Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.10.2003, Az.: 1 W 67/03
Abgabebeschluss; abgebendes Gericht; Amtsgericht; anderer OLG-Bezirk; bestimmendes Gericht; Bestimmungszuständigkeit; beteiligtes Gericht; Bindungswirkung; Eingangsgericht; Empfängergericht; erstes Gericht; gemeinschaftliches Gericht; gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung; Gerichtszugehörigkeit; gleicher Gerichtsbezirk; höheres Gericht; Kompetenzkonflikt; Konfliktbeteiligung; Landgericht; negativer Zuständigkeitskonflikt; Oberlandesgericht; Oberlandesgerichtsbezirk; OLG; Rechtsstreit; Sachbearbeitung; Sachbefassung; sachliche Zuständigkeit; Unzuständigkeit; Unzuständigkeitserklärung; verschiedene Gerichte; Wirksamkeit; zuerst befasstes; Zuständigkeitsbestimmungsverfahren; Zuständigkeitsstreitigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 28.10.2003
- Aktenzeichen
- 1 W 67/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48590
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - AZ: 3 O 367/03
- AG - AZ: 42 C 767/03
Rechtsgrundlagen
- § 36 Abs 1 Nr 6 ZPO
- § 36 Abs 2 ZPO
Tenor:
Die Sache wird an das Amtsgericht Bielefeld zurückgegeben.
Gründe
1. Das Amtsgericht Bielefeld legt dem Oberlandesgericht Braunschweig eine Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor, die zuvor bei verschiedenen Gerichten und Abteilungen anhängig war.
Nach Widerspruch gegen einen am 09. 09. 2002 erlassenen Mahnbescheid ist die Sache an das in dem Antrag bezeichnete Landgericht Braunschweig abgegeben worden. Nachdem beide Parteien darauf hingewiesen hatten, dass es um eine Abfindung nach § 12 HöfeO gehe, hat das Landgericht Braunschweig den Rechtsstreit zunächst an das Landwirtschaftsgericht Wolfsburg und nach Klarstellung, dass der Hof in Bielefeld liegt, durch berichtigten Beschluss im Februar 2003 an das Landwirtschaftsgericht Bielefeld abgegeben. Das Landwirtschaftsgericht Bielefeld hat das Verfahren zunächst ausgesetzt bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in einem Parallelverfahren. Aufgrund eines Vergleichs der Parteien vor dem OLG Hamm, worin Einigkeit erzielt wurde, dass die landwirtschaftliche Besitzung bereits im Zeitpunkt des Erbfalls kein Hof i.S.d. Höfeordnung mehr war, hat das Landwirtschaftsgericht Bielefeld den Rechtsstreit an die Zivilprozessabteilung des Amtsgerichts Bielefeld abgegeben. Diese hat wegen des über 5.000 Euro liegenden Streitwerts den Rechtsstreit an das Landgericht Bielefeld verwiesen. Das Landgericht Bielefeld hat die Auffassung vertreten, dass der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 29. November 2002 für das Amtsgericht Bielefeld bindend gewesen sei, und die Sache an das Amtsgericht zurückgegeben.
Das Amtsgericht - Prozessabteilung - Bielefeld vertritt in einem Vermerk vom 02. 10. 2003 die Auffassung, dass möglicherweise die Verweisung vom Landgericht Braunschweig an das Amtsgericht Bielefeld willkürlich und damit nicht bindend sein könnte, weil das Landgericht keine Ermittlungen angestellt habe, ob es sich tatsächlich um einen Hof i.S.v. § 12 der HöfeO gehandelt habe. Da nach Auffassung des Amtsgerichts Bielefeld damit das Landgericht Braunschweig als eines der möglichen zuständigen Gerichte in Betracht kommt, hat das Amtsgericht die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
2. Die Sache ist an das Amtsgericht Bielefeld zurückzugeben. Der Senat ist für die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht zuständig.
Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen allerdings vor. Ein negativer Zuständigkeitskonflikt besteht zunächst zwischen dem Amtsgericht - Prozessabteilung - Bielefeld und dem Landgericht Bielefeld. Beide haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, wobei auf Seiten des Landgerichts die den Parteien mitgeteilte Rückgabeverfügung ausreicht.
Fraglich ist, ob in diesem Zusammenhang auch die Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts Bielefeld zu prüfen wäre. Dieses ist in den aktuellen Zuständigkeitskonflikt nicht einbezogen, vielmehr hat die Prozessabteilung die Abgabe durch das Landwirtschaftsgericht zunächst akzeptiert und sich dagegen nicht gewendet. Letztlich kommt es darauf nicht an, weil auch bei einem Kompetenzkonflikt zwischen Landwirtschaftsgericht und Prozessgericht, in dem es um die Bindungswirkung der Abgabe nach § 12 LwVG geht, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden wäre (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 5 Rn. 10, 13, 18; Barnstedt/Steffen, LwVG, 5. Aufl. 1993, § 12 Rn. 14).
3. Das Oberlandesgericht Braunschweig ist jedoch nicht nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Danach wird, wenn das höhere gemeinschaftliche Gericht der an dem Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte der Bundesgerichtshof ist, das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Vorliegend war zwar das Landgericht Braunschweig als erstes Gericht nach Abschluss des Mahnverfahrens mit der Sache befasst; jedoch gehört das Landgericht Braunschweig entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Bielefeld nicht zu den am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichten.
Die Verweisung durch das Landgericht Braunschweig, die der Sache nach eine Abgabe nach § 12 Abs. 2 LwVG war, ist vom Landwirtschaftsgericht Bielefeld als dem Empfängergericht akzeptiert worden. Das Landwirtschaftsgericht Bielefeld hat die Sache nicht zurückgegeben, sondern im Gegenteil dadurch - wenn auch nicht in der Sache - bearbeitet, dass es das Verfahren zunächst ausgesetzt hat. Auch im nachfolgenden haben weder das Amtsgericht Bielefeld noch das Landgericht Bielefeld versucht, das Landgericht Braunschweig erneut zur Übernahme des Rechtsstreits zu bewegen oder das Verfahren an das Landgericht Braunschweig abzugeben oder zu verweisen.
Gehört demnach aber das Landgericht Braunschweig nicht zu den am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichten, so kann das Oberlandesgericht Braunschweig nicht nach § 36 Abs. 2 ZPO für die Bestimmung zuständig sein. Die Norm kann nach Auffassung des Senats für den Fall eines negativen Kompetenzkonflikts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur so verstanden werden, dass dasjenige Oberlandesgericht zuständig ist, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste, am Kompetenzkonflikt beteiligte Gericht gehört. Eine andere Auslegung der Norm wäre sachwidrig. Dies zeigt sich am vorliegenden Fall, in dem der Senat letztlich entscheiden müsste, ob das Amtsgericht Bielefeld oder das Landgericht Bielefeld zuständig sind. Dies ist jedoch dem übergeordneten Gericht, nämlich dem Oberlandesgericht Hamm, vorbehalten.
Nur ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass an der Wirksamkeit und der Bindungswirkung des vom Landgericht Braunschweig erlassenen Abgabebeschlusses keine Zweifel bestehen. Die Bindungswirkung ergibt sich aus § 12 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 3 LwVG. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Bielefeld hatte das Landgericht Braunschweig vor der Abgabe keineswegs von Amts wegen Ermittlungen darüber anzustellen, ob ein Hof i.S.d. Höfeordnung vorlag. Vielmehr konnte das Landgericht, nachdem beide Parteien erklärt hatten, es handele sich um einen Hof i.S.d. Höfeordnung, von diesen übereinstimmenden Angaben der Parteien ausgehen. Vermutlich war zu diesem Zeitpunkt auch noch der Hofvermerk im Grundbuch eingetragen. Der Hofvermerk begründet die Vermutung, dass die Besitzung die durch den Vermerk ausgewiesene Eigenschaft hat (§ 5 HöfeVfO). Bei Streit der Parteien über die Hofeigenschaft hätte das Landgericht demnach allenfalls die Eintragung des Hofvermerks nachprüfen müssen, wovon es durch den übereinstimmenden Vortrag der Parteien allerdings entbunden war. Die schwierige Frage, ob ein Hof trotz der Eintragung des Hofvermerks seine Hofeigenschaft verloren hat, beispielsweise durch Wegfall der Hofstelle, ist der alleinigen Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts vorbehalten (vgl. § 11 HöfeVfO). Auch aus diesem Grund kommen Zweifel an der Wirksamkeit der ursprünglichen Abgabe an das Landwirtschaftsgericht Bielefeld nicht in Betracht.
4. Da es demnach - wie dargestellt - nur um einen Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht Bielefeld geht, wobei dahinstehen kann, ob auch die Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts Bielefeld in Betracht käme, ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das Oberlandesgericht Hamm als übergeordnetes Gericht zur Entscheidung berufen. Es bleibt der Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld vorbehalten, ob es die Sache dem OLG Hamm vorlegen will. Die Sache wird daher an das Amtsgericht zurückgegeben.