Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 01.12.2017, Az.: 7 A 8006/17
Allgemeine Lage; Armenien; Inländische Fluchtalternative; Kriegsdienstverweigerer der Zeugen Jehovas; Schutzfähig- und -willigkeit des Staates; Übergriffe privater Dritter; Verbot der Zeugen Jehovas in Russland; Yeziden; Zeugen Jehovas; Zivildienst in Armenien
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 01.12.2017
- Aktenzeichen
- 7 A 8006/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54017
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zeugen Jehovas können in Armenien unbehelligt von angeblichen Übergriffen Dritter, denen gegenüber sich der armenische Staat zudem schutzfähig und -willig zeigen würde, in Armenien leben, und sei es an anderen, gefährdungsfreien Orten.
Dies gilt insbesondere auch für das Verhältnis zwischen Yeziden und abtrünnigen Yeziden, die sich den Zeugen Jehovas angeschlossen haben.
Tatbestand:
Der Kläger ist armenischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volks- und (früherer) yezidischer Religionszugehörigkeit sowie (aktuell) Angehöriger der Zeugen Jehovas.
Er lebte zuletzt mehrere Jahre lang gemeinsam mit seiner Ehefrau …. (vgl. Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. August 2017, Geschäftszeichen 6971171-422, Urteil vom 27. Oktober 2017 im Gerichtsverfahren VG OL 7 A 7349/17 - juris -) in Russland, die sich im Jahre 2016 medizinisch in Armenien untersuchen und behandeln ließ. Nach seinen Angaben wohnte er selber bis in das Jahr 2017 in der Nähe der Stadt Pitikorsk in dem Dorf Lisa Kurga, reiste im Mai 2017 nach Moskau und sodann im Juni 2017 nach Prag, um schließlich am 7. August 2017 nach Deutschland einzureisen, sich zunächst etwa einen Monat lang in Berlin aufzuhalten und am 4. September 2017 in Oldenburg Asylantrag zu stellen.
Am 5. Oktober 2017 wurde er bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Oldenburg persönlich angehört. Dort brachte er vor:
Sie seien seit 2013 Mitglied der Zeugen Jehovas und müssten wegen ihres Glaubens damit rechnen, in Russland benachteiligt zu werden. Kontakt insoweit hätten sie in Armenien erhalten. Schon in Armenien sei er immer beleidigt worden. Er habe Angst um sein Leben gehabt. Aus diesem Grunde seien sie nach Russland gegangen. Im Jahr 2013 sei er dort getauft worden. Er habe einen Selbstmordversuch hinter sich. Er habe sich an beiden Armen die Pulsadern geöffnet. Dieser Selbstmordversuch sei bereits in Armenien gewesen und nicht in Russland. Seine Frau sei in Armenien im Krankenhaus als Yezidin angesehen und beleidigt worden. Sie sei zwar auch Zeugin Jehovas geworden, habe dies aber nicht angegeben. Hätte man gewusst, dass sie zusätzlich Zeugin Jehovas gewesen sei, wäre die Lage noch schlimmer gewesen. In Russland seien die Zeugen Jehovas gesetzlich verboten worden. Er habe deshalb große Probleme bekommen und in Russland auf die Rückkehr seiner Frau aus Armenien gewartet. Seine Arbeit sei sehr gut gewesen, die Lage weitaus besser als in Armenien, er habe auch Grundstücke kaufen können. Er habe ein Haus bauen wollen, das Fundament habe bereits bestanden. Dann seien einige Zeugen Jehovas in Russland festgenommen und zu Gefängnis verurteilt worden. Er selber sei auf seiner Arbeitsstelle wegen der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas entlassen worden. Er sei überwacht und auch von der Polizei fotografiert worden. Nach einer eventuellen Festnahme hätte er sich dem Gericht stellen sollen. Er habe aber die Zeit genutzt und sei vor der drohenden Festnahme ausgereist. Nach Armenien habe er nicht zurückgehen können, weil alle ihn verstoßen hätten, die gesamte Verwandtschaft und auch seine Eltern. Er sei in den Augen der Yeziden ein Ungläubiger geworden. Es sei auch nicht möglich gewesen, an anderer Stelle in Armenien zu leben. Seine Verwandten seien sehr einflussreich und reiche Geschäftsleute. Sie hätten ihn bestimmt gefunden. Er wisse zwar nicht, was genau mit ihm geschehen wäre. Vielleicht hätte man ihn daran gehindert, weiter zu Versammlungen zu gehen. Er meine damit, man hätte ihn Arme und Beine abgehackt. Man hätte damit versucht, die Schande aus der Familie zu bringen. Die Eltern seines besten Freundes seien bereits Zeugen Jehovas gewesen und er selber daher bereits 2004 damit in Kontakt gekommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Oldenburg, vom 11. Oktober 2017 lehnte die Beklagte die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten ab, forderte ihn unter Abschiebungsandrohung nach Armenien zur Ausreise binnen 30 Tagen auf und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate.
In den Gründen heißt es, die Religionsfreiheit in Armenien sei verfassungsrechtlich garantiert (Artikel 26) und dürfe nur durch das Gesetz und nur insoweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig sei (Auswärtiges Amt vom 24. April 2015). Reformen des Gesetzes über Gewissens- und Religionsfreiheit hätten 2011 Verbesserungen mit sich gebracht und verliehen den religiösen Vereinen und Gruppen den Rechtsstatus, sofern sie über 25 Mitglieder verfügten, ohne dass eine Registrierung bzw. amtliche Genehmigung notwendig wäre. Trotz gesetzlicher Verbesserung, was die Rolle der religiösen Minderheiten anbelange, wie die Einführung des Zivildienstes für Zeugen Jehovas, bleibe die gesellschaftliche Akzeptanz von religiösen Minderheiten niedrig. Protestantisch-Evangelikale Gruppen und Zeugen Jehovas würden, im Unterschied etwa zur alteingesessenen Evangelischen oder der Römisch-Katholischen Kirche, besonders angefeindet. Sowohl für Vertreter der armenisch-apostolischen Kirche als auch für zahlreiche Medien gälten diese als antiarmenische, vom Ausland finanzierte Sekten, die sich des Proselytismus, des Abwerbens von Gläubigen, bedienten. Das Gesetz verbiete zwar Bekehrungen durch religiöse Minderheiten. Missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen würden jedoch staatlicherseits darin nicht behindert. Im Laufe des Jahres 2014 sei es bisweilen zu Zwischenfällen gekommen, nämlich zu zwei Überfällen auf evangelische Kirchen in Armenien, die aber nach Aussagen von Kirchenvertretern nicht vollständig aufgeklärt worden seien (Auswärtiges Amt vom 24. April 2015). Sofern der Kläger vortrage, die Familie habe ihn verstoßen, weil er Zeuge Jehovas geworden sei, rechtfertige dies aber nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil der Kläger jederzeit in Armenien einen anderen Ort zur Niederlassung wählen könne und sich zudem auf die armenischen Behörden verweisen lassen müsse. Im Falle von Straftaten gegen Yeziden seien die armenischen Behörden schutzbereit und schutzwillig. Strafverfolgungsmaßnahmen würden auch nach Verbrechen an Yeziden eingeleitet. Auch die übrigen geltend gemachten Ansprüche seien unbegründet.
Der Kläger hat am 20. Oktober 2017 Klage erhoben und verfolgt seine Begehren (mit Ausnahme der Asylanerkennung) weiter. Zur Begründung beruft er sich darauf, als Angehöriger der Zeugen Jehovas sowohl in Armenien als auch in Russland diskriminiert worden zu sein. Er würde in Armenien schutzlos durch Yeziden verfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2017
mit Ausnahme der Ziffer 2 des Tenors aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten,
dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren,
hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte tritt dem entgegen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 9. November 2017 durch den Einzelrichter entscheidet, ist unbegründet.
Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Oldenburg, vom 11. Oktober 2017 erweist sich insgesamt als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche sind nicht erfüllt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf subsidiären Schutz und auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, § 113 Abs. 5 VwGO, und insoweit auch nicht auf einen weiteren Verbleib in Deutschland.
Es ist nichts dafür ersichtlich,
· dass Leben oder Freiheit des Klägers wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung in Armenien bedroht sind (§ 3 Abs. 1 AsylVfG),
ihm in Armenien ein ernsthafter Schaden gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG droht (Satz 2 Nr. 1: Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Satz 2 Nr. 2: Folter oder menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder Satz 2 Nr. 3: eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts),
dass die Abschiebung unzulässig ist, weil sich dies aus der Anwendung der MRK ergibt (§ 60 Abs. 5 AufenthG),
ihm Ansprüche auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zustehen könnten.
Die Ablehnung seiner Begehren ist gerechtfertigt. Der angegriffene Bescheid begründet dies zutreffend. Dem folgt das Gericht.
Die Annahmen und Wertungen der Beklagten im angegriffenen Bescheid sind gedeckt durch den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel (vgl. insbesondere: Lageberichte des Auswärtigen Amtes). Danach ergibt sich:
Armenien ist ein Binnenstaat im Kaukasus im Bergland zwischen Georgien, Aserbaidschan, Iran und der Türkei und entspricht dem nordöstlichen Teil des früheren, ehemals viel größeren armenischen Siedlungsgebietes. Die Bevölkerungszahl beträgt etwa drei Millionen. Mit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991 erlangte die vormalige Armenische Sozialistische Sowjetrepublik ihre Unabhängigkeit. Innerhalb der seitherigen demokratischen Verfassung nach westlichen Muster hat die Republik Armenien als Staatsoberhaupt einen Präsidenten (derzeit: Sersch Sargsjan) und als Regierungschef einen Premierminister (derzeit: Karen Karapetjan).
Nach den Verfassungsänderungen von 2005 ist die Gewaltenteilung in der Verfassung der Republik Armenien formell gestärkt. Insoweit lässt sich allerdings in der Realität auch anderes feststellen. Die Unabhängigkeit der Gerichte leidet noch unter Korruption und Nepotismus (sog. Vetternwirtschaft). Im Dezember 2015 kam es zur Billigung weitreichender Verfassungsänderungen durch ein Referendum und damit zur Ausweitung des Grundrechtekatalogs, zur Umwandlung von einem semi-präsidialen zu einem parlamentarischen System und gleichzeitig auch zur Stärkung der Rechte der Opposition. Der Staatspräsident billigte im Februar 2015 den ‚Strategieplan‘ 2014 bis 2016 zur Umsetzung der internationalen Verpflichtungen Armeniens im Bereich der Menschenrechte durch die zuständigen Staatsorgane. Es kommt dennoch in Armenien zu politisch motivierten strafrechtlichen Verurteilungen und auch Haftstrafen. Friedensverhandlungen zur Beilegung des Bergkarabach-Konflikts mit Aserbaidschan werden geführt, eine Beilegung des Konfliktes ist aber derzeit nicht ersichtlich. Zuletzt kam es im Jahr 2016 zu Konflikten. Defizite sind im Bereich der Medien-und Informationsfreiheit weiterhin zu verzeichnen. Demonstrationen werden regelmäßig genehmigt; die verfassungsmäßig garantierte Versammlungsfreiheit wird allerdings durch das Gesetz über administrative Haft und das Versammlungsgesetz reglementiert. Auch im Laufe des Jahres 2015 ging die Polizei teilweise hart gegen verschiedene Demonstrationen vor. Die Proteste richteten sich beispielsweise gegen Strompreiserhöhungen oder gegen das Referendum zur Verfassungsreform (s.o.). Die Religionsfreiheit wird durch die Verfassung prinzipiell gewährt, unterliegt allerdings in der Praxis gewissen Einschränkungen. Die armenisch-apostolische Kirche genießt eine privilegierte Stellung, was in der Praxis zuweilen zu einer Zurücksetzung anderer Religionsgemeinschaften führen kann. Einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen sind seit 2003 nicht mehr strafbar. Männer und Frauen sind gleichberechtigt; eine rechtliche Diskriminierung von Frauen gibt es nicht; die Rolle der Frau ist durch die traditionelle patriarchalische Gesellschaftsstruktur geprägt. Es gibt nur wenige Frauen in wichtigen Ämtern, schlechtere Bezahlung und mangelnde Aufstiegschancen sind die Regel. Die medizinische Versorgung ist grundsätzlich gewährleistet.
Dies insgesamt wird bestätigt durch den aktuellen
„Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar 2017)“ des Auswärtigen Amtes vom 21. Juni 2017,
dessen ‚Zusammenfassung‘ (S. 5 ebd.) wörtlich wie folgt lautet:
Die im Dezember 2015 durch Referendum gebilligten weitreichenden Verfassungsänderungen sehen zum einen die Ausweitung des Grundrechtekatalogs, zum anderen die Umwandlung von einem semi-präsidialen zu einem parlamentarischen System bei gleichzeitiger Stärkung der Rechte der Opposition vor.
Die Menschenrechtslage bleibt jedoch trotz Fortschritten in einigen Teilbereichen weiterhin unbefriedigend.
Grundsätzlich ist keine staatliche Beschränkung der Aktivitäten von Vertretern der Zivilgesellschaft oder eine Einschränkung der Meinungsfreiheit festzustellen. Gleichwohl sind Defizite im Bereich der Medien- und Informationsfreiheit zu verzeichnen. Die verfassungsmäßig garantierte Versammlungsfreiheit ist in der Praxis durch das Gesetz über administrative Haft und das Versammlungsgesetz eingeschränkt. Auch geht die Polizei weiterhin gelegentlich unangemessen hart gegen Demonstranten vor.
Obwohl in der armenischen Verfassung das Verbot von Folter sowie von unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung festgeschrieben ist, kommen körperliche Misshandlungen in Polizeigewahrsam weiter vereinzelt vor. Das armenische Strafgesetzbuch steht weiterhin nicht in Übereinstimmung mit der VN Konvention gegen Folter. Die Situation in den Strafanstalten des Landes entspricht größtenteils nicht den internationalen Mindeststandards der Häftlingsbetreuung.
Die Verfassung gewährt prinzipiell Religionsfreiheit. Diese unterliegt in der Praxis jedoch gewissen Einschränkungen. Die privilegierte Stellung der armenisch-apostolischen Kirche führt in der Praxis zuweilen zu einer Zurücksetzung anderer Religionsgemeinschaften.
Vor diesem Hintergrund beurteilt der angegriffene Bescheid die Lage in Armenien und die Situation des Klägers zutreffend. Er würdigt dazu zutreffend, dass dem Kläger gegenüber keine Maßnahmen ergriffen worden sind, die relevant sein könnten, soweit es die geltend gemachten Ansprüche anbelangt. Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG lagen nicht vor und drohen auch bei gedachter Rückkehr nicht. Entsprechendes gilt auch mit Blick auf § 4 AsylG; ihm droht kein ernsthafter Schaden in Armenien.
Dies gilt insgesamt auch unter Berücksichtigung der behaupteten Religionszugehörigkeit(en) des Klägers. Er ist nach eigenen Angaben noch Yezide und daneben auch Zeuge Jehovas. Es spricht - wie gerichtsbekannt ist - zwar alles dafür, dass die yezidische Religionszugehörigkeit mit Annahme einer anderen Religion aus Sicht des Yezidentums erlischt. Das kann aber dahinstehen.
Das Gericht beurteilt die Situation der Zeugen Jehovas in Armenien durchaus nicht als völlig problemlos, auch wenn dies der Klage hier im Ergebnis nicht zum Erfolg verhelfen kann. In Armenien sind protestantisch-evangelikale Gruppen und Zeugen Jehovas, im Unterschied etwa zur alteingesessenen Evangelischen oder Römisch-Katholischen Kirche, gelegentlichen Anfeindungen ausgesetzt. Denn sie gelten für die Vertreter der herrschenden Armenisch-Apostolischen Kirche, aber auch für zahlreiche Medien als anti-armenisch und als vom Ausland finanzierte Sekten, die sich des Proselytismus, d. h. des Abwerbens von Gläubigen, bedienten. Dennoch werden aber missonarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die der Zeugen Jehovas oder der Mormonen staatlicherseits nicht darin behindert. Auch sind aus dem Jahre 2014 zwei Übergriffe auf evangelische Kirchen in Armenien berichtet, die allerdings nicht vollständig aufgeklärt wurden (vgl. zum Ganzen die Gründe des den Beteiligten bekannte Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Oktober 2017, denen das erkennende Gericht insoweit folgt). Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass es aktuell in Armenien zu Beeinträchtigungen von Yeziden und/oder insbesondere Zeugen Jehovas kommen könnte, die das Maß allgemein hinzunehmender Diskriminierung von privaten Dritten überschreiten. So hat schon das Verwaltungsgericht Göttingen in seinem Urteil vom 10. Mai 2012 - 2 A 7/10 -, juris, im Falle (auch einer zu den Zeugen Jehovas konvertierten) Yezidin zutreffend festgehalten, dass nichts dafür spricht, dass Yeziden und/oder Zeugen Jehovas über Diskriminierungen hinausgehenden staatlichen systematischen und zielgerichteten Repressionen ausgesetzt seien, und dass - und dies ist hier insoweit maßgeblich - im Falle von Straftaten gegen Angehörige von Minderheiten die Behörden bereit seien, diese zu schützen und Strafanzeigen aufnähmen. Die Ermittlungen dauerten zwar häufig sehr lange, was aber bei Ermittlungen, an denen nur armenische Volkszugehörige beteiligt seien, auch der Fall sei. Aus dem Bericht des österreichischen Asylzentrums vom 14. Februar 2008 über die Situation von Yeziden ergäben sich ebensowenig Anhaltspunkte für eine Gefährdung von Yeziden in Armenien. Hinsichtlich der Gruppe der Yeziden werde lediglich von Schwierigkeiten berichtet, eine Ausbildung in der Muttersprache zu erhalten, und ferner, dass Yeziden manchmal von den örtlichen Behörden und der Polizei diskriminiert würden; die Grenzen zwischen Diskriminierung und Korruption seien dabei nicht trennscharf. Schließlich habe auch die von dem Verwaltungsgericht Göttingen (ebenda) beauftragte Gutachterin in ihrer Stellungnahme vom 19. November 2010 zum Ausdruck gebracht,
„dass es zwar Beschwerden über gesellschaftliche Diskriminierungen sowohl von Yeziden als auch von Zeugen Johovas gebe, indes keine Hinweise auf eine durchgehende gerichtliche Benachteiligung, von Angriffen auf die körperliche Integrität ganz zu schweigen.
Diese Feststellungen gelten für Zeugen Johovas entsprechend.“
(Verwaltungsgericht Göttingen, a.a.O., Rdnrn. 42 und 43).
Das erkennende Gericht schließt sich dem in vollem Umfange an. Es gibt keinen Anlass, an den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes Göttingen zu zweifeln. Entgegenstehende Erkenntnisse liegen nicht vor.
Zutreffend allerdings verweist der Kläger auf die Schwierigkeiten der Sekte der Zeugen Jehovas, die in Russland nunmehr vollständig verboten ist. So berichtet die ‚taz‘ in ihrem Artikel vom 19. Juli 2017 (http://www.taz.de/!5428447/) ausführlich über dieses Verbot und seine einschneidenden Folgen für Angehörige der Sekte der Zeugen Jehovas in Russland (vgl. Wortlaut im Urteil vom 27. Oktober 2017 im Verfahren der Ehefrau des Klägers VG OL 7 A 7349/17 -, juris). Darauf kann sich der Kläger hier aber nicht erfolgreich berufen, denn das Gericht hat insoweit die Lage in Armenien, nicht in Russland, in den Blick zu nehmen. Dort aber - in Armenien - kann diese Sekte frei agieren, ohne staatliche Repression gewärtigen zu müssen. Im Übrigen ist der armenische Staat willens und in der Lage, insoweit Schutz vor etwaigen Übergriffen Dritter zu bieten, von denen aber nichts bekannt geworden ist. In Armenien können Zeugen Jehovas im Vergleich zu anderen Staaten sehr frei leben, auch die Kriegsdienstverweigerung ist ihnen (wie auch anderen) möglich. Ihr eigener Internet-Auftritt betont (https://www.jw.org/finder? docid=802016714&wtlocale=X&srcid=share) dies wie folgt (vgl. vollst. Wortlaut im Urteil vom 27. Oktober 2017 im Verfahren der Ehefrau des Klägers VG OL 7 A 7349/17 -, juris):
„Wir sind dankbar, dass die Regierung Armeniens positive Schritte unternommen hat, um die grundlegenden Menschenrechte zu wahren, wie zum Beispiel die Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Junge Zeugen Jehovas können jetzt ihrer Verpflichtung dem Staat gegenüber mit gutem Gewissen nachkommen und gleichzeitig anderen Gutes tun.“
Dies zeigt deutlich die weiter fortschreitende Liberalisierung Armeniens auf. Das spezielle Verhältnis zwischen Yeziden und Zeugen Jehovas darf dennoch weiterhin als angespannt betrachtet werden. So zeigt der Internet-Auftritt der Yeziden „ÊzîdîPress“ offensive oder womöglich in den dortigen Augen gar aggressive Missionierung durch diese Sekte auf (http://www.ezidipress.com/blog/ christliche-sekten-missionieren-eziden-in-armenien-video/; vgl. Wortlaut im Urteil vom 27. Oktober 2017 im Verfahren der Ehefrau des Klägers VG OL 7 A 7349/17 -, juris). Auch daraus lässt sich allerdings kein Bedrohungsszenario der Schutzlosigkeit des Klägers bei gedachter Rückkehr ableiten, der sich auf die Schutzfähigkeit und -willigkeit des armenischen Staates und ferner darauf verweisen lassen müsste, dass er sich an andere Orte begeben kann, an denen er sich unbehelligt aufhalten könnte (sog. inländische Fluchtalternative). Insbesondere kann sich der Kläger nicht erfolgreich auf das Verhalten der Yeziden in Armenien berufen. Von Übergriffen von Yeziden auf Zeugen Jehovas in Armenien ist nichts bekannt geworden.
Daneben kann sich der Kläger insbesondere auch nicht etwa darauf berufen, dass er nunmehr in Armenien von der eigenen yezidischen Familie wegen des Übertritts zu einem anderen Glauben, insbesondere des Übertritts zur Sekte der Zeugen Jehovas, verstoßen werde und Schlimmes zu befürchten habe. Der Kläger und seine Ehefrau meinen insoweit, bei Rückkehr nach Armenien um ihr Leben fürchten zu müssen. Grund seien die Morddrohungen seitens ihrer yezidischen Verwandtschaft. Diese könne es nicht akzeptieren, dass der Kläger (und seine Ehefrau) die yezidische Glaubensgemeinschaft verlassen und sich den Zeugen Jehovas zugewandt hätten. Herr Mehmet ... berichte, dass er erst zwei Tage nach der mündlichen Verhandlung in dem Verfahren der Ehefrau (vom 27. Oktober 2017, 7 A 7349/17) Anrufe des Vaters der Ehefrau und eines Bruders des Klägers aus Armenien erhalten habe. Er lebe bereits seit vielen Jahren in Deutschland und gehöre der Glaubensgemeinschaft der Yeziden in Oldenburg an und unterstütze den Kläger und seine Ehefrau. Über andere Yeziden hätten die Verwandten der Kläger in Armenien erfahren, dass er Kontakt zu dem Kläger und seiner Ehefrau habe und weiter darüber, dass er selber der yezidischen Glaubensgemeinschaft angehöre. Aufgrund dieser Information über seine Person sei ihm seitens des Vaters der Ehefrau des Klägers und des Bruders des Klägers telefonisch angetragen worden, er solle die Ehre der Familie wiederherstellen und dafür sorgen, dass der Kläger und seine Ehefrau getötet würden. Er sei gefragt worden, ob er noch Kontakt zu den Beiden habe. Falls er es nicht selber machen wolle, indem es etwa wie ein Unfall aussähe, solle er einen Araber beauftragen. Es sei ihm dafür ein Betrag von 10.000,00 US-Dollar angeboten worden. Als Begründung hätten die Verwandten angeführt, sie könnten sich in Armenien wegen der Schande des Verrates ab der Glaubensgemeinschaft der Yeziden nicht mehr auf der Straße sehen lassen; der Kläger und seine Ehefrau seien keine Menschen mehr. Herr Mehmet ... habe das Ansinnen am Telefon allerdings abgelehnt. Darauf sei er beleidigt worden, er sei wohl von den westlichen Sitten beeinflusst worden. Er sei gefragt worden, ob er Kommunist sei. Inzwischen will der Kläger weiter erfahren haben, dass auch andere Mitglieder der yezidischen Glaubensgemeinschaft in Oldenburg und Umgebung telefonisch in ähnlicher Weise angesprochen worden sein sollen, und zwar wohl bereits vor über einem Monat.
Dies ändert nichts daran, dass der Kläger frei von Verfolgung in Armenien leben könnte, zum einen wegen der Erlangung staatlichen Schutzes, zum anderen wegen sicherer Orte an anderer Stelle in Armenien (so schon VG Göttingen, aaO., VG München, Urteil vom 22. Juni 2001 - M 23 K 00.51963 -, juris). Dementsprechend hat auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. August 2014 - 6a K 2888/11.A -, juris) überzeugend darauf abgestellt, dass selbst dann, wenn die Angaben über angebliche Übergriffe Dritter bei gedachter Rückkehr nach Armenien zutreffen sollten, solche Übergriffe dem armenischen Staat nicht zuzurechnen wären, weil er Schutz vor Verfolgung bieten kann, wobei das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (ebenda) zutreffend festhält, dass der „Umstand allein, dass die staatliche Organe trotz prinzipieller Schutzbereitschaft nicht immer in der Lage sind, die Betroffenen vor Übergriffen wirkungsvoll zu schützen,“ nicht dafür ausreicht, von Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit auszugehen, und insoweit wörtlich festhält (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. August 2014 - 6a K 2888/11.A -, juris, RNn 48ff.):
„Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten, lückenlosen Schutz zu gewähren und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen einschließlich sog. Amtswalterexzesse oder bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgabe der Wahrung des inneren Friedens nicht vorkommen. Deshalb lässt weder eine Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit entfallen. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-)Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind.
Dies ist in Armenien der Fall. Im Falle von Straftaten gegen Angehörige der Jesidischen Bevölkerungsminderheit ermitteln die armenischen Behörden zwar häufig sehr lange, dies ist aber auch dann der Fall, wenn die Verfahren ausschließlich armenische Volkszugehörige betreffen.
Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Armenien, Stand Januar 2012.
Sofern eine Straftat vorliegt und von einem Jesiden zur Anzeige gebracht wird, wird die Polizei Ermittlungen einleiten und Maßnahmen zum Opferschutz treffen.
Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2014 an das VG Schwerin.
Daher ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln davon auszugehen, dass der armenische Staat willens und in der Lage ist, wirksamen - wenn auch nicht lückenlosen - Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3d AsylVfG).
Problematisch innerhalb der jesidischen Glaubensgemeinschaft ist insoweit, dass diese oftmals versuchen ihre Konflikte innerhalb ihrer Dorf- oder Glaubensgemeinschaft ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zu lösen und zur Geheimhaltung ihrer religiösen Angelegenheiten neigen,
vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2014 an das VG Schwerin; Dr. Tessa Savvidis, Auskunft vom 5. August 2011 an den Asylgerichtshof Österreichs.
Ein solcher überwiegender Verzicht einer religiösen Gemeinschaft auf Inanspruchnahme staatlichen Schutzes kann jedoch nicht zu der Annahme führen, der Staat sei in ihrem Fall grundsätzlich nicht schutzbereit.
Ungeachtet dessen sprechen die vom Kläger geschilderten Umstände - namentlich, dass er ein gutes Jahr lang in J. - wo nach seinen Angaben ohnehin keine Jesiden leben - unbehelligt leben und einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachgehen konnte, dass "die Leute" ihn seinem Bruder gegenüber nicht verraten haben, dass sein Bruder seinen Angaben zufolge nicht bei seiner Wohnung gewesen ist und nach seinem Besuch auch nicht noch einmal nach J. zurückgekommen ist - dafür, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin in J. eine konkrete inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylVfG gefunden haben.
Dem Kläger ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylVfG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist Schutz zu gewähren. Bei der Prüfung, ob dem Kläger im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, gilt ebenfalls der dargelegte Prüfungsmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer entsprechenden Gefahr sind im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen, wonach das Gericht dem Kläger schon nicht glaubt, ... zu sein, nicht ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen eines (zielstaatsbezogenen) Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 AufenthG vermag das Gericht nicht festzustellen. In Betracht kommt vorliegend allenfalls das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung nach Armenien einer extremen Gefahrenlage in dem dargelegten Sinne ausgeliefert wäre, vermag das Gericht aus den ausgeführten Gründen ebenfalls nicht zu erkennen.“
So liegt der Fall hier.
Im Übrigen wäre es nach Auffassung des Gerichtes Angelegenheit der in Deutschland lebenden und angeblich gut informierten yezidischen Glaubensgemeinschaft, sich umgehend in Armenien für eine Strafverfolgung o.ä. der Anrufer aus Armenien mit Hilfe ihrer internationalen Beziehungen einzusetzen bzw. sich um staatlichen Schutz für den Kläger ansonsten dort zu kümmern, falls denn überhaupt eine Tatsachenbasis für die dargetane Legende bestünde, wovon das Gericht allerdings nicht ausgehen kann. Insoweit hält das Gericht diese angegebenen Gründe für zugunsten des Klägers konstruiert. Der vermeintliche Anrufer aus Armenien hat zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhafte Tatsachenbekundungen Dritter berichtet. Dazu verweist das Gericht auch auf ähnliche Angaben in einem anderen Verfahren von yezidischen Glaubensangehörigen bzw. seitens der yezidischen Glaubensgemeinschaft Verstoßenen aus Armenien, die das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gewürdigt hat (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. August 2014 - 6a K 2888/11.A -, juris, siehe Zitat zuvor). Es liegt eine künstlich generierte Nachrichtenlage vor, die keine belastbare Tatsachenbasis hat.
Schließlich liegen auch Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufentG nicht vor.
Soweit sich der Kläger gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Anordnung bzw. Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes wendet, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg, § 77 Abs. 1, Abs. 2 AsylG.