Landgericht Göttingen
Urt. v. 02.07.2008, Az.: 3 Ns 160/07

Verwertbarkeit einer von einem Polizeibeamten veranlassten Blutprobe ohne Einholung einer Anordnung durch den zuständigen Bereitschaftsrichter des Amtsgerichts; Auswirkungen einer Zustimmung der betroffenen Person zur Blutprobe

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
02.07.2008
Aktenzeichen
3 Ns 160/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 22712
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2008:0702.3NS160.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Duderstadt - 04.10.2007

Verfahrensgegenstand

Trunkenheit im Verkehr

In der Strafsache
...
hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Göttingen
auf die Berufung der Staatsanwaltschaft
gegen das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Duderstadt vom 04. Oktober 2007
in der Sitzung vom 2. Juli 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht ... als Vorsitzender
... als Schöffen
Oberstaatsanwalt ... als Beamter der Staatsanwaltschaft
für Recht erkannt:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen ä 30,-- EUR verurteilt wird.

Das vom Amtsgericht verhängte Fahrverbot wird bestätigt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die im Zusammenhang mit der Blutentnahme vom 12. Mai 2007 entstandenen Kosten zu tragen.

Gründe

1

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Duderstadt vom 4. Oktober 2007 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 24 a StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 250,00 EUR verurteilt worden. Ferner ist gegen ihn ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt worden.

2

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung eingelegt mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeklagten zu einer Geldstrafe wegen Trunkenheit im Verkehr.

3

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

4

Der jetzt 33 Jahre alte Angeklagte befindet sich seit 1997 in Deutschland. In seinem Geburtsland Jordanien besuchte er drei Jahre lang eine Schule und erlernte den Beruf des Automechanikers. Der Angeklagte ist seit 2007 geschieden. Aus der Ehe ein jetzt sechs Jahre alter Sohn hervorgegangen, der bei der Mutter lebt und für den der Angeklagte keinen Unterhalt zahlt.

5

Der Angeklagte verdient als Leiharbeiter bei der Firma Peguform 900,00 EUR netto monatlich. Er ist bisher nicht bestraft.

6

Am 12. Mai 2007 gegen 22.30 Uhr befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw in Duderstadt die Straßen Löwengasse, Hinterstraße und Sackstraße. Da die Löwengasse für den Durchgangsverkehr gesperrt ist, wurde der Angeklagte von einer Polizeistreife mit dem Zeugen PK X und dessen Kollegen PK Y verfolgt und anschließend in der Sackstraße angehalten. Die Beamten bemerkten Alkoholgeruch beim Angeklagten, der keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigte. Nach entsprechendem Vorhalt und Belehrung, dass er dazu nicht verpflichtet sei, fragten die Beamten den Angeklagten, ob er zu einem Atemalkoholtest bereit sei, was dieser bejahte. Die Beamten fuhren daraufhin mit dem Angeklagten zum nahegelegenen Polizeikommissariat Duderstadt, wo mit seinem Einverständnis ein Test am Gerät Dräger Typ 7410 durchgeführt wurde, der um 22.38 Uhr eine Atemalkoholkonzentration von 1,31% ergab. Daraufhin ordneten die Beamten ohne Rücksprache mit dem zuständigen Bereitschaftsrichter des Amtsgerichts Duderstadt die Entnahme einer Blutprobe an. Sie erläuterten dies dem Angeklagten, der auch damit einverstanden war.

7

Die Blutprobe wurde dem Angeklagten um 23.10 Uhr in den Räumen des Polizeikommissariats von dem herbeigerufenen Arzt entnommen und ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,24Promille. Dem Arzt gegenüber erklärte der Angeklagte nochmals sein Einverständnis mit der Blutentnahme. Sein Führerschein wurde widerspruchslos sichergestellt und dem Angeklagten am Ende der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 4. Oktober 2007 wieder ausgehändigt.

8

IV.

Die Feststellungen zu Abschnitt II. beruhen auf den Angaben des Angeklagten sowie dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug.

9

Die Feststellungen zu Abschnitt III. - der Angeklagte hat sich zur Sache nicht eingelassen - beruhen auf den uneidlichen Bekundungen des Zeugen PK Imm sowie dem in der Berufungshauptverhandlung verlesenen ärztlichen Untersuchungsbericht vom 12. Mai 2007 und dem ebenfalls verlesenen Blutalkoholbefund vom 15. Mai 2007.

10

Dass die Polizeibeamten entgegen § 81 a Abs. 2 StPO vor der von ihnen veranlassten Entnahme der Blutprobe nicht die Anordnung durch den zuständigen Bereitschaftsrichter des Amtsgerichts eingeholt haben, macht die Verwertung der daraus gewonnenen Untersuchungsergebnisse nicht unverwertbar." In diesem Zusammenhang lässt es die Kammer dahinstehen, ob bei Blutentnahmen zur Feststellung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr nicht ohnehin generell Gefahr im Verzug besteht, weil jedes weitere Zuwarten wegen des möglichen Abbaus des Blutalkoholgehalts den Untersuchungserfolg gefährden würde, wovon die Gerichte mittlerweile fast ausnahmslos ausgehen (vgl. dazu Meyer-Goßner, 51. Aufl. Rd.-Nr. 25 zu § 81 a StPO; LG Braunschweig 9 Qs 381/07 m.w.N.), und damit in solchen Fällen der Richtervorbehalt gar nicht eingreift. Denn ein möglicher Verstoß würde jedenfalls im vorliegenden Fall das Ergebnis der Blutprobe vom 12. Mai 2007 nicht unverwertbar machen (vgl. dazu Meyer-Goßner a.a.O. Rd. Nr. 32). Eine Unverwertbarkeit könnte vorliegend allenfalls dann gegeben sein, wenn die Blutprobe ohne Anordnung der Polizei und auch ohne Einwilligung des Angeklagten vorgenommen wäre (a.a.O. Rd.-Nr. 33). Das ist hier nicht der Fall. Der Zeuge PK ~! hat nach seinen Bekundungen die Blutprobe angeordnet und der Angeklagte hat dem mehrfach zugestimmt. Er war auch nach ausdrücklicher Belehrung mit dem zuvor durchgeführten Atemalkoholtest einverstanden.

11

V.

Danach hat sich der Angeklagte der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB schuldig gemacht. Er hat im Zustand absoluter alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit seinen Pkw durch Duderstadt gesteuert.

12

Kammer hat angesichts der bisherigen strafrechtlichen Unbescholtenheit des geklagten eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen gehalten. Nach den derzeitigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen des Angeklagten war die Höhe eines Tagessatzes auf 30,00 EUR festzusetzen.

13

Von der Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten gemäß § 69 StGB hat die Kammer abgesehen, weil der Angeklagte seit der Aushändigung des Führerscheins am 4. Oktober 2007 straßenverkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, und es bei der Anordnung eines dreimonatigen Fahrverbots gemäß § 44 StGB als "Denkzettel" mit Warnungsfunktion belassen.

14

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 465 StPO.