Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.04.2014, Az.: 11 UF 34/14

Gerichtliche Geltendmachung von Kindesunterhalt bei Getrenntleben der Eltern; Zulässigkeit der Vertretung des Kindes durch das Jugendamt

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
02.04.2014
Aktenzeichen
11 UF 34/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 36465
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2014:0402.11UF34.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bad Iburg - 13.01.2014

Fundstellen

  • FamRB 2014, 322-323
  • FamRZ 2014, 1652
  • JAmt 2014, 266-267
  • ZKJ 2014, 384-385

Amtlicher Leitsatz

Leben die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern voneinander getrennt, kann das Kind seinen Unterhaltsanspruch nicht im eigenen Namen, vertreten durch den Beistand, geltend machen; § 1629 Abs. 3 BGB wird nicht von §§ 1712 ff BGB verdrängt.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 13.1.2014 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Bad Iburg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Landkreis O ...., Fachdienst Jugend - Unterhaltsangelegenheiten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Verfahrenswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 4.352 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, die vom Jugendamt des Landkreises O ........... als Beistand im Unterhaltsverfahren vertreten wird, begehrt von der Antragsgegnerin die Zahlung von Kindesunterhalt.

Die Antragstellerin ist das minderjährige Kind der Antragsgegnerin und des J ... L .... . Die Eltern der Antragstellerin sind verheiratet. Das Kind lebt bei gemeinsamem Sorgerecht der Eltern beim Vater, auf dessen Antrag eine Beistandschaft des Jugendamtes O ......... insbesondere zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen eingerichtet worden ist.

Das Familiengericht hat mit seinem im Übrigen in Bezug genommenen Beschluss den Antrag als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt, der Beistand könne das Kind im Verfahren nicht vertreten, weil die Eltern noch verheiratet seien und deshalb allein der betreuende Elternteil Kindesunterhaltsansprüche im eigenen Namen geltend machen müsse.

Hiergegen richtet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag in der Beschwerde weiter.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist nicht deshalb unzulässig, weil kein konkreter Antrag in der Beschwerde und Beschwerdebegründungsschrift vom 4.2.2014 gestellt worden ist, §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 1 S. 1 FamFG. Der Inhalt des Schriftsatzes kann dahingehend ausgelegt werden, dass der erstinstanzliche Antrag weiterverfolgt wird.

Der Senat entscheidet gem. §§ 112 Nr. 1, 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nach Hinweis ohne mündliche Verhandlung. Von der erneuten Vornahme eines Termins zur mündlichen Verhandlung sind zusätzliche Erkenntnisse nicht zu erwarten. Das Verfahren ist bereits erstinstanzlich mündlich verhandelt. Im Mittelpunkt der Entscheidung steht eine einzelne Rechtsfrage.

Der Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Kindesunterhalt ist unzulässig.

Die Antragstellerin kann den Anspruch auf Kindesunterhalt nicht im eigenen Namen, vertreten durch den Beistand geltend machen. Gem. § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB kann der Kindesunterhalt nur vom Vater im eigenen Namen geltend gemacht werden. Die Eltern der Antragstellerin sind verheiratet und leben voneinander getrennt. Auch liegen die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB vor. Die elterliche Sorge für die Antragstellerin steht beiden Elternteilen gemeinsam zu und das Kind lebt beim Vater.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird die Regelung des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB nicht von §§ 1714, 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB verdrängt. Im Ausgangspunkt zutreffend kann der Elternteil, der das Kind in Obhut hat auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge vor Ehescheidung eine Beistandschaft nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB beantragen. Dadurch tritt allerdings nicht die von der Beschwerde gewünschte Folge ein, nämlich dass das Kind seine Unterhaltsansprüche bei Getrenntleben seiner Eltern im eigenen Namen geltend machen kann.

Die Frage ist umstritten. Das OLG Stuttgart nimmt in seinem Beschluss vom 9.10.2006 (17 UF 182/06, juris = JAmt 2007, 40) an, dass die Bestellung des Beistands die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB verdrängt. Näher begründet wird diese Auffassung nicht. Es wird vielmehr auf eine Kommentarstelle im Münchner Kommentar zum BGB und auf ein DIJuF-Rechtsgutachten vom 10.5.2002 verwiesen (OLG Stuttgart aaO. juris Rn. 7, so auch PWW/Friederici, 7. Auflage 2012, § 1713 Rn. 10, Palandt/Götz, 73. Auflage 2014, § 1713 Rn. 3 und zuvor Palandt/Diederichsen, 68. Auflage 2009, § 1716 Rn. 2).

Das OLG Celle (Beschluss vom 8.5.2012, 10 UF 65/12, juris = NJW-RR 2012, 1409) und zuvor das AG Regensburg (Urteil vom 23.4.2003, 2 F 1739/02, juris = JAmt 2003, 366) haben dagegen die Auffassung vertreten, dass eine Beistandschaft nach § 1713 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB vorliegen (so auch Hamdan, in: jurisPK-BGB, § 1629 Rn. 75; Zöller/Lorenz, 30. Auflage 2014, § 234 FamFG Rn. 5; ausführlich begründend: Staudinger/Rauscher, 2014, § 1713 Rn. 6c).

Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung (Beschluss vom 18.2.2013, 11 WF 16/13) auf und folgt der letztgenannten Auffassung mit der Folge, dass nicht das Kind, sondern der Elternteil Beteiligter im Unterhaltsverfahren wird. Zweck des § 1629 Abs. 3 S. 2 BGB ist es, das Kind aus dem elterlichen Konflikt über die mit der Trennung verbundenen Auseinandersetzungen, zu denen auch die Geltendmachung des Kindesunterhalts gehört, herauszuhalten. Dadurch wird in einem gerichtlichen Kindesunterhaltsverfahren das Kind gerade kein Beteiligter und es kommt nicht zu einer Vertretung desselben durch den Beistand. Die mit § 234 FamFG zugunsten des Beistandes entschiedene Vertretungsbefugnis innerhalb des Verfahrens kommt danach nicht zum Zuge, denn der Beistand kann nur im Namen des Kindes handeln und nicht im Namen des Elternteils. Die Erweiterung der Beistandschaften auf Kinder für die ein gemeinsames Sorgerecht besteht durch Schaffung des § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB lässt nicht erkennen, dass damit ein Hineinziehen des Kindes in die elterlichen Auseinandersetzungen gewünscht gewesen ist.

Als Folge dieses Ergebnisses wird die Beistandschaft für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bei gemeinsamem Sorgerecht auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Der Beistand kann außergerichtlich auch in den Fällen des § 1629 Abs. 3 BGB für das Kind tätig werden, da die zwingende Geltendmachung der Unterhaltsansprüche durch den Elternteil allein im gerichtlichen Verfahren besteht (MüKo-Huber, 6. Auflage 2012, § 1629 Rn. 84). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bei gemeinsamer elterlicher Sorge nach Scheidung oder in den Fällen nicht verheirateter Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht als Beistand in Unterhaltssachen auch gerichtlich tätig zu werden.

Die Abweisung des Antrags erfolgt als unzulässig (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8.5.2012, 10 UF 65/12, juris = NJW-RR 2012, 1409).

Das Jugendamt hat als vollmachtloser Vertreter die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.4.2012, 10 UF 65/12, juris Rn. 16), § 243 FamFG. Abweichend von dem vom OLG Celle entschiedenen Fall liegen zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Beistandschaft vor. Insbesondere befindet sich das Kind in der Obhut des die Beistandschaft beantragenden Elternteils, hier des Vaters. Dennoch umfasst die Vertretungsmacht nicht die gerichtliche Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gem. § 76 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, nachdem von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abgewichen wird.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes richtet sich nach § 51 Abs. 1, 2 FamGKG.