Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 01.08.2003, Az.: 3 B 84/02
Arbeitskraft; Asyl; Asylbewerber; Aufenthalt; Aufenthaltsbewilligung; Ausbildung; Ausländer; Bäckergeselle; Bäckermeister; Meisterprüfung; Weiterbildung; Zuwanderung; öffentliches Interesse
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 01.08.2003
- Aktenzeichen
- 3 B 84/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48584
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 Nr 4 AAV
- § 8 AAG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein abgelehnter Asylbewerber, der als Bäckergeselle arbeitet und Bäckermeister werden will, hat grds. keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenhaltsbewilligung nach §§ 2, 8 AAV. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der ausländerpolitischen Veränderungen, die sich seit Beginn des Jahres 2000 in einer offeneren Einwanderungspolitik ausdrücken, etwa in der Zuwanderung insbesondere qualifizierter Arbeitskräfte ("Green-Card-Aktion").
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. November 2002, mit dem die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt worden ist, kann nicht angeordnet werden. Denn der Bescheid ist rechtmäßig. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung.
a) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Aus- und Weiterbildung nach § 2 Arbeitsaufenthalteverordnung - AAV - sind nicht gegeben. Dies hat der Antragsgegner in seinem Bescheid vom 18. November 2002 im Einzelnen dargelegt. Der Einzelrichter folgt der Begründung und teilt sie, er sieht von einer Wiederholung der Gründe ab (vgl. § 17 Abs. 5 VwGO). Insbesondere - das sei noch einmal hervorgehoben - sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 AAV nicht gegeben. Hiernach kann eine Aufenthaltsbewilligung zur Aus- und Weiterzubildung erteilt werden, soweit an der Ausbildung des Ausländers ein besonderes, insbesondere entwicklungspolitisches Interesse besteht oder soweit eine internationale Ausbildung allgemein üblich ist.
Eine „internationale Bäckerausbildung“ ist nicht allgemein üblich. An der Weiterbildung des Antragstellers, der bereits Bäckergeselle ist, zur Ermöglichung der Ausbildung zum Bäckermeister besteht auch kein besonderes öffentliches Interesse.
Ein besonderes Interesse im Sinne der genannten Vorschrift kann etwa dann angenommen werden, wenn in dem betreffenden Berufszweig im Bundesgebiet ein Mangel herrscht und daher zur Rekrutierung des Nachwuchses ausländische Bewerber ausgebildet werden müssen. Dies ist indes nicht der Fall.
Insbesondere kann nicht - wie der Antragsteller meint - davon ausgegangen werden, dass der Bäckereiberuf ein Beruf ist, den deutsche Staatsangehörige nicht mehr gern ausüben wollen. Der Bäckermeister B., bei dem der Antragsteller beschäftigt ist, hat in seiner Bescheinigung vom 25. Juni 2002 darauf hingewiesen, dass in seinem Betrieb laufend Nachwuchs ausgebildet wird. Wenn es auch in der Absicht des Bäckermeisters steht, die vakante Position des verstorbenen jungen Bäckermeisters im Betrieb durch den Antragsteller auszufüllen, so bleibt dieser Wunsch doch ein privates Interesse eines einzelnen Unternehmers. Ein über diesen privaten Rahmen hinausgehendes öffentliches, insbesondere arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Weiterbeschäftigung gerade des Antragstellers liegt nicht vor. Aus diesem Grunde kommt es in rechtlicher Hinsicht - und nur das ist bei der hier vorzunehmenden gerichtlichen Entscheidung maßgeblich - nicht darauf an, dass der Bäckermeister B. den Antragsteller gerne in seinem Betrieb weiter beschäftigen möchte.
Auch für eine Existenzgefährdung des Betriebes, der in der Produktion 12 Mitarbeiter beschäftigt, ohne Mitarbeit gerade des Antragstellers ergeben sich keinerlei konkrete Anhaltspunkte.
Ein entwicklungspolitisches Interesse im Sinne der genannten Vorschrift kann etwa darin gesehen werden, dass im Herkunftsland des Bewerbers ein Mangel an ausgebildeten Fachkräften besteht und der betreffende Ausländer mit der in Deutschland genossenen Ausbildung nach Rückkehr in das Heimatland aufgrund seiner Weiterqualifikation besondere Aufgaben in einem Mangelberuf übernehmen kann. Auch von einem solchen Ausnahmefall kann nicht ausgegangen werden, da in der Türkei kein Mangel an Bäckern herrscht. Die lediglich allgemein gegebene Nützlichkeit einer Meisterausbildung in Deutschland oder ein erleichterter Einstieg in das Berufsleben im Heimatland können hingegen kein besonderes öffentliches Interesse i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 AAV begründen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar Stand: Mai 2003, § 10 AuslG Rdnr. 33).
b) Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht aus § 8 AAV. Danach darf in einem begründeten Ausnahmefall eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden, wenn die oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle jeweils im Benehmen mit den Landesarbeitsamt festgestellt hat, dass ein besonderes öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse die Beschäftigung des Ausländers erfordert.
Ein solches besonderes öffentliches Interesse an der Beschäftigung des Antragstellers hat die nach dem Runderlass des Innenministeriums vom 21. Dezember 1990 (Ministerialblatt 1991 Seite 110) zuständige Bezirksregierung hier mit Verfügung vom 7. November 2002 in einer vom Einzelrichter nicht zu beanstandenden Weise verneint.
aa) Die Verfügung der Bezirksregierung ist nicht verfahrensfehlerhaft, obgleich die Bezirksregierung nicht vorher das Benehmen mit dem Landesarbeitsamt hergestellt hat. Denn nach Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte des § 8 AAV ist das Benehmen nur für die positive Feststellung geboten, dass ausnahmsweise ein besonderes öffentliches Interesse die Beschäftigung des Ausländers erfordert. Verneint die Bezirksregierung - wie hier - in eigener Zuständigkeit das nach § 8 AAV erforderliche besondere öffentliche Interesse, so bedarf es dazu nicht der Herstellung eines Benehmens mit dem Landesarbeitsamt (ebenso OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.06.1992 - 13 M 2573/92 -).
bb) Die Bezirksregierung ebenso wie der Antragsgegner gehen auch rechtsfehlerfrei davon aus, dass ein besonderes öffentliches Interesse für die Beschäftigung des Antragstellers in Deutschland nicht gegeben ist. Neben arbeitsmarktpolitischen Erwägungen verfolgt § 8 AAV auch und vor allem entwicklungs- und einwanderungspolitische Interessen Deutschlands. Trotz möglicherweise bestehenden Facharbeitermangels ist es gesetzgeberischer Wille, den Arbeitskräftebedarf durch inländische Arbeitskräfte zu decken. Ein besonderes öffentliches Interesse an einer Beschäftigung des Ausländers kann allenfalls dann angenommen werden, wenn in dem betreffenden Berufszweig im Bundesgebiet ein Mangel herrscht und daher ausländische Bewerber beschäftigt werden müssen. Das Interesse eines einzelnen privaten Unternehmers an einer Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung des Ausländers reicht nicht aus, um ein öffentliches Interesse zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn die Beschäftigung arbeitsmarktpolitisch unbedenklich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.11.1991 - 1 B 132.91 -, NVWZ 1992 Seite 268). Allenfalls bei einer Existenzgefährdung des Betriebes ohne den konkret eingesetzten Arbeitnehmer könnte ausnahmsweise ein öffentliches Interesse vorliegen.
Ausliegend von diesen Grundsätzen ist ein öffentliches Interesse an einer Beschäftigung des Antragstellers in Deutschland nicht zu bejahen. Insoweit kann auf die oben zu § 2 AAV gemachten Ausführungen Bezug genommen werden.
c) Der Antragsgegner kann auch nicht verpflichtet werden, dem Antragsteller eine Aufenthaltsgenehmigung nach §§ 15 ff. AuslG zu erteilen. Insoweit hat der Antragsgegner im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen zur Anwendung insbesondere der §§ 21, 22 und 28 AuslG nicht vorliegen. Auf die Erwägungen des Antragsgegners nimmt der Einzelrichter zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, weil er der Argumentation folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
d) Auch unter Berücksichtigung der für den Antragsteller eingereichten Solidaritätsadressen kann der Antragsgegner vom Einzelrichter nicht verpflichtet werden, dem Antragsteller den weitere Aufenthalt zu ermöglichen.
Der Einzelrichter sieht einerseits die privaten Interessen des Antragstellers, seine Bindungen und Beziehungen zu Deutschland, zur deutschen Sprache und Kultur. Die im Gerichtsverfahren vorgelegten Bescheinigungen des Bürgermeisters der Stadt Dannenberg, des Vereins Kinder Kinder, die Stellungnahme des Jugendamtes sind dafür eindrucksvoller Beleg. Der Einzelrichter ist auch eingedenk der grundsätzlichen ausländerpolitischen Veränderungen, die sich seit Beginn des Jahres 2000 in einer offeneren Einwanderungspolitik ausdrücken, etwa in der Zuwanderung insbesondere qualifizierter Arbeitskräfte („Green-Card-Aktion“).
Der Einzelrichter sieht andererseits aber auch das allgemein gegebene öffentliche Interesse, Ausländer, die als Asylsuchende nach Deutschland gekommen sind und deren Asylanspruch rechtskräftig abgelehnt worden ist, zu bewegen, in ihr Heimatland zurück zu kehren, da sie nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen konnten und können, trotz negativen Asylverfahrens auf Dauer in Deutschland verbleiben zu können.
Im konkreten Fall hat das Nds. Innenministerium im April 2002 im Petitionsverfahren bereits darauf hingewiesen, dass der Familie des Antragstellers der Aufenthalt in Deutschland nur für die Durchführung des Asylverfahrens gestattet war, und der Familie ein asylverfahrensunabhängiges Aufenthaltsrecht nicht gewährt werden kann. Das Ministerium hat darauf hingewiesen, dass die Familie - auch die Kinder - die prägenden Jahre in der Türkei verbracht hat, so dass eine Wiedereingliederung in türkische Gesellschaft ohne große Schwierigkeiten möglich ist.
Aufgrund dieser Gesamtumstände kann die Versagung einer Aufenthaltsgenehmigung durch den Antragsgegner vom Einzelrichter nicht beanstandet werden. Wenn der Antragsgegner in seinem Bescheid vom 18. November 2002 darauf abstellt, dass der Antragsteller aufgrund der negativen Asylentscheidung vollziehbar ausreisepflichtig ist, und seine frühere Duldung nur aufgrund der Ausbildung zum Bäcker erteilt worden ist, ist dies weder willkürlich noch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft. Durch die Versagung eines weiteren Aufenthaltsrechtes werden im Ergebnis übergeordnete Grundsätze, insbesondere verfassungsrechtliche Maßstäbe oder rechtsstaatliche Prinzipien wie etwa der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nicht verletzt.
2. Der Antragsgegner kann nicht im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO verpflichtet werden, den Antragsteller nicht in die Türkei abzuschieben. Denn der Antragsteller ist nach negativem Ausgang seines Asylverfahrens ausreisepflichtig. Rechtliche oder tatsächliche Hindernisse für eine Abschiebung sind nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.