Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 23.12.1997, Az.: 18 UF 87/91
Auwirkung von falscher oder unvollständiger Information über finanziellen Verhältnisse vor der Ehe auf Versorgungsausgleich
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.12.1997
- Aktenzeichen
- 18 UF 87/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21941
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1997:1223.18UF87.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Langen - 14.01.1997 - AZ: 11 F 15/90
Rechtsgrundlage
- § 1587c BGB
In der Familiensache
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
am 23. Dezember 1997 beschlossen:
Tenor:
- I.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengerichts - Langen vom 14. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
- II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- III.
Beschwerdewert: 1.314,96 DM.
Gründe
I.
Die Parteien haben am 26. Februar 1993 miteinander die Ehe geschlossen, aus der der am 1. August 1993 geborene Sohn V. hervorgegangen ist. Auf den dem Antragsgegner am 31. Januar 1995 zugestellten Antrag hat das Amtsgericht - Familiengericht - durch Verbundurteil vom 5. März 1996 die Ehe geschieden und die elterliche Sorge der Antragstellerin übertragen. Weiter hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 14. Januar 1997 den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei ist es von folgendem ausgegangen:
Während der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB (1. Februar 1993 bis 31. Dezember 1994) hat die Antragstellerin Anwartschaften bei der Ärzteversorgung Niedersachsen in Höhe von monatlich 255,00 DM erworben (Auskunft vom 16. Mai 1995), weiterhin Anwartschaften auf eine Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Nach der vom Amtsgericht eingeholten Auskunft der VBL vom 31. Mai 1995 entfällt auf die Ehezeit eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Versicherungsrente in Höhe von monatlich 21,90 DM. Der Antragsgegner hat Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 37,43 DM erworben (Auskunft der BfA vom 3. Juli 1996). Das Amtsgericht hat die Anwartschaft aus der Zusatzversorgung der Antragstellerin bei der VBL dynamisiert und dabei einen Betrag von monatlich 1,58 DM errechnet. Sodann hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich im Wege des Quasi-Splittings zu Lasten der Anwartschaften der Antragstellerin bei der Ärzteversorgung Niedersachsen vorgenommen, und zwar in Höhe von (255,00 DM + 1,58 DM ./. 37,43 DM =) 219,15 DM: 2 = 109,58 DM. Einen von der Antragstellerin beantragten Ausschluß des Versorgungsausgleichs nach § 1587 c Nr. 1, Nr. 3 BGB hat das Amtsgericht abgelehnt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie weiterhin einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs erstrebt.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1.
Die Antragstellerin stützt ihr Begehren, den Versorgungsausgleich gegenüber dem Antragsgegner auszuschließen, im wesentlichen darauf, daß dieser sie vor Eheschließung über seine finanziellen Verhältnisse falsch oder nur unvollständig informiert habe, daß die Kosten des Haushaltes pp. im wesentlichen von ihr getragen worden seien, daß aufgrund eines Versprechens des Antragsgegners, seine finanziellen Verhältnisse hätten sich zum besseren gewendet, im Mai 1993 eine Wohnung zu einem Mietzins von 1.600,00 DM angemietet worden sei, in der Folgezeit die versprochenen Zahlungen aus der Zusammenarbeit mit dem S. Verlag jedoch nicht erfolgt seien. Dieser Vortrag, als richtig unterstellt, rechtfertigt einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs weder nach § 1587 c Nr. 3 BGB noch nach § 1587 c Nr. 1 BGB.
aa)
Nach § 1587 c Nr. 3 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat. Diese Voraussetzung kann hier nicht bejaht werden.
Zum Zeitpunkt der Eheschließung befand sich der Antragsgegner offensichtlich nicht in einer konsolidierten wirtschaftlichen Situation. Er erstrebte eine berufliche Selbständigkeit, zu deren Verwirklichung er Verbindlichkeiten begründet hatte. Die Pläne des Antragsgegners scheiterten, als eine beabsichtigte Zusammenarbeit mit dem S. Verlag nicht verwirklicht, werden konnte. Einzelheiten der damaligen wirtschaftlichen Situation des Antragsgegners sind zwischen den Parteien streitig, ebenso die Fragen, ob und inwieweit der Antragsgegner die Antragstellerin vor der Ehe über seine Verbindlichkeiten und seine beruflichen Aussichten unterrichtet und in welchem Umfang er bis zur Trennung der Parteien, die bereits im Februar 1994 erfolgte, zum Unterhalt der Familie beigetragen hat. Insoweit bedarf es keiner weiteren Aufklärung des Sachverhalts. Entsprechend dem Vortrag der Antragstellerin kann vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Kosten der Haushaltsführung zum ganz überwiegenden Teil von ihrem Einkommen als Ärztin bestritten wurden.
In dieser Situation kann es dahingestellt bleiben, ob der Sachvortrag der Antragstellerin ausreicht, eine Unterhaltspflichtverletzung durch den Antragsgegner zu bejahen, d. h., ob er in der Lage gewesen wäre, höhere Unterhaltsbeträge zu leisten. Eine Unterhaltspflichtverletzung wäre jedenfalls hier nur dann beachtlich, wenn sie als gröblich im Sinne von § 1587 c Nr. 3 BGB zu bezeichnen wäre. Als gröblich kann eine Unterhaltspflichtverletzung aber erst dann angesehen werden, wenn über die längere Nichterfüllung der geschuldeten Unterhaltsleistungen hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht verleihen (BGH FamRZ 1986, 658, 660; 1987, 49, 50; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 2. Aufl., § 1587 c Rn 38; Wick in: RGRK BGB, 12. Aufl., § 1587 c Rn 70). Daran fehlt es, wenn die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht wegen des ausreichenden Einkommens des anderen Ehegatten weder diesen noch die gemeinsamen Kinder in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hat (BGH FamRZ 1986, a. a. O.). Daß hier die Familie durch die Handlungen des Antragsgegners bei der Beschaffung des Lebensbedarfes in ernsthafte Schwierigkeiten geraten ist, hat die Antragstellerin mit Substanz nicht geltend gemacht. Davon kann angesichts des Einkommens der Antragstellerin als Ärztin auch nicht ausgegangen werden.
Soweit es die Zeit nach der Trennung der Parteien betrifft, hier also den Zeitraum ab Februar 1994, hat die Antragstellerin offenbar zunächst Erziehungsgeld bezogen. Daneben hat der Antragsgegner nach der Trennung zunächst einen monatlichen Unterhalt von 1.100,00 DM gezahlt (Ehegattentrennungsunterhalt und Kindesunterhalt). Die Antragstellerin hat vorgetragen, aus finanziellen Gründen habe sie deshalb nach Ablauf des Erziehungsurlaubes am 1. August 1994 wieder eine Tätigkeit als Ärztin aufnehmen müssen. Diese Tätigkeit übt sie angesichts der Betreuung des minderjährigen bei ihr lebenden gemeinsamen Sohnes V. überobligationsmäßig aus. Zweifelhaft ist schon, ob eine eventuelle Unterhaltspflichtverletzung nach der Trennung überhaupt von der Härteklausel des § 1587 c Nr. 3 BGB umfaßt ist, ob also Beiträge zum "Familienunterhalt" betroffen sind, von denen das Gesetz sonst nur während des Zusammenlebens der Ehegatten spricht (§§ 1360, 1360 a BGB; bejahend Johannsen/Henrich/Hahne, a. a. O., § 1587 c Rn 37; Wick, a. a. O., § 1587 c Rn 68; offen gelassen von BGH FamRZ 1989, 1060, 1061). Die Frage kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, denn die insoweit darlegungspflichtige Antragstellerin (vgl. dazu BGH FamRZ 1988, 709, 710) hat keine Umstände vorgetragen, die einem pflichtwidrigen Verhalten des Antragsgegners über eine bloße Nichterfüllung einer Unterhaltspflicht hinaus ein besonderes Gewicht verleihen und es dadurch als gröbliche Pflichtverletzung erscheinen lassen.
Insgesamt gesehen kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Ehezeit nur einen Zeitraum von knapp zwei Jahren umfaßte, in dem der Antragsgegner einen wirtschaftlichen Mißerfolg erlitt, den er bis zum Ende der Ehezeit nicht anderweitig ausgleichen konnte. Auch das spricht gegen eine gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht.
2.
Nach § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig ist. Bei der Entscheidung, ob die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig ist, sind sämtliche Umstände des Einzelfalles unter besonderer Berücksichtigung der künftigen Altersversorgung der Ehegatten zu würdigen. Wegen des Ausnahmecharakters der Härteklausel ist an das Vorliegen der groben Unbilligkeit ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW-RR 1987, 324), so daß die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 1982, 909, 910). Ziel des Versorgungsausgleichs ist nmlich nicht so sehr der Ausgleich der "gemeinsamen Lebensleistung" der Ehegatten, vielmehr soll dem Gedanken der Ehe als Versorgungsgemeinschaft Rechnung getragen werden (BGH FamRZ 1979, 477, 480). Grundsätzlich ist deshalb die Ausgleichspflicht nur in beschränktem Maße von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage der Ehegatten abhängig (BGH FamRZ 1989, 491). Danach reicht es für einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs nicht aus, wenn der Ausgleichsverpflichtete nur geringe eigene Anwartschaften erworben hat und auf diese für die Sicherung seiner eigenen Altersversorgung dringend angewiesen ist. Erst dann, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit beider Ehegatten, sondern zu einem wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führt, kann dies eine grobe Unbilligkeit begründen, jedenfalls dann, wenn der Ausgleichsberechtigte bereits eine ausreichende Versorgung hat, während der Ausgleichsverpflichtete auf seine Anrechte dringend angewiesen und insbesondere nicht mehr in der Lage ist, den Verlust der Anwartschaften auszugleichen (BGH FamRZ 1981, 130, 132; 1987, 49, 51; Soergel/Vorwerk, BGB, 12. Aufl. § 1587 c Rn 19; Johahnnsen/Henrich/Hahne, a. a. O., § 1587 c Rn 10).
Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner habe während der Ehezeit Altersvorsorge in Form von Lebensversicherungen betrieben. Er habe monatliche Zahlungen auf einen bei der ... -Versicherung bestehenden Vertrag (Versicherungssumme 75.000,00 DM) und auf einen weiteren Lebensversicherungsvertrag erbracht.
Eine grobe Unbilligkeit als Wertausgleich kann sich auch aus den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten ergeben, wobei insbesondere dem Vermögenserwerb während der Ehe besondere Bedeutung zukommt. Als Vermögen im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB kommen auch Ansprüche auf Anwartschaften aus Lebensversicherungen auf Kapitalbasis in Betracht, wenn sie - wie hier - nicht dem Zugewinnausgleich unterliegen (Wick, a. a. O., Rn 21). Der Antragsgegner bestreitet allerdings, selbst Zahlungen auf die Lebensversicherungsverträge erbracht zu haben. Vielmehr sollen dies seine Eltern getan haben. Letztlich kann die Frage jedoch dahingestellt bleiben, weil ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs auch in einem derartigen Fall nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Berechtigte bereits in ausreichendem Maße für Alter und Invalidität versorgt ist, während der Verpflichtete dringend auf die von ihm erworbenen Anwartschaften angewiesen ist (Wick, a. a. O., Rn 18 m. w. N.). Selbst wenn der Antragsgegner hier auf Grund des Versorgungsausgleichs und seiner Lebensversicherungen besser dastünde als die Antragstellerin, so ist diese doch angesichts ihres Alters, von erst 33 Jahren in der Lage, den Verlust von Anwartschaften in Höhe von (nur) 109,58 DM durch weitere Arbeit wieder aufzustocken (vgl. dazu: BGH FamRZ 1982, 258, 259; OLG München FamRZ 1993, 1320 [OLG München 14.12.1992 - 12 UF 896/92]).
3.
Eine den Ausschluß des Versorgungsausgleichs rechtfertigende grobe Unbilligkeit kann sich bei verfassungskonformer Auslegung aber auch dann ergeben, wenn der Ausgleichsberechtigte in schwerwiegender Weise seine Pflichten aus der ehelichen Lebensgemeinschaft verletzt hat und deshalb die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs unerträglich erscheint (BGH FamRZ 1983, 32 ff; 1984, 662, 665; Johannsen/Henrich/Hahne, a. a. O., § 1587 c Rn 2; Wick in RGRK BGB a. a. O., § 1587 c Rn 56). Selbst wenn der Antragsgegner - was streitig ist - über den Umfang eventueller Verbindlichkeiten getäuscht haben sollte, die Antragstellerin den wesentlichen Teil der finanziellen Lasten während des Zusammenlebens getragen hat und sie darüber hinaus nach der Trennung der Parteien in Anbetracht der Betreuung des minderjährigen Kindes überobligationsmäßig tätig gewesen ist, würde dies die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB nicht rechtfertigen. Daß hier durch das Verhalten des Antragsgegners eine wirtschaftliche Notlage eingetreten ist, hat die insoweit darlegungspflichtige Antragstellerin - wie bereits ausgeführt - nicht mit Substanz vorgetragen. Unrichtige Angaben und darauf möglicherweise beruhende falsche Vorstellungen über den finanziellen Hintergrund mögen zwar moralisch zu mißbilligen sein und dem mitmenschlichen. Umgang widersprechen, sie lassen die Durchführung des Versorgungsausgleichs jedoch nicht als unerträgliches Unrecht erscheinen und damit die Anwendung der Härteregelung rechtfertigen. Anzulegen ist nämlich ein ähnlich strenger Maßstab, wie er bei der Anwendung der Härteklausel im Rahmen des Zugewinnausgleichs (§ 1381 BGB) verlangt wird. Nach den zu § 1381 BGB entwickelten Grundsätzen ist aber die Grenze, von der ab die Gewährung des vollen Ausgleichs als grob unbillig anzusehen ist, weit hinaus anzusetzen. Im Fälle persönlicher Eheverfehlungen wird diese Grenze im allgemeinen nur überschritten, wenn sich das schwerwiegende pflichtwidrige Verhalten über einen langandauernden Zeitraum erstreckt. Auch daran fehlt es hier angesichts der Kürze des Zusammenlebens der Parteien.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1 ZPO, 17 a Nr. 1 GKG.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 1.314,96 DM.