Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 21.03.1988, Az.: 3 U 159/87

Maßstab zu Ermittlung des Ausgleichsbetrages nach dem abstrakten Unterhalte-Jahresdurchschafte bei Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
21.03.1988
Aktenzeichen
3 U 159/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 13740
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1988:0321.3U159.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AZ: 1 O 171/87

Fundstellen

  • MDR 1988, 778 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1988, 2743 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-RR 1988, 1356 (red. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

vorzeitigen Erlaubsgleichs

Prozessführer

des ...

Prozessgegner

den ...

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 1988
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Schluß-Urteil des ... vom 07. August 1987 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit Ihr nicht durch Teil-Anekenntnisurteil vom 19. Juni 1987 stattgeben worden ist.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 3/5, der Beklagte zu 2/5.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers wird auf 4.812,32 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

(Teilweise abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO):

2

Der am 17. Januar 1964 in der Sowjetunion geborene Kläger ist der Sohn des Beklagten. Im Jahre 1976 übersiedelte der Kläger, im Jahre 1980 der Beklagte in die Bundesrepublik Deutschland. Durch Urteil des ... vom 21. Dezember 1981 -19 C 191/81- wurde festgestellt, daß der Beklagte der Vater des Klägers ist; zugleich wurde der Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 01. Januar 1977 an bis zum vollendeten 18. Lebensjahr den Regelunterhalt monatlich im voraus zu zahlen, die rückständigen Beträge sofort. Die Unterhaltsbeträge wurden durch Unterhaltsfestsetzungsbeschluß wie folgt festgesetzt:

1. Januar 1977 bis 31. Dezember 1979:monatlich212,00 DM,
1. Januar 1980 bis 31. Dezember 1981:"245,00 DM,
1. Januar 1982 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrest"272,00 DM,
3

Im Verfahren nach § 643 a ZPO erwirkte der Beklagte, daß ihm die an den Kläger zu zahlenden Unterhaltsbeträge für die Zeit vom 01. Januar 1977 bis zum 31. Dezember 1977 erlassen wurden und daß der für die Zeit vom 01. Januar 1978 bis zum 01. Oktober 1980 zu leistende Unterhalt auf 22% des Regelunterhalts herabgesetzt wurde (Urteil des ... vom 14. Juni 1982 -19 C 199/82- in Verbindung mit dem Berufungsurteil des ... vom 11. Januar 1983 -6 S 260/82-).

4

Im vorliegende Verfahren nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung eines vorzeitigen Erbausgleiches in Höhe von 8.143,20 DM in Anspruch. Er geht -rechnerisch richtig- davon aus, daß der Beklagte nach dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluß aufgrund des Urteils vom 21. Dezember 1981 einen (unveränderten) Regelungshalt für die Zeit vom Februar 1977 bis zum Januar 1982 in Höhe von insgesamt 13.572,00 DM ergibt, mit 3 multipliziert, die Klagforderung.

5

Der Beklagte geht demgegenüber von den Beträgen aus, die er aufgrund der in dem Abänderungsverfahren nach § 643 a Abs. 1 ZPO ergangenen Entscheidungen gemäß §§ 1615 h Abs. 1 S. 1. 1615 i Abs. 2 S. 1 BGB tatsächlich zu leisten hatte; er gelangt so -rechnerisch ebenfalls richtig- zu einem Jahres-Durchschnittsbetrag von 1.110,29 DM. In Höhe des Dreifachen dieses Betrages hat er die Klagforderung anerkannt, voraufhin er durch Teil-Anerkenntnisurteil des ... vom 19. Juni 1987 zur Zahlung von 3.330,88 DM nebst Zinsen an den Kläger verurteilt worden ist. Des ... hat dem Kläger darüber hinaus durch Schlußurteil vom 07. August 1987 weitere 4.812,32 DM nebst Zinsen, insgesamt also den ursprünglich begehrten Erbausgleich in voller Höhe zugesprochen.

6

Gegen das Schlußurteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Beklagten.

7

Im Senatstermin vom 21. März 1988 sind die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse des Beklagte erörtert worden.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Berufung ist gerechtfertigt.

9

Der Anspruch des Klägers auf vorzeitigen Erbausgleich in Geld gemäß § 1934 a Abs. 1 BGB ist lediglich in Höhe des von dem Beklagten anerkannten, durch Teilurteil des ... erledigten Betrages vom 3.330,88 DM nebst Verzugszinsen begründet.

10

Der Streit der Parteien betrifft die Frage, ob sich der Ausgleichsbetrag nach dem abstrakten Unterhalte-Jahresdurchschafte gemäß der Regelunterhaltsverordnung von §§ 1615 h Abs. 1 S. 1, 1615 i Abs. 2 S. 1 BGB konkret zu leistenden Unterhalt bestimmt. Maßstab zu Ermittlung des Ausgleichsbetrages ist gemäß § 1934 d Abs. 2 S.1. BGB der Unterhalt, den der Vater "jährlich zu leisten hatte". Das aber kann nach dem Wortlaut der Vorschrift nur der tatsächlich geschuldete, gegebenenfalls in Abweichung von der Regelunterhaltsverordnung nach den individuellen Verhältnissen des Vaters gemäß §§ 1615 h, i BGB bestimmte Unterhalt sein; die im Verfahren nach § 643 a ZPO ergangene Entscheidung ist zu berücksichtigen (vgl. Münchner Kommentar-Leopold, 1982, § 1934 Rdnr. 34). Diese sich an den konkret geschuldeten Unterhaltsleistungen des Vaters orientierende Berechnung des Vaters; denn diese findet in der Höhe der Unterhaltsleistungen bereits einen gewissen Ausdruck (vgl. BVerfGE 58, 377, 396). Ferner ist damit dem Erfordernis genügt, bei der Bemessung des Ausgleichsbetrages eine angemessene Relation zu dem zu währen, was das nichteheliche Kind nach dem Familienstand und den Vermögensnverhältnissen des Vaters als Erbersatzanspruch oder wenigsten als Pflichtteil erwarten könnte (BGHZ 96, 262, 272) [BGH 19.11.1985 - IVa ZR 145/84].

11

Die vom Senat vorgenommene Auslegung des § 1934 d Abs. S. ! BGB weicht damit von der -nicht näher begründeten- Literaturmeinung ab, welche Zeiten der Zahlungsbetrefung oder Zahlungserleichterung unberücksichtigt lassen will (Staudiger-Werner, BGB 12. Aufl. 1979, § 1934 d Rdnr. 21; Erman-Schlüter, BGB, 7. Aufl. 1981, § 1934 d Rdnr. 19; Palandt-Edenhofer, BGB, 47. Aufl. 1988, § 1934 d Anm. 3 a).

12

Diese Auffassung findet im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze. Hätte dem Gesetzgeber eine derartige abstrakte Berechnung vorgeschwebt, so hätte eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Regelunterhalt in § 1934 d Abs. 2 BGB nahegelegen.

13

Der Auffassung des Senats kann auch nicht entgegenhalten werden, daß sie sich einseitig an der Leistungsfähigkeit des Vaters in der Vermögenheit ausrichte und eventuelle Verbesserungen seiner wirtschaftlichen Lage zu Lasten des Kindes unberücksichtigt Höhe. Insoweit verbleibt die Möglichkeit, den Erbausgleich nach den gegenwärtigen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen des Vaters unter Berücksichtigung seiner anderen Verpflichtungen angemessen zu erhöhen (§ 1934 d Abs. 2 S. 2 BGB).

14

Im vorliegenden Fall entfällt eine derartige Erhöhung, weil genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Der zuerkannte Betrag ist als Erbausgleich nicht unangemessen niedrig. Der Beklagte erzielt auf der Grundlage einer 38,5 Stunden-Woche und eines (für einen Industriearbeiter unterdurchschnittlichen) Stundenverdienstes von brutto 14,22 DM ein Monatseinkommen von 1.767,00 DM. An eine Tochter aus geschiedener Ehe hat er monatlich 251,00 DM zu zahlen; seine Mietzinsbelastung beträgt monatlich 530,00 DM. Das Gesetz geht in § 1934 d Abs. 2 S. 1. BGB für den Regelfall von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Ehefrau und ein bis zwei Kindern aus (OLG Oldenburg FamRZ 1973, 550, 551). Die Unterhaltsbelastung des Beklagten ist geringer, was aber durch ein unterdurchschnittliches Einkommen ausgeglichen wird, so daß im Ergebnis das Dreifache des Jahresunterhalts als Erbausgleich nicht als unangemessen gering angesehen werden kann. Vermögen besitzt der Beklagte nicht.

15

Die Berufung erweist sich nach alledem als gerechtfertigt, so daß das Schlußurteil mit den sich aus den §§ 91, 92, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 S. 1. ZPO ergebenden Nebenentscheidungen abzuändern ist.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer des Klägers wird auf 4.812,32 DM festgesetzt.