Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.04.1990, Az.: 2 U 145/89
Kündigungsschadensersatz infolge fristloser Kündigung des Leasingvertrages wegen Zahlungsverzuges ; Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen ; Finanzierungsleasingvertrag als Umgehungsgeschäft bei Übertragung der Sachsubstanz des Leasinggutes auf den Leasingnehmer bei störungsfreiem Verlauf als Zielsetzung des Vertrages
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 11.04.1990
- Aktenzeichen
- 2 U 145/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 19487
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1990:0411.2U145.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 14.04.1989 - AZ: 3 O 395/88
Rechtsgrundlagen
- § 138 Abs. 1 BGB
- § 6 AbzG
Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung und die Anschlußberufung der Klägerin wird das am 14. April 1989 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt,
- 1.
an die Klägerin 4.727,76 DM nebst 12 % Zinsen auf 4.668,12 DM seit dem 20. September 1988 zu zahlen,
- 2.
die Caribic-Kombination 100 W mit 20 UVA-Röhren Soltron und JK-Stereocassettengerät, höhenverstellbar, Nummer 3189001, auf ihre Kosten an den Sitz der Klägerin zu liefern.
Die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwerdce der Beklagten beträgt 6.927,76 DM.
Gründe
I.
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Das Landgericht hat ihre Zahlungsklage zu Unrecht abgewiesen. Sie kann aus ihr von der Leasinggeberin, der ... Handels- und Vermietungs-Gesellschaft in ... wirksam abgetretenem Recht von der Beklagten die Bezahlung rückständiger Leasingraten und sogenannten Kündigungsschadensersatzes infolge fristloser Kündigung des Leasingvertrages wegen Zahlungsverzuges sowie sonstiger Nebenkosten (Mahnkosten, Rücklastschriftkosten, Mehrwertsteuer) in Höhe von insgesamt 4.727,76 DM verlangen. Der Leasingvertrag ist weder wegen Sittenwidrigkeit nichtig noch als verdecktes Abzahlungsgeschäft widerrufbar.
1.
Die Klägerin beanstandet mit Recht die Auffassung des Landgerichts, der der Klageforderung zugrundeliegende Leasingvertrag sei in Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ratenkreditverträgen gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sich aus der Summe der vertraglich vereinbarten Leasingraten (13.595,40 DM) eine Verzinsung des von der Leasinggeberin eingesetzten Kapitals (5.994,99 DM) von etwa 31,7 % ergebe, die den marktüblichen Zins für Ratenkredite im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von 10,16 % um etwa 200 % übersteige. Die Anwendung der Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Darlehnsverträgen auf einen Finanzierungs-Leasingvertrag, für die sich in einer, soweit ersichtlich, vereinzelt gebliebenen Entscheidung das Oberlandesgericht Karlsruhe ausgesprochen hat (NJW-RR 1986, 217 f [OLG Karlsruhe 24.10.1985 - 9 U 71/84]) und die auch von der Beklagten befürwortet wird, ist aus Rechtsgründen abzulehnen (vgl. OLG München/Augsburg, NJW 1981, 1104; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1988, 243 f [OLG Saarbrücken 10.11.1987 - 7 U 22/86]).
Der Finanzierungs-Leasingvertrag ist kein Darlehnsvertrag. Er ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat seit langem angeschlossen hat, als Mietvertrag einzuordnen (vgl. BGHZ 71, 189 (192 ff)[BGH 05.04.1978 - VIII ZR 42/77]; 97, 135 (139) [BGH 19.02.1986 - VIII ZR 113/85]; BGH NJW 1989, 460 (461) [BGH 02.11.1988 - VIII ZR 121/88][BGH 02.11.1988 - VIII ZR 121/88]). Daran ändert auch die Finanzierungsfunktion des Leasinggebers nichts.
Richtig ist zwar, daß die wesentliche Aufgabe des Leasinggebers in wirtschaftlicher Hinsicht in der bloßen Finanzierung der Gebrauchsnutzung durch den Leasingnehmer liegt, was typischerweise dazu führt, daß der Leasinggeber die Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer nach kauf rechtlichem Vorbild überwälzt. An dieser interessentypischen Bewertung von Finanzierungs-Leasingvertragen hat sich anfangs auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert (vgl. Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 3. Aufl. 1987, Rnrn. 32 ff, Seite 22 ff, m.w.Nachw.). Mit zunehmender dogmatischer Absicherung solcher Verträge ist dann aber das bis dahin im Vordergrund stehende Finanzierungsinteresse des Leasinggebers durch seine als "Hauptpflicht" erkannte Pflicht zur Gebrauchsüberlassung einer funktionstüchtigen Leasingsache, entsprechend dem mietvertraglichen Vorbild, verdrängt worden. Nunmehr bilden der Sacherwerb durch den Leasinggeber und die Gebrauchsüberlassung an den Leasingnehmer den zentralen Vertragsinhalt des Leasingvertrages mit der Folge, daß die Verschaffung einer mangelfreien Sache eine Hauptpflicht des Leasinggebers ist (vgl. BGH NJW 1986, 179 [BGH 09.10.1985 - VIII ZR 217/84]). Nachdem der Leasinggeber die Leasingsache vom Lieferanten, Hersteller oder Händler, seine Finanzierungsfunktion erfüllend, erworben hat, dominiert eindeutig seine Hauptflicht zur Gebrauchsüberlassung an den Leasingnehmer. Diese Pflicht korrespondiert mit den mietvertraglichen Verpflichtungen aus den §§ 535 ff BGB und läßt keinen Raum, den Finanzierungsaspekt des Leasingvertrages derart zu verselbständigen, daß Parallelen zu Ratenkreditverträgen gezogen werden.
Daraus folgt für die Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Finanzierungs-Leasingvertrages nach § 138 BGB, daß sich das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, aus dem sich die Sittenwidrigkeit ergeben soll, auf die Pflicht des Leasinggebers zur Gebrauchsüberlassung der Leasingsache und die dafür von dem Leasingnehmer zu entrichtende Leasingrate beziehen muß. Dagegen ist nicht der Kapitaleinsatz des Leasinggebers, der nur eine betriebswirtschaftliche Größe, aber keine Vertragsschuld gegenüber dem Leasingnehmer ist, in ein Verhältnis zum vereinbarten Entgelt des Leasingnehmers zu setzen. Zutreffend ist deshalb in dem vom. Landgericht angeführten Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Juni 1987 - 7 U 15/87 - (Bl. 47 ff d.A.) darauf abgestellt worden, daß Vergleichsmaßstab dafür, ob Leasingraten das im Geschäftsverkehr übliche Entgelt in sittenwidriger Weise übersteigen, nur das im Leasinggeschäft übliche Entgelt sein kann. Demzufolge hätte die Beklagte den Vorwurf der Sittenwidrigkeit ihres Leasingvertrages durch den Nachweis zu belegen versuchen müssen, daß Bräunungsgeräte der von ihr gemieteten Art von anderen Leasingfirmen zu wesentlich günstigeren Monatsraten vermietet worden seien. Dazu hat sie, wie das Landgericht richtig festgestellt hat, nichts vorgetragen. Auch in der Berufungsinstanz hat sie ihr Vorbringen, von ihrem Standpunkt aus folgerichtig, insoweit nicht ergänzt. Ein wie auch immer geartetes Zurückgreifen auf die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Darlehnsverträgen, das die Vorinstanz für gerechtfertigt hält, scheidet aus den vorangegangenen rechtlichen Erwägungen aus.
Der BGH hat, soweit bekannt, diese Grundsätze ebenfalls nicht als Prüfungsmaßstab im Leasingrecht herangezogen. Zutreffend weist das Oberlandesgericht Saarbrücken (a.a.O.) in diesem Zusammenhang auf den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hin (NJW 1987, 2082 [BGH 11.03.1987 - VIII ZR 215/86]), in dem durch die Leasingraten "eine möglicherweise hohe "Verzinsung" des eingesetzten Kapitals erreicht wird", ohne daß die Frage der Anwendbarkeit des § 138 BGB aufgeworfen worden wäre. Auf dieser Linie liegt auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1989 (WM 1990, 23 ff [BGH 08.11.1989 - VIII ZR 1/89]), wonach der Leasingnehmer bei einem auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Finanzierungs-Leasingvertrag, der nicht gekündigt wird, die vereinbarten Leasingraten auch dann weiterzuzahlen hat, wenn die nach dem Vertrag für die Kalkulation der Raten zugrundegelegte Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes abgelaufen ist. Daraus ist zu folgern, daß der Leasingnehmer bei bestehendem Leasingvertrag zur Zahlung der Leasingraten auch dann verpflichtet bleibt, wenn die Summe der gezahlten Raten den Kapitaleinsatz des Leasinggebers einschließlich seines Gewinns übersteigt. Daß dem § 138 BGB eine Grenze setzen könnte, ist nicht zu ersehen. Auch der Mieter kann die Zahlung des Mietzinses für die ihm zum Gebrauch überlassene Mietsache nicht mit der Begründung einstellen, der Vermieter sei durch den bisher entrichteten Zins nun auf seine Kosten gekommen.
2.
Der der Klageforderung zugrundeliegende Leasingvertrag beinhaltet kein verdecktes Abzahlungsgeschäft im Sinne des § 6 AbzG, das die Beklagte mangels Belehrung über ihr Widerrufsrecht noch widerrufen könnte.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt (vgl. etwa Urteile vom 4. Oktober 1989 - 2 U 241/88 - und vom 21. Februar 1990 - 2 U 87/89 -), ist ein Finanzierungs-Leasingvertrag als Umgehungsgeschäft im Sinne von § 6 AbzG anzusehen, wenn er bei seinem. Abschluß darauf angelegt ist, dem Leasingnehmer bei störungsfreiem Verlauf die Sachsubstanz des Leasinggutes auf Dauer zu übertragen. Ein wesentliches, nur durch Ausnahmegründe zu widerlegendes Indiz dafür ist die Einräumung eines Erwerbsrechts zugunsten des Leasingnehmers (vgl. BGHZ 94, 195 (199, 201 ff [BGH 24.04.1985 - VIII ZR 95/84])). Dem steht es gleich, wenn die Leasingsache während der vorgesehenen Vertragszeit jeden Gebrauchswert verliert und dies für beide Partner bei Vertragsschluß erkennbar ist (vgl. BGH a.a.O. Seite 206 ff). Schließlich kann ein dem Leasingnehmer im Leasingvertrag für den Fall der Vertragsbeendigung eingeräumtes Käufer-Benennungsrecht als wesentliches Indiz für ein verdecktes Abzahlungsgeschäft gewertet werden, wenn es für den Leasinggeber verbindlich ist und der Leasingnehmer sich selbst benennen darf (BGH WM 1986, 480 (482 f)). Nach den dem hier zu beurteilenden Leasingvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist ersichtlich keine dieser auf ein Abzahlungsgeschäft hindeutenden Fallgestaltungen gegeben.
a)
Ein Erwerbsrecht des Leasingnehmers begründen die AGB selbst nach eigener - zutreffender - Einschätzung der Beklagten nicht. Sie hat die Leasingsache vielmehr gemäß § 9 Nr. 3 AGB nach Vertragsende zurückzugeben.
b)
Der Leasingvertrag war auch nicht auf einen völligen Verlust des Gebrauchswertes der Leasingsache wahrend der vorgesehenen Vertragsdauer angelegt. Das gilt selbst bei Berücksichtigung des Hinweises der Beklagten auf die ihr durch § 10 AGB eingeräumte Verlängerungsoption. Auf diese kommt es nämlich in diesem Zusammenhang nicht an. Denn bei einem Leasingvertrag wie dem vorliegenden, in dem einerseits eine Höchstdauer von 84 Monaten festgelegt ist, dem Leasingnehmer aber die Kündigung zum Ablauf des 24. Monats offensteht, ist als maßgeblicher Zeitraum, innerhalb dessen die Gebrauchsfähigkeit der Leasingsache aufgezehrt sein müßte, nur die Mindestdauer des Vertrages anzusehen (vgl. BGH WM 1989, 1142 ff). Für den danach hier anzunehmenden Zeitraum von 2 Jahren hat die Beklagte aber eine feststehende und voraussehbare Gebrauchsuntauglichkeit des Leasinggegenstandes nicht behauptet. Das kann sie offensichtlich auch gar nicht, weil sie das gemietete Bräunungsgerät über diesen Zeitraum hinaus benutzt hat.
c)
Auf ein Selbstbenennungsrecht des Leasingnehmers bei Vertragsbeendigung hat sich die Beklagte nicht berufen. Ein solches ist den AGB des Leasingvertrages auch nicht zu entnehmen.
3.
Aus dem mithin wirksamen Leasingvertrag schuldet die Beklagte die drei rückständigen Leasingraten, deren Bezahlung die Klägerin verlangt. Der Zahlungsrückstand berechtigte die Klägerin auf der Grundlage der umfassenden Abtretungserklärung der Leasinggeberin (Bl. 10 d.A.) zur fristlosen Kündigung des Leasingvertrages und zur Geltendmachung des Kündigungsschadensersatzes, dessen Höhe die Beklagte nicht substantiiert bestritten hat. Mahn- und Rücklastschriftkosten sind aus dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges zu ersetzen.
II.
1.
Die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Herausgabe der Leasingsache muß erfolglos bleiben.
a)
Ihre auf § 308 ZPO gestützte Verfahrensrüge ist von vornherin unbegründet. Die Verurteilung im Sinne einer Holschuld ist ein Weniger gegenüber der von der Klägerin geforderten Bringschuld und war deshalb von ihrem Klageantrag in der ersten Instanz umfaßt.
b)
Ein Zurückbehaltungsrecht an der Leasingsache steht der Beklagten nicht zu. Die von ihr dafür vorgebrachte Annahme, der Leasingvertrag sei unwirksam, so daß ihr Bereicherungsansprüche zukämen, ist nach den Ausführungen unter Ziffer I. verfehlt.
2.
Die Anschlußberufung der Klägerin, die sich auf die Rückgabe des Leasinggegenstandes an ihrem Geschäftssitz richtet, ist begründet. Sie hat einen entsprechenden Anspruch nach § 9 Nr. 3 AGB. Diese vorformulierte Klausel begegnet keinen Bedenken (vgl. BGH NJW 1982, 1747 (1748) [BGH 31.03.1982 - VIII ZR 125/81][BGH 31.03.1982 - VIII ZR 125/81]; Wolf/Eckert, 5. Aufl. 1987, Rn 290, Seite 182).
III.
Die Zinsentscheidung ergibt sich aus den §§ 284, 286, 288 BGB i.V.m. § 4 Nr. 2 AGB.
Die Entscheidungen über die Kosten, die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Beschwer beruhen auf den §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 und 546 Abs. 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 546 ZPO) sieht der Senat angesichts der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur rechtlichen Einordnung von Leasingverträgen, mit der er sich mit dieser Entscheidung im Einklang befindet, nicht als erfüllt an.
Streitwertbeschluss:
Die Beschwerde der Beklagten beträgt 6.927,76 DM.