Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 25.02.2010, Az.: L 7 SF 2/09

Festsetzung des Landeszuschusses zu den Kosten eines Klägers für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
25.02.2010
Aktenzeichen
L 7 SF 2/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 15305
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0225.L7SF2.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 04.02.2009 - AZ: S 56 AS 1358/08

Fundstelle

  • NZS 2010, 520

Tenor:

Auf die Beschwerde des beklagten Landes wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 04.02.2009 aufgehoben.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet.

Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung an das Sozialgericht Hannover zurückverwiesen.

Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des beklagten Landes im Beschwerdeverfahren zu tragen. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Gegen diesen Beschluss wird die weitere Beschwerde an das Bundessozialgericht zugelassen.

Gründe

1

I.

Streitig ist der Rechtsweg für die am 13.05.2008 beim Sozialgericht Hannover erhobene Klage (S 56 AS 1358/08) gegen die Festsetzung der Landesbeteiligung an den Kosten des Klägers für die Grundsicherung für Arbeitssuchende im Haushaltsjahr 2008 nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuches - Nds. AG SGB II - (Bescheid vom 18.12.2007 und Widerspruchsbescheid vom 04.02.2008).

2

Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Umstellung im Festsetzungssystem des Beklagten insgesamt fünf Landkreise sowie insbesondere die Region Hannover überproportional begünstige. Während es für die Zuschussermittlung für das Jahr 2007 auf die jeweiligen Ausgaben der Kommunen im Kalenderjahr 2006 angekommen sei, seien für die Zuschussermittlung 2008 die Ausgaben im Zeitraum von Juli 2006 bis Juni 2007 herangezogen worden. Die Region Hannover habe jedoch im Oktober 2006 eine Nachzahlung i.H.v. 41 Mio EUR an die Bundesagentur für Arbeit geleistet. Diese sei bei den Berechnungen des Beklagten infolge der Verschiebung des für die Zuschussermittlung relevanten Bemessungszeitraums sowohl für die Landesbeteiligung für das Jahr 2007 als auch für das Jahr 2008 in Ansatz gebracht worden. Dadurch sei die Region Hannover gegenüber den pünktlich an die Bundesagentur für Arbeit nachzahlenden Kreisen - und damit auch gegenüber dem Kläger - doppelt begünstigt worden. Denn die innerhalb vorangegangener Abrechnungszeiträume nicht abgeführten Nachzahlungen an die Bundesagentur für Arbeit hätten durch die Wertstellung im Oktober 2006 sowohl die Zuwendung für das Jahr 2007 als auch für das Jahr 2008 erhöht. Deshalb habe es bei der Zuschussermittlung auf die Ausgaben für das Jahr 2006 und nicht auf die in 2006 kassenwirksam gewordenen Zahlungen ankommen müssen.

3

Demgegenüber hat sich der Beklagte im Wesentlichen darauf gestützt, dass § 5 Abs. 3 S. 2 Nds. AG SGB II nicht darauf abstelle, für welchen Zeitraum Leistungen erbracht worden wären. Es komme auf den Zeitpunkt der Meldung an, so dass auch periodenfremde Erstattungen als Ausgaben für den in Streit stehenden Abrechnungszeitraum in Ansatz gebracht werden müssten.

4

Das Sozialgericht Hannover hat sich nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 04.02.2009 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hannover verwiesen. Der Verwaltungsrechtsweg sei nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Die Streitigkeit sei nicht als Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitslose i.S.d. aufdrängenden Spezialzuweisung des§ 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz - SGG - zu werten. Es handele sich der Sache nach um einen Anspruch aus dem Recht des kommunalen Finanzausgleichs. Die Beteiligten stritten nicht über im Einzelfall erbrachte Leistungen nach den Vorschriften des SGB II, sondern über die finanzielle Ausstattung des Klägers.

5

Das beklagte Land hat gegen den am 10.02.2009 zugestellten Beschluss am 17.02.2009 Beschwerde erhoben. Es ist der Auffassung, die Streitfrage sei nicht dem kommunalen Finanzausgleich zuzuordnen. Im Übrigen wären die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 46 Abs. 5 SGB II und die Berechnung des Landeszuschusses nach § 5 Nds. AG SGB II so eng miteinander verbunden, dass bei Klageverfahren eine einheitliche Zuständigkeit geboten sei.

6

Das beklagte Land beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 04.02.2009 aufzuheben und den Rechtsstreit beim Sozialgericht Hannover fortzuführen.

7

Der Kläger tritt dem Beschwerdebegehren entgegen.

8

Er ist der Auffassung, das beklagte Land sei grundsätzlich nicht in das Leistungssystem des SGB II eingebunden.

9

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

10

II.

Die Beschwerde ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - i.V.m. §§ 172, 173 SGG statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet.

11

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG eröffnet. Das Sozialgericht Hannover ist sachlich und örtlich zuständig (vgl. §§ 8, 57 SGG).

12

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dazu zählt auch die im Streit stehende Festsetzung des Landeszuschusses an den Kosten des Klägers für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gem. § 5 Nds. AG SGB II. Danach beteiligt sich das Land an den Kosten der kommunalen Träger für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende mit jährlich 136 Mio. EUR (Abs. 1). Die Verteilung und Auszahlung der Landesbeteiligung erfolgt gemäß den Abs. 2 - 4. Vorliegend geht es um die Berechnung und Festsetzung des Landeszuschusses für die Aufwendungen des Klägers für die Kosten für Unterkunft und Heizung nach Maßgabe des Abs. 3. Die Vorschrift regelt ein dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzurechnendes Finanzierungssystem. Denn der Landeszuschuss und der in § 46 Abs. 5 SGB II geregelte Bundeszuschuss für die Leistungen für Unterkunft und Heizung stellen ein spezielles Konzept der Finanzierung der durch die Kommunen getragenen Grundsicherungsleistungen dar. § 5 Nds. AG SGB II und § 46 Abs. 5 SGB II zusammen setzen die mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I-2954) vorgesehene finanzielle Entlastung der Kommunen um (vgl. LT-Drs. NDS 15/3850 u. LT-Drs. NDS. 15/3690, S. 4 ff). So bringt neben den in § 46 Abs. 5 SGB II geregelten Entlastungszahlungen des Bundes das jeweilige Bundesland seine ersparten Wohngeldmittel ein und leitet diese an die kommunalen Träger weiter. Die Verteilung der ersparten Wohngeldmittel ist in Niedersachsen durch § 5 Nds. AG SGB II geregelt. Bei systematischer und historischer Betrachtung ist daher von einem speziellen den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuzurechnendem Finanzierungskonzept auszugehen. Im Übrigen reichen für den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG eine Verknüpfung der rechtlichen Problematik mit dem SGB II sowie der enge sachliche Zusammenhang zur Verwaltungstätigkeit der Behörden nach demSGB II aus (BSG 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL -, Rz. 20).

13

Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf das Niedersächsische Gesetz über den Finanzausgleich - NFAG - (vom 14.09.2007, Nds GVBl., S. 466) und das Niedersächsische Gesetz zur Regelung der Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen - NFVG - (vom 13.09.2007, Nds. GVBl., S 461). Das NFAG und das NFVG regeln die Teilhabe der Kommunen an bestimmten Steuereinnahmen von Bund und Ländern und die Finanzierung bestimmter kommunaler Aufgaben. Demgegenüber handelt es sich bei der Beteiligung an den kommunalen Kosten der Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht um die Verteilung bestimmter Steuereinnahmen nach dem NFAG oder die vom NFVG vorgesehene Finanzierung dort genannter kommunaler Aufgaben.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung. Eine Streitwert- oder Gegenstandswerfestsetzung für das Beschwerdeverfahren war jedoch entbehrlich, da wertabhängige Kosten nicht entstanden sind. Gerichtsgebühren sind nach § 21 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - wegen unrichtiger Sachbehandlung durch das SG Hannover nicht zu erheben.

15

Die Beschwerde an das Bundessozialgericht war gem. § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4, S. 4, 5 GVG zuzulassen, weil die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.