Arbeitsgericht Braunschweig
Urt. v. 04.02.2020, Az.: 8 Ca 450/19 E

Höhergruppierung der Tätigkeit als Schulsekretär hinsichtlich Vergütungszahlung

Bibliographie

Gericht
ArbG Braunschweig
Datum
04.02.2020
Aktenzeichen
8 Ca 450/19 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 70434
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 8. Kammer des Arbeitsgerichts B-Stadt auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2020 durch den Richter am Arbeitsgericht Hundt als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn Wesemann und den ehrenamtlichen Richter Herrn Schlegel als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD ab dem 01.12.2018 zu zahlen und ab den jeweiligen monatlichen Fälligkeitszeitpunkten mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. zu verzinsen.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 3.600,00 €.

  4. 4.

    Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten eine Höhergruppierung geltend.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Schulsekretärin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden in der Grundschule Albert-Schweitzer-Schule im Schulzentrum A-Stadt seit dem 15. September 2001 beschäftigt auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30. Juni 2001 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 27. Juli 2012.

Die Grundschule besuchen ca. 400 Schüler.

Zuletzt wurde die Klägerin in der Vergütungsgruppe VII der Fallgruppe 1a BAT im November 2014 eingruppiert, was Entgeltgruppe 5 TVöD entspricht. Die seinerzeitige Eingruppierung erfolgte auf der Grundlage der Stellungnahme der Firma Schneider & Zajontz Consult GmbH, welcher die Beklagte den Auftrag erteilte, die Tätigkeiten der Klägerin zu bewerten im Hinblick auf die Eingruppierung.

Im Hinblick auf die erfolgte Bewertung wird auf die Anlage K5 Bezug genommen.

Derzeit erfolgt die Vergütung der Klägerin nach der Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TVöD-V.

Das aktuelle monatliche Grundgehalt der Klägerin auf der Basis der Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TVöD-V beträgt 2.342,98 €, während das Grundgehalt auf der Basis der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD 2.441,03 € beträgt, was eine monatliche Differenz in Höhe von 98,05 € brutto ausmacht.

Die Stellenbeschreibung der Klägerin anhand der Arbeitsvorgänge stellt sich tabellarisch wie folgt dar:

Nr.ArbeitsvorgängeGesamtprozentsatzGründliche und vielseitige Fachkenntnisse (gv) in %Selbstständigkeit (S) in %
1.Büroarbeiten201010
2.Postverkehr5
3.Materialbeschaffung (Bürobedarf)44
4.Kassen- und Rechnungswesen555
5.Schülerangelegenheiten302010
6.Sachbearbeitung f.d. Personal555
7.Angelegenheiten d. Elternvertretungen2
8.Angelegenheiten d. Fördervereins2
9.Angelegenheiten d. Klasse 20002
10.Administratorische u. organisatorische Aufgaben252520
Ergebnis1006554

Auf die Bewertung seitens der Rektorin gemäß der Anlage K7 wird vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 19. Juni 2019 erfolglos eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD-V geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie in die Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD-V einzugruppieren sei. Ihre Tätigkeit als Schulsekretärin würden gründliche und vielseitige Fachkenntnisse von ca. 65 % erfordern. Sie würde zu 54 % selbstständige Leistungen erbringen. Damit würden die Voraussetzungen für eine Höhergruppierung vorliegen.

Die Klägerin beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD-V ab dem 01.12.2018 zu zahlen und ab den jeweiligen monatlichen Fälligkeitszeitpunkten mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei zutreffend die Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TVöD-V eingruppiert. Hierzu führt sie aus, dass eine wirksame Übertragung von Tätigkeiten durch die Gemeinde A-Stadt als personalverantwortliche Stelle erfolgen könne. Jede der Klägerin übertragenen Tätigkeiten seien abschließend in der Arbeitsplatzbeschreibung von November 2014 gemäß der Anlage K5 aufgeführt. Soweit die Klägerin nach ihren Angaben Tätigkeiten ausübe, die gegebenenfalls eine höhere Eingruppierung zur Folge hätten, sei die Übertragung der von ihr erbrachten Aufgaben nicht mit Zustimmung der für die Personalangelegenheiten zuständigen Stelle erfolgt. Die Einschätzung der Rektorin der Schule zum Schwierigkeitsgrad der Tätigkeiten und erst recht eine von ihr vorgenommene veränderte Arbeitsplatzbewertung, auch wenn diese mit ihrer Unterschrift bestätigt wurde, stelle eine eigenmächtige Übertragung von Aufgaben durch die Schulleiterin dar. Dies könnte ein Anspruch Höhergruppierung allerdings nicht begründen, da sie nicht Dienstvorgesetzte sei. Dies sei der Klägerin auch bekannt. Für die ordnungsgemäße Erfüllung der der Klägerin übertragenen Tätigkeiten seien weder vielseitige Fachkenntnisse noch selbstständige Leistungen im tariflichen Sinne notwendig und würden von der Beklagten auch nicht verlangt.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 11. Dezember 2019 Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD-V ab dem 01.12.2018 zu zahlen und ab den jeweiligen monatlichen Fälligkeitszeitpunkten mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.

Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD-V einzugruppieren.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte sich kraft einzelvertraglicher Bezugnahme bis zum 30. September 2005 nach dem BAT. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen der TVöD/VKA und den Überleitungsbestimmungen des TVÜ-VKA.

Nach § 15 Abs. 1 TVöD erhält der Beschäftigte ein monatliches Tabellenentgelt in Höhe der Entgeltgruppe, in der er eingruppiert ist. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA gelten bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD §§ 22, 23 BAT und die Vergütungsordnung der Anlage 1a zum BAT fort. Gemäß §4 Abs. 1 TVÜ-VKA wird die Vergütungsgruppe nach der Anlage 1 der Entgeltgruppe des TVöD zugeordnet.

Nach dieser Zuordnungstabelle setzt die Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VI b BAT voraus.

Gemäß § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT ist der Angestellte in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht gemäß § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe dann, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt gemäß § 22 Abs. 2 Unterabs. 4 BAT dieses. Arbeitsvorgänge iSv. § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT sind unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten und unter Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsausübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbstständig zu bewertende Arbeitseinheiten der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeiten eines Angestellten. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (BAG 23. August 1995 - 4 AZR 341/94 - AP BAT §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter Nr. 20, zu II 1 der Gründe). Nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT ist maßgebend für die Eingruppierung des Angestellten nicht die von dem Angestellten tatsächlich ausgeübte, sondern die von ihm, nicht nur vorübergehend, auszuübende Tätigkeit. Um welche Tätigkeit es sich dabei handelt, bestimmt sich nach dem Arbeitsvertrag. In den vertraglich gezogenen Grenzen kann der Arbeitgeber durch Ausübung seines Direktionsrechts die vom Angestellten geschuldete, also von ihm auszuübende Tätigkeit konkretisieren (vgl. BAG 26. März 1997- 4 AZR 489/95 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 223, zu II 5.1 der Gründe). Weitergehende Änderungen des Inhalts des Arbeitsverhältnisses bedürfen eines Änderungsvertrags. Eine mit den im Arbeitsumfeld tätigen Kollegen und ggf. auch mit dem unmittelbaren Fachvorgesetzten abgestimmte Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit kann daher ohne, auch nur stillschweigende, Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle des öffentlichen Arbeitgebers einen Anspruch des Angestellten auf Höhergruppierung nicht begründen (vgl. BAG 26. März 1997- 4 AZR 489/95 - BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 223, zu II 5.1 der Gründe). Beansprucht ein Arbeitnehmer Vergütung nach einer höheren Entgeltgruppe, muss er zur Schlüssigkeit seiner Eingruppierungsfeststellungsklage in der Regel nicht nur die von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten darlegen, sondern auch vortragen, wann und in welcher Form der Arbeitgeber ihm die höherwertigen Aufgaben übertragen hat (vgl. BAG 8. März 2006 - 10 AZR 129/05 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Telekom Nr. 3, zu II 1 der Gründe; 26. März 1997 - 4 AZR 489/95 - BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 223, zu II 5.1 der Gründe). Beruft sich ein Arbeitnehmer, dem höherwertige Tätigkeiten durch einen dazu nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften des öffentlichen Arbeitgebers nicht zuständigen Vorgesetzten übertragen sind, auf einen Anspruch auf die für die höherwertige Tätigkeit tariflich vorgesehene Vergütung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes, scheidet die Voraussetzung eines schützenswerten Vertrauens jedenfalls dann aus, wenn der Angestellte die Unzuständigkeit des Vorgesetzten kennt (vgl. BAG 5. Mai 1999 - 4 AZR 360/98 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 268, zu I 1.5.1.2 der Gründe).

Nach diesen Grundsätzen erfüllt die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe VI c BAT.

Unstreitig übt die Klägerin entsprechend der Stellenbewertung gemäß der Anlage K5 in Verbindung mit der Stellenbewertung der Rektorin entsprechend der Anlage K7, aufweiche vollinhaltlich Bezug genommen wird, tatsächlich Tätigkeiten aus, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern und zumindest zu 1/5 selbstständige Leistungen erfordern.

Sofern sich die Beklagte darauf beruft, dass es allein darauf ankommt, welche Tätigkeiten sie der Klägerin übertragen hat, so trifft es zu, dass diesbezüglich unstreitig die Klägerin zutreffend in die Entgeltgruppe 5 Stufe 6 TVöD-VKA eingruppiert wäre.

Zutreffend ist darüber hinaus, dass entsprechend der o.a. Rechtsprechung die für die höherwertige Tätigkeit tariflich vorgesehene Vergütung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes die Voraussetzung eines schützenswerten Vertrauens jedenfalls dann ausscheide, wenn der Angestellte die Unzuständigkeit des Vorgesetzten kennt. Vorliegend war der Klägerin bewusst, dass nicht die Rektorin der Grundschule, sondern allein die Beklagte ihr Aufgaben übertragen konnte.

Im vorliegenden Fall war der Beklagten aber aufgrund der vorgerichtlichen Korrespondenz und auch aufgrund der seitens der Rektorin erfolgten Bewertung bewusst, dass die Klägerin tatsächlich Tätigkeiten ausübt, die nach der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TVöD-VKA zu vergüten sind. Entsprechend hat die Beklagte die Ausübung dieser höherwertigen Tätigkeiten durch die Klägerin über einen längeren Zeitraum hin geduldet. Insofern ist zumindest von einer konkludenten Übertragung dieser höherwertigen Tätigkeiten seitens der Beklagten auf die Klägerin auszugehen.

Daher ist die Klage begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG.

Ein Grund zur gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG liegt nicht vor.

Hundt