Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.12.1972, Az.: 9 U 73/72
Bodenwellen als ein gefährliches Hindernis besonderer Art; Warnung vor einer gefährlichen Fahrbahnstelle durch ein Schild; Wahrnehmung der Pflicht zur Überwachung und Erhaltung der Verkehrssicherheit als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt; Verschulden des Fahrers an einem Unfall; Vorwerfbare falsche Fahrweise; Berücksichtigung des Maßes der beiderseitigen Verursachung eines Unfalls; Von einem LKW ausgehende Betriebsgefahr als Verursachungsfaktor für einen Unfall
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.12.1972
- Aktenzeichen
- 9 U 73/72
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1972, 11295
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1972:1218.9U73.72.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10 NStrG
- § 47 NStrG
- § 48 NStrG
- § 254 BGB
- § 839 Abs. 1 S. 2 BGB
- Art. 34 GG
- § 1 LFZG
Fundstelle
- VersR 1973, 258-259 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die Leistungen des Arbeitgebers nach dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (LFZG) vom 27.7.1969 (BGBl I 946) sind nicht als anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen (abweichend von OLG Bamberg VersR 72, 545 = NJW 72, 689).
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 1972
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. F. und
die Richter am Oberlandesgericht J. und S.
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen wird das am 21. März 1972 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts S. auf die Berufung der Beklagten teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
- a.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.285,31 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. September 1970 zu zahlen.
- b.
In Höhe von 5.673,96 DM nebst Zinsen wird die Klage abgewiesen.
- c.
Im übrigen (Nutzungsausfallschaden) ist die Klage dem Grunde nach zu einem Drittel gerechtfertigt.
- d.
Die Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszuges bleibt dem landgerichtlichen Schlußurteil vorbehalten.
- 2.)
Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 1/4 und die Klägerin 3/4.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 2.400,- DM abzuwenden.
- 4.)
Zur Entscheidung über die Höhe des Nutzungsausfallschadens wird die Sache an das Landgericht Stade zurückverwiesen.
- 5.)
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Am 27. Juli 1970 gegen 10 Uhr befuhr der damals bei der Klägerin angestellte Kraftfahrer H. mit einem der Klägerin gehörenden Lastkraftwagen die von P. nach S. führende Gemeindestraße. Diese Straße ist etwa 4,2 m breit, mit Kopfsteinen gepflastert, stark gewölbt und insgesamt in schlechtem Zustand. Sie weist im Streckenverlauf auch verschiedene Bodenwellen auf. Demnächst soll die Straße aufgehoben werden, weil durch das nahegelegene Gelände eine Bundesautobahn geführt werden soll. Aus diesem Grunde hat die Beklagte auch von Ausbesserungen der Straße abgesehen. In einem Bereich, in dem die Beklagte für die Straße verkehrssicherungspflichtig ist, geriet das Fahrzeug infolge einer Bodenwelle von der Fahrbahn ab und schließlich gegen einen Baum, wo es erheblich beschädigt stehen blieb. Ber Fahrer Hoenke wurde verletzt. Die Klägerin hat ihm entsprechend dem, Lohnfortzahlungsgesetz den Lohn für 6 Wochen weitergezahlt sowie ihren Anteil zur Sozialversicherung abgeführt.
Die Klägerin hat behauptet, auf die schlechte Beschaffenheit der Straße sei nicht durch Warnschilder hingewiesen worden. Die gefährliche Bodenwelle, bei der es sich um die erste dieser Art aus Richtung Fleeste gehandelt habe, sei nicht zu erkennen gewesen.
Die Klägerin, die Ersatz des Fahrzeugschadens (5.045,- DM), der von ihr aufgewendeten Gutachterkosten (187,50 DM), Nutzungsausfall wegen Ausfalls des Fahrzeugs während der Reparaturzeit (1.550,- DM), den an Hoenke weitergezahlten Lohn (1.431,- DM) und die darauf entfallenden Arbeitgeberanteile (192,45 DM) sowie - pauschal - "weitere Unkosten" (70,- DM) verlangt hat,
hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.475,95 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 11. September 1970 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Sie hat bestritten, daß vor der schlechten Wegstrecke nicht gewarnt worden und daß die Bodenwelle nicht zu erkennen gewesen sei. Die Klägerin könne sich im übrigen nicht nach § 7 StVG entlasten, müsse aber auch für ein Verschulden ihres Fahrers einstehen. H. sei erheblich zu schnell gefahren.
Die Beklagte hat die Höhe des Sachschadens und der Gutachterkosten unbestritten gelassen. Hinsichtlich der aus dem Lohnfortzahlungsgesetz abgeleiteten Ansprüche hat sie sich darauf berufen, Verdienstausfallansprüche des Fahrers Hoenke hätten nicht auf die Klägerin übergehen können. Denn Hoenke könne von ihr, der Beklagten, keinen Verdienstausfall beanspruchen, weil die Zahlungen der Klägerin an ihn im Verhältnis zu ihr eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB seien.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einnahme des Augenscheins, Vernehmung von Zeugen und Einholung einer Auskunft der Fa. Kienzle.
Mit seinem zur Sachdarstellung im einzelnen in Bezug genommenen Teil- und Grundurteil vom 21. März 1972 hat es die Beklagte zur Zahlung von 3.427,98 DM verurteilt und die Klage in Höhe von 3.497,98 DM abgewiesen. Wegen des Nutzungsausfallschadens hat es die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt, ohne wegen der anderen Hälfte, ausdrücklich die Abweisung auszusprechen. Es hat eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejaht, Mitverschulden des Fahrers H. verneint und die Betriebsgefahr des Lastkraftwagens gegen das Verschulden der Beklagten abgewogen. Die Zahlungen an und für den Fahrer H. schließlich hat es als eigenen Schaden der Klägerin behandelt und die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB verneint.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte zunächst Berücksichtigung auch vom Mitverschulden des Fahrers H. und damit Herabsetzung ihrer Haftungsquote auf ein Drittel. Ferner wendet sie sich gegen die Auffassung des Landgerichts, durch die Lohnfortzahlung sei der Klägerin selbst ein Schaden entstanden. Bezüglich der Anwendbarkeit des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB auf Verdienstausfallansprüche des Hoenke bleibt sie bei ihrer im ersten Rechtszug geäusserten Auffassung.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage, soweit das Landgericht darüber zur Höhe entschieden hat, mit einem Betrage von 6.215,12 DM abzuweisen und im übrigen die Klage dem Grunde nach nur zu einem Drittel für gerechtfertigt zu erklären,
hilfsweise,
ihr Vollstreckungsnachlaß zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
ihr Vollstreckungsnachlaß zu gewähren, auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder einer deutschen öffentlichen Sparkasse.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.
Die Akten 4 O 284/70 LG Stade haben zur Ergänzung des Parteivorbringens vorgelegen. Die Parteien haben zur Sache verhandelt nach Maßgabe ihrer im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, auf die verwiesen wird.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg, soweit die Beklagte bei der Schadensabwägung auch ein Mitverschulden des Fahrers Hoenke berücksichtigt wissen will und deshalb die Herabsetzung ihrer Haftungsquote auf ein Drittel erstrebt. Im übrigen ist sie unbegründet.
I.
Auf Grund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme kann jetzt davon ausgegangen werden, daß allein das allgemeine Warnschild nach Bild 2 b der Anlage zur StVO mit dem Zusatz "Schlechte Wegstrecke" zu Beginn der gepflasterten Wegstrecke und ca. 150 m vor der Unfallstelle aufgestellt war. Das zieht auch die Klägerin jetzt nicht mehr in Zweifel. Dieses Schild mag ausgereicht haben, um auf den ohnehin erkennbaren, vom Landgericht als ungewöhnlich schlecht bezeichneten Pflasterzustand, die erkennbar starke Wölbung der Fahrbahn und das Vorhandensein von einzelnen Schlaglöchern hinzuweisen. Dem Landgericht ist jedoch darin beizutreten, daß vor dem tückischen, quer zur Fahrbahn verlaufenden und schwer erkennbaren Bodenwellen im Bereich des Grabendurchlasses besonders hätte gewarnt werden müssen, wenn die Beklagte schon meinte, den Aufwand einer Ausbesserung an dieser gefährlichen Stelle nicht mehr aufbringen zu sollen. Das bezweifelt auch die Beklagte jetzt nicht mehr ernstlich, wie ihr Berufungsvorbringen deutlich ergibt. In der Tat bildeten diese Bodenwellen ein gefährliches Hindernis besonderer Art, das von der Warnung durch das erwähnte Schild nicht mehr genügend erfaßt war und auf das nach dem Unfall mit Recht durch ein zusätzliches Warnschild "Querrinne" hingewiesen worden ist. Die Beklagte hat daher grundsätzlich für den Schaden einzustehen, der entstanden ist, weil ihre Organe und Bediensteten die Pflicht zur Überwachung und Erhaltung der Verkehrssicherheit, die sie als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt wahrzunehmen haben, schuldhaft vernachlässigt haben (§§ 10, 47, 48 NStrG, § 839 BGB, Art. 34 GG).
II.
Dem Landgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß es ein Verschulden des Fahrers H. an dem Unfall als nicht ersichtlich bezeichnet hat. Den Fahrer trifft ein Verschulden an dem Unfall. Er ist schon angesichts des ungewöhnlich schlechten Pflasterzustandes und der starken Wölbung der schmalen Fahrbahn mit seinem schweren Fahrzeug erheblich zu schnell gefahren. Der Senat hat keine Bedenken, die Geschwindigkeit mit 40 kmh anzunehmen. H. selbst hat seine Geschwindigkeit auf 35 bis 40 kmh geschätzt und dem Zeugen M. seine Geschwindigkeit alsbald nach dem Unfall ebenfalls mit "etwa 40 kmh" angegeben. Die - allerdings nicht völlig zuverlässigen - Aufzeichnungen des Fahrtschreibers weisen eine zwischen 40 und 45 kmh liegende Geschwindigkeit aus. Der Zeugin Schweiger, die die Geschwindigkeit allerdings nicht in Zahlen ausgedrückt hat, schien der Fahrer H. "ziemlich schnell" gefahren zu sein.
Die ohne eigene Tatsachenkenntnis aufgestellte Behauptung der Klägerin, Hoenke sei nur mit 30 kmh gefahren, ist danach widerlegt und es ist erwiesen, daß Hoenke mit 40 kmh gefahren ist. Eine solche Geschwindigkeit, bei der das Fahrzeug in einer Sekunde gut 11 m zurücklegt, ist angesichts der erwähnten Umstände zu hoch. H. kannte die Straße nicht, weil er zum ersten Mal auf ihr fuhr. Er mußte daher mit Überraschungen, die sich auf einer "schlechten Wegstrecke" jedenfalls in Gestalt gefährlicher Schlaglöcher immer ergeben können, ständig rechnen. Deswegen mußte er so langsam fahren, daß er die erkennbaren Unebenheiten auf ihre Gefährlichkeit abschätzen und sein Fahrzeug rechtzeitig auf ganz geringe Geschwindigkeit bringen konnte. Wenn auch die Bodenwellen schlecht zu erkennen waren, so hätte H. doch bei größerer Aufmerksamkeit und einer Geschwindigkeit von ca. 20 kmh, bei der er nur etwa 5 m in der Sekunde zurückgelegt hätte, vermutlich den Unfall ganz vermeiden können.
Diese vorwerfbare falsche Fahrweise stellt einen die allgemeine und ohnehin höhere Betriebsgefahr des Lastkraftwagens noch erhöhenden Umstand dar. Diese Gefahrerhöhung muß sich die Klägerin, soweit es um ihren Sachschaden geht, entgegenhalten lassen. Die erhöhte Betriebsgefahr wirkt sich dahin aus, daß die Klägerin nicht, wie das Landgericht angenommen hat, die Hälfte, sondern nur ein Drittel ihres Sachschadens ersetzt verlangen kann.
Soweit der Verdienstausfallanspruch des H. in Frage steht, den die Klägerin nur als nach § 4 des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) auf sie übergegangenen - und nicht, wie das Landgericht meint, als eigenen - Anspruch geltend machen kann, gilt folgendes: Hoenke trifft, wie erörtert, ein Mitverschulden daran, daß er bei dem Unfall verletzt worden ist. Das muß er sich bei der Bemessung seines Verdienstausfallschadens anrechnen lassen. Die Verhältnisse liegen hier anders als in dem vom Bundesgerichtshof (VersR 63, 380) entschiedenen Fall, der zu unterschiedlichen Meinungen im Schrifttum geführt hat (vgl. E. Böhmer NJW 70, 1724 und Meilicke, VersR 71, 603 m.w.N.). Dort war der Fahrer auch vom Vorwurf eines Verschuldens entlastet. Hier trifft den Fahrer jedoch ein nachgewiesenes Verschulden. Bei der Abwägung, die gegenüber dem Verschulden der Beklagten nach § 254 BGB zu erfolgen hat, ist das Maß der beiderseitigen Verursachung und dabei als Verursachungsfaktor auch die Betriebsgefahr, die von dem LKW ausgeht, zu berücksichtigen (vgl. BGH LM Nr. 3 zu § 254 (Ba) BGB; E. Böhmer a.a.O.). Denn verursacht ist der Schaden hier u.a. auch dadurch, daß ein Fahrzeug mit verhältnismäßig hoher Betriebsgefahr, zu dem Unfall geführt hat. Das muß auf der Seite des Fahrers H. belastend zu Buche schlagen. Ob die Klägerin nicht auch schon deshalb, weil sie einerseits als Arbeitgeberin zwar nur übergegangene Ansprüche ihres Arbeitnehmers geltend macht, gleichzeitig aber Halterin des LKW ist und mit H. in einem Haftungsverband steht, sich auch aus diesem Grunde selbst bei einer Klage aus abgeleitetem Recht die Betriebsgefahr ihres LKW entgegenhalten lassen muß (vgl. BGH NJW 70, 1546), bedarf hiernach keiner weiteren Erörterung mehr. Im Vergleich zu der - durch Verschulden erhöhten - Betriebsgefahr, die sich die Klägerin bei ihrem Sachschaden entgegenhalten lassen muß, sind entscheidende Unterschiede, die das Maß der durch H. gesetzten Verursachung geringer erscheinen lassen, nicht zutage getreten. Auch sein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens mindert sich daher dahin, daß er nur ein Drittel beanspruchen könnte.
III.
Die Beklagte hat den der Höhe nach unbestrittenen Sachschaden sowie auch den Verdienstausfallschaden, da ihren Bediensteten nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, nur zu ersetzen, wenn der Klägerin für ihren Sachschaden und Hoenke für seinen Verdienstausfallschaden keine anderweitige Ersatzmöglichkeit zu Gebote steht (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB).
1.
Eine Kaskoversicherung, durch die der Sachschaden wenigstens teilweise aufgefangen wird, besteht nicht. Das hat die Klägerin glaubhaft erklärt. Bei einem so alten Fahrzeug (Baujahr 1961) wäre eine Vollkaskoversicherung auch ungewöhnlich.
2.
Die Klägerin hat auch in der Person ihres Fahrers Hoenke keine anderweitige Ersatzmöglichkeit für ihren Sachschaden. H. hat mit der Führung eines Lastkraftwagens auf so schwieriger Strecke eine gefahrgeneigte Tätigkeit ausgeübt. Gefahrgeneigt ist eine Arbeit dann, wenn sie es ihrer Art nach mit sich bringt, daß auch dem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen, die - für sich allein betrachtet - jedesmal vermeidbar, also fahrlässig herbeigeführt sind, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit erfahrungsgemäß zu rechnen ist (so BAGE 5, 1, 7 und ständig; BGH NJW 70, 34). Jedenfalls beim Führen eines Lastkraftwagens ist das in aller Regel der Fall (BAG NJW 67, 269). Dafür, daß die Dinge hier anders gelegen haben, liegt kein Anhalt vor.
Nun ist dem Arbeitgeber (Klägerin) allerdings nicht schlechthin verwehrt, wegen eines ihm durch seinen Arbeitnehmer bei gefahrgeneigter Arbeit zugefügten Schadens Ersatz zu verlangen. Ersatzansprüche sind im allgemeinen nur ausgeschlossen, wenn die Schuld des Arbeitnehmers leichteren Grades ist, während sonst - im Bereich bis zur groben Fahrlässigkeit - der Ersatzanspruch des Arbeitnehmers sich nach allen in Betracht kommenden Umständen bemißt und unter Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt werden kann (vgl. BGHZ 16, 111 [BGH 10.01.1955 - III ZR 153/53] [120]).
Die Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin von Hoenke Ersatz verlangen könnte, wäre in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht zu klären. Ein solcher Rechtsstreit, der vor dem gegenwärtigen Verfahren zu führen wäre, wäre der Klägerin nicht zumutbar. Sein Ausgang wäre ungewiß. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müßte die Klägerin, um zu einem Erfolg zu gelangen, H. mindestens ein Verschulden mittleren Grades nachweisen. Es müßte dort gegen das Verschulden der Beklagten abgewogen werden. Es ist keineswegs sicher, daß die Abwägung, die der Senat im gegenwärtigen Rechtsstreit vorgenommen hat, mit den gleichen Gewichten vor dem Arbeitsgericht erfolgen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände zu einer jedenfalls teilweisen Verurteilung Hoenkes führen würde. Immerhin hat im vorliegenden Fall das Landgericht ein Verschulden H. schlechtweg verneint und allein die Betriebsgefahr zu Buche schlagen lassen. Bei derartiger Ungewißheit kann die an sich bestehende Möglichkeit, H. zu belangen, nicht als anderweitige Ersatzmöglichkeit angesehen werden; denn der Geschädigte braucht sich nicht auf einen weitläufigen und im Ergebnis unsicheren Weg verweisen zu lassen (vgl. RGZ 162, 24 [32]; BGHZ 2, 209 [218]).
3.
Die Beklagte meint schließlich, der Fahrer H. habe durch den Unfall keinen Erwerbsschaden erlitten. Die Klägerin habe ihm als Arbeitgeberin auf Grund des Lohnfortzahlungsgesetzes seinen Arbeitslohn für sechs Wochen weiterzahlen müssen. Diese Leistung sei eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S. von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, so daß Hoenke gar kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte erwachsen sei, der nach § 4 LFZG auf die Klägerin hätte übergehen können.
Die Beklagte stützt sich für ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8.6.1971 (NJW 72, 689) sowie auf unveröffentlichte Entscheidungen der Landgerichte Göttingen und Konstanz. Der Senat vermag sich jedoch der Ansicht des Oberlandesgerichts Bamberg, die im Schrifttum zwar von Wussow (Unfallhaftpflichtrecht 11. Aufl. Rn. 1014 d und DOK 71, 633) geteilt wird, aber auch auf Kritik gestoßen ist (vgl. Herz NJW 72, 1138 und Waldeyer NJW 72, 1249), nicht anzuschließen.
Der Subsidiaritätsklausel (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) lag ursprünglich die Überlegung zugrunde, der Beamte solle nicht durch eine allzu strenge Haftung in seiner Verantwortungsfreude und Entschlußfähigkeit gelähmt werden (vgl. Mugdan, Protokolle S. 1156). Dieses Motiv ist jedoch, wie der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluß vom 12.4.1954 (BGHZ 13, 88 [104]) mit Recht ausgeführt hat, weitgehend entfallen, seitdem an die Stelle der persönlichen Haftung des Beamten die Staatshaftung getreten ist und der Staat nur noch unter engen Voraussetzungen Rückgriff gegen den Beamten nehmen kann. Im Amtshaftungsprozeß, in dem es nur um die Haftung der an die Stelle des Beamten tretenden Körperschaft geht, wirkt sich die Subsidiaritätsklausel als ein Fiskusprivileg aus, das sich im wesentlichen nur noch aus dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst weitgehenden Entlastung der öffentlichen Hand erklären läßt. Ob diese Erwägung eine ausreichende Grundlage für die Subsidiaritätsklausel bietet, wird freilich in zunehmendem Maße bezweifelt. Im Schrifttum wird § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB inzwischen fast einhellig als unzeitgemäß, sachlich nicht gerechtfertigt und unbillig bezeichnet (Scheuner DÖV 55, 548; Münzel NJW 66, 1341; Baumann AcP 169, 317; Waldeyer NJW 72, 1249 m.w.N.). Die Reformbestrebungen im Rahmen der Neuordnung des Schadensersatzrechts zielen deshalb darauf ab, die Subsidiaritätsklausel entweder ganz zu beseitigen oder jedenfalls auf solche Haftungsfälle zu beschränken, in denen nach anderen Vorschriften eine Ersatzpflicht aus unerlaubter Handlung nicht begründet wäre. Das würde namentlich für Fälle eines reinen Vermögensschadens gelten - ein Fall, der hier nicht gegeben ist.
Der Bundesgerichtshof (BGHZ 42, 176 [181] = NJW 64, 1897) hat sich der rechtspolitischen Kritik an der Subsidiaritätsklausel zwar nicht verschlossen, sich aber gleichwohl an das Gesetz gebunden gefühlt und § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB deshalb weiter angewandt. Das entspricht auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
Im Gegensatz zu einer verbreiteten Ansicht im Schrifttum (Soergel-Glaser, BGB 10. Aufl. § 839 Anm. 221; Erman-Drees, BGB 5. Aufl. § 839 Rn 72; Kayser-Leiss, Die Amtshaftung, 2. Aufl. S. 366) und in der Rechtsprechung (RGZ 158, 277, [281]; 161, 199 [203]; BGH VersR 60, 664), die auch dem Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg zugrunde liegt, ist jedoch nach Meinung des Senats der Kreis der in Betracht kommenden anderweitigen Ersatzmöglichkeiten nicht generell weit zu ziehen. Die Subsidiaritätsklausel ist eine Ausnahmevorschrift und entsprechend diesem Charakter eng auszulegen. Dies gilt um so mehr, als die ursprüngliche Motivation, die ihrer Einführung zugrunde lag, weitgehend entfallen ist. Die Anwendung der Vorschrift muß sich an den heute gültigen Gerechtigkeitsvorstellungen und der Wertordnung des Grundgesetzes orientieren. Das Fiskusprivileg darf sich nicht als willkürliche Bevorzugung der öffentlichen Hand und als sachlich unbegründete einseitige Belastung ersatzpflichtiger Dritter auswirken, die in Wahrheit dem Schaden viel ferner stehen als die öffentliche Körperschaft, deren Beamter den Haftungstatbestand erfüllt hat. Art. 3 und Art. 14 GG zwingen zu einer verfassungskonformen, in der Regel einengenden Interpretation der Norm.
Von diesem Ausgangspunkt aus mag es gerade noch zu rechtfertigen sein, in Haftungsfällen, in denen der Schaden außer von dem Beamten auch von anderen verursacht worden ist, den Geschädigten zunächst auf diejenigen Schädiger zu verweisen, die nach anderen Haftungsnormen als nach § 839 BGB haften, und die Staatshaftung zurücktreten zu lassen. Immerhin läßt sich in diesen Fällen eine genügende Sachnähe dieser primär ersatzpflichtigen Dritten zu dem Schaden nicht leugnen, mag es auch namentlich bei unterschiedlichem Maße der Schadensverursachung oft als unbillig empfunden werden, daß die öffentliche Körperschaft aus dem Haftungsverband herausfällt und auch zu einem internen Ausgleich der Schädiger untereinander nach § 426 BGB nicht herangezogen werden kann.
Ebenso mag es noch hinzunehmen sein, daß der Geschädigte auf solche Ersatzmöglichkeiten verwiesen wird, die ihm in Gestalt von Sozialversicherungsträgern oder auch von privatrechtlichen Versicherungen zur Verfügung stehen. Immerhin tritt hier eine begrenzte Sozialisierung des Schadens ein, und es werden dabei nur solche Institutionen in Anspruch genommen, deren Aufgabe es gerade ist, derartige Risiken abzudecken und dem einzelnen Geschädigten die Folgen der Schädigung tragen zu helfen (so zutreffend Herz a.a.O.).
Gleiches läßt sich jedoch von dem Arbeitgeber, der seinem durch eine Amtspflichtverletzung geschädigten Arbeitnehmer für sechs Wochen seinen Lohn fortzahlen muß, nicht sagen. Hier fehlt es sowohl an der Mitverantwortung für den Schaden als auch am Sozialisierungseffekt, der es erträglich erscheinen lassen kann, wenn die Ersatzpflicht von der eigentlich haftenden öffentlichen Körperschaft auf andere breite Schultern abgewälzt wird. Der Arbeitgeber leistet die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergibt. Seine Stellung ist dabei am ehesten dem Unterhaltspflichtigen vergleichbar, der dem Geschädigten auf Grund gesetzlicher Vorschrift Unterhalt schuldet, solange dieser nicht vom Schädiger Ersatz verlangen kann. Auch diese Unterhaltspflicht ist keine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S. von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB (Staudinger-Schäfer, BGB 10./11. Aufl., § 839 Rn 371). Der gesetzgeberische Grundgedanke, der in § 843 Abs. 4 BGB seinen Ausdruck gefunden hat und der es der nach § 839 BGB verpflichteten öffentlichen Körperschaft verwehrt, den Geschädigten auf den Unterhaltspflichtigen zu verweisen, muß auch einer Verweisung auf den fürsorgepflichtigen Arbeitgeber entgegenstehen.
Es trifft zwar zu, daß die Einführung der Lohnfortzahlungspflicht durch den Arbeitgeber auch der Entlastung der Sozialversicherungsträger dienen sollte. Das allein reicht aber, wie Herz (a.a.O.) zutreffend ausführt, nicht aus, den Arbeitgeber in Amtshaftungsfällen dem Sozialversicherungsträger gleichzustellen. Dies um so weniger, als er - anders als der Sozialversicherungsträger - nicht nur das geringere Krankengeld, sondern den vollen Arbeitslohn weiterzahlen muß und dabei nicht aus einem Fonds schöpfen kann, in dem außer Beiträgen der Versicherten auch staatliche Zuschüsse angesammelt sind. Daß Arbeitgeber mit Kleinbetrieben nach § 10 LFZG einen teilweisen Ausgleich ihrer Leistungen von den Sozialversicherungsträgern beanspruchen können, rechtfertigt es allein nicht, sie ebenso wie diese als anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S. von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen.
Besonders betroffen von der Anwendung dieser Vorschrift wären im übrigen Betriebe von mittlerer Größe, denen einerseits dieser Ausgleichsanspruch nach § 10 LFZG gegen den Sozialversicherungsträger nicht mehr zusteht, die aber andererseits keine größeren Rücklagen für Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall ihrer Arbeitnehmer bilden können. Verunglückt beispielsweise infolge einer Amtspflichtverletzung im Straßenverkehr ein Bus mit einer größeren Zahl von Arbeitnehmern eines solchen Betriebes, so würde es den wirtschaftlichen Ruin des Unternehmens bedeuten können, wenn er an sämtliche verletzten Arbeitnehmer zur Lohnfortzahlung verpflichtet wäre, ohne daß Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer entstehen, nach § 4 LFZG auf den Arbeitgeber übergehen und gegen die öffentliche Körperschaft geltend gemacht werden können, die für die Amtspflichtverletzung nach Art. 34 GG einzustehen hat. Daß eine solche Regelung nicht rechtens sein kann, als willkürliche Freizeichnung der öffentlichen Hand empfunden würde und mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht vereinbar wäre, bedarf keiner weiteren Begründung. Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber beim Erlaß des Lohnfortzahlungsgesetzes diese Konsequenz gewollt oder auch nur in Kauf genommen hat und damit den Anwendungsbereich der so umstrittenen Subsidiaritätsklausel noch außerordentlich erweitern wollte.
Die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber ist hiernach nicht als eine anderweitige Ersatzmöglichkeit anzusehen.
IV.
Besteht mithin für die beziffert ausgeurteilten Ansprüche keine anderweitige Ersatzmöglichkeit, so hat die Beklagte von dem unstreitigen Sachschaden in Höhe
von 5.045,- DM ein Drittel = | 1.681,66 DM |
---|---|
von dem auf die Klägerin übergegangenen Anspruch (Verdienstausfall 1.431,- DM) und den anteiligen Sozialabgaben (192,45) ein Drittel = | 541,15 DM |
von den Gutachterkosten (187,50 DM), die in diesem Falle nicht der Rechtsverfolgung dienten, sondern der Klägerin ein Bild von dem Instandsetzungsaufwand geben sollten ebenfalls ein Drittel = | 62,50 DM |
insgesamt also | 2.285,31 DM |
zu ersetzen. | |
Abgewiesen ist die Klage in Höhe von | 70,- DM |
(sonstige Unkosten). Dabei bleibt es. | |
Hinzu kommt die Klagabweisung in Höhe von zwei Dritteln des Sachschadens | 3.363,34 DM |
des Verdienstausfalls und der Sozialabgaben | 1.082,30 DM |
den Gutachterkosten | 125,- DM |
insgesamt mithin | 4.640,64 DM. |
Für den Nutzungsausfall, über den das Landgericht dem Grunde nach entschieden hat, gilt, was die Anrechnung der Betriebsgefahr und die Frage nach der anderweitigen Ersatzmöglichkeit anlangt, dasselbe, was oben bereits zum Sachschaden gesagt worden ist. Darauf kann verwiesen werden. Insoweit war der Klage nur zu einem Drittel dem Grunde nach zu entsprechen.
In Höhe von 1.033,32 DM (= 2/3 von 1.550,- DM) war die Klage bereits jetzt beziffert abzuweisen; somit hat die Beklagte, die Abweisung in Höhe von 6.215,12 DM erstrebt hat, nur in Höhe von 5.673,96 DM Erfolg.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 7, 713 Abs. 2 ZPO.
Der Senat hat nach § 546 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen, weil die Frage, ob die Lohnfortzahlung für den Arbeitnehmer eine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S. von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist.