Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.04.1987, Az.: Ss (BZ) 47/85

Unterbleiben der Anzeige des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes; Gelegentliche kurzfristige Vermietung einer Zweitwohnung an Feriengäste; Ausübung eines Gewerbes und private Vermögensverwaltung; Voraussetzungen der Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO); Gewerbebegriff des Steuerrechts; Erfordernis gewisser Intensität des Gewinnstrebens; Erbringung zusätzlicher, über die Nutzungsüberlassung hinausgehender Leistungen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
06.04.1987
Aktenzeichen
Ss (BZ) 47/85
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1987, 17742
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1987:0406.SS.BZ47.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Goslar - 26.03.1985 - AZ: 6 OWi (9) 402 Js 2943/85

Fundstellen

  • MDR 1987, 959 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 1988, 1164-1165 (Volltext mit red. LS)
  • NVwZ-RR 1989, 15 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Ordnungswidrigkeit nach der Gewerbeordnung

In der Bußgeldsache
hat der Senat für Bußgeldsachen
am 6. April 1987
beschlossen:

Tenor:

Auf Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 26. März 1985 zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die den Betroffenen erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

1

Im Einspruchsverfahren gegen den Bußgeldbescheid der Stadt ... - Ordnungsamt - vom 17.12.1984 hat das Amtsgericht ... durch Urteil vom 26.03.1985 gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 100,00 DM festgesetzt, weil er fahrlässig entgegen § 14 Abs. 1 GewO den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes der zuständigen Behörde - dem Ordnungsamt der Stadt ... - nicht angezeigt habe (Ordnungswidrigkeit nach § 146 Abs. 2 Nr. 1 GeWO). Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

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Die Rechtsbeschwerde, die der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 80 Abs. 1 OWiG zugelassen hat, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung des Betroffenen.

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I.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist der in ... berufstätige Betroffene Eigentümer eines in Jahre 1981 auf dem Grundstück ... in ... errichteten Wohnhauses mit zwei Wohnungen. Die im Obergeschoß gelegene, mit Möbeln ausgestattete Wohnung wird von Ihm "manchmal" an Feriengäste vermietet. Im Rahmen der Vermietung der Wohnung stellt er auch Wäsche und Geschirr zur Verfügung. In einem Fenster des Hauses ist von der Straße aus gut sichtbar ein Schild mit der Aufschrift "Ferienwohnung" aufgestellt. Die Wohnung hat der Betroffene nach seinen Angaben in den Jahren 1982 und 1983 nicht vermietet gehabt; im Jahre 1984 vermietete er sie zweimal an Feriengäste in nicht näher festgestellten Zeiträumen. Mit Schreiben vom 24.09.1984 wies ihn das Ordnungsamt der Stadt ... darauf hin, daß die "wechselnde Vermietung von Zimmern an Feriengäste" ein Gewerbe i.S. der Gewerbeordnung darstelle, dessen Beginn nach § 14 Abs. 1 GewO anzuzeigen sei. Das Ordnungsamt forderte ihn zugleich auf, den beigefügten Anzeigenvordruck ausgefüllt zurückzusenden, und wiederholte diese Aufforderung unter Fristsetzung mit Schreiben vom 18.10.1984. Der Betroffene hat die verlangte Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO nicht erstattet, weil er der Ansicht ist, daß er mit der Vermietung der in seinem Hause gelegenen Wohnung an Feriengäste nicht ein Gewerbe ausübe, sondern nur eine Tätigkeit entfalte, die nicht über eine private Vermögensverwaltung hinausgehe; die Vermietung der Wohnung diene lediglich der "Entlastung seiner finanziellen Situation".

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Das Amtsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Ordnungsamt der Stadt ... der Auffassung, daß die kurzfristige Vermietung einer Ferienwohnung an Feriengäste infolge des schnellen Wechsels der Mieter eine Tätigkeit erfordere, die das übliche Maß bei langfristigen Vermietungen überschreite, und die daher im Gegensatz zu der Dauervermietung von Zimmern oder Wohnungen nicht lediglich Verwaltung eigenen Vermögens sei; es handele sich vielmehr um die anzeigepflichtige Ausübung eines Gewerbes.

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II.

Das Urteil kann keinen gestand haben, weil das festgestellte Verhalten des Betroffenen nicht eine Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 GewO begründet hat.

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Nach § 14 Abs. 1 GewO muß derjenige, der den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, dies der für den betreffenden Ort zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Diese Anzeigepflicht dient einer wirksamen Gewerbeüberwachung. Die Anzeige des Beginns einer Gewerbetätigkeit soll der Behörde die Prüfung ermöglichen, ob etwaige gesetzliche Voraussetzungen für den Betrieb des Gewerbes erfüllt sind und ob Bedenken gegen die Zulässigkeit des Gewerbetreibenden bestehen (BVerwG in NJW 1977, 772 [BVerwG 24.06.1976 - I C 56/74] = GewA 1976, 293; Marcks in Landmann/Rohmer GewO 14. Aufl., § 14 Rdn. 6, 7 m.w.Nachw.). Voraussetzung für das Entstehen der Anzeigepflicht ist daher zunächst einmal, daß es sich bei der Tätigkeit, die begonnen wird, um ein Gewerbe in Sinne der Gewerbeordnung handelt. Davon ist das Amtsgericht zutreffend auch ausgegangen. Es ist mit Recht der Auffassung der Verteidigung entgegengetreten, daß eine Verpflichtung des Betroffenen zur Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO deswegen nicht bestanden habe, weil die Vermietung der Ferienwohnung unter Zugrundelegung der Rechtsprechung der Finanzgerichte nicht die steuerrechtlichen Merkmale eines Gewerbebetriebes erfüllt. Gewerberecht und Steuerrecht haben unterschiedliche Aufgaben. Die Gewerbeordnung ist zur Wahrung der durch gewerbliche Tätigkeiten möglicherweise gefährdeten Sicherheit und Ordnung bestimmt. Im Steuerrecht sind dagegen in erster Linie fiskalische Erwägungen maßgebend. Daraus folgt, daß der gewerberechtliche Begriff des Gewerbebetriebes durch den von der Rechtsprechung der Finanzgerichte gebildeten Steuerrechtlichen Begriff des Gewerbebetriebes (für den vergleichbaren Begriff des "Geschäftsbetriebes": § 14 AO 1977) nicht berührt wird; der Begriff des Gewerbes im Sinne der Gewerbeordnung ist mit dem Gewerbebegriff des Steuerrechts nicht identisch (vgl. BVerwG NJW 1977, 772 [BVerwG 24.06.1976 - I C 56/74] - GewA 1976, 293; NJW 1977, 691 [BVerwG 08.10.1976 - VII C 46/74] = GewA 1977, 62; Salewski in Landmann/Rohmer a.a.O. § 1 Rdn. 4; Ambs in Erbs-Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 GewO Rdn. 2, 2 f). Im Gewerberecht ist mithin nur der gewerberechtliche, nicht aber der steuerrechtliche Gewerbebegriff maßgebend.

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Die zu entscheidende Frage, ob der Betroffene mit der Vermietung der im Obergeschoß seines Hauses gelegenen Wohnung als Ferienwohnung an Feriengäste ein stehendes Gewerbe i.S. des § 14 GewO ausübt, kann daher nicht schon mit dem Hinweis verneint werden, daß die Vermietung von Ferienwohnungen einen Gewerbebetrieb im Sinne des GewStG oder im sonstigen steuerrechtlichen Sinne nur dann darstellen würde, wenn dies nach Art einer Fremdenpension geschehe (vgl. u.a. BFH in BB 1984, 1855 m.w.Rspr.-Hinweisen; BFH in NJW 1976, 1863 = BB 1976, 1116; BVerwG in GewA 1982, 101, 102). Bei der Vermietung, die der Betroffene betriebt, handelt es sich gleichwohl nicht um ein Gewerbe i.S. des § 14 GewO.

8

Der Begriff des Gewerbes ist in der Gewerbeordnung nicht näher bestimmt. Nach allgemein anerkannter Auffassung ist Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit im wirtschaftlichen Bereich, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe und bloße Verwaltung eigenen Vermögens (vgl. Kahl in Landmann/Rohmer a.a.O. Einl. Rdn. 32 ff m.w.Nachw.; Ambs a.a.O. § 1 GewO Rdn. 2; BVerwG NJW 1977, 772 [BVerwG 24.06.1976 - I C 56/74]). Im vorliegenden Fall beschränkt sich die festgestellte Tätigkeit des Betroffenen entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auf die Verwaltung eigenen Vermögens und ist daher keine Ausübung eines Gewerbes.

9

Nach allgemeiner Verkehrsanschauung, die auch in § 14 AO 1977 Anerkennung gefunden hat, wird die Vermietung von Wohnungen durch den Hauseigentümer, auch wenn diesem daraus eine Einnahmequelle entsteht, in der Regel nicht als Gewerbe angesehen, weil es sich in solchen Fällen gewöhnlich nicht um eine selbständige Erwerbstätigkeit des Vermieters sondern lediglich um eine ... in den Rahmen der Ausübung seiner Eigentümerrechte fallende allgemein übliche Art der Nutzung des Eigentums am Grundstück handelt (vgl. BGH NJW 1979, 1650; BayObLG MDR 1979, 232). Auch im Gewerberecht ist dementsprechend anerkannt, daß die Vermietung von Grundeigentum im allgemeinen kein Gewerbe sondern nur Verwaltung eigenen Vermögens ist; jedoch können im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, nach denen die Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erhält, hinter der die bloße Nutzung des Vermögens zurücktritt (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer a.a.O. § 14 Rdn. 20; Ambs a.a.O. § 1 GewO Rdn. 2 e Abs. 2; jeweils m.Rspr.-Hinweisen). Ob im einzelnen fall die wirtschaftliche Tätigkeit sich in Rahmen einer bloßen Verwaltung und Nutzung des eigenen Vermögens hält oder diesen überschreitet und daher Betrieb eines stehenden Gewerbes ist, ist somit nach den "Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit" zu entscheiden; wobei dem Zweck des Gewerberechts besondere Bedeutung zukommt. Dabei ist davon auszugehen, daß die Gewerbeordnung ihrer Tendenz nach nicht auf ausgesprochene Bagatellsachen zugeschnitten ist (BVerwG NJW 1977, 772 [BVerwG 24.06.1976 - I C 56/74] = GewA 1976, 293). Danach entfällt die Gewerbemäßigkeit, wenn die Tätigkeit nicht der herkömmlichen Vorstellung von Gewerbe entspricht. Das Gewinnstreben muß eine gewisse Intensität aufweisen, wenn die Gewerbsmäßigkeit bejaht werden soll (BVerwG a.a.O.; Marcks in Landmann/Rohmer a.a.O. I 14 Rdn. 12 m.w.Nachw.).

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Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die Tätigkeit des Betroffenen nicht als Betreiben eines Gewerbes anzusehen. Aus der Tatsache, daß er die Wohnung in seinen Hause als Ferienwohnung an Feriengäste vermietet, folgt zwar, daß seine Vermietungstätigkeit auf einen häufigen Wechsel der Mieter angelegt ist. Das reicht aber nicht aus, um einen Gewerbebetrieb anzunehmen. Die Vermietung einer Ferienwohnung im eigenen Hause erfordert auch bei häufigem Mieterwechsel im allgemeinen nicht eine Verwaltungstätigkeit, die über das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß erheblich hinausgeht. Der Aufwand für die Instandhaltung der Wohnung ist bei ihrer Vermietung als Ferienwohnung ebenfalls nicht wesentlich größer als bei einer Dauervermietung. Umstände, die die Vermieterleistung des Betroffenen als gewerbliche Tätigkeit erscheinen lassen können, sind auch sonst nicht vorhanden. Auf Grund der Urteilsfeststellungen ist es insbesondere auszuschließen, daß der Betroffene bei der Vermietung der Ferienwohnung zusätzliche, über die Nutzungsüberlassung hinausgehende Leistungen erbringt, die den in einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbar sein könnten. Auch ein ins Gewicht fallendes Gewinnstreben des Betroffenen scheidet nach den Feststellungen des Amtsgerichts aus. Auf Grund der Einlassung des Betroffenen ist vielmehr davon auszugehen, daß im Vordergrund seines Handelns nicht eine Vermögensvermehrung sondern das Interesse des Eigentümers am Erhalt eines finanziellen Beitrages zu den Kosten für den Werterhalt und zu den sonstigen mit dem Eigentum verbundenen Unkosten steht. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ist somit festzustellen, daß sich die Tätigkeit des Betroffenen im Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung hält. Im Hinblick auf den geringen geschäftsmäßigen Umfang, den die Vermietung der Ferienwohnung im eigenen Hause erfordert, liegt auch keine wirtschaftliche Betätigung des Betroffenen vor, die als "Gewerbe" behördlicher Überwachung bedarf.

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Da der Betroffene den Betrieb eines stehenden Gewerbes im Sinne der Gewerbeordnung nicht begonnen hat, ist er auch nicht zu einer Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO verpflichtet. Die Entscheidungen des BVerwG vom 25.02.1976 (GewA 1976, 170) und von 24.06.1976 (GewA 1976, 293), auf die sich das Amtsgericht bezogen hat, betreffen Fälle der gewerblichen Vermietung von Appartements bzw. von Standplätzen eines Dauer-Campingplatzes, bei denen die Gewinnerzielungsabsicht des Vermieters sowie der geschäftsmäßige Umfang der Tätigkeit die Annahme einer reinen Vermögensverwaltung ausschloß und eine gewerbsmäßige Betätigung des Vermietens nicht ernstlich zweifelhaft sein konnte. Diesen Entscheidungen liegen mithin Sachverhalte zugrunde, die entscheidende Unterschiede zu dem hier vorliegenden Fall aufweisen.

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III.

Der Betroffene mußte somit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils von dem gegen ihn mit dem Bußgeldbescheid vom 17.12.1984 erhobenen Vorwurf freigesprochen werden.

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Die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse zur Last.