Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.1986, Az.: 4 A 142/84
Überleitungsanzeige; Bescheid; Ersetzung; Behörde; Rechtsbehelf; Widerspruch; Härtefall; Sozialhilfe; Pflegegeld; Pflege; Einkommenssteuer; Freibetrag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.10.1986
- Aktenzeichen
- 4 A 142/84
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 12828
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1986:1008.4A142.84.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 15.06.1984 - AZ: 4 A 540/82
- nachfolgend
- BVerwG - 27.06.1991 - AZ: BVerwG 5 C 2/87
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 15. Juni 1984 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger sind die Eltern der im Jahre 1949 geborenen ... (im folgenden: Hilfeempfängerin), die geistig behindert ist. Nach einem Bericht der Nervenklinik der Universität Göttingen leidet sie an einer Störung der geistigen Entwicklung mit psycho-motorischen Anfällen nach Encephalopathie. Sie lebt seit ihrer Geburt bei ihren Eltern, die sie pflegen. Seit 1973 besucht die Hilfeempfängerin (jetzt: auf Kosten des Landessozialamtes Niedersachsen) eine Tagesbildungsstätte. Die Beklagte gewährt ihr das pauschalierte Pflegegeld nach § 69 Abs. 3 BSHG, das sie wegen der teilstationären Unterbringung der Hilfeempfängerin kürzt. Seit dem 10. Juli 1980 erhält die Hilfeempfängerin Hilfe zum Lebensunterhalt.
Mit Bescheiden vom 19. Februar 1981, 24. April 1981 und 7. April 1983 leitete die Beklagte den Unterhaltsanspruch der Hilfeempfängerin gegen die Kläger auf sich über. Die Kläger legten gegen den am 10. März 1981 abgesandten Bescheid vom 19. Februar 1981 am 7. April 1981 Widerspruch ein, den der Landkreis Göttingen mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1982 als unbegründet zurückwies. Die Bescheide vom 24. April 1981 und 7. April 1983 haben die Kläger nicht mit dem Widerspruch angegriffen.
Am 27. Dezember 1982 haben die Kläger Klage erhoben und ausgeführt: Die Überleitung des Unterhaltsanspruchs bedeute für sie eine Härte. Sie hätten ihre Tochter über 30 Jahre lang unterhalten und gepflegt, ohne Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen; der Unterhalts- und Betreuungsbedarf ihrer Tochter liege weit über dem Durchschnitt; die Familie lebe wegen der Behinderung ihrer Tochter in familiärer Abgeschiedenheit. Sie, die Kläger, müßten bei geöffneter Schlafzimmertür schlafen, weil ihre Tochter oftmals nachts Krämpfe bekomme. Wenn ihre Tochter, was nicht geplant sei, in einer stationären Einrichtung untergebracht würde, müßten sie, die Kläger, zu deren Lebensunterhalt nicht mehr beitragen. Sie seien aber mindestens ebenso betroffen wie Eltern in gleicher finanzieller Situation, die ihr erwachsenes Kind vollstationär untergebracht hätten.
Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung der Kläger gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Es hat gemeint: Die Kläger würden durch die Heranziehung schlechter gestellt, als wenn sie ihre Tochter in einem Heim leben ließen. Sie müßten an die Beklagte durch die Überleitung letztlich einen Betrag leisten, der höher sei als das Pflegegeld, das die Beklagte bewilligt habe. Dieser Nachteil widerspreche dem mit der Gewährung des Pflegegeldes verfolgten Ziel und beeinträchtige die Pflegebereitschaft der Pflegepersonen.
Gegen das ihr am 23. Juli 1984 zugestellte Urteil vom 15. Juni 1984 wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 21. August 1984, mit der sie vorträgt: Im Bundessozialhilfegesetz seien Familien- und Heimpflege geregelt. Daran schlössen sich verschiedene unterhaltsrechtliche Folgerungen an. Es sei nicht zulässig, diese Entscheidung des Gesetzgebers dadurch zu unterlaufen, daß bei typischen Fallgestaltungen eine Härte im Sinne von § 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG angenommen werde. Eine solche Betrachtung führe bei Familienpflege praktisch dazu, daß das Pflegegeld aufgestockt werde, wenn ein volljähriger Hilfeempfänger neben dem Pflegegeld laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalte, obwohl seine Eltern in guten Einkommens- oder Vermögensverhältnissen lebten. Eine Härte könne nur in wirklichen Ausnahmefällen vorliegen. Das könne beispielsweise angenommen werden, wenn die Pflege eines Hilfeempfängers einen außergewöhnlich großen Umfang habe. Eine solche Pflege benötige die Hilfeempfängerin nicht. Auch sei zu würdigen, daß der Vater der Hilfeempfängerin hohes Einkommen erziele.
Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bekräftigen ihren Standpunkt und verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Senat darf die Überleitungsanzeigen vom 19. Februar 1981, 24. April 1981 und 7. April 1983 in der Sache prüfen, weil keine dieser Verfügungen unanfechtbar (bestandskräftig) geworden ist. Es ist anerkannt, daß es eines erneuten Rechtsbehelfs nicht bedarf, wenn eine Behörde einen angefochtenen Bescheid durch einen anderen - inhaltsgleichen - Bescheid ersetzt. So aber ist die Beklagte mit dem Erlaß ihrer Bescheide vom 24. April 1981 und 7. April 1983 verfahren.
Soweit die Überleitungsanzeigen die Klägerin betreffen, ist deren Klage schon deshalb begründet, weil das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs nach objektivem (materiellem) Recht offensichtlich ausgeschlossen ist ("Negativ-Evidenz"). Denn ersichtlich verfügt die Klägerin nicht über Einkommen, aus dem sie die Hilfeempfängerin unterhalten könnte, und auch nicht über Vermögen.
Auch die an den Kläger gerichteten Überleitungsanzeigen erweisen sich als rechtswidrig. Seine Inanspruchnahme ist eine Härte im Sinne von § 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG. Damit scheidet zwar seine Heranziehung nicht von vornherein aus, weil der Träger der Sozialhilfe von der Inanspruchnahme eines nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen in Härtefällen lediglich absehen "soll". Eine (Teil-)Heranziehung des Klägers ist also nicht ohne weiteres ausgeschlossen. Gleichwohl sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil die Beklagte ihre Entscheidung unter Annahme unzutreffender rechtlicher Voraussetzungen getroffen hat.
§ 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG steht in Zusammenhang mit den vorangehenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über den Schutz eines nach dem bürgerlichen Recht Unterhaltspflichtigen. § 91 Abs. 1 BSHG soll gewährleisten, daß die Inanspruchnahme des nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung seiner Lebensgrundlage führt. Die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht geht der Sozialhilfe im Range vor (§ 2 BSHG). Dennoch sollen die sozialen Vergünstigungen, die das Bundessozialhilfegesetz dem Hilfeempfänger gewährt, nicht einseitig im Wege der Heranziehung zu Lasten der Unterhaltsverpflichteten gehen. Kein anderes Ziel verfolgt die Härtevorschrift des § 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG.
Bei der Bestimmung des Begriffs der Härte bieten die Regelbeispiele des § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG einen Anhalt. Hinsichtlich des Gesetzeszweckes folgt aus dem Hinweis "er soll vor allem von der Inanspruchnahme .... absehen, soweit einem Behinderten, einem von einer Behinderung Bedrohten oder einem Pflegebedürftigen nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe für Behinderte oder Hilfe zur Pflege gewährt wird", daß hierin ein Schwerpunkt der Schutzvorschrift liegt. Durch die Worte "vor allem" kommt dabei zum Ausdruck, daß die genannten Härtefälle nur als - besonders bedeutsame - Beispiele genannt sind. Damit sind andere als in § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG genannte Gründe nicht von vornherein ausgeschlossen; sie müssen jedoch vergleichbar gewichtig sein. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt diese aus Wortlaut und Regelungszusammenhang gefundene Auslegung. Die Fassung des § 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG beruht auf einem Vorschlag des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (BT-Drs. 7/1511). Der Ausschuß hielt es für erforderlich, den Fall besonders hervorzuheben, daß einem Behinderten oder einem Pflegebedürftigen im Erwachsenenalter Eingliederungshilfe für Behinderte oder Hilfe zur Pflege gewährt werden muß. Die in § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG aufgezählten Beispiele sollen danach den Inhalt der Vorschrift nicht einengen; vielmehr bezweckte der Ausschuß eine bestimmte Gruppe von Unterhaltspflichtigen hervorzuheben und besonders zu schützen.
Kennzeichnend für die "Regelbeispiele" sind die Dauer und Schwere des Leidenszustandes; bei einer prognostischen Betrachtung ist mit einer Änderung des Leidenszustandes in der Regel nicht zu rechnen. Denn Eingliederungshilfe wird nur den Personen gewährt, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind (§ 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung kann sie gewährt werden (§ 39 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Nach § 68 Abs. 1 BSHG erhalten nur die Personen Hilfe zur Pflege, die infolge Krankheit oder Behinderung so hilfslos sind, daß sie nicht ohne Wartung und Pflege bleiben können. Erhalten die genannten Personen die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, umfaßt die Eingliederungshilfe und die Hilfe zur Pflege auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt (§ 27 Abs. 3 BSHG).
Wird ein Kind, welches das 21. Lebensjahr vollendet hat, zu Hause betreut, und ist ein solches Kind behindert und pflegebedürftig, so unterscheiden sich Schwere und Dauer des Leidenszustandes nicht von dem Zustand eines Hilfeempfängers, der in einem Heim oder einer Einrichtung lebt. Die Lebenssituation des Unterhaltspflichtigen ist in dem genannten Fall gleichartig. Es liegen also gleichgewichtige Gründe vor, die die Annahme einer Härte rechtfertigen. Diesen Überlegungen läßt sich nicht entgegenhalten, hierdurch werde die Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufen. Vielmehr zeigt sich im Lichte der Entstehungsgeschichte, daß der Gesetzgeber gerade eine "großzügige" Ausnahmeregelung schaffen wollte; denn er hat durch die von ihm angeführten Beispiele deutlich gemacht, wie er die Ausnahmeregel verstanden wissen will. Auch eine Verengung des Anwendungsbereichs auf Fälle der außergewöhnlichen Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 BSHG ist der Vorschrift nicht zu entnehmen.
Das gefundene Ergebnis sichert, daß dem Schutzgedanken des § 91 BSHG ausreichend Rechnung getragen wird. Die sozialen Vergünstigungen des Bundessozialhilfegesetzes kommen damit auch dem zugute, der ein erwachsenes Kind zu Hause pflegt, so daß der Leitvorstellung des § 91 Abs. 3 BSHG entsprochen wird. Bei einer Inanspruchnahme in Fällen häuslicher Betreuung müßten die vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 58, 209 [BVerwG 12.07.1979 - 5 C 35/78]) bezeichneten sozialen Belange vernachlässigt werden. Das gilt zumal dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete vor dem Eintreten der Sozialhilfe den Hilfesuchenden weit über das Maß seiner Unterhaltspflicht hinaus betreut und gepflegt hat (vgl. BVerwG, aaO unter Hinw. auf die Empfehlungen für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger, Heft 17 der Kleineren Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 2. Aufl. 1978, S. 42).
Nach dem Gesagten trifft die Heranziehung den Kläger hart. Der Kläger hat, zusammen mit der Klägerin, bis Juli 1980 (Zeitpunkt des Beginns der Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt für die Hilfeempfängerin) seine Tochter über 30 Jahre lang gepflegt und betreut. Das Leiden der Hilfeempfängerin ist schwer. Sie bedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Wartung und Pflege auf Dauer, was die Beklagte dadurch anerkannt hat, daß sie ihr das Pflegegeld gemäß § 69 Abs. 3, 4 Satz 1 Halbsatz 1 BSHG gewährt.
Gleichwohl müssen die Träger der Sozialhilfe in Fällen dieser Art nicht stets von der Überleitung absehen. § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BSHG ist als Sollvorschrift gestaltet. Das erlaubt unter besonderen Umständen eine Heranziehung des Unterhaltspflichtigen (vgl. BVerwGE 56, 220).
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß dem Kläger wegen der Behinderung der Hilfeempfängerin Steuervorteile in Form eines Steuerfreibetrages gemäß § 33 b Einkommensteuergesetz zufließen. Derartige Steuervorteile rechtfertigen nach Ansicht des Senats grundsätzlich ein Abweichen von der Soll-Vorschrift des § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BSHG, so daß der Sozialhilfeträger im Rahmen seines ihm eingeräumten Ermessens den Unterhaltspflichtigen in Höhe der Steuervorteile heranziehen kann. Denn das Absehen von der Heranziehung soll den Unterhaltspflichtigen in etwa so stellen, wie er ohne die Behinderung oder Pflegebedürftigkeit des Hilfeempfängers stehen würde; nicht dagegen ist es gerechtfertigt, ihn im Ergebnis besser zu stellen, etwa dadurch, daß ihm, obwohl er Steuervorteile hat, sämtliche finanziellen Belastungen abgenommen werden, die ihm durch den Hilfeempfänger entstehen. Dem läßt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Steuerfreibetrag werde wegen der Behinderung gewährt, also nicht für den Lebensunterhalt. Vielmehr erscheint eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Vorteile und Belastungen gerechtfertigt. Daraus folgt aber zugleich, daß in die Gesamtbetrachtung notwendige Unterhaltsleistungen des Unterhaltspflichtigen einbezogen werden müssen, für die der Sozialhilfeträger nicht aufkommt. Damit sind die Möglichkeiten und die Grenzen der Heranziehung in Fällen wie dem vorliegenden aufgezeigt. Insbesondere ist es nicht geboten, einen Unterhaltspflichtigen wegen des Genusses von Steuervorteilen etwa nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres des Hilfeempfängers heranzuziehen. Das Bundesverwaltungsgericht (aaO) hat zwar für Fälle, in denen die Heranziehung wegen besonders guter Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen gerechtfertigt ist, eine solche Grenze gezogen. Es besteht jedoch keine Veranlassung, diese Rechtsprechung auf die Fälle zu übertragen, in denen die Heranziehung nicht wegen besonders guter Einkommensverhältnisse, sondern wegen der Inanspruchnahme von Steuervorteilen in Betracht kommt.
Wendet man diese Maßstäbe an, so ergibt sich, daß die Inanspruchnahme des Klägers insoweit nicht ausgeschlossen ist, als er wegen des ihm nach § 33 b EStG zugebilligten Freibetrages weniger Einkommensteuer zu entrichten hat. Da er jedoch für die sogenannten einmaligen Bedürfnisse der Hilfeempfängerin, wie etwa Kleidung und Einrichtungsgegenstände, aufkommt, ohne daß die Beklagte dafür eintritt, wäre von der "ersparten" Einkommensteuer ein Betrag von 30 v.H. des Regelsatzes eines Haushaltsangehörigen, der das 21. Lebensjahr vollendet hat, als Pauschbetrag abzusetzen (vgl. dazu Senat, Urt. v. 26. 4. 1985 - 4 OVG A 141/84 -).
Offen kann bleiben, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen die Inanspruchnahme auch dann gerechtfertigt sein kann, wenn der Unterhaltspflichtige hohes Einkommen erzielt. Der Kläger zählt nicht zu diesen Einkommensbeziehern. Das sozialhilferechtlich zu berücksichtigende Einkommen der unterhaltspflichtigen Eltern muß, wenn sie wegen hohen Einkommens herangezogen werden sollen, das Dreifache der maßgebenden Einkommensgrenze übersteigen; der Familienzuschlag für den Hilfeempfänger ist zu berücksichtigen. Diese Grenze hält der Senat mit den Sozialhilferichtlinien Baden-Württembergs (91.17) für gerechtfertigt. In dem vom Bundesverwaltungsgericht (aaO) entschiedenen Fall ist der Träger der Sozialhilfe ebenso verfahren.
Da nach alledem Umstände vorliegen, die den vorliegenden Fall als atypisch erscheinen lassen (verhältnismäßig hohe Steuervorteile), bedeutet das "Soll" kein "Muß". Ein Abweichen von der gesetzlichen Anweisung ist also zulässig. Zugleich folgt daraus, daß die Entscheidung der Beklagten, die den Kläger nach den aufgezeigten Maßstäben in Anspruch nehmen darf, aber nicht muß, ermessensfehlerhaft ist, weil sie von falschen rechtlichen Voraussetzungen (Verneinung einer Härte) ausgegangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2, 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, weil es von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 132 Abs. 2 VwGO), wie die Vorschrift des § 91 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BSHG auszulegen ist.
Jacobi
Zeisler
Atzler