Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 04.05.1994, Az.: 10 A 10326/93
Beurteilung einer Fahrlehrerprüfung; Bildung eines arithmetischen Mittels aus den Teilnoten einer schriftlichen Prüfung; Entscheidung über das Nichtbestehen der Fahrlehrerprüfung der Klasse I; Verwaltungsgerichtliche Kontrolle über eine Prüfungsentscheidung; Erforderlichkeit der Beherrschung des Prüfungsstoffes; Festsetzung der Note einer schriftlichen Prüfung im Ermessen der Prüfer; Gerichtliche Korrektur einer Prüferentscheidung nur bei Sachwidrigkeit der Entscheidung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 04.05.1994
- Aktenzeichen
- 10 A 10326/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 23244
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1994:0504.10A10326.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 2 S. 1 FahrlG
- § 14 FahrlPrüfO
- § 14 Abs. 2 Nr. 1 FahrlPrüfO
- § 19 Abs. 3 FahrlPrüfO
- § 21 Abs. 1 FahrlPrüfO
Verfahrensgegenstand
Streitgegenstand: Schriftliche Fahrlehrerprüfung (Klasse I).
Die 9. Kammer des Verwaltungsgericht Braunschweig
hat ohne mündliche Verhandlung
am 04. Mai 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Hirschmann,
die Richterinnen am Verwaltungsgericht Kaufmann und Drinhaus sowie
die ehrenamtliche Richterin Körner und
den ehrenamtlichen Richter Liebermann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der. Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Beurteilung seiner Fahrlehrerprüfung (Klasse I) als "nicht bestanden".
Am 02. Juli 1993 unterzog sich der Kläger dem schriftlichen Teil der Erweiterungsprüfung für die Fahrlehrererlaubnis der Klasse I, am 12. Juli 1993 legte er die übrigen Prüfungsteile ab, wobei auf die mündliche Lehrprobe verzichtet worden war. Die Prüfergebnisse lauteten:
"Schriftliche Prüfung mangelhaft
Praktische Prüfung ausreichend
Praktische Lehrprobe befriedigend
Mündliche Prüfung ausreichend."
Das Gesamturteil lautete: nicht bestanden. Die schriftliche Prüfung besteht aus zwei Aufgaben; der Kläger hatte mit einer Arbeit die Note "befriedigend", bei der anderen Aufgabe jedoch nur die Note "mangelhaft" erreicht. Die Gesamtnote wurde mit mangelhaft festgesetzt. Zur Begründung hat der Prüfungsausschuß für Fahr Lehrer innen/Fahr Lehrer bei der Bezirksregierung Braunschweig in der Niederschrift vermerkt:
"Zu 1): Die zweite Frage wurde praktisch nicht beantwortet, der Prüfling lieferte lediglich einige Skizzen ohne ein Wort der Erklärung ab."
Mit Bescheid vom 22.07.1993 teilte der Beklagte dem Kläger das Ergebnis der Prüfung schriftlich mit. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, daß beide Teile der schriftlichen Prüfung gleichrangig zu bewerten seien und damit die Endnote mit "ausreichend" hätte festgesetzt werden müssen. Die in der Prüfungsniederschrift festgehaltene Bemerkung sei nicht richtig.
Mit Bescheid vom 20. September 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit seiner Klage vertieft der Kläger sein Vorbringen, daß aus den Teilnoten der schriftlichen Prüfung das arithmetische Mittel hätte gebildet werden müssen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 22.07.1993 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 20.09.1993 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger das Bestehen der Fahrlehrerprüfung Klasse I zu bescheinigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Gerichtsakte gewechselten Schriftsätze sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen. Sie waren Gegenstand der Beratung.
II.
Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist zulässig, weil beide Beteiligten einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 22.07.1993 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Entscheidung über das Nichtbestehen der Fahrlehrerprüfung der Klasse I ist nicht zu beanstanden. Sie unterliegt nur eingeschränkt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, soweit es sich um prüfungsspezifische Wertungen, die mit fachlichen Urteilen untrennbar verknüpft sind, handelt. Diese bleiben der Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörden überlassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.04.1991 - 1 BvA 419/81, 213/83 -, NJW 1991 S. 2005 (2007)).
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen (FahrlG) muß die Fahrlehrerprüfung den Nachweis erbringen, daß der Bewerber die fachliche Eignung zur Ausbildung von Fahrschülern besitzt. Nach Satz 2 dieser Bestimmung hat er u.a. ausreichende technische Kenntnisse des Kraftfahrzeuges, gründliche Kenntnisse der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften, das Vertrautsein mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen nachzuweisen. Diese Regelung über die erforderlichen Kenntnisse eines Fahrlehrers wird durch § 14 der Prüfungsordnung der Fahrlehrer (FahrlPrüfO) konkretisiert. Nach Abs. 2 Nr. 1 dieser Bestimmung muß der Bewerber um die Fahrerlaubnis der Klasse I eine Aufgabe über das Verhalten im Straßenverkehr einschließlich Gefahrenlehre und eine Aufgabe über die Funktions- und Wirkungsweise der Kraftfahrzeuge der Klasse I bearbeiten. Aus diesen Vorschriften folgt unmittelbar, daß ein Fahrlehrer für die Klasse I den Prüfungsstoff beider in § 14 Abs. 2 Nr. 1 FahrlPrüfO genannten Aufgabenbereiche beherrschen muß mit der Folge, daß der schriftliche Teil der Prüfung insgesamt nur bestanden ist, wenn der Bewerber in beiden Prüfungsgebieten mindestens ausreichende Leistungen zeigt.
Daraus ergibt sich, daß die Gesamtnote für den schriftlichen Teil der Fahrlehrerprüfung nicht nach den Regeln der Arithmetik gebildet werden muß. § 14 Abs. 2 Nr. 1 FahrlPrüfO nimmt eine Gewichtung beider Aufgaben zueinander nicht vor. Damit obliegt es dem nur eingeschränkt gerichtlich zu kontrollierenden Ermessen der Prüfer, wie sie die eine Note für den schriftlichen Teil der Prüfung festsetzen. Die Note kann das arithmetische Mittel der für die einzelnen Aufsichtsarbeiten erteilten Noten darstellen (vgl. Eckhardt, Fahrlehrergesetz, 5. Aufl., § 19 FahrlPrüfO, Rn. 3). Der Kläger hat aber mangels normierter Regelung keinen Anspruch darauf.
Ein solcher Anspruch auf Ausgleich einer mangelhaft bearbeiteten Aufgabe der schriftlichen Prüfung durch eine mindestens mit befriedigend bewerteten Aufgabe ergibt sich auch nicht aus § 19 Abs. 3 FahrlPrüfO. Nach dieser Vorschrift können mangelhafte Leistungen im schriftlichen Teil der Prüfung durch mindestens befriedigende Leistungen im mündlichen Teil und umgekehrt ausgeglichen werden. Eine analoge Anwendung der Norm dahingehend, daß ein Ausgleich "innerhalb" eines Prüfungsteils zwingend möglich sein muß, kommt nicht in Betracht. Eine Regelungslücke ist nicht erkennbar. § 19 Abs. 3 FahrlPrüfO berücksichtigt mit seiner Ausgleichsmöglichkeit gerade nicht unterschiedliche Kenntnisse der einzelnen Prüfungsgegenstände, die in § 4 Abs. 2 FahrlG aufgezählt sind, sondern will nur einen Ausgleich bei der Darstellungsweise des Stoffes (mündlich oder schriftlich) schaffen. Dies beruht auf der Erfahrung, daß selbst bei vorhandenen Fachkenntnissen auf allen Prüfungsgebieten es unterschiedliche Begabungen in der Vermittlung des Stoffes an andere geben kann. § 19 Abs. 3 FahrlPrüfO verhindert also, daß bei nachgewiesenen Fachkenntnissen Mängel in einer der beiden Darstellungsmöglichkeiten die Berufszulassung hindern.
Darum geht es aber nicht bei der vom Kläger angestrebten Regelung. Daß eine arithmetische Mittelung der Ergebnisse von Teilleistungen nicht richtig sein muß, zeigt auch eine Überlegung zu § 14 Abs. 1 (schriftliche Prüfung für Bewerber um die Fahrlehrererlaubnis der Klasse III). Hier sind vier Aufgaben zu bearbeiten, eine davon aus dem Bereich der Kraftfahrzeugtechnik und drei aus dem Verkehrsrecht. Wäre die Bildung des arithmetischen Mittels zwingend, könnte ein Bewerber, der für die Aufgabe Kraftfahrzeugtechnik die Bewertung "sehr gut" erhält, rechnerisch durchgehend mangelhafte Leistungen im Bereich Verkehrsrecht ausgleichen und so mit der Teilnote "ausreichend" die Prüfung bestehen. Daß ein solcher Bewerber aber nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 2 FahrlG genügt, liegt auf der Hand.
Vielmehr ist davon auszugehen, daß vor der endgültigen Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Bewertung der einzelnen Prüfungsteile gem. § 21 Abs. 1 FahrlPrüfO die einzelnen Prüfer an ihre Korrekturen nicht gebunden sind und diese lediglich eine vorläufige Bewertung i.S. einer Hilfsgröße darstellen (vgl. Eckhardt, a.a.O., Rn. 3). Die gerichtliche Korrektur dieser Prüferentscheidung ist erst dann möglich, wenn sie sachwidrig ist. Dies ist dann der Fall, wenn das festgesetzte Ergebnis keinerlei Begründung in den schriftlichen Korrekturen findet. Die vom Beklagten in der Niederschrift gegebene knappe, aber ausreichende Begründung ist nachvollziehbar und bereits deshalb nicht sachwidrig, weil sie ihre Stütze in der Definition der fachlichen Eignung zur Ausbildung von Fahrschülern des § 4 Abs. 2 FahrlG findet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Drinhaus
Kaufmann