu erkennen.

19

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

20

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß und ist der Auffassung, aus den Materialien zum Nieders. Richtergesetz sei zu erkennen, daß eine Anordnung zur Reise vorgeschrieben sei.

21

Inwieweit bei der Programmgestaltung in der Richterakademie ein Hauptrichterrat zu beteiligen sei, müsse in einem besonderen Verfahren geklärt werden. Im übrigen sei die Reise nicht notwendig gewesen, ein Austausch der Unterlagen hatte durchaus genügt.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages des Antragstellers und des Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge haben dem Senat vorgelegen und sind zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden.

23

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist frist- und formgerecht eingelegt, ihr ist jedoch der Erfolg zu versagen.

24

Der Rechtsweg für eine Entscheidung im Beschlußverfahren ist gegeben (§ 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nieders. Richtergesetz von 14. Dezember 1962 - Nieders. GVBl. S. 265 i.d.F. vom 20. März 1972 - Nieders. GVBl. S. 145 -). Denn der Antragsteller begehrt von dem Beteiligten lediglich den Ersatz von Aufwendungen, die ihm anläßlich einer Reise als Mitglied des Hauptrichterrates entstanden sind. Ob der Antragsteller neben diesem Anspruch noch Rechte nach dem Beamtenrecht hat, ist dabei in diesem Beschlußverfahren nicht zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24. Oktober 1969 - VII P 6.68 - ZBR 1970, 133 = Buchholz, Rspr. BVerwG 238.37 § 42 PersVG NW Nr. 2).

25

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage für den vom Antragsteller erhobenen Zahlungsanspruch ist der Zeitpunkt der streitbefangenen Reise (17. April bis 19. April 1972), bei der die geltend gemachten Aufwendungen entstanden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. Januar 1968-II C 58.67 - Buchholz a.a.O. 238.91 Nr. 3 BhV Nr. 9). Zutreffend ist daher das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß für den Anspruch des Antragstellers die zur damaligen Zeit geltenden Vorschriften anzuwenden sind.

26

Die hier für den Anspruch des Antragstellers in Betracht kommenden Vorschriften des Niedersächsischen Richtergesetzes - NdsRiG - lauten:

"II.
Richterräte

§ 10
Aufgaben des Richterrates

(1)
Der Richterrat wirkt oder bestimmt mit

1.
in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten der Richter,

2.
gemeinsam mit dem Personalrat in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten, die sowohl Richter als auch andere Bedienstete des Gerichts betreffen (gemeinsame Angelegenheiten).

(2)
Soweit dieses Gesetz keine Vorschriften enthält, sind auf die Richterräte die Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen sinngemäß anzuwenden. Insbesondere gelten für die Befugnisse und Pflichten der Richterräte in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten die §§ 65 bis 67, 70, 72, 74 bis 76, 80 und 81 des Personalvertretungsgesetzes.

(3)
...

§ 48

Kosten

(1)
Die Kosten, die durch die Wahl und die Tätigkeit der Richtevertretungen oder eines ihrer Mitglieder entstehen, trägt das Land, soweit sie zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl oder der Aufgaben der Richtervertretung notwendig sind.

(2)
Die Gerichtsverwaltung stellt den Richtervertretungen Räume und Geschäftsbedarf zur Verfügung."

27

Die Erstattung von Reisekosten wird im Richtergesetz nicht besonders geregelt, da hier die allgemeine Verweisung des § 10 Abs. 2 NdsRiG eingreift. Das Richtergesetz verweist allgemein auf die sinngemäße Anwendung der jeweils geltenden Vorschriften des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes. Nur diejenigen Fragen regelt es besonders, in denen sich für die Organisation der Richterräte spezielle Probleme ergeben. Daher sind die Rechtsverhältnisse der Richterräte weitgehend denjenigen der Personalräte angeglichen worden (vgl. Begr. zu § 10 Abs. 2 Regierungsvorlage vom 23. Mai 1962 - Nds. Landtag 4. WP Landtagsdrucks. Nr. 856). Entgegen der Ansicht des Antragstellers besteht somit zwischen den Richtervertretungen und Personalräten kein "fundamentaler" Unterschied.

28

Zu der hier streitbefangenen Frage war der federführende Ausschuß für Rechts- und Verfassungsfragen in seiner Sitzung am 17. Oktober 1962 der Auffassung, daß § 110 Personalvertretungsgesetz in der damals geltenden Fassung gemäß § 10 Abs. 2 NdsRiG uneingeschränkt anzuwenden ist. Bewußt habe der Landesgesetzgeber, abweichend vom Bundesrecht, die Bestimmung aufgenommen, damit "die Richtervertretung nicht einfach beschließen könne, auf die Reise zu gehen, sondern sie müsse sich erst die Dienstreise bewilligen lassen" (Nds. Landtag, Materialien Nieders. Richtergesetz, S. 110 f.).

29

Die danach sinngemäß anzuwendende Vorschrift des § 110 NiedersPersVG in der bis einschließlich 30. Juni 1972 geltenden - zwischenzeitlich nicht geänderten - Fassung (Art. V b Viertes Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes vom 20. März 1972 - Nieders. GVBl. S. 145), lautet:

"Reisekostenvergütung

Für Dienstreisen von Mitgliedern der Personalvertretung und der in den §§ 27 und 28 bezeichneten Personen gelten die allgemeinen Vorschriften des Reisekostenrechts. Die Reisekostenvergütung wird nach Stufe II bezahlt. Die Dienstreise ist durch die für die Genehmigung von Dienstreisen zuständige Stelle anzuordnen."

30

Die bis zum 30. Juni 1972 geltende Vorschrift des § 110 NdsPersVG hat also die "Anordnung" als Form einer Genehmigung für Reisen gewählt.

31

Die ab 1. Juli 1972 geltende entsprechende Vorschrift des § 52 Abs. 2 Satz 3 Nieders.PersVG schreibt dagegen lediglich vor, daß die Reisen der Dienststelle "vorher anzuzeigen" sind. Eine solche "Anordnung" schaltet die Dienststelle ein. Sie hat den Zweck, bereits vor Antritt der Reise des Mitglieds des Richterrates zu prüfen, ob die Voraussetzungen - Reise "zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben der Richtervertretung notwendig -" (§ 48 Abs. 1 NdsRiG) vorliegen. Zweck einer Anordnung (Genehmigung) der Reise ist es ferner, dem Richterrat das Risiko abzunehmen, daß er eine Reise beschließt, deren Kosten später von der Dienststelle nicht erstattet werden können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Dezember 1973 - VII P 9.72 - BVerwGE 44, 254 = ZBR 1974, 111 = RiA 1974, 131 = DÖD 1974, 85 = Die Personalvertretung 1974, 148). Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird durch die einer Reise vorangehende Anordnung der Reise durch die Dienststelle weder die Unabhängigkeit des Hauptrichterrates noch die Richtervertretungstätigkeit gefährdet. Denn die der Reise vorangehende Anordnung enthält schon deswegen keine mit dem-Sinngehalt des Richtervertretungsrechtes unvereinbare Beschränkung, weil sie an vom Gesetz festgelegte sachgerechte Voraussetzungen gebunden ist und der für die Anordnung zuständigen Stelle ein Ermessen oder ein Beurteilungsspielraum nicht zusteht (vgl. BVerwG o.a. Beschluß vom 21. Dezember 1973 = BVerwGE 44, 254 [257]).

32

Im vorliegenden Falle hat der Antragsteller seine Reise nicht vorher anordnen lassen. Er hat daher das Risiko der fehlenden Erstattungsfähigkeit in Kauf genommen, dieses, obgleich der Niedersächsische Sozialminister in seinem Erlaß vom 4. Oktober 1971 die Ansicht vertreten hat, daß Reisekosten für überregionale Konferenzen von Richtervertretungen nicht erstattungsfähig seien, da diese Reisen nicht notwendig im Sinne des Gesetzes sind, um die ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Hauptrichterrats der niedersächsischen Sozialgerichtsbarkeit zu ermöglichen. Der Antragsteller konnte als erfahrener Richter bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht auf eine Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Hauptrichterrates, an der Konferenz in ... in ... teilzunehmen, vertrauen.

33

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, daß die Teilnahme an der Konferenz in ... nicht zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Hauptrichterrates der Niedersächsischen Sozialgerichtsbarkeit notwendig war. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterscheidet zwar bei der Prüfung der Notwendigkeit der Reise einer Personalvertretung zwischen Regelungen, bei denen die Reise nicht anordnungspflichtig durch die Dienststelle ist und Reisen, bei denen eine Anordnung einzuholen ist (BVerwGE 44, 254 [258]). Handelt es sich aber - wie hier - um anordnungspflichtige Reisen, so muß die Reise als Mittel zur sachgerechten Ausübung von gesetzlichen Aufgaben des Hauptrichterrats durchgeführt werden. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn ohne die Reise die konkreten Aufgaben nicht sachgerecht hätten erfüllt werden können (vgl. BVerwG o.a. Beschluß vom 21. Dezember 1973). Dabei richtet sich der Umfang der Aufgaben der Vertretung nach dem Gesetz. Es muß sich um die ordnungsgemäße Ausübung einer Tätigkeit des Richterrates handeln (vgl. BVerwGE 34, 143). Ferner wird der Umfang zusätzlich noch durch die Kompetenz der Dienststelle begrenzt. Das ist die Zuständigkeit, die der Behörde organisationsrechtlich zukommt. Bezieht sich die Kompetenz der Dienststelle auf eine gemeinschaftliche Einrichtung mehrerer Länder, so ist es unschädlich, wenn die Einrichtung ihren Sitz außerhalb des Landes hat, zu dessen Verwaltung die Dienststelle gehört (vgl. für das Polizei-Institut Hiltrup: BVerwG, Beschl. v. 23. Oktober 1970 - VII P 4.70 - Buchholz a.a.O. 238.37 § 56 PersVG NW Nr. 1 = ZBR 71, 127 = BayVBl. 71, 347). Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in seinem Beschluß vom 5. November 1974 - P OVG B 3/74 - die organisationsrechtliche Stellung und die Zuständigkeit eines Personalrates wie folgt umschrieben:

34

"Der Personalrat hat eine öffentlich-rechtliche Organstellung im internen Verwaltungsaufbau und besitzt keine selbständige Rechtspersönlichkeit. Er ist berufen, die berechtigten Interessen der im Sinne des Personalvertretungsrechts zu einer Gemeinschaft zusammengefaßten Bediensteten im Rahmen der im Personalvertretungsgesetz gesetzten öffentlich-rechtlichen Aufgaben und Befugnisse gegenüber der Dienststelle wahrzunehmen" (vgl. hierzu BVerwG, Urt. vom 6.1.1972 - VI C 96.67 -; Fitting-Heyer-Lorenzen, Komm. zum PersVG, 3. Aufl., § 1 Anm. 43 ff.; Ballerstedt-Engelhard, Bayer PersVG, 2. Aufl., RdNr. 36 f. zu Art. 1). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in dem Beschluß vom 26. Mai 1970 - 2 BvR 311/67 - (= "Die Personal Vertretung" 1970, 260 [261]) im einzelnen ausgeführt:

"Der Personalrat hat nach dem Personalvertretungsgesetz als Repräsentant der Bediensteten die Aufgaben, die Beteiligung der Bediensteten an der Regelung des Dienstes und der Dienst- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen und die Interessen der Bediensteten zu vertreten, soweit diese von der Tätigkeit in der Dienststelle berührt werden. Hierbei ist der Personalrat an die materiell-rechtlichen und organisatorischen Vorschriften des Gesetzes gebunden, die ihm bestimmte Zuständigkeiten und Befugnisse (vgl. §§ 49 Satz 2, 59 Abs. 1, 76 Abs. 1 Buchst. c) PersVG) zuweisen. Zu diesen Befugnissen gehört es zwar nicht nur, die eigentlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte (§§ 61 ff. PersVG) wahrzunehmen; der Personalrat hat vielmehr auch die allgemeine Aufgabe, die Interessen der Bediensteten nach Maßgabe der §§ 56, 57 PersVG zu wahren. Auch diese "allgemeinen Aufgaben" können aber nicht ausweitend dahin verstanden werden, das sie das Mandat umschlössen, ganz allgemein Grundrechte der Bediensteten, sei es auch nur "komplementär" zur Grundrechtsausübung durch die Arbeitnehmer selbst, gegenüber dem Dienstherrn wahrzunehmen. Über das Personalvertretungsgesetz hinausreichende Handlungsbefugnisse stehen dem Personalrat nicht zu."

35

Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung in sinngemäßer Anwendung hier für die Richtervertretung abzuweichen. Im vorliegenden Fall war die streitbefangene Reise des Antragstellers zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben nicht notwendig. Es sind weder Tatsachen dargelegt worden noch sonst ersichtlich, daß eine in die gesetzliche Zuständigkeit des Hauptpersonalrat es der niedersächsischen Sozialgerichtsbarkeit fallende Aufgabe ohne diese Reise nicht hätte erfüllt werden können. Im übrigen hätte das Material für die einzelnen Themen, soweit es für die Arbeit der jeweiligen Richtervertretung in den einzelnen Ländern benötigt wurde, schriftlich herbeigezogen werden könne, wenn der Hauptrichterrat die Erfahrungen oder Vorarbeiten der Richtervertretungen anderer Bundesländer benötigt hätte.

36

Unergiebig ist der Hinweis des Antragstellers, der Niedersächsische Sozialminister habe in Angelegenheiten der Richterakademie ... bisher dem Hauptrichterrat keine oder unzureichende Informationen erteilt. Denn in welchem Umfange der Hauptrichterrat bei Fragen der Fortbildung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 NdsRiG i.V.m. § 74 Abs. 1 Buchst. c Nieders.PersVG a. F.) zu beteiligen ist, ist nicht Streitgegenstand dieses Beschlußverfahrens. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, seinem Hauptrichterrate eine Klärung im Beschlußverfahren vorzuschlagen.

37

Fehl geht der Hinweis des Antragstellers auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts im 14. Bande. Denn diese Entscheidung (22. Juni 1962 - VII P 8.61 - BVerwGE 14, 282 behandelt den Ersatz von Reisekosten einer Personalvertretung nach Bundes recht. Diese Regelung hatte aus den angeführten Gründen jedoch der niedersächsische Landesgesetzgeber seinerzeit für Richtervertretungen bewußt nicht übernommen.

38

Im übrigen behandelten in Hofgeismar die meisten Tagungsthemen Fragen der Rechtspolitik, für die im wesentlichen die Zuständigkeit der Richterverbände aber nicht der Richtervertretungen gegeben ist. Punkt b) der Tagesordnung befaßt sieh mit den zu "erwartenden Änderungen und Neuregelungen bei den Beurteilungen der Richter", Punkt c) führt den "Referentenentwurf des 1. Justizreformgesetzes des Bundes" an, Punkt d) u.a. die "zu erwartenden Änderungen" des Richtervertretungsrechts "in einzelnen Bundesländern und ihre Auswirkungen auf die Stellung des Richters", Punkt e) die "Richterbesoldung" und schließlich Punkt f) u.a. die "Arbeitszeitverordnung für Beamte und Richter in Baden-Württemberg" an. Da aber ein Richterrat kein politisches Mandat hat, fallen diese Themen nicht unter die gesetzlichen Aufgaben des Hauptrichterrates. Denn er ist zur Amtsführung im Rahmen des § 10 NdsRiG verpflichtet (vgl. BVerwGE 34, 141). Ferner sehen weder die in Betracht kommenden Vorschriften des Niedersächsischen Richtergesetzes noch die des Personalvertretungsgesetzes den Ersatz von Reisekosten von Richterräten für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen vor.

39

Ein gemeinsamer Erfahrungsaustausch von Richterräten auf "Bundesebene" mag zwar bei Fragen, für die im jeweiligen Land die Zuständigkeit gegeben ist, nützlich sein, er ist jedoch den Richterräten weder vom Bundesgesetzgeber noch vom Landesgesetzgeber als Aufgabe zugewiesen.

40

Das gesetzliche Gebot einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln durch die Personalvertretungen (vgl. OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 4. März 1961 - P OVG L 2/65 - OVGE 22, 389 und 30. November 1973 - P OVG L 11/73 - ZBR 1974, 142; Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages zit. nach BPM Runderlaß vom 8. Oktober 1957 [Gewerkschaftliche Praxis, 1974, S. 217]) gilt nach der Grundkonzeption des Niedersächsischen Richtergesetzes (§§ 10, 48 Abs. 1) sinngemäß auch für die Richterräte. Dieses Prinzip gebietet, Reisen zu unterlassen, die nicht zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Hauptrichterrats im Rahmen der sachlichen und örtlichen Kompetenz der Dienststelle zwingend notwendig sind, ferner zwingend notwendige Reisen nicht mit Tätigkeiten zu belasten, die nicht zu den gesetzlichen Aufgaben gehören, und in der Regel Sitzungen an dem Orte durchzuführen, an dem die Richtervertretung gebildet worden ist (vgl. hierzu BPM, Runderlaß vom 8.10.1957 a.a.O.).

41

Nach alledem war wie geschehen zu beschließen.

42

Für eine Entscheidung über die Kosten ist im Beschlußverfahren kein Raum (vgl. BVerwGE 4, 359 [BVerwG 02.05.1957 - II C 2/56]; § 49 Abs. 1 Satz 2 NdsRiG i.V.m. §§ 80 Abs. 1, 12 Abs. 5 und 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG).

43

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 49 Abs. 1 Satz 2 NdsRiG i.V.m. § 91 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen. Denn es handelt sich bei der hier grundlegenden Norm des § 110 PersVG a. P. um nicht mehr bestehendes Recht. Im übrigen sind die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 NdsRiG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht gegeben.

44

Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht gegeben (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. Februar 1972 - VII P 2.71 - "Die Personalvertretung", 1972, 214).

45

Unabhängig hiervon kann die Rechtsbeschwerde nach § 49 Abs. 1 Satz 2 NdsRiG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch ohne Zulassung eingelegt werden, wenn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts von einer in der Rechtsbeschwerdebegründung bezeichneten Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichung einer Rechtsbeschwerdeschrift bei dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, Uelzener Straße 40, oder bei dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin 12, Hardenbergstraße 31, einzulegen; die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§ 49 Abs. 1 Satz 2 NdsRiG i.V.m. § 94 Abs. 1 Satz 2 und 4 ArbGG). Die Rechtsbeschwerdeschrift muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet ist und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Beschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerde keine Begründung enthält, innerhalb weiterer zwei Wochen zu begründen; die Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde. Die Rechtsbeschwerdebegründung muß angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll (§ 49 Abs. 1 Satz 2 NdsRiG i.V.m. § 94 ArbGG).

Lindner
Kröger
Neumann