Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.12.1958, Az.: P OVG 4/58

Gültigkeit von Unterschriften auf Wahlvorschlägen; Erledigung der Hauptsache durch Ablauf der Amtszeit eines Personalrats; Berechtigung zur Wahlanfechtung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.12.1958
Aktenzeichen
P OVG 4/58
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1958, 10609
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1958:1219.P.OVG4.58.0A

Verfahrensgegenstand

Wahlanfechtung

In dem Rechtsstreit
hat das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg, Fachsenat für Personalvertretungssachen,
in seiner Sitzung vom 19. Dezember 1958,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Engelhard als Vorsitzender
... als ehrenamtliche Beisitzer
nach mündlicher Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag des Beschwerdeführers, das Verfahren unter Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses für erledigt zu erklären, wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Der Personalrat für das ... in ... wurde in der Zeit vom 29. Februar bis 2. März 1956 gewählt. Es fand Gruppenwahl statt. In dem Wahlausschreiben vom 17. Januar 1956 wurden die wahlberechtigten Bediensteten aufgefordert, vor Ablauf von 18 Kalendertagen, spätestens bis zum 4. Februar 1956, Wahlvorschlage beim Wahlvorstand einzureichen. Für die Wahl in der Arbeitergruppe wurden ein Wahlvorschlag der Gewerkschaft der ... und ein Wahlvorschlag der Antragstellerin ... fristgemäß eingereicht.

2

Nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge wurde der ... Wahlvorschlag der Antragstellerin ... dem Listenführer ... zur Vervollständigung zurückgegeben, weil einige Unterzeichner dieses Wahlvorschlages ihre Unterschriften nachträglich zurückgezogen hatten. [XXXXX]Da nach Ansicht des Wahlvorstandes die Vervollständigung des Wahlvorschlages nicht fristgemäß erfolgt ist, wurde dieser bereits ... durch Aushang bekanntgemachte Wahlvorschlag später wieder eingezogen und die Wahl ohne Berücksichtigung dieses Wahlvorschlages durchgeführt. Das Ergebnis der Wahl ist am 3. März 1956 durch Aushang bekanntgemacht worden.

3

Mit Schriftsatz vom 14. März 1956 - bei dem Langesverwaltungsgericht in Braunschweig eingegangen am 15. März 1956 - hat die Antragstellerin die Wahl angefochten mit dem Antrage.

4

Die Wahl in der Arbeitergruppe zum Personalrat des ... in ... für ungültig zu erklären.

5

Die Antragstellerin hat vorgetragen: Der von ihr in Gemeinschaft mit der ... eingereichte Wahlvorschlag habe zur Zeit seiner Einreichung die erforderliche Zahl von Unterschriften gehabt. Die Unterzeichner des Wahlvorschlages seien sofern nicht von Wahlvorschlägen von § 10 Abs. 4 WahlOZ PersVG hätten nicht befugt gewesen, ihre Unterschriften nachträglich wieder zurückzuziehen. Im übrigen sei dem Listenführer ... der Wahlvorschlag überhaupt nicht vom Vorsitzenden oder einem Mitgliede des Wahlaufschluß, sondern von dem damaligen Vorsitzenden des Betriebsrates zurückgegeben worden. Dies sei unzulässig gewesen, so daß die dem Listenführer gesetzte Frist bis Montag, dem 13. Februar 1956, 17 Uhr, überhaupt nicht zu laufen begonnen habe. Überdies sei der vervollständigte Wahlvorschlag vor Ablauf dieser Frist wieder an den Wahlvorstand gelangt.

6

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen,

7

und die Antragsbefugnis der Antragstellerin bestritten.

8

Das Landesverwaltungsgericht in Braunschweig - Fachkammer für Personalvertretungssachen - hat durch den am 29. Januar 1958 verkündeten und den Beteiligten am 8. Juli 1958 zugestellten Beschluß dem Antrage entsprochen und die Wahl der Arbeitergruppe zum Personalrat des ... in ... für ungültig erklärt. Der Beschluß wird im wesentlichen wie folgt begründet: Für die Gültigkeit von Unterschriften auf Wahlvorschlägen sei der Zeitpunkt der Einreichung beim Wahlvorstand maßgebend. Die Zurückziehung von Unterschriften nach Einreichung des Wahlvorschlages habe auf dessen Gültigkeit keinen Einfluß mehr. Der Wahlvorstand sei daher überhaupt nicht befugt gewesen, die Vervollständigung des ... Wahlvorschlages der Antragstellerin ... zu verlagen.

9

Gegen diesen Beschluß hat der Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 13. Februar 1958 - beim Landesverwaltungsgericht eingegangen am 14. Februar 1958 - Beschwerde eingelegtem ...

10

Er bestreitet weiterhin die Aktivlegitimation der Antragstellerin und macht mit späteren Schriftsätzen geltend, das Verfahren habe sich erledigt, da die Amtszeit des in der Zeit vom 29. Februar bis 2. März 1956 gewählten Personalrats inzwischen abgelaufen und ein neuer Personalrat gewählt worden sei. Er stellt nunmehr von Antrag:

das Verfahren unter Aufhebung des Beschlusses des Landesverwaltungsgerichts Braunschweig vom 29. Januar 1958 für erledigt zu erklären.

11

Die Antragstellerin hat um Zurückweisung der Beschwerde gebeten.

12

Es wirkte sich um ... Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, ... so daß eine Wiederholung des vorliegenden Streitfalles zu befürchten sei.

13

Der Dienststellenleiter des ... in ... ist als Beteiligter im Verfahren gehört worden. Einen förmlichen Antrag hat er nicht gestellt. Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

14

Die Vorgänge betreffend die Wahl des örtlichen Personalrats beim ... in ... vom 29. Februar bis 2. März 1956 haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

15

II

Dem Antrage des Beschwerdeführer, das Verfahren [XXXXX] für erledigt zu erklären, kann nicht entsprochen werden.

16

Die Hauptsache hat nicht dadurch ihre Erledigung gefunden, daß die Amtszeit von Personalrats, offenen Wahl [XXXXX] abgelaufen und ein neuer Personalrat gewählt worden ist. Zwar ist dadurch der dem Antrage zugrundeliegende Streitfall als durch die Ereignisse überholt anzusehen. Diese von der Antragstellerin nicht zu vertretende Veränderung der Verhältnisse steht jedoch dem Rechtsschutzbedürfnis an einer sachlichen Entscheidung in dem als objektives Verfahren gestalteten und der Disposition der Beteiligten weitgehend entzogenen Beschlußverfahren nicht entgegen (so übereinstimmend BVerwG., Beschl. vom 20.6.1958 - VII P 13.57 - NJW. 1958 S. 1649 = ZBR. 1958 S. 279, vom 1.8.1958 - VII P 21.57 - ZBR. 1958 S. 351, ... vom 3.10.1958 - VII P 12.57 - RiA 1958

17

[XXXXX] In der Sache selbst ist der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts zuzustimmen. Es hat zunächst die Befugnis der Antragstellerin zur Wahlanfechtung zutreffend bejaht. Nach § 22 PersVG. ist u.a. jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft zur Wahlanfechtung befugt. Eine Gewerkschaft ist dann in der Dienststelle vertreten, wenn ihr mindestens ein Bediensteter angehört. Diese Voraussetzungen liegen vor. Im übrigen gelten für den Begriff "Gewerkschaft" auch im Personalvertretungsrecht grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie im Arbeitsrecht. Nur eine Tariffähigkeit ist von den Verbänden der Beamten nicht zu fordern, da dies mit ihrem Wesen unvereinbar wäre. Es können ... auch Unterorganisationen eines solchen Verbandes anfechtungsberechtigt im Sinne von § 22 PersVG. sein, sofern sie über eine bestimmte Selbständigkeit verfügen (BVerwG., Beschl. vom 5.11.1957 - VII P 4.57 - BVerwGE. 5 , 324von insoweit ausgedrückt). Aus der von der Antragstellerin vorgelegten Satzung ergibt sich eindeutig, daß auch die Bezirke der GDL diese Voraussetzungen erfüllen, insbesondere eine eigene körperschaftliche Organisation besitzen. Sie sind vom Mitgliederbestand unabhängig und haben einen eigenen Vorstand, der von der Bezirksversammlung gewählt wird (§§ 11 und 13 der Satzung). Dem Bezirk obliegt die Vertretung der Gewerkschaft und ihrer Mitglieder im eigenen Namen (vgl. hierzu auch OVG. Münsterwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichung einer Rechtsbeschwerdeschrift bei dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, Uelzener Straße 40, oder beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin-Charlottenburg 2, Hardenbergstraße 31, einzulegen; die Rechtsbeschwerdeschrift muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§ 76 Abs. 2 PersVG. in Verbindung mit § 94 Abs. 1 Satz 2 und 3 ArbGG.). Die Rechtsbeschwerdeschrift muß angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll (§ 76 Abs. 2 PersVG. in Verbindung mit § 94 Abs. 2 ArbGG.).