Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.04.2005, Az.: 1 Ws 178/05
Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Ablehnung eines ohne Begründung gestellten Antrages auf Auswechselung des Pflichtverteidigers ; Folgen des Fehlens der Angabe von Sachgründen beim Antrag auf Auswechselung des Pflichtverteidigers; Beschwer durch die Beibehaltung des jetzigen Pflichtverteidigers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.04.2005
- Aktenzeichen
- 1 Ws 178/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 14676
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2005:0420.1WS178.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 01.03.2005 - AZ: 13 Ns 95/05
Rechtsgrundlagen
- § 143 StPO
- § 142 Abs. 1 S. 2 u. 3 StPO
- § 473 Abs. 1 S. 1 StPO
Verfahrensgegenstand
Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis u.a.
Prozessführer
Herrn F ... aus Steinfeld, geboren am ... 1981 in ...
Amtlicher Leitsatz
Eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines ohne Begründung gestellten Antrages, mit dem das Auswechseln des Pflichtverteidigers erstrebt wird, ist mangels Beschwer unzulässig.
In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 20. April 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 1. März 2005, durch den die Vorsitzende es abgelehnt hat, Rechtsanwalt B ... dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beizuordnen, wird - gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Kosten des Angeklagten - als unzulässig verworfen.
Gründe
Dem Angeklagten war im Dezember 2004 auf seinen Wunsch Rechtsanwalt K ... als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Dieser legte gegen die amtsgerichtliche Verurteilung vom 6. Januar 2005 Berufung ein und beantragte und erhielt Akteneinsicht nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe. Unter dem 13. Januar 2005 meldete sich zusätzlich Rechtsanwalt B ... als Verteidiger zur Akte und beantragte ohne Angabe von Gründen, seinerseits dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Mit dem angefochtenen Beschluss ist dieser Antrag mit der Begründung abgelehnt worden, dem Angeklagten sei bereits ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden, die Voraussetzungen einer Zurücknahme der Bestellung nach § 143 StPO lägen nicht vor.
Hiergegen hat Rechtsanwalt B ... namens des Angeklagten Beschwerde eingelegt. Er sieht die Voraussetzungen von § 143 StPO als gegeben an.
Das Rechtsmittel ist unzulässig.
Wie der abgelehnte Antrag so hat auch die Beschwerde ein Auswechseln des Pflichtverteidigers zum Ziel, wobei keinerlei Sachgründe für einen solchen Wechsel angegeben werden. Die Beschwerde ist deshalb bereits mangels Beschwer unzulässig. Der Angeklagte erstrebt eine Rechtsposition, die er schon innehat, nämlich die Verteidigung durch einen Pflichtverteidiger. Da er nicht geltend macht, aus in der Person des bestellten Verteidigers liegenden Gründen oder wegen eines gestörten Vertrauensverhältnisses zu diesem oder aus anderen Sachgründen einen anderen Pflichtverteidiger zu benötigen, sind auch nach seinem eigenen Vorbringen seine Verteidigungsbelange schon derzeit uneingeschränkt gewahrt, zumal er die Bestellung des jetzigen Pflichtverteidiger selbst gewünscht hatte. Durch das Beibehalten dieses Zustandes ist er deshalb nicht beschwert, vgl. OLG Düsseldorf, StV 1997, 576. Der Kritik, die Barton a.a.O. an dieser Entscheidung geübt hat, ist nicht zuzustimmen. Dieser Autor vertritt die Ansicht, ein Angeklagter habe über das Recht, vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers angehört zu werden und einen Verteidiger seines Vertrauens zu benennen, der sodann grundsätzlich vom Gericht zu bestellen ist, hinausgehend auch einen weitergehenden Anspruch darauf, jederzeit einen anderen Pflichtverteidiger zu wählen, sofern kein wichtiger Grund entgegenstehe. Dergleichen ist indessen § 142 Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO nicht zu entnehmen, und zwar weder dem Wortlaut, noch der ratio legis nach. Die Ansicht verkennt namentlich die Bedeutung der mit einem Pflichtverteidigerwechsel in der Regel einhergehende Verzögerung des Verfahrens sowie die zusätzliche Kostenbelastung der Staatskasse, also der Steuerzahler, für die ein sachlicher Grund nicht erkennbar ist. Der Senat bleibt daher bei seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung, die auch ganz allgemein geteilt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 143 Rdn. 3 ff. m.w. Nachw.), dass ein Auswechseln des Pflichtverteidigers nur dann zu erfolgen hat, wenn eine sachgerechte Verteidigung des Angeklagten und/oder ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf ansonsten ernsthaft gefährdet wäre. Dazu zählt etwa neben einer Verhinderung oder Ungeeignetheit des bestellten Verteidigers auch der Fall, dass vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus sein Vertrauensverhältnis zu dem Pflichtverteidiger aus nachvollziehbaren Gründen erheblich gestört ist. Diese Einschränkung des Wahlrechts des Beschuldigten nach erfolgter Pflichtverteidigerbestellung ist auch von Verfassungswegen namentlich dann nicht zu beanstanden, wenn - wie im vorliegenden Fall - bei der ersten Bestellung eines Pflichtverteidigers dem Wahlrecht des Beschuldigten vollauf Genüge getan wurde, vgl. BVerfG Beschl. vom 25.9.2001, Az. 2 BvR 115/2001.
Der Angeklagte beruft sich auch zu Unrecht auf § 143 StPO. Auch aus dieser Vorschrift ergibt sich keine Rechtsposition des Angeklagten, die ihn durch die Beibehaltung des jetzigen Pflichtverteidigers beschwert sein ließe. Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zwar danach zurückzunehmen, wenn demnächst ein anderer Verteidiger gewählt wird und dieser die Wahl annimmt. Dies gilt indessen nur dann, wenn die Verteidigung durch den neuen Wahlverteidiger während des ganzen Verfahrens beabsichtigt und uneingeschränkt zu erwarten ist. Denn dann - und nur dann - entfällt naturgemäß das Bedürfnis für einen Pflichtverteidiger. Anders verhält es sich hingegen, wenn - wie es hier der Fall ist - die Beauftragung eines Wahlverteidigers allein deshalb erfolgt, um sodann die Entbindung des bisherigen Pflichtverteidigers zu erreichen und den Wahlverteidiger in diese Stellung zu bringen. Auf ein solches Auswechseln des Pflichtverteidigers nach seinem Belieben hat der Angeklagte - wie ausgeführt - indessen keinen Anspruch. Ob etwas anderes anzunehmen wäre, wenn ein Pflichtverteidigerwechsel ohne Kostenbelastung und Verfahrensverzögerung beim Wechsel der Instanz erfolgt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.), kann offenbleiben. Denn vorliegend ist der bestellte Verteidiger auch in zweiter Instanz bereits tätig geworden.