Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.1986, Az.: 3 A 192/86
Molkerei; Landwirtschaftlicher Betrieb; Bescheinigung; Ausstellung; Anlieferungsmenge; Referenzmenge; Garantiemenge; Milcherzeugnisse
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.12.1986
- Aktenzeichen
- 3 A 192/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 12826
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1986:1205.3A192.86.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 23.05.1986 - AZ: 1 A 286/86
- nachfolgend
- BVerwG - 19.09.1991 - AZ: BVerwG 3 C 11.87
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer Stade - vom 23. Mai 1986 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO).
Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Er lieferte an die Bremerland Molkerei e.G. im Jahre 1981 387.154 kg und im Jahre 1983 517.122 kg Milch. Aufgrund der Milchlieferungen errechnete die Molkerei für seinen Betrieb eine Anlieferungs-Referenzmenge von 452.500 kg.
Am 15. August 1984 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 iVm § 6 Abs. 5 MGVO zu bescheinigen, daß aufgrund der von ihm durchgeführten Baumaßnahme und der damit verbundenen Erhöhung der Kuhplätze von 54 auf 214 die Voraussetzungen für die Anerkennung einer besonderen Anlieferungs-Referenzmenge gegeben seien. Mit Bescheid vom 24. August 1984 lehnte die Kreisstelle der Beklagten im Landkreis Cuxhaven den Antrag ab.
Zur Begründung führte sie aus, daß der Kläger keinen Anspruch auf Ausstellung der begehrten Bescheinigung habe, weil gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO nur eine Anlieferungsmenge von 406.400 kg berücksichtigt werden könne und seine Molkerei bei der Berechnung der Anlieferungs-Referenzmenge bereits die über dieser Höchstgrenze liegende Anlieferungsmenge von 517.122 kg zugrunde gelegt habe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 1985 zurück.
Der Kläger hat am 2. April 1985 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Existenz seines landwirtschaftlichen Betriebes sei gefährdet, wenn die Beklagte ihm die begehrte Bescheinigung nicht ausstelle. Um seinen Betrieb wirtschaftlich sinnvoll führen zu können, sei er auf die Zuteilung einer Anlieferungs-Referenzmenge angewiesen, die der Milchleistung von 214 Kühen entspreche. Er bewirtschafte einen 90 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb mit hohem Dauergrünlandanteil. Seit Jahren habe er sich auf die Milcherzeugung spezialisiert. Anfang 1983 sei ihm ein langjährig verpachteter Viehstall gekündigt worden. Er habe daher nach vorheriger Beratung durch die Beklagte mit einem Kostenaufwand von ca. 400.000,-- DM im Jahre 1983 einen Boxenlaufstall errichtet, in dem ihm insgesamt 214 Kuhplätze zur Verfügung ständen. Diese Baumaßnahme erweise sich nunmehr jedoch als Fehlinvestition, weil er mit der ihm derzeit zugeteilten Anlieferungs-Referenzmenge lediglich 89 Kuhplätze nutzen könne. § 6 Abs. 6 MGVO verstoße gegen den Gleichheitssatz und den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Kreisstelle der Beklagten im Landkreis Cuxhaven vom 24. August 1984 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. Februar 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MGVO zu bescheinigen, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung einer besonderen Anlieferungs-Referenzmenge nach einer Milchmenge von 1.087.120 kg gegeben seien.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid Bezug genommen und im übrigen die Auffassung vertreten, daß § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO nicht verfassungswidrig sei.
Der Kläger hat vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Mit Beschluß vom 20. Dezember 1985 - 5 VG D 123/85 - hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die gegen diesen Beschluß gerichtete Beschwerde hat das erkennende Gericht mit Beschluß vom 3. März 1986 - 3 OVG B 7/86 - zurückgewiesen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage sodann durch Urteil vom 23. Mai 1986 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung mit dem von ihm begehrten Inhalt. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MGVO habe der Milcherzeuger dem Käufer in den Fällen des § 6 Abs. 2 bis 5 MGVO durch eine von der zuständigen Landesstelle ausgestellte, mit Gründen versehene Bescheinigung nachzuweisen, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung einer besonderen Anlieferungs-Referenzmenge gegeben seien und welche Zielmenge zu berücksichtigen sei. Es könne offenbleiben, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 MGVO erfülle. Seinem Begehren stehe auf jeden Fall § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO entgegen. Danach könne die nach den Abs. 2 bis 5 berechnete Milchmenge insoweit nicht berücksichtigt werden, als sie die in dem betreffenden Bundesland 1983 durchschnittlich angelieferte Milchmenge von 80 Kühen übersteige. Der Berechnung der Anlieferungs-Referenzmenge sei im Falle des Klägers eine Anlieferungsmenge von 517.122 kg zugrunde gelegt worden, die die sich aus § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO ergebende Höchstmenge von 406.400 kg (80 Kühe × 5.080 kg Landesdurchschnitt) überschreite.
§ 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO verstoße weder gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft noch gegen das nationale Verfassungsrecht. Die Überprüfung der verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers im Verfahren zur Hauptsache habe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung als im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geführt. Es könne daher auf die Entscheidungsgründe im Verfahren des Klägers auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung Bezug genommen werden.
Gegen diese Entscheidung führt der Kläger Berufung. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und nimmt auf die Ausführungen in dem Rechtsgutachten von Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke Bezug.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Senat mit dem von Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke vorgelegten Rechtsgutachten vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist zulässig.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl I S. 17), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. Dezember 1985 (BGBl I S. 2146) - VwGO -, gegeben. Bei der unter den Beteiligten streitigen Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 iVm § 6 Abs. 4 der Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung) vom 25. Mai 1984 (BGBl I S. 720) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Juli 1986 (BGBl I S. 1227) - MGVO - mit dem von ihm begehrten Inhalt zusteht, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs stehen die Vorschriften des § 33 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung vom 6. Oktober 1965 (BGBl I S. 1477) - FGO - in Verbindung mit der im Zeitpunkt der Erhebung der Klage geltenden und anzuwendenden gesetzlichen Regelung in § 29 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation vom 31. August 1972 (BGBl I S. 1617), geändert durch Art. 38 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 18. März 1975 (BGBl I S. 705) - MOG a.F. -, nicht entgegen, die u.a. für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Abgaben im Rahmen von Produktionsregelungen den Finanzrechtsweg vorsehen.
Nach § 3 MGVO iVm Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die Gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 148/13) - VO (EWG) - Nr. 804/68 - in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68über die Gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 90/10) - VO (EWG) Nr. 856/84 - wird von jedem Milcherzeuger eine Abgabe für die an einen Käufer gelieferte Milchmenge erhoben, die seine Anlieferungs-Referenzmenge überschreitet. Die Abgabe dient gemäß Art. 5 c VO (EWG) Nr. 804/68 der Regulierung der Milcherzeugung und ist somit eine Abgabe im Rahmen von Produktionsregelungen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG a.F. (Beschl. d. Sen. v. 3. 3. 1968 - 3 OVG B 7/86 -, AgrarR 1986, 206 = RdL 1986, 104). Mit der Erhebung dieser Abgabe steht die Festsetzung der Referenzmenge in einem engen sachlichen Zusammenhang, so daß eine Streitigkeit über die Festsetzung der Referenzmenge als eine solche über "Abgaben im Rahmen von Produktionsregelungen" im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG a.F. anzusehen und die Zuständigkeit desselben Gerichtszweiges sachgerecht ist (BFH, Beschl. v. 26. 3. 1985 - VII B 12/85 -, BFH, § 142, 534 = AgrarR 1985, 154). Streitigkeiten, die unmittelbar die Erteilung von Bescheinigungen nach § 9 Abs. 2 MGVO betreffen, werden jedoch von dieser Rechtswegzuweisung nicht erfaßt. Das folgt aus der Gesamtregelung der Milch-Garantiemengen-Verordnung und insbesondere den § 2, 4, 9, 10, 11 MGVO. Das Verfahren über die Erhebung der Milchabgabe ist zweistufig und in ein Feststellungsverfahren für die Referenzmenge und ein Erhebungsverfahren unterteilt. Das Bescheinigungsverfahren nach § 9 Abs. 2 MGVO ist dem (besonderen) Feststellungsverfahren nach § 10 MGVO zugeordnet und hat die Ermittlung und Beurteilung spezifisch landwirtschaftsbezogener Sachverhalte durch eine landwirtschaftliche Fachdienststelle mit bindender Wirkung für die Finanzbehörden zum Gegenstand. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 MGVO kann u.a. für die Neuberechnung der Referenzmenge eine nach Maßgabe dieser Verordnung erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesstelle mit dem Antrag auf Neuberechnung nicht ersetzt oder angegriffen werden. Das bedeutet, daß das Verfahren gemäß § 9 Abs. 2 MGVO als ein die Festsetzung der Referenzmenge vorbereitendes eigenständiges Verwaltungsverfahren mit Bindungswirkung für die Finanzverwaltung durchzuführen ist. Als behördliche Regelung mit Außenwirkung sind die nach § 9 Abs. 2 MGVO zu erteilenden Bescheinigungen Verwaltungsakte und können im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angefochten werden (BFH, Beschl. v. 26. 3. 1985, aaO, OVG Münster, Beschl. v. 4. 10. 1985 - 9 B 1232/85 -, AgrarR 1986, 27; OVG Koblenz, Beschl. v. 8. 11. 1985 - 8 B 31/85 -, RdL 1986, 24; Beschl. d. Sen. v. 6. 6. 1986 - 3 OVG B 85/86 -, SchlHA 1986, 167).
An dieser Rechtslage und der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges hat sich durch das 2. Änderungsgesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation vom 27. August 1986 (BGBl I S. 1389) und die Neufassung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1986 (BGBl I S. 1397) - MOG n.F. - nichts geändert. Nach § 90 Abs. 3 VwGO wird die Zuständigkeit des Gerichts und die Zulässigkeit des zu ihm bestrittenen Rechtsweges durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nach Eintritt der Rechtshängigkeit nicht berührt. Ob diese Vorschrift auch bei Rechtsänderungen anwendbar ist, ist nicht unbestritten (vgl. Kopp, VwGO (Kommentar), 7. Aufl., § 90 RdNr. 18 m.H. auf Rechtsprechung und Schrifttum). Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es indessen nicht. Der Verwaltungsrechtsweg ist auch nach dem 2. Änderungsgesetz gegeben. Nach § 34 Abs. 1 MOG n.F. ist in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Maßnahmen zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation der Finanzrechtsweg gegeben, soweit eine Bundesfinanzbehörde für die Maßnahme zuständig ist. § 34 Abs. 1 MOG n.F. enthält keine Erweiterung des Finanzrechtsweges, sondern hat nur eine Klarstellung des Behördenprinzips zum Gegenstand (vgl. BT-Drucks. 10/5236 S. 21). Für die vom Kläger begehrte Bescheinigung ist keine Bundesfinanzbehörde, sondern als landwirtschaftliche Fachbehörde die Beklagte nach §§ 9 Abs. 2, 2 Abs. 1 Satz 2 MGVO iVm § 1 der Verordnung zur Übertragung von Aufgaben im Rahmen der Milch-Garantiemengen-Verordnung auf die Landwirtschaftskammern vom 4. Juli 1984 (Nds. GVBl S. 173) zuständig, so daß der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO auch nach dem Inkrafttreten des 2. Änderungsgesetzes zum Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation gegeben ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 3. 3. 1986, aaO) dargelegt, daß dem Kläger kein Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MGVO mit dem von ihm begehrten Inhalt zusteht. Dem Begehren des Klägers steht § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO entgegen. Nach dieser Vorschrift bleibt eine nach § 6 Abs. 4 MGVO zu berechnende Milchmenge, auf die sich der Kläger beruft, insoweit unberücksichtigt, als sie die in dem betreffenden Bundesland 1983 durchschnittlich angelieferte Milchmenge von 80 Kühen, in Niedersachsen mithin 80 × 5.080 kg Landesdurchschnitt = 406.400 kg Milch übersteigt.
§ 6 Abs. 1 Satz 1 MGVO verstößt entgegen der Auffassung des Klägers, soweit davon die Milchproduktion in seinem landwirtschaftlichen Betriebe betroffen wird, nicht gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaften oder gegen das nationale Verfassungsrecht (Art. 14, 12, 3 GG, Grundsatz des Vertrauensschutzes). Die Ausführungen des Klägers, insbesondere unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Beschl. v. 4. 10. 1985, aaO) und das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke geben dem Senat zur einer anderen Beurteilung keinen Anlaß. Der Senat teilt die vom Oberverwaltungsgericht Münster u.a. im Beschluß vom 4. 10. 1985, aaO und vom 11. 7. 1986 - 9 B 147/86 - vertretene Rechtsansicht nicht.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten war zum Erlaß der Milch-Garantiemengen-Verordnung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG a.F. ermächtigt. Danach kann der Bundesminister Vorschriften über das Verfahren bei Abgaben im Rahmen von Produktionsregelungen erlassen, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften hinsichtlich Marktordnungswaren erforderlich ist. Dabei sind unter Verfahrensvorschriften in diesem Sinne nicht nur die formellen Vorschriften über die Erhebung einer Abgabe zu verstehen, sondern alle Vorschriften über das "Wie" der Erhebung der Abgabe, deren materiell-rechtliche Voraussetzungen durch das Gemeinschaftsrecht hinreichend bestimmt sind. Das folgt aus § 8 Abs. 1 MOG a.F., der auch zur Festlegung von "Voraussetzungen und Höhe" der Abgabe ermächtigt (BFH, Beschl. v. 17. 12. 1985 - VII B 116/85 -, BFHE 145, 289). Die Regelungen in der Milch-Garantiemengen-Verordnung und insbesondere die unter den Beteiligten streitigen Vorschriften über das Bescheinigungsverfahren sind durch die Ermächtigung in § 8 Abs. 1 MOG a.F. gedeckt. Die Milchabgabe dient der Regulierung der Milcherzeugung innerhalb der Gemeinschaft (Art. 5 c Abs. 1 VO (EWG) Nr. 804/68 in der Fassung der VO (EWG) Nr. 856/84). Die Milch-Garantiemengen-Verordnung hat damit eine Abgabe im Rahmen von Produktionsregelungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG a.F. zum Gegenstand und konkretisiert die Voraussetzungen über die Erhebung der Abgabe, die der Milcherzeuger unter Berücksichtigung von Referenzmengen im Rahmen der nationalen Garantiemengen für gelieferte oder verkaufte Milch und Milcherzeugnisse zu zahlen hat, wie sie materiell-rechtlich in der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 und der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 90/13) - VO (EWG) Nr. 857/84 - sowie der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit Durchführungsbestimmungen für die Zusatzgabgabe nach Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl EG Nr. L 132/11) - VO (EWG) 1371/84 - hinreichend bestimmt und vorgegeben waren und die ihrerseits die Verordnung (EWG) Nr. 804/68, die die Grundsätze der Gemeinsamen Marktorganisation für Milch- und Milcherzeugnisse innerhalb der Europäischen Gemeinschaften regelt, um die Einführung der Milchabgabe ergänzt haben und Grundregeln für die Anwendung der Abgaben sowie Durchführungsbestimmungen enthalten. Die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft enthalten die wesentlichen Entscheidungen für die Höhe und Erhebung der Milchabgabe (vgl. u.a. Art. 1 VO (EWG) Nr. 856/84) und die bei der Festsetzung der Referenzmenge zu berücksichtigenden besonderen Situationen (Art. 3 VO (EWG) Nr. 857/84), so daß, entgegen der Auffassung des Klägers, die Milch-Garantiemengen-Verordnung keine Regelungen trifft, die nur durch ein formelles Gesetz vorgenommen werden konnten. Der nationale Verordnungsgeber ist mithin nicht erst durch Art. 1 Nr. 7 des 2. Änderungsgesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation vom 27. August 1986 (§ 8 MOG n.F.), das am 31. August 1986 in Kraft getreten ist, zum Erlaß der Milch-Garantiemengen-Verordnung ermächtigt worden. Nach § 8 Abs. 1 MOG n.F. ist der Bundesminister unter den in dieser Vorschrift im einzelnen genannten Voraussetzungen ermächtigt, Bestimmungen über das Verfahren bei der Aufteilung, Zuteilung und Änderung von Garantiemengen, Referenzmengen, Quoten und sonstigen Mindest- und Höchstmengen im Rahmen von Marktorganisationsmaßnahmen (Mengenregelungen) sowie über die Voraussetzungen und die Höhen solcher Mengenregelungen zu erlassen. Diese Regelung dient, worauf in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 10/5236 S. 13) hingewiesen wird, der Einbeziehung der Garantiemengenregelung bei Milch in das Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation und enthält eine allgemein gehaltene Vorschrift für eine Quotenregelung bei Milch und Zucker. § 8 Abs. 1 MOG n.F. konkretisiert mithin lediglich die Ermächtigung des Bundesministers zum Erlaß von Rechtsverordnungen über Referenzmengen usw., wie sie bis zur Neuregelung allgemein im Zusammenhang mit der Erhebung einer Abgabe im Rahmen von Produktionsregelungen in § 8 Abs. 1 MOG a.F. enthalten war.
Die Vorschriften der Milch-Garantiemengen-Verordnung verstoßen auch nicht, soweit der vorliegende Sachverhalt zu ihrer Überprüfung Anlaß gibt, in ihrem materiellen Inhalt gegen das Gemeinschafts- oder das nationale Verfassungsrecht. Insbesondere ist die Beschränkung der zu berücksichtigenden Milchmenge auf den Landesdurchschnitt von 80 Kühen unbedenklich.
Im Zusammenhang mit der im "unverzichtbaren öffentlichen Interesse" gebotenen unverzüglichen Einführung der Abgabe zum 2. April 1984 hat der EG-Verordnungsgeber bereits in der Präambel zu der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 darauf hingewiesen, daß Übergangsmaßnahmen getroffen werden müssen, um u.a. Investitionen der Milcherzeuger, die sich im maßgeblichen Referenzjahr noch nicht ausgewirkt hatten und nicht wieder rückgängig gemacht werden konnten, berücksichtigen zu können. Demzufolge bestimmt Art. 3 Nr. 1 VO (EWG) Nr. 857/84, daß die Mitgliedsstaaten bei der Festlegung der Referenzmenge u.a. als besondere Situationen berücksichtigen können, wenn sich der Erzeuger zur Durchführung eines vor dem 1. März 1984 eingereichten Entwicklungsplanes im Bereich der Milcherzeugung gemäß der Richtlinie 72/159/EWG des Rates vom 17. April 1972 über die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe (ABl EG Nr. L 96/1) - RL 72/159/EWG - verpflichtet hat. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, Betrieben, bei denen Investitionen im Bereich der Milcherzeugung öffentlich gefördert worden sind, die Verwirklichung der in dem Betriebsentwicklungsplan festgelegten Ziele zu ermöglichen. Das folgt daraus, daß Art. 3 Nr. 1 VO (EWG) Nr. 857/84 ausdrücklich auf die RL 72/159/EWG, die eine Förderung entwicklungsbedürftiger und -fähiger landwirtschaftlicher Betriebe zum Gegenstand hat, Bezug nimmt, denen nach der Entscheidung des Mitgliedsstaates eine spezifische Referenzmenge zugewiesen werden soll, die den im Entwicklungsplan vorgesehenen Milchmengen und Milcherzeugnissen Rechnung trägt. Der nationale Verordnungsgeber hat sich mithin an die in Art. 3 Nr. 1 VO (EWG) Nr. 857/84 umschriebene Ermächtigungsgrundlage gehalten, wenn er zunächst den landwirtschaftlichen Betrieben eine spezifische Referenzmenge zugewiesen hat, die aufgrund ihres Einkommens entwicklungsbedürftig und förderungsfähig im Sinne der RL 72/159/EWG waren und die im Rahmen des diese Richtlinie im nationalen Bereich konkretisierenden Rahmenplanes des Planungsausschusses für die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1979 bis 1982 (BT-Drucks. - 8/257) bzw. für den Zeitraum 1983 bis 1986 (BT-Drucks. 10/26) gefördert worden sind.
Nach Art. 3 Nr. 1 Satz 2 VO (EWG) Nr. 857/84 konnten die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft bei der Festsetzung der Referenzmengen auch Investitionen in milcherzeugenden landwirtschaftlichen Betrieben berücksichtigen, die ohne einen Entwicklungsplan getätigt worden sind. Von dieser Möglichkeit hat der nationale Verordnungsgeber in § 6 Abs. 3 bis 5 MGVO Gebrauch gemacht und in § 6 Abs. 6 MGVO die spezifische Referenzmenge auf die in dem betreffenden Bundesland 1983 durchschnittlich angelieferte Milchmenge von 80 Kühen begrenzt. Durch die Einführung dieser Grenze werden die im Bereich der Milchviehhaltung ohne einen Entwicklungsplan getätigten Investitionen den in diesem Bereich öffentlich geförderten Investitionen gleichgestellt. Nach den vom Planungsausschuß beschlossenen Förderungsgrundsätzen konnten Investitionen im Bereich der Milchviehhaltung nur gefördert werden, wenn der Milchkuhbestand im Zieljahr des Betriebsentwicklungsplanes nicht mehr als 80 Milchkühe betragen sollte (Ziff. 12.10 bzw. 9.1.4 der Grundsätze für die Förderung von einzelbetrieblichen Investitionen in der Landwirtschaft und für die Förderung der ländlichen Siedlung - BT-Drucks. 8/2754 S. 33 bzw. BT-Drucks. 10/26, S. 25). Durch die Bezugnahme auf die RL 72/159/EWG sollte die Zuweisung einer besonderen Referenzmenge offensichtlich nicht beliebig auf alle Investitionen im Bereich der Milchviehhaltung ausgedehnt werden und ausgeschlossen sein, wenn im Zieljahr der Milchkuhbestand von 80 Stück überschritten wurde. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die es rechtfertigen, Investitionen in nicht geförderten Betrieben nach § 6 Abs. 3 bis 5 MGVO anders zu behandeln. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Der Wortlaut der Ermächtigung in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VO (EWG) Nr. 857/84 und die Stellung der Vorschriften in Art. 3 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 VO (EWG) Nr. 857/84 zueinander zeigen deutlich, daß sie nur im Zusammenhang mit der ihr vorangestellten Regelung gesehen werden kann, wonach Milcherzeugern nur eine spezifische Referenzmenge für 80 Milchkühe zugewiesen werden kann. Die in § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO getroffene Regelung und Beschränkung auf 80 Milchkühe berücksichtigt im übrigen, daß die Summe der den einzelnen Milcherzeugern einzuräumenden Referenzmengen die der Bundesrepublik Deutschland jeweils zur Verfügung stehende Gesamtgarantiemenge nicht überschreiten darf (Art. 1 Abs. 1 und 3 VO (EWG) Nr. 856/84) und demzufolge der nationale Verordnungsgeber gehalten ist, bei der Ausfüllung des ihm eingeräumten Regelungsrahmens und der Berücksichtigung besonderer Situationen bei der Referenzmengenfestsetzung die beschränkende Wirkung der insgesamt zur Verfügung stehenden Garantiemenge zu beachten. Diesem Erfordernis trägt schließlich auch die Beschränkung der zu berücksichtigenden Milchmenge auf den Landesdurchschnitt in dem betreffenden Bundesland Rechnung. Im übrigen rechtfertigen auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität die Einführung einer generellen Regelung. Bei dem Erlaß von Rechtsvorschriften für Massenverfahren der vorliegenden Art ist es sachgerecht, auf einfach nachprüfbare Voraussetzungen abzustellen, um einen unnötigen Verwaltungs- und Beweiserhebungsaufwand zu vermeiden.
Der Bundesminister war somit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG iVm Art. 3 Nr. 1 VO (EWG) Nr. 857/84 ermächtigt, bei der Festsetzung der (besonderen) Referenzmenge gemäß § 6 Abs. 6 MGVO die zu berücksichtigende Anlieferungsmenge auf die Durchschnittsleistung im Jahre 1983 von 80 Kühen in dem betreffenden Bundesland zu begrenzen.
Die Beschränkung der zu berücksichtigenden Milchmenge nach § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO auf den Landesdurchschnitt von 80 Kühen verstößt auch nicht gegen nationales Verfassungsrecht.
Soweit der Kläger geltend macht, daß ihm eine besondere Referenzmenge aufgrund der von ihm im Bereich der Milcherzeugung durchgeführten Investitionen über die nach § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO zu berücksichtigende Höchstmenge zu gewähren sei und er einen Verstoß gegen Art. 12, 14, 3 GG und den Grundsatz des Vertrauensschutzes rügt, wendet er sich gegen die Erhebung der Milchabgabe. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG a.F. ist in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgaben der vorbezeichneten Art der Finanzrechtsweg gegeben. Der Senat hat daher die verfassungsrechtliche Überprüfung der im vorliegenden Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften darauf beschränkt, ob der Verordnungsgeber von dem ihm eingeräumten Ermessen in rechter Weise Gebrauch gemacht oder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 GG) oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen hat (Beschl. d. Sen. v. 3. 3. 1986, aaO; v. 6. 6. 1986, aaO). An dieser bisher in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vertretenen Rechtsansicht hält der Senat nicht zuletzt auch im Interesse eines effektiven Rechtschutzes für die Milcherzeuger und unter Berücksichtigung der vom Bundesfinanzhof (Beschl. v. 26. 3. 1985, aaO) vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Das Bescheinigungsverfahren nach § 9 Abs. 2 MGVO ist - wie dargelegt - Teil des besonderen Festsetzungsverfahrens nach § 10 Abs. 3 MGVO, das wiederum die Grundlage der Abgabenerhebung bildet. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 MGVO kann eine für die Neuberechnung der Anlieferungs-Referenzmenge erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesstelle durch den Antrag auf Neuberechnung beim Hauptzollamt "nicht ersetzt oder angegriffen" werden. Das bedeutet, daß das Hauptzollamt nicht berechtigt ist, seine Entscheidung über das Vorliegen einer besonderen Situation, die eine höhere Referenzmenge rechtfertigen könnte, an die Stelle der Entscheidung der (sachkundigen) zuständigen Landesstelle zu setzen und daß ohne eine Bescheinigung der zuständigen Landesstelle vom Hauptzollamt eine von § 4 MGVO abweichende höhere Referenzmenge nicht festgesetzt werden kann. Daraus folgt, daß verfassungsrechtliche Bedenken, die zwar die Voraussetzungen über die Erhebung der Abgabe als solche betreffen, über die aber bereits im Feststellungsverfahren abschließend entschieden wird, in diesem Verfahren geltend zu machen und von den Verwaltungsgerichten zu überprüfen sind (ebenso OVG Münster, Beschl. v. 27. 7. 1986 - 9 B 249/86 -, - AgrarR 1986, 297; BFH, Beschl. v. 26. 3. 1985, aaO; Beschl. v. 17. 12. 1985, aaO).
Die in § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO enthaltene Höchstmengenregelung verletzt Grundrechte des Klägers nicht.
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet nicht nur das Privateigentum, sondern auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (BVerfG, Beschl. v. 24. 4. 1952 - 1 BvR 36/52 -, BVerfGE 1, 264, 276 f). Dazu gehören neben dem Bestand des Betriebes, den Betriebsgrundstücken, Geschäftsvermögen usw. auch die geschäftlichen Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm, also alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Betriebes ausmacht (Maunz-Dürig, Grundgesetz (Kommentar), Art. 14 RdNr. 96 m. Hinw. auf Rechtsprechung). Außerhalb des von der Eigentumsgarantie erfaßten Bereiches verbleiben aber die Gegebenheiten und Chancen, innerhalb derer der Unternehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Dazu gehören u.a. Marktchancen und Verdienstmöglichkeiten, wie Preise und der Absatz der Erzeugnisse. Trotz ihrer für den Betriebserfolg immanenten Bedeutung kommt ihnen eigentumsrechtlich nur mittelbare Bedeutung zu, so daß sie dem durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Bestand des Unternehmens nicht zugeordnet werden können (BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1977 - 2 BvR 499/74 und 1042/75 -, BVerfGE 45, 142, 173). Der vom Kläger mit der begehrten Bescheinigung inhaltlich verfolgte Absatz einer garantierten Milchmenge zu einem durch Interventionen gestützten Preis genießt daher als Marktchance und bloße Verdienstmöglichkeit den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Rahmen eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nicht.
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt gegenüber hoheitlichen Eingriffen aber auch solche Rechtspositionen, die aufgrund einer fremden Rechtsordnung, wie z.B. dem Recht der Europäischen Gemeinschaften bestehen, wenn die vom öffentlichen Recht eingeräumte Rechtsstellung auf eine eigene Leistung zurückzuführen ist und es nach der gesamten rechtlichen Ausgestaltung sowie dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes ausgeschlossen erscheint, daß der Staat dieses Recht ersatzlos entziehen kann (BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1977, aaO, S. 169, 170). Auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes läßt sich ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht feststellen. Die Regelungen der Milch-Garantiemengen-Verordnung verrechtlichen und betreffen nur Bereiche eines Wirtschaftsablaufs, die als Erwerbschancen nicht den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießen. Was sich im freien Wettbewerb als eine bloße Erwerbschance darstellt und aus Marktorganisationsgesichtspunkten durch die Verordnung (EWG) Nr. 804/68 rechtlich instrumentualisiert worden ist, erlangt durch diese Verrechtlichung nicht die Qualität eines vermögenserten, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Bestandes (BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1977, aaO, S. 171), zumal nach der Einleitung zur Verordnung (EWG) Nr. 804/68 die Gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse nicht erfolgt ist, um einen vorhandenen, vermögenswerten Rechts- und Güterstand der Milcherzeuger zu sichern, sondern um im gemeinschaftlichen Interesse durch ein gemeinsames Preissystem der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes auf dem Milchsektor näherzukommen.
Ein Rechtsanspruch der Milcherzeuger auf Beibehaltung der bisherigen Agrarmarktregelung besteht nicht. Es liegt im Wesen einer Marktordnung, daß sie auch staatliche Vergünstigungen enthält und von Zeit zu Zeit den Marktverhältnissen angepaßt werden muß, weil sonst die Marktordnung ihre Funktion verlieren würde. Das bedeutet, daß die Begrenzung staatlicher Leistungen, wie sie die auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts erlassene Milch-Garantiemengen-Verordnung einschließlich der darin enthaltenen Bestimmungen über die Berücksichtigung besonderer Situationen bei der Referenzmengenfestsetzung und die Begrenzung auf 80 Milchkühe für die Milcherzeuger mit sich bringt, nur deren Marktchancen betrifft und zu keinem Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum führt.
Die Begrenzung der Anlieferungsmenge auf die Durchschnittsleistung von 80 Milchkühe im Lande Niedersachsen nach § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO und die damit verbundene Nichtberücksichtigung einer der besonderen Situation des Klägers und seinen Investitionen im Bereich der Milchviehhaltung Rechnung tragenden Vorschrift hat auch keinen Verstoß gegen die Freiheit der Berufswahl oder Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) zur Folge. Der Zugang zu dem Beruf bzw. die Beibehaltung des Berufes Landwirt wird dem Kläger durch die Beschränkung der Milchproduktion nicht unmöglich gemacht. Die Milchabgabe beinhaltet kein Produktionsverbot, sondern belastet den Milcherzeuger mit einer Abgabe, soweit seine Milchlieferungen die ihm zuerkannte Referenzmenge übersteigen. Selbst wenn dadurch die Milchviehhaltung für den landwirtschaftlichen Betriebsinhaber unrentabel wird, ist damit ein Verstoß gegen die Freiheit der Berufswahl nicht verbunden. Die Milchviehhaltung ist als ein von mehreren möglichen Produktionsverfahren nur funktionsmäßig Bestandteil eines landwirtschaftlichen Betriebes und begründet keinen selbständigen Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Für den Begriff des Berufes kommt es darauf an, ob nach der allgemeinen Verkehrsauffassung eine auf Dauer angelegte und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung als Beruf angesehen werden kann. Das trifft für die Milchviehhaltung und -produktion in einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu. Bei ihr handelt es sich um eine standortbedingte und von betriebswirtschaftlichen Überlegungen beeinflußte Spezialisierung auf ein bestimmtes Produktionsverfahren, ohne daß sich damit nach allgemeiner Verkehrsauffassung und natürlicher Betrachtungsweise der Beruf des Betriebsinhabers "Landwirt" verändert. Soweit der Kläger als Inhaber eines milchproduzierenden landwirtschaftlichen Betriebes von den Vorschriften der Milch-Garantiemengen-Verordnung betroffen wird, können daher die damit verbundenen Eingriffe nur als Regelung der Berufsausübung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen werden.
Berufsausübungsregelungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. u.a. BVerfG, Urt. v. 19. 3. 1975 - 1 BvL 20-24/73 -, BVerfGE 39, 210, 225; Beschl. v. 17. 10. 1984 - 1 BvL 18/84 -, NJW 1985, 963 [BVerfG 17.10.1984 - 1 BvL 18/82 u a]) zulässig und bleiben im Rahmen des dem Gesetzgeber durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumten Regelungsauftrages, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohles gerechtfertigt, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. Diese Voraussetzungen liegen für die Beschränkung der Milchproduktion durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung vor. Spätestens seit dem Ende der siebziger Jahre hatte sich auf dem EG-Milchmarkt ein Ungleichgewicht zwischen der Milchproduktion und dem Absatz an Milch- und Milcherzeugnissen entwickelt, so daß die EG finanziell nicht mehr in der Lage war, die bisherige Marktordnung nach der Verordnung (EWG) Nr. 804/68, die letztlich zu einer unbegrenzten Abnahmegarantie und garantierten Mindestpreisen geführt hatte, beizubehalten. Die Milchproduktion hatte sich innerhalb der EG von 1981 bis 1983 von 119.207.000 t auf 127.000.000 t und in der Bundesrepublik Deutschland von 25.204.000 t auf 27.230.000 t erhöht. Der gestiegenen Produktion stand ein rückläufiger Verbrauch innerhalb der EG von 105.138.000 t auf 103.500.000 t und in der Bundesrepublik Deutschland von 21.360.000 t auf 20.900.000 t gegenüber. Mit der Überproduktion hatten sich die Lagerbestände an Butter von 147.000 t im Jahre 1981 auf 900.000 t im Jahre 1983 sowie für Magermilchpulver von 279.000 t auf 1.200.000 t erhöht. Die Milchmarktkosten waren von 8,39 Mrd. DM im Jahre 1981 auf 12,23 Mrd. DM im Jahre 1983 gestiegen. Für 1984 war ohne einen regulierenden Eingriff mit Kosten in Höhe von 17 Mrd. DM zu rechnen, so daß die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel allenfalls bis zum Herbst 1984 ausgereicht hätten (vgl. Bulletin der Bundesregierung v. 30. 11. 1983 Nr. 132 S. 1198 f.; Rede von Bundesminister Kiechle über "Grundzüge der Agrarpolitik der Bundesregierung"; Bulletin der Bundesregierung v. 13. 1. 1984 Nr. 5 S. 39 f.; Rede von Staatssekretär Dr. von Geldern über "Probleme und Zukunftsperspektiven der Agrarpolitik"). Aufgrund dieses Ungleichgewichts zwischen Produktion und Absatz sowie steigender Kosten lag die Notwendigkeit zu einer sofort die Produktion einschränkenden Regelung, wie sie mit der Milch-Garantiemengen-Verordnung auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts getroffen worden ist, auf der Hand. Neben der Garantiemengen-Regelung boten sich als Alternativen zu einer Beseitigung der Überproduktion eine Preissenkung oder eine gestaffelte Mitverantwortungsgabe an.
Nach den Berechnungen der Bundesregierung hätte die Preissenkung mindestens 15 % betragen müssen, die zu Gewinneinbußen in Höhe von 30 % geführt hätte (vgl. Agrarbericht der Bundesregierung 1985 - BT-Drucks. 10/2851, S. 75), die von den meisten Milchvieh haltenden landwirtschaftlichen Betrieben, insbesondere den kleineren und mittleren Betrieben, wirtschaftlich kaum hätte überstanden werden können. Im übrigen hätte sich eine Preissenkung, wenn überhaupt, erst nach einigen Jahren produktionsmindernd ausgewirkt.
Die Erhöhung der im Jahre 1977 durch die Verordnung (EWG) Nr. 1079/77 des Rates vom 17. Mai 1977 über eine Mitverantwortungsgabe und Maßnahmen zur Erweiterung der Märkte für Milch- und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 131/6) - VO (EWG) Nr. 1079/77 - eingeführte Milchabgabe hatte, abgesehen davon, daß sie sich als wirkungslos erwiesen hatte (vgl. Präambel zu der Verordnung (EWG) Nr. 856/84) und Gewinneinbußen von rund 20 % bei kleinen Milchvieh haltenden Betrieben zur Folge gehabt hätte, wegen der unterschiedlichen Betriebsstruktur innerhalb der EG politisch keine Chance, gemeinschaftsrechtlich realisiert zu werden (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 11. 7. 1986 - 9 B 147/86). Eine andere wirkungsvolle und die milcherzeugenden Betriebe weniger belastende Regelung als die Milch-Garantiemengen-Verordnung ist mithin nicht ersichtlich.
Eine Gesamtabwägung zwischen der mit der durch die Einführung der Garantiemengenregelung verbundenen Belastung und den sie rechtfertigenden dringlichen Gemeinschaftsinteressen läßt nicht erkennen, daß damit die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und gegen die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ff) verstoßen worden ist. Davon ist auch für die Höchstmengenregelung in § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO auszugehen. Die Regelungen in § 6 Abs. 2-5 MGVO über Anlieferungs-Referenzmengen in besonderen Situationen, auf die sich der Kläger beruft, enthalten einschließlich der sie begrenzenden Höchstmengenregelung keinen Eingriff in durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen des Milcherzeugers, sondern eine Vergünstigung in Form von Härtefallregelungen. Wenn die Erhebung der Milchabgabe als zulässige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG angesehen werden muß, hat dies um so mehr für die Ausnahmen von der Abgabe einschließlich der sie im einzelnen festlegenden Voraussetzungen zu gelten. Ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit ist nicht im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG, sondern innerhalb des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu überprüfen. Berufsausübungsregelungen können nicht nur dann verfassungswidrig sein, wenn sie in ihrer generellen Wirkung auf die betroffene Berufsgruppe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen, sie müssen auch die Ungleichheiten berücksichtigen, die typischerweise innerhalb des Berufs bestehen, dessen Ausübung geregelt wird. Werden durch eine Berufsausübungsregelung, die im ganzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppen typischer Fälle ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker als andere belastet, kann Art. 12 Abs. 1 GG iVm Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein (BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984, aaO, S. 964). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
Die Höchstmengenregelung in § 6 Abs. 6 MGVO verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Art. 3 Abs. 1 GG beläßt dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Er verbietet nur eine willkürlich ungleiche Behandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte oder eine gleiche Behandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die Grenze liegt dort, wo ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16. 6. 1959 - 2 BvL 10/59 -, BVerfGE 9, 334, 337 [BVerfG 16.06.1959 - 2 BvL 10/59] u. v. 14. 4. 1964 - 2 BvL 69/62 -, BVerfGE 17, 319, 330) [BVerfG 14.04.1964 - 2 BvR 69/62]. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nur dann vor, wenn es der Gesetzgeber veräumt hat, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (vgl. BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951 - 2 BvG 1/51 -, BVerfGE 1, 14, 52 f [BVerfG 23.10.1951 - 2 BvG 1/51]; Beschl. v. 5. 11. 1974 - 2 BvL 6/71 -, BVerfGE 38, 154, 166) [BVerfG 05.11.1974 - 2 BvL 6/71]. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Gesetzgeber im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. 4. 1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317, 320) [BVerwG 14.04.1967 - VII C 15/65], also nur, ob jene äußersten Grenzen gewahrt sind (BVerfG, Beschl. v. 16. 10. 1979 - 1 BvL 51/79 -, BVerfGE 52, 277, 281) [BVerfG 16.10.1979 - 1 BvL 51/79]. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zur Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, daß der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO offensichtlich die allgemeine Erwägung zugrunde liegt, daß die mit der Einführung der Abgabe bezweckte Einschränkung und Begrenzung der Milcherzeugung (vgl. die Präambel zu der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 und 857/84) nur erreicht werden kann, wenn eine Erhöhung der bei der Berechnung der Referenzmenge zugrundeliegenden Anlieferungsmenge nur in Ausnahmefällen gewährt wird, weil den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft durch Art. 5 VO (EWG) Nr. 857/84 nur eine bestimmte Garantiemenge zugewiesen worden ist, die durch die Zuweisung der Grund- und Zusatzreferenzmengen an landwirtschaftliche Betriebe insgesamt nicht überschritten werden darf. Die Anerkennung weiterer Ausnahmetatbestände über 80 Kühe hinaus und die sich daraus ergebenden zusätzlichen Referenzmengen würden daher das insgesamt zur Verfügung stehende Kontingent zu Lasten der "Grundreferenzmenge" anderer Milcherzeuger verringern.
Der Begrenzung der spezifischen Referenzmenge nach Art. 6 Abs. 2-5 MGVO auf 80 Kühe gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO liegen schließlich auch sachliche Erwägungen zugrunde. Diese Grenze berücksichtigt, daß im Rahmen der RL 72/159/EWG und des vom Planungsausschuß beschlossenen Rahmenplanes Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben nur bis zu 80 Milchkühen gefördert werden konnten und sich der Staat nur in diesem Umfang an den unternehmerischen Entscheidungen landwirtschaftlicher Betriebsinhaber wirtschaftlich beteiligt und auf diese Weise einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat. Die dieser agrarpolitischen Zielsetzung entsprechende Grenzziehung für besondere Referenzmengen bei nicht geförderten landwirtschaftlichen Betrieben, die jedenfalls keinen höheren Vertrauensschutz genießen als aufgrund eines förmlichen Verfahrens öffentlich geförderte landwirtschaftliche Betriebe, kann nicht - wie das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschl. v. 4. 10. 1985, aaO) meint und worauf sich auch der Kläger beruft - damit rechtlich in Frage gestellt werden, daß § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO eine "abwehrende Härteklausel" enthalten müsse, um existenzbedrohende Folgen zu vermeiden. Mit jeder Grenzziehung sind in der Regel auch vom Gesetzgeber gewollte Härten verbunden, denen im Einzelfall nach § 8 Abs. 2 Satz 1 MOG a.F. bzw. § 12 Abs. 1 MOG n.F. iVm § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) in der Fassung vom 16. März 1976 (BGBl I S. 613) - AO 1977 Rechnung getragen werden muß.
Die durch § 6 Abs. 6 MGVO begrenzte Härtefallregelung und das dieser Vorschrift zugrundeliegende Gemeinschaftsrecht verstoßen entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes beruht auf dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der wiederum aus dem Rechtsstaatsgebot folgt (BVerfG, Beschl. v. 14. 3. 1963 - 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313, 319 [BVerfG 14.03.1963 - 1 BvL 28/62]; Beschl. v. 23. 3. 1971 - 2 BvL 2/66 u.a. -, BVerfGE 30, 367, 387). Die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ziehen allen Hoheitsakten, die belastend in verfassungsmäßig verbürgte Rechtsstellungen eingreifen, enge Grenzen (BVerfG, Beschl. v. 22. 3. 1983 - 2 BvL 475/78 -, BVerfGE 63, 343, 356) [BVerfG 22.03.1983 - 2 BvR 475/78]. Diese Grenzen muß der Gesetzgeber insbesondere bei Rechtsnormen mit Rückwirkung beachten, wenn also der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereiches normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (BVerfG, Beschl. v. 22. 3. 1983, aaO S 353).
Ein solcher Fall der echten Rückwirkung liegt hier nicht vor, weil durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung kein in der Vergangenheit abgeschlossener Sachverhalt nachträglich geregelt wird. Aber auch für Rechtsnormen, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene und in der Vergangenheit begonnene Sachverhalte für die Zukunft einwirken und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwerten (sog. unechte Rückwirkung), können sich, obwohl sie grundsätzlich zulässig sind, aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verfassungsrechtliche Grenzen ergeben. Das Vertrauen des Bürgers ist enttäuscht, wenn die Rechtsnorm einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit der der Betroffene nicht rechnen mußte, den er also auch bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Der Vertrauensschutz geht allerdings nicht soweit, daß der Betroffene vor jeder Enttäuschung zu bewahren ist. Geboten ist in einem solchen Fall eine Abwägung zwischen dem Interesse und Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit. Nur wenn diese Abwägung ergibt, daß das Vertrauen auf den Fortbestand des bisherigen Rechtszustandes den Vorrang verdient, ist eine Regelung unzulässig (BVerfG, Beschl. v. 10. 4. 1984 - 2 BvL 19/82 -, BVerfGE 67, 1, 15 [BVerfG 10.04.1984 - 2 BvL 19/82] m.w.Hinw. auf Rechtsprechung). Diese verfassungsrechtlichen Grenzen sind durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung nicht überschritten worden. Kein Milcherzeuger konnte berechtigterweise damit rechnen und darauf vertrauen, daß die bisherige Milchmarktordnung für alle Zeiten beibehalten würde und die erzeugte Milch trotz ständig gestiegener Milchüberschüsse uneingeschränkt weiter zu durch Interventionen gestützten Richtpreisen abgenommen würde. Bereits mit der Verordnung (EWG) Nr. 1079/77 des Rates vom 17. Mai 1977 hatte der EG-Verordnungsgeber eine Mitverantwortungsabgabe für alle Milcherzeuger eingeführt, um den strukturellen Überschüssen in der EG entgegenzuwirken. Dem gleichen Zweck diente die Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl EG Nr. L 131/1) - VO (EWG) Nr. 1078/77, nach der Milcherzeugern für eine zeitweilige Einstellung der Milchproduktion Prämien in nicht unerheblicher Höhe gewährt wurden. Unter diesen Umständen mußten die Milcherzeuger bei Investitionsvorhaben damit rechnen, daß die bisherige Marktordnung mit letztlich garantierten Preisen und Abnahmen langfristig keinen Bestand haben könnte. Die rapide zunehmenden Interventionslasten des Gemeinschaftshaushalts ließen seit Jahren die Grenzen der Finanzierbarkeit dieses Systems erkennen. Für die Milcherzeuger kann die kritische Situation auf dem Milchmarkt aufgrund der Verlautbarungen in Presse, Rundfunk und Fernsehen nicht unerkannt geblieben sein. Davon ist auch entsprechend seiner Einlassung, wonach er aufgrund der ihm bekannten Lage auf dem Milchmarkt mit Beschränkungen in der Abnahme, nicht aber mit der Begrenzung der sog. Härtefälle auf 80 Kühe, gerechnet hat, im Falle des Klägers auszugehen. Überwiegende Interessen und das Wohl der Allgemeinheit erforderten daher eine Begrenzung der bestehenden Abnahmegarantien.
Eine Rechtsordnung, aufgrund derer die Milcherzeuger darauf vertrauen konnten, daß der nationale Verordnungsgeber im Rahmen der Milchmengenregelung bei der Berücksichtigung besonderer Situationen ihnen eine Referenzmenge für mehr als 80 Kühe gewähren würde und sie aufgrund ihrer Investitionen besserstellen würde als diejenigen Milcherzeuger, die öffentlich gefördert worden sind, bestand vor den die Abgabe einführenden und regelnden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts nicht. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, da die Förderung von Investitionen im Bereich der Milchviehhaltung nach der RL 72/159/EWG als agrarpolitisches Ziel eine Begrenzung der Milchkuhbestände auf 60 bzw. 80 Stück erkennen ließ. Es fehlt mithin bereits an einem Tatbestand, aufgrund dessen die Milcherzeuger und der Kläger darauf hätten vertrauen können, eine höhere Referenzmenge als besondere Referenzmenge zu erhalten. Die unbegründeten Erwartungen des Klägers in den Fortbestand der bisherigen Milchmarktordnung, auf jeden Fall aber bei einer Änderung der bisherigen Marktregelung an eine auch seiner Situation Rechnung tragende Härtefallregelung begründen keinen verfassungsrechtlich geschützten Vertrauenstatbestand. § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO und die darin enthaltene Begrenzung der zu berücksichtigenden Milchmenge für 80 Milchkühe verstößt mithin auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.
Der Senat hat die Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO zugelassen, weil die Frage, ob die Milch-Garantiemengen-Verordnung und insbesondere § 6 Abs. 6 Satz 1 MGVO gegen das nationale Verfassungsrecht verstößt, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und ihr u.a. auch wegen der gegenteiligen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Beschl. v. 4. 10. 1985, aaO) grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Eichhorn
Richter am Oberverwaltungsgericht Schoof ist ortsabwesend und kann deshalb nicht unterschreiben
Eichhorn
Dr. Berkenbusch